Autor Thema: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu  (Gelesen 2479 mal)

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Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #25 am: 16.03.2024 | 09:22 »
Schwer bepackt, aber von Takur gut geführt, bahnten sich die vier ihren Weg aus dem Sumpf, auch wenn Takur selber beinahe in einem Sumpfloch geendet hätte. Reisenden wichen sie aus und boten nach Tagen im Sumpf keinen sehr vertrauenserweckenden Anblick. Die Helden beschlossen, die Papiere zu sichten, ehe sie über das weitere Vorgehen entschieden. Sie kamen vorerst in einem kleinen Dorf unter, auch wenn die Bewohner sie misstrauisch beäugten und möglicherweise selbst etwas zu verbergen hatten. In einer gemieteten Hütte werteten Akira und Ren die Papiere aus, während Luo und Takur - des Lesens unkundig - wechselseitig Wache hielten.
Die Auswertung der Unterlagen gestaltete sich als langwierig. Die Helden sahen ihre Vermutungen bestätigt: Im Laufe der Zeit waren die Soldaten der „verschwundenen“ Wacheinheit versetzt oder im Todesfall nicht abgemeldet worden, um den Sold, die Ausrüstung und Verpflegung zu unterschlagen.
Zwei inzwischen nach Westen versetzte Offiziere schienen die eigentlichen Schuldigen zu sein. Die Familie Guo war offenbar der Hauptprofiteur gewesen. Sollte General Wu davon erfahren, würde dies vermutlich dramatische Konsequenzen für die Offiziere und eventuell auch ihre Familien haben. Die Informationen machten sie damit manipulier- und erpressbar. Zuan Lihua, die letzte zuständige Militärbeamtin, hatte anscheinend versucht, die Ungereimtheiten zu untersuchen, war dann aber gekauft oder durch Drohungen überzeugt worden, bei dem Betrug mitzumachen.
Zusätzlich zu den administrativen Informationen fanden sich auch einige militärische Planungen. Diese waren zwar veraltet, gaben aber einen Einblick in die defensiven Vorbereitungen Zhoujiangs in dieser Region und Überlegungen für die Verteidigung im Fall eines Konflikts mit Kintai.

Die Abenteurer entschieden sich, die Informationen zu den Unterschlagungen an die Familie Ka weiterzugeben. Wenig überraschend war die Aufnahme in der Ka-Sumpfburg diesmal sehr entgegenkommend. Ren und Akira legten die neuen Informationen offen. Sie plädierten dafür, die Informationen zu nutzen, um die Position der Ka zu verbessern und die Guo in Verruf zu bringen, anstatt Fürstin Lui Luli zu diskreditieren. Lady Ka schien das ähnlich zu sehen. Sie ersetzte der Gruppe nicht nur ihre Ausgaben, sondern zeigte sich auch auf andere Weise erkenntlich:
Zum einen stellten sie der Gruppe ein Empfehlungsschreiben für ihre Recherchen in Palitan aus. Wegen der seitens der Ka geknüpften Verbindung nach Selenia hatten sie Kontakte in der Portalstadt. Takur erhielt ein Empfehlungsschreiben der Ka, das ihn vom Stigma des exotischen Fremden befreien sollte. Akiras Appell, die Kooperation mit Kintai zu verbessern, stieß ebenfalls auf bereitwillige Annahme. Ren und Luo hatten mit den Ka potentiell wichtige Verbündete gewonnen, die für die Sache der Kaiserin wirken würden.
Allerdings zeigte sich einmal mehr, dass auch die Abenteurer teilweise unterschiedliche Loyalitäten hatten. Akira gab die in den Dokumenten gefundenen militärischen Informationen insgeheim an die Kintai-Botschafterin Suguri Hanako weiter. Er überließ es ihr, die Ehre dafür einzufahren und sicherte sich damit ihre Dankbarkeit.
Ren ihrerseits nutzte die gewonnene Vertrautheit mit den Ka, um diese als potentielle Verbündete für einen noch vagen Plan zu gewinnen. Sie trat für die Idee ein, dass die Prinzessin Yi positiv gegenüberstehenden Adligen der Region Ehebündnisse mit schwertalbischen Familien anbahnen sollten. Vielleicht könnten auch nachrangigen Kintari-Adlige einzelne Sumpfburgen als Sitz angeboten werden – gerne auf Kosten von Adligen, die mit den Triaden verbündet waren. So würde man hoffentlich wertvolle Verbündete gewinnen. Sowohl die Triaden als auch General Wu mochten es sich zweimal überlegen, einen Konflikt mit Untertanen des mächtigen Kintai zu riskieren. Die Ka waren grundsätzlich interessiert, doch musste so etwas natürlich langfristig vorbereitet werden. Es galt geeignete Partner zu finden, und es musste sichergestellt werden, dass die isolationistische Kaiserin von Kintai dem keinen Riegel vorschob.

Hao erfuhr in den folgenden Tagen mehr über die beunruhigenden Gerüchte zu den „verwehten Seelen“ Timogs. Da in letzter Zeit die Zahl der geistig Verwirrten zugenommen hatte und etliche der Unglücklichen spurlos verschwunden waren, meinten manche, dass sich etwas unter der Oberfläche des Sees rege und dass der aus Kintai geschleuderte Speer Myurikos vielleicht eine Warnung oder Weckruf gewesen sei.
Mindestens ebenso beschäftigte Haos Kollegen in der Unggoy-Kirche allerdings das „Lachende Dutzend“: eine Gruppe Affenpriester, die in der Spinnen- und Katzenprovinz korrupte Beamte, Adlige und Triadenangehörige beraubten und demütigten. Einige von Haos Kolleginnen und Kollegen bewunderten die Bande, andere lehnten ihre Methoden und Vorgehensweise ab oder sahen in ihnen Aufschneider und Betrüger. Hao zählte sich zu den Skeptikern.
Zudem erfuhr sie, dass aus der Affenprovinz ein „Fahndungsaufruf“ an die Priesterschaft des Unggoys gegangen war, der von weiteren Differenzen innerhalb der Kirche zeugte. Gesucht wurde eine rothaarige Albin namens Quinma alias Quiam alias Quiang alias Quiguan alias Quin alias Qiu, die möglicherweise Probleme mit den Behörden hatte. Sie war unbedingt beim nächsten Tempel, aber nicht bei der Obrigkeit zu melden.
Luo, der seine Nachforschungen nach den bewaffneten Gruppen im Sumpf fortgesetzt hatte, konnte abschließend ermitteln, dass es sich bei der Vargin, welche die Abenteurer als mögliche Kommandeurin des Waffenschmuggels identifiziert hatten, möglicherweise um die gefürchtete „Wasserdrachin“ General Wus oder zumindest eine ihrer Kapitänin handelte. Die Bande sollte aus 200 bis 600 Kämpfern auf etwa einem Dutzend leichter Schiffe bestehen.

Dramatischer entwickelten sich die Nachforschungen zu dem magischen Horn, dass die Gruppe kürzlich erbeutet hatte. Eine vertiefte magische Analyse war momentan schwer möglich (zumindest mit den Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten der Helden), aber Ren konnte eine Expertin finden, die die Inschrift des Horns übersetzte. Die Inschrift war in (fehlerfreiem) Ur-Xienyan verfasst, war aber erst in jüngerer Vergangenheit abgeändert worden - abermals in fehlerfreier Syntax und Rechtschreibung. Dies ließ vermuten, dass entweder ein sehr gebildeter Magiewirker oder aber vielleicht ein Untoter aus Esmoda bzw. jemand mit direktem Kontakt nach Esmodea oder einem alten Geist das Horn geschaffen (und modifiziert?) hatte. Die Inschrift war sehr ominös, ging es doch darum „den Schleier zu zerreißen“ und die gerufenen Geister zu unterwerfen. Die Inschrift endete mit einem unheilverkündenden Spruch:

Geist unterwirft sich dem Willen
Macht unterwirft sich dem Willen
Wille ist Macht
Wille ist Geist
Wille ist Alles
Und der Tod nur der Anfang des Dienstes.

Meisterin Yao Kun vermutete, dass das Artefakt einen Nekromantiezauber beinhaltete, vielleicht auch Teil eines Rituals war. Dies weckte natürlich die Besorgnis von Ren. Mit Nekromantie kannte sie sich nicht aus.  Sie hatte zwar von einigen mächtigen Nekromanten gehört, hielt jedoch keinen von ihnen für vertrauenswürdig, um ihn zu befragen. Auch Hao war sehr beunruhigt. Im Fall der Priesterin wurde ihre Sorge dadurch gesteigert, dass ihr magischer Eichhörnchen-Begleiter dem Horn stets fernblieb und über ihre diffuse telepathische Verbindung deutliche Abneigung gegenüber dem Artefakt übermittelte.

Hao wollte unbedingt herausfinden, was das Horn bewirken konnte, während Ren sich Sorgen machte, Tang oder seine ominösen Hintermänner könnten versuchen, es zurückstehlen.
Allerdings schienen die ursprünglichen Besitzer zunächst eine Verhandlungslösung anzustreben. Ein dunkelhaariger Alb suchte Hao und Ren auf.  Seine Tätowierungen legten nahe, dass er zu den 13 Blättern gehörte, einer auf Piraterie spezialisierten Triade, die mehrheitlich aus Exilanten aus Kintai bestand. Er nannte sich selbst Dschiahn, zweifellos ein Tarnname. Im Namen Tangs forderte er das Horn zurück und bot dafür 40 Lunare als Auslöse. Ren und Hao vertrösteten ihn und beschlossen, Rens ursprünglichen Vorschlag aufzugreifen und das Horn der Fürstin von Timog zu übergeben. Sicherlich würde diese über die Möglichkeiten verfügen, das Horn vor dem Zugriff seiner bisherigen Besitzer zu bewahren.

Es gelang den Helden allerdings nicht, eine direkte Audienz bei der Fürstin zu erlangen, und so landeten Hao und Ren bei Sima Yu, dem zwergischen Kanzler. Dieser nahm das Horn entgegen und dankte den Helden, auch wenn er anmerkte, dass sich das Horn leicht als zweischneidiges Geschenk erweisen könnte. Es blieb zu hoffen, dass Sima Yu und Liu Luli mit dem Horn weise umzugehen verstanden. Der Kanzler deutete an, dass die Abenteurer einen Gefallen offen hatten und belohnte sie mit 30 Lunaren. Sie konnten sich zudem mit „großen“ Siegeln (sprich, von einem hochrangigen Beamten) abgestempelte Passierscheine für ihre Reise nach Palitan sichern und erhielten eine Eskorte, die sie und ihre Gefährten aus Timog hinausbegleiten würde.
Noch ehe Dschiahn zurückkehrte, um die Antwort der Helden einzuholen, brachen die Hao, Takur und Akira gen Palitan auf, um einem möglichen Gegenschlag zu entgehen. Auch Ren und Luo verließen die Stadt, wenngleich nicht direkt nach Osten. Sie würden ein Postschiff auf der Fahrt von Osten nach Westen über den Maishi-See begleiten. Da sie auch auf der Rückreise den Wasserweg nehmen wollten, sollte es möglich sein, zu ihren Kameraden aufzuschließen, mit denen sie sich in Baoshi verabredet hatten, an der Ostgrenze der Kranichprovinz. Vorgeblich wählten die beiden diesen Umweg, um etwas zusätzliches Geld zu verdienen und um Spuren für mögliche Verfolger zu verwischen, insgeheim aber auch um eine Nachricht an eine Agentin der Kaiserlichen in Tangtu zu überbringen. Der überhastete Aufbruch erfolgte sehr zu Luos Leidwesen, der einmal mehr sehr überstürzt von seiner Bekannten (und nicht-so-heimlichen Schwarm) Sun Lin Abschied nehmen musste.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #26 am: 6.04.2024 | 17:26 »
Begraben und besiegelt
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Akira, Takur)

Auch wenn die Helden eigentlich gemeinsam gen Palitan aufbrechen wollten, trennten sich ihre Wege mal wieder zeitweilig. Ren und Luo hatten noch eine persönliche Mission zu erledigen, über deren genaues Ziel sie sich jedoch nicht ausführlich äußerten. Akira vermutete, dass es etwas mit ihren Sympathien im zhoujiangischen Bürgerkrieg zu tun hatte. Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass Qui Ruan, der junge Stadtgarde-Offizier, der die Helden aus Timog herausbegleitete, eine gemeinsame Geschichte mit Ren hatte, die beiden peinlich zu sein schien. Die Helden verabredeten, sich in Baoshi zu treffen und von dort die Reise nach Palitan fortzusetzen.

Baoshi sollte nicht nur Treffpunkt und Etappenziel für die Reise nach Palitan sein. In der Stadt lebte Ji Xai, eine weitere der zahlreichen Verwandten Rens, deren Ehemann Yuchi als erfahrener Historiker den Helden für ihre Recherchen in den Kaiserlichen Archiven wertvolle Hinweise und vielleicht auch ein weiteres Empfehlungsschreiben geben konnte. Allerdings warnte Ren, dass man bei der Familie ihren Cousin Luo besser nicht erwähnen sollte. Offenbar hatte er als Leibwächter der Tochter von Ji Xai und Yuchi dahingehend versagt, sie nicht am Umgang mit den „falschen Leuten“ gehindert zu haben. Möglicherweise wollten Ren und Luo auch deshalb erst einmal die anderen Helden „vorschicken“.
Bevor die Helden Timog verließen, verabschiedete sich Akira noch von der Kintari-Botschafterin Suguri Hanako, mit der er in den letzten Wochen ein gutes Einvernehmen entwickelt hatte. Sie gab den Helden ihre Glückwünsche auf den Weg und empfahl Akira, in Palitan Kontakt zur dortigen Botschaft Kintais aufzunehmen. Gleichzeitig warnte sie vor den Intrigen Palitans. Dort würde mit hohen Einsätzen und großem Risiko gespielt…
Als die Helden die Stadt verließen, konnte es sich Takur nicht verkneifen, Qui Ruan zu seinem früheren Verhältnis zu Ren auszufragen. Damit legte er freilich den Finger auf eine allzu frische Wunde. Der junge Offizier reagierte ungehalten auf die unsensiblen Fragen des Jaguarkriegers. Auch wenn Akira versuchte, die Lage zu entspannen, fanden sich die Helden bald alleine auf der Straße wieder.

Die nächsten Tage folgten die Helden der Dammstraße, die durch das Schilfmeer von Timog aus nach Osten führte. Der Bürgerkrieg und das Erstarken der Triaden belasteten den Handel: Überlandreisende, die die Provinzgrenzen passieren wollten, mussten Pässe mit sich führen. Reisende wurden an den Provinzgrenzen, an Wachstationen und durch Straßenpatrouillen kontrolliert. Der damit verbundene Aufwand und Zeitverlust wurde durch die wuchernde Korruption verschlimmert, die sich in „Sonder-“ und „Beschleunigungsgebühren“ für den Warentransport oder die Ausstellung von amtlichen Dokumenten niederschlug. Die Helden selber hatten damit allerdings kaum Probleme: dank ihrer Taten in Timog verfügten sie über gute Papiere und da sie mit leichtem Gepäck und wenig Prunk reisten, gab es bei ihnen nicht viel zu holen.
Allerdings war die Herrschaft der Triaden im Südosten Zhoujiangs offenbar nicht unangefochten: Es kursierten Gerüchte über maskierte Krieger in farbenfrohen Schuppenpanzern, die höherrangige Mitglieder der Triaden und Diener der Göttin Gagamba mit äußerster Brutalität angriffen. Da keiner der Helden den Triaden freundlich gegenüberstand und sie bezüglich der Gagamba-Kirche nach dem Zusammenstoß mit der Spinnenkultistin Kuraiko eine gewisse Skepsis hegten, beunruhigte dies die Abenteurer aber wenig.

Die Reise verzögerte sich für einen Tag, als sich die Helden entschlossen, einem in Not geratenen Händler zu helfen: sein Wagen war in den Sumpf geraten, Krokodile hatten den Zugochsen getötet und nun suchte er nach jemanden, der seine Waren bergen half.   
Die Helden folgten dem Mann zu der Unfallstelle. Tatsächlich fanden sie dort den havarierten Wagen und den Kadaver des Zugtiers. Hao beruhigte mithilfe ihrer Magie das an dem Kadaver fressende Krokodil, schnitt den toten Ochsen los und befestigte ein Seil an dem Wagen. Als ein weiteres Krokodil auftauchte, konnte Takur es mit einem gut gezielten Fackelwurf verscheuchen. Mit vereinten Kräften konnten die Helden den Wagen ein Stück aus dem Sumpf ziehen. Er war allerdings stark beschädigt. Die Helden fehlte das handwerkliche Können, um ihn wieder farbereit zu machen. Sie konnten nur die aufgeladenen Töpferwaren bergen und diese mithilfe von zwei ausgeliehenen Trageseln wegschaffen. Zur Belohnung erhielten sie jeder eine kunstvoll verzierte Teeschale.
Als die Helden an diesem Abend in einer Wegherberge rasteten, wären sie beinahe in eine Auseinandersetzung verwickelt worden: die auf die Triaden gemünzten Spottlieder einer vagierende Musikantin stießen bei einigen Gäste auf wenig Zustimmung. Aber Akira schaffte es mal wieder, die Situation zu entschärfen.

Nach einer Reise von etwa einer Woche erreichten die Helden ihr Etappenziel Baoshi. Die Stadt war etwa halb so groß wie Miari und lag an der Ausmündung des Jadebandes aus dem Maishi-See. Dies verlieh der Stadt wirtschaftliche und strategische Bedeutung. Die Triaden hofften offenbar, mithilfe der hiesigen Streitkräfte und Befestigungen zu verhindern, dass General Wu in das östliche Jadeband vorstoßen konnte. Deshalb hatten sie die Befestigungen Baoshis verstärkt und die Stadt zu einem Flottenstützpunkt ausgebaut. Als Zeichen der Macht – und vermutlich als Beobachtungsposten – schwebte über Baoshi weithin sichtbar ein Fesselballon.
Die Stimmung in der Stadt war lebhaft aber angespannt. Offenbar hatte es in letzter Zeit im Hafen Sabotageanschläge gegen, was die Stadtherrin Liu Xu erzürnt hatte. Die Bevölkerung war wegen des Bürgerkrieges, den zahlreichen Flüchtlingen und der starken Söldnerpräsenz beunruhigt. Aufgrund der Nähe zu Kintai war im Straßenbild zahlreiche Kintari zu sehen. Ungewöhnlicher waren die vielen Kungaitani. Wie die Helden später erfuhren, half Kungaitan den Triaden, die berüchtigten Schildkrötenschiffe zu kopieren. Kungaitanische Söldner verstärkten die Truppen der Triaden und Ausbilder schulten Matrosen in der Handhabung der gepanzerten Schiffe und im Einsatz als Seesoldaten. Alleine in Baoshi hielten sich bis zu 300 Kungaitani auf. Unter ihrer Aufsicht waren mindestens drei Schildkrötenschiffe in Bau. Ein viertes war kürzlich durch Sabotage vernichtet worden.
Viele der Fremdländer traten recht herrisch und arrogant auf, was zur Verärgerung der Einheimischen beitrug. Dazu kamen gelegentliche Spannungen zwischen den in Baoshi befindlichen Kintari und den Kungaitani, standen sich beide Länder doch misstrauisch gegenüber. Auch Akira war angesichts der Präsenz Kungaitans alarmiert. Er hegte wie viele seiner Landsleute mehr als nur leichte Vorurteile. Dass Kungaitan sich als Unterstützer der Triaden im östlichen Zhoujiang zu etablieren schien, war beunruhigend – zumal die Handelsnation auch in dem östlich von Kintai liegenden Sadu mithilfe von Söldnern und Agenten aktiv war. Schwebte den Kungaitani eine Einkreisung des Kaiserreiches Kintai vor? Seine Gefährten trieben solche Fragen weniger um, auch wenn Ren und Luo aufgrund ihrer Loyalitäten im Bürgerkrieg von dieser ausländischen Unterstützung für die Triaden sicher nicht begeistert gewesen wären.
Die Kungaitani betrieben zudem Werbung für das politische System ihrer Händlerrepublik. Die Stadtherrin hatte dies freilich bald unterbunden.

Vorerst kümmerten sich die Helden erst einmal um ihr eigentliches Anliegen: Sie suchten Ji Xai und ihren Ehemann Yuchi auf, um ihnen Grüße von Ren zu übermitteln und um Hilfe für die Recherchen in Palitan zu bitten. Zu letzterem war der Historiker Yuchi gerne bereit. Seine Ehefrau bremste den Enthusiasmus und hatte ihrerseits eine Bitte an die Helden: Ihre Tochter Tian arbeitete als Sekretärin im Bauministerium und stand vor der nur alle drei Jahre stattfindenden Auswahlprüfung für eine der begehrten Stellen als Inspektorin. Natürlich halfen die meisten Kandidaten mit dem ein oder anderen „Geschenk“ nach. Aber das Abschneiden bei den Prüfungen spielte dennoch eine Rolle. Die Helden sollten Tian bei den Prüfungen helfen. Derartige Unterstützung zu suchen was durchaus üblich, da man sich als Beamter auch dabei zu bewähren hatte, Helfer zu rekrutieren (ein Vorrecht des Bauministeriums). Der jungen Beamtin war das Ganze peinlich, aber die Helden willigten gerne ein – auch wenn Akira angesichts der in Zhoujiang wuchernden Korruption einmal mehr Mühe hatte, seine Verachtung zu verbergen. Yuchi sah das offenbar ähnlich, Tians Mutter hingegen hatte eine pragmatische Einstellung.
Die Helden konnten sich in dem geräumigen und gut eingerichteten Familienanwesen einquartieren. Sie waren nicht die einzigen Gäste: offenbar hatten etliche entfernte Verwandte der familie vor den Wirren des Bürgerkrieges in Baoshi Schutz gesucht.

Von Tian erfuhren die Helden mehr über die anstehenden Prüfungen: Diese beinhalteten einen theoretischen und einen praktischen Teil, wobei bei letzterem Baumaßnahmen überwacht oder die Sicherheit eines Gebäude abgenommen werden würde. Zwar hatten die Helden keine Bauerfahrung, aber sie würden Tian bei ihren Vorbereitungen und im Umgang mit renitenten Bauleuten oder Hausbesitzern helfen können – und ein Auge auf die Intrigen möglicher Konkurrenten haben. Die Prüfungen würden unter der Aufsicht der Magistratin Yuwen Lai stattfinden, einer Beamtin, die unter der Triadenherrschaft Karriere gemacht hatte und die – wie bei den Beamtenprüfungen üblich – dem Ritus-Ministerium angehörte. 

In den Tagen bis zum Beginn der Prüfung machten sich die Helden mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut: Sie versuchten einen Überblick von den Baumaßnahmen in der Stadt zu gewinnen. So hofften sie abschätzen zu können, was für eine praktische Aufgabe Tian gestellt werden könnte. Allerdings erregte ihr Herumgefrage wenig Zuneigung bei den Bauleuten.
Auch ein Besuch der Bibliothek verlief nicht ohne Zwischenfall: sie begegneten dort Guo Nan, einer der Hauptkonkurrentinnen von Tian sowie Guo Nans Onkel Guo Dan. Da dieser einen höheren Posten bei der Stadtwache hatte, verfügte er wahrscheinlich über Möglichkeiten und Kontakte, um den Wettbewerb im Sinne seiner Nichte zu beeinflussen…
Angenehmer war die Begegnung mit Tians Freund Rong Lu, einem jungen, gutaussehenden Musikanten – auch wenn Tians Eltern wohl wenig begeistert von dem Umgang ihrer Tochter waren.
Dass die angehende Bau-Inspektorin eine Gerichtsverhandlung gegen eine Architektin besuchte, erwies sich als schlechte Entscheidung: die Angeklagte wurde wegen Pfusch beim Bau von Befestigungsanlagen verbannt, ihr Gehilfe umgehend hingerichtet. Dieses Schauspiel war nicht dazu angetan, Tians Zuversicht zu stärken. Akira gab sein Bestes, um ihr Mut zuzusprechen und mit ihr das Zeremoniell für den folgenden Tag durchzugehen.

Am nächsten Tag wurden die Prüfungen im Palastbereich von Baoshi eröffnet. Neben den Prüflingen auf die verschiedenen offenen Stellen und deren Helfern waren auch zahlreiche Familienangehörige anwesend. Wie in Zhoujiang üblich, waren ein Großteil derer, die sich für die höheren Ämter bewarben, Frauen der Ober- oder Mittelschicht. Die Eröffnungszeremonie fand in Anwesenheit der Stadtherrin statt. Besonders beeindruckend waren die Priesterin Tanglangs, der göttlichen Gottesanbeterin, unter deren Schutz alle überlieferten Riten standen und die die Prüfung mit einem Segen eröffneten. Ihre fremdartigen Masken und Bewegungen faszinierten Akira. Sein Gefährte Takur – der aus seiner Dschungelheimat sehr viel blutigere Riten kannte – ließ sich weniger aus der Ruhe bringen.
Der erhabene Eindruck der Zeremonie wurde im Nachhinein beeinträchtigt, als Guo Dan, der Onkel einer von Tians Konkurrentinnen, versuchte, die Helden mit unverhohlenen Drohungen einzuschüchtern. Tian war wegen ihrer guten Leistungen und vor allem wegen der Vernetzung ihrer Familie offenbar eine der Favoritinnen für den Inspektorinnenposten und Gao Dan wollte diesem Risiko für die Kariere seiner Nichte vorbeugen.
Hao und Tian wurden etwas nervös, aber an Akira und Takur prallten die Drohungen ab. Die Vorurteile des Schwertalben bezüglich der in Zhoujiang (und besonders im Einflussbereich der Triaden) wuchernden Korruption erhielten freilich neue Nahrung – und sollten in den nächsten Tagen noch wachsen.

Die erste Aufgabe Tians war es, in der Bibliothek Material für ihre theoretische Prüfung zu sichten. Auf Vorschlag Akiras begleitete Hao die junge Bausekretärin. Die vermeintliche Routineaufgabe erwies sich schwerer als gedacht: jemand hatte „zufällig“ Teile der Berichte und Vorschriftentexte verlegt, mit denen sich die Prüflinge vorbereiten sollten. Hao half bei der Suche nach den fehlenden Schriftrollen, obwohl ihre eigene Schriftbildung nur durchschnittlich war. Dementsprechend dauerte es deutlich länger als erwartet. Auf dem Rückweg zum Familienanwesen wurden die beiden zudem von ein paar Straßenkindern belästigt und mit faulem Obst beworfen. Hao schaffte es, durch ein paar bissige Bemerkungen die Kinder von Tian abzulenken und dann den meisten der fauligen Wurfgeschosse auszuweichen. Hao und Akira halfen Tian bei dem Sichten der Dokumente. Akira vermutete, dass weitere Sabotageversuche folgen könnten. Während er aus seiner Frustration keinen Hehl machte, nahm Hao das Ganze gelassener. Immerhin handelte es sich nur um lästige Nadelstiche.

Am dritten Tag der Prüfung war die Zeit für die erste praktische Übung gekommen: Tian sollte eine Gerbergasse kontrollieren (einschließlich der dazugehörigen öffentlichen Latrine), die Einhaltung der Bau-, Hygiene- und Brandschutzvorschriften überprüfen und arbeitsfähige Bewohner für einen Einsatz des Bauministeriums rekrutieren. Offenbar wurden angehende Bau-Inspektorinnen nicht gerade auf Rosen gebettet. Die Prüfung sollte sowohl das korrekte Anwenden von Vorschriften als auch die Durchsetzungskraft testen, waren doch weder die Kontrollen noch die schlecht bezahlten staatlichen Arbeitseinsätze beliebt. Tian tat sich etwas schwer damit, bestimmend aufzutreten. Die Helden halfen bei dem Feststellen potentieller Mängel und beim Umgang mit renitenten Anwohnern. Sie machten sich dabei nicht beliebt, zumal Tian und ihre Helfer bei Regelverstößen nicht gegen eine „Aufwandsentschädigung“ durch die Finger sahen. Außerdem mussten sie erfahren, dass der Stadtgardeoffizier Guo Dan die Runde gemacht und die Stimmung gegen die Inspektion geschürt hatte. Langsam wurden seine Sabotageversuche lästig. Hao fand besonders bedenklich, dass Guo Dan so gut über die Aufgaben der Prüflinge informiert war. Besaß er Insiderinformationen aus der Prüfungsleitung?

Der nächste Tag beinhaltete den zweiten Teil der praktischen Übung: mithilfe der am Vortrag rekrutierten Arbeitskräfte sollte die Umfassungsmauer eines aufgegeben Tempels abgerissen werden. Sehr schnell stießen Tian und die Helden auf Schwierigkeiten. Etliche der am Vortag rekrutierten Helfer waren auf einmal „erkrankt“. Eine Untersuchung durch Hao enthüllte, dass die meisten nur simulierten. Leider konnte ausgerechnet der stärkste der Rekrutierten Hao austricksen, was die Leistung des kleinen Abbruchtrupps reduzierte. Beim Abholen der Werkzeuge und Wagen gab es das nächste Problem: einer der Fahrer hatte am Vorabend auf Einladung eines gewissen Stadtgardeoffiziers zu tief ins Glas geschaut und war kaum ansprechbar. Zum Glück sprang Hao als Wagenlenkerin ein, da sie gut mit Tieren umgehen konnte.

Der alte Tempel – eine frühere Kultstätte des kaum noch verehrten Drachenfisches – lag außerhalb der Stadt. Der halb überwucherte Weg zum Tempel wurde von dicken Spinnenweben eingerahmt, die einen etwas bedrohlichen Anblick boten. Die Anlage zeigte deutliche Anzeichen von Verfall. Ein gesigeltes Schreiben am Eingang des ummauerten Areals verkündete, dass der Tempel vom Ritenministerium kontrolliert und seine Umwallung für die Demontage freigegeben worden sei. Den Tempel selber sollte der Bautrupp in Ruhe lassen. Der neben dem Gebäude gelegene Friedhof wurde offenbar noch genutzt, vermutlich für Armenbegräbnisse, Hingerichtete und ähnlich Unerwünschte. Zur Beunruhigung aller hatte jemand – oder etwas? – einige Grabsteine umgestoßen oder zerkratzt. Die Leistung der Arbeiter wurde dadurch nicht gerade gesteigert und auch die Helden sahen sich immer wieder sichernd um. Akira half Tian bei der Koordination der Arbeiter, während Takur beim Abriss der Mauer mit Hand anlegte. Mit vereinten Kräften kamen die Arbeiten dann doch recht gut voran. Hao behielt derweil die Umgebung im Auge.

Es war Takur, dem der goldfarbige Vogel auffiel, der den Tempel von einem nahegelegenen Baum beobachtete. Hao identifizierte das Tier als einen Sonnenvogel. Den Legenden nach tauchten diese Tiere an Orten auf, an denen Unheil drohte, weshalb sie teilweise als Unglücksboten verschrien waren. Das war freilich ungerecht, weil sie das Unrecht nicht herbeiriefen, sondern im Gegenteil es meist zu verhindern suchten. Auf jeden Fall aber verhieß der Vogel eine nahe Gefahr…
Alle waren erleichtert, dass die Abbrucharbeiten an der alten Tempelmauer bereits am Nachmittag beendet werden konnten. Allerdings entschlossen sich die Helden, noch etwas vor Ort zu bleiben, um mehr über das anscheinend drohende Unheil zu erfahren und es vielleicht sogar zu verhindern. Hao musste freilich erst einmal mit dem Bautrupp nach Baoshi zurück, da sie ja einen der Wagen des Bautrupps übernommen hatte. Sie versprach, so bald wie möglich auf ihrem kürzlich erworbenen Zhu-Schreiter zurückzukehren. Tian wollte beim Ritenministerium über das Erscheinen des Sonnenvogels Bescheid geben. Ihren Kameraden war es nicht Recht, dass Hao den Weg zurück zum Tempel würde alleine zurücklegen müssen. Zum Glück gelangte der Bautrupp aber ohne Probleme nach Baoshi, und auch Haos Ritt zurück zum Tempel verlief ohne Probleme. Sie brachte die Rüstungen und Waffen mit, die die Helden in Baoshi zurückgelassen hatten.

Wieder vereint und besser ausgerüstet durchsuchten die Helden die Umgebung des Tempels und die Tempelruine. Sie fanden jedoch nichts Auffälliges. Die Helden beschlossen, am nächsten Morgen noch einmal eine gründlichere Suche vorzunehmen und schlugen ihr Nachtlager unter freiem Himmel auf. Allerdings kamen sie kaum zum Schlafen: der Sonnenvogel wurde nach Einbruch der Dunkelheit immer unruhiger. Und der Wind, der zwischen den Friedhofsteinen und durch das löchrige Dach des Tempels pfiff, erinnerte unangenehm an das Klagen verlorener Seelen. Endgültig war es um den Schlaf geschehen, als Akira und Takur auf dem Friedhof schattenhafte Bewegungen auszumachen meinten. Sie unternahmen allerdings erst einmal nichts, sondern warteten lieber bis zum Morgen.

Sobald es hell wurde, untersuchten die Helden noch einmal den Friedhof. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass bei einem der Mehrfachgräber – vermutlich für Hingerichtete oder im Gefängnis verstobene Strafgefangene – die Erde nicht wie eigentlich zu erwarten eingesunken war, sondern aufgeworfen wirkte. Hao kehrte noch einmal auf ihrem Zhu-Schreiter nach Baoshi zurück, um Werkzeuge für eine Untersuchung der Gräber zu organisieren. Dort erfuhr sie von Ji Tian, dass diese wie versprochen beim Ritenministerium Meldung gemacht hatte. Sie war jedoch abgebügelt worden: Das Erscheinen irgendeines mythischen Vogels sei kein Grund zur Sorge. Der Tempel sei erst kürzlich ordnungsgemäß untersucht worden. Es gäbe von Seiten der Behörden keinen Grund für Untersuchungen oder weitere Maßnahmen. Die Helden waren also auf sich alleine gestellt.
Mit den von Hao organisierten Werkzeugen machten sich Akira und Takur ans Graben. Der Sonnenvogel flog näher und wirkte mit jedem Spatenstich wachsamer, was auch die Helden alarmierte. Der zuerst nur schwache Verwesungsgeruch wurde von Minute zu Minute stärker. Akira versicherte sich, dass sein Schwert locker in der Scheide saß, während Takur seine Glefe neben seinem Arbeitsplatz in den Boden rammte. Bald legten die beiden die erste Leiche frei: den kopflosen Körper des vor wenigen Tagen hingerichteten Baugehilfen. Seltsamerweise war sein Leib bereits extrem stark verwest. Wenige Augenblicke später bemerkte Akira, dass sich der Erdboden wellenartig bewegte, als ob sich darin etwas regte. Er schrie eine Warnung und die Helden griffen zu ihren Waffen – gerade rechtzeitig, bevor vier stark verweste Untote aus dem Erdboden brachen. Der abscheuliche Anblick brachte Hao aus der Fassung und auch die beiden Krieger waren verunsichert und verpatzten ihre ersten Angriffe. Binnen Sekunden musste der ungerüstete Akira einen hässlichen Biss kassieren, während Takur von einem anderen Untoten gepackt wurde. Die verängstigte Hao zögerte, direkt in den Kampf einzugreifen und half ihren in Not geratenen Kameraden mit einem Segensspruch. Nur mit knapper Not entging Takur einer Verwundung, während Akira einen weiteren heftigen Treffer kassierte. Ebenso hilfreich wie Haos Segen war das Eingreifen des Sonnenvogels, der einen der Untoten mit einem magischen Angriff fällen konnte.
Dadurch bekamen die Helden etwas Luft: die nächsten Hiebe Akiras waren zielsicherer und Takur konnte sich befreien. Zusammen mit Haos Eingreifen in den Kampf wendete sich das Blatt und die Angreifer konnten einer nach dem anderen niedergestreckt werden. Hao kümmerte sich um die hässlichen Wunden ihres schwertalbischen Kameraden. Sie befürchtete eine Infektion, gegen die ihre Heilzauber nicht viel ausrichten würden. Nachdem die gefällten Untoten zur Sicherheit alle geköpft und wieder verscharrt worden waren, machte sich die etwas erschütterte Gruppe auf den Weg nach Baoshi. Der Sonnenvogel begleitete sie in einigem Abstand. Offenbar sah er seine Aufgabe als erfüllt an.

In Baoshi machten die Helden bei den Behörden Meldung. Akira sollte sich im Ji-Anwesen isolieren und ein örtlicher Arzt die Wunden begutachten. Bald bestätigte dieser Haos Befürchtung: Akira hatte sich mit Blutfluss infiziert, einer ebenso gefährlichen wie langwierigen Krankheit. Mit Unterstützung eines hinzugezogenen Amtsarztes, Haos und später der in Baoshi eingetroffenen Ren konnte Akira die Krankheit besiegen, die ihn freilich mehrere Wochen niederstrecken sollte.
Damit fiel er auch als Unterstützung für Tian aus, deren Prüfungen inzwischen weitergingen. Hao tat ihr Bestes, die junge Frau zu unterstützten und moralisch aufzubauen.

Noch bevor die Prüfungsergebnisse bekannt wurden, erhielt die Familie Ji Besuch durch die Magistratin und Prüfungsleiterin Yuwen Lai. Diese befand sich in einer etwas unangenehmen Situation: Ihr Ministerium hatte nicht nur die Meldung Tians bezüglich des Sonnenvogels und der drohenden Gefahr ignoriert, sondern zuvor auch den Tempel kontrolliert. Das Erscheinen der Untoten drohte die Beamtin in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Wenig überraschend hatte sie bereits eine Lösung für dieses Dilemma: Wenn die Helden die Situation in ihrem Sinne darstellen und ihren Bericht unterstützten, würden sie nicht nur eine Belohnung erhalten – ihre Kooperation und Tians Rolle dabei würden bei der Prüfungsbewertung „wohlwollend berücksichtigt“ werden. Yuwen Lai brauchte nicht auszuführen, was die Alternative für Tians Karrierehoffnungen wäre, falls die Helden sich als renitent erwiesen.
Wohl oder Übel – im Fall Akiras mit einem deutlichen Zähneknirschen – stimmten die Helden zu. Auch wenn ihnen diese Entscheidung eine Audienz bei der Stadtherrin, eine Belohnung und die Dankbarkeit der Ji-Familie einbrachten, hinterließ die Geschichte zumindest bei Akira einen bitteren Nachgeschmack. Seine gegenüber den anderen Helden unverhohlen geäußerte Verachtung für die Intrigen und Korruption in Zhoujiang verärgerten wiederum Ren. Auch wenn sie die Triaden ebenfalls verachtete, sah sie sich in ihrem Nationalstolz gekränkt und hielt Akiras Glaube an die moralische Überlegenheit Kintais und dessen schwertalbischer Oberschicht für ungerechtfertigt. Natürlich kümmerte sie sich trotzdem um ihren erkrankten Kameraden, aber es gab den einen oder anderen energischen Wortwechsel.

Hao interessierte sich vor allem auch dafür, WARUM die Untoten überhaupt aufgetaucht waren, doch erhielt sie darauf keine befriedigende Antwort. Magistratin Yuwen Lai merkte an, dass der Tempel schon vor einiger Zeit entweiht worden sei – ohne näher darauf einzugehen – und dies vielleicht böse Geister angezogen hätte. So blieb die Angelegenheit ein wenig rätselhaft…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #27 am: 20.04.2024 | 07:26 »
Botschaften und Nebenwege
Maishi-See, Jadeband und Tangtou (Ren und Luo)

Die Aufgabe, ein Postschiff auf der Fahrt über den Maishi-See zu begleiten und zugleich Post für die kaiserlichen Agenten im Grenzbereich von General Wus Einflusssphäre zu schmuggeln, entpuppte sich für Ren Ji und Luo Xi als gefährlicher als vermutet. Die „Schwalbe“ unter Kapitän Hu wurde südlich von Jangmian von einem Piratenschiff angegriffen. Obwohl Luo, Ren und ihre drei Söldnerkollegen erbitterten Widerstand leisteten, wurde das Schiff einzig durch das Eingreifen der „Strahlenden Morgenröte“ gerettet. Dabei handelte es sich um eines der wenigen schweren Schaufelradkriegsschiffe der Kranichprovinz unter dem Kommando von Kapitän Fong. Die arg gerupften Piraten entkamen mit knapper Not. Die beschädigte „Schwalbe“ musste zunächst die eigenen Schäden ausbessern, ehe sie an eine Weiterfahrt denken konnte. Obwohl verwundet, packten die beiden Abenteurer mit an: Luo bei den Reparaturen und Ren, indem sie zwei Schwerverwundete stabilisierte. Nach einem kurzen Verhör der Augenzeugen drehte die „Strahlende Morgenröte“ ab und nahm einige Verwundete mit nach Jangmian, während die „Schwalbe“ ihre Fahrt fortsetzte. Kapitän Hu hatte es nicht nur wegen der Verspätung eilig. Er fürchtete auch, die Piraten könnten zurückkehren. So segelte er auch in der Dunkelheit weiter, bis er Einmündung des Jadebandes in den Maishi-See erreichte. Der hier bereits recht breite Strom war am Süd- wie am Nordufer durch ein Fort gesichert, das von Soldaten Kintais respektive Zhoujiangs (Fraktion Wu) besetzt war. Leuchtfeuer auf beiden Flussufern wiesen jenen den Weg, die töricht genug waren nachts zu segeln.

Die „Schwalbe“ wurde von einem Wachboot der Truppen Wus kontrolliert. Das schmale, flachgehende Segel-/Ruderboot mit ca. 30 Ruderern und Soldaten verfügte über einzelne Flammenlanzen als Bewaffnung. Der kommandierende albische Offizier, Leutnant Lang, überprüfte die Ladung und die Passagiere, ohne dabei – wie in den Triadengebieten üblich - zusätzliche „Gebühren“ oder Gefälligkeiten zu verlangen. Offenbar gab es allerdings eine längere Liste zu besteuernder oder gesperrter Güter. Der Offizier stellte die junge Fähnrich Kin Di mit fünf Soldaten als Begleitschutz bis Tangtou ab, gegen die Widerworte von Kapitän Hu und wohl auch zum Missfallen der Fähnrich. Die beiden Abenteurer überstanden das Verhör ohne Aufsehen zu erregen und wurden mit dem einzigen noch kampffähigen Söldner in den Wachdienst eingebunden. Am nächsten Tag setzte das Schiff die Reise fort. Bei Tage war zu erkennen, dass das Wachfort Platz für mehrere hundert Soldaten bot und mehrere Wachboote sowie eine Kriegsdschunke beherbergte. Zudem verfügte die Festung über mehrere Steinschleudern und ein oder zwei Kanonen.
Luo plauderte mit den beiden Soldaten seiner Wachschicht und erfuhr, dass es sich um frisch rekrutierte Kräfte handelte. Sie beschrieben ihren Kommandeur als kompetent, Kin als etwas pedantisch, und beneideten die Kaperer auf dem Maishi-See um ihren weniger eintönigen und aufgrund von Beuteanteilen auch lukrativeren Dienst.

Die Fahrt das Jadeband hinauf ging aufgrund der Gegenströmung und nur mäßigem Wind nur langsam vonstatten. Der Verkehr auf dem Fluss war rege: Fischerboote, Handelsschiffe und einige Kriegsschiffe passierten die „Schwalbe“. Während Luo in seiner Freiwache mit den Soldaten plauderte, die allerdings von Fähnrich Kin zu ständiger Bereitschaft ermahnt wurden, befragte Kin Ren zu Neuigkeiten aus dem Osten. Ren blieb vage und vermied brisante Themen. Ihrerseits erfuhr sie von der Offizierin einiges zu den Piratenaktivitäten auf dem Jadeband.
Ursprünglich hatte man darauf gehofft, bis zum Abend Tangtou zu erreichen, doch das Schiff lief auf ein Hindernis. Glücklicherweise schlug die „Schwalbe“ nicht leck, lag aber erst einmal fest. Luo nahm es auf sich, tauchend das Hindernis zu erkunden. Offenkundig war hier ein Boot versenkt worden. Da es mit Steinen beladen war, handelte es sich eventuell um eine gezielte Sabotage oder eine improvisierte Sperre. Es gab einige Verletzte an Bord, die Ren mit gemischtem Erfolg behandelte.

Während man erfolglos versuchte, andere Schiffe auf die Notlage aufmerksam zu machen, entschied Fähnrich Kin, einen Läufer um Hilfe loszuschicken. Luos Angebot, diese Aufgabe zu übernehmen, ging nach hinten los, weil er ungewollt die Unteroffizierin beleidigte. So wurde an seiner Stelle ein Matrose gesandt und er zu einer Doppelwache verdonnert. Er schluckte die Kränkung herunter und versah klaglos seinen Dienst, während Ren die Zeit nutzte, sich etwas mit dem Kapitän anzufreunden.
Luo erhielt die Chance, die Scharte auszuwetzen, als er in der Nacht die Schemen näherschleichender Bewaffneter gewahrte. Er alarmierte Fähnrich Kin und die Wachen, doch als die Soldaten sich kampfbereit machten, traten die potentiellen Angreifer sofort den Rückzug an. Luo schoss ihnen hinterher und traf. Eine Nachsuche am nächsten Morgen erbrachte keine eindeutigen Spuren. Luo war aber wieder im Ansehen gestiegen. Gegen Mittag traf ein Patrouillenschiff unter Kapitän Koda ein, welches der Läufer alarmiert hatte. In einem gekonnten Manöver wurde die „Schwalbe“ aus ihrer Notlage befreit. So erreichte das Postschiff endlich (wenn auch mit deutlicher Verspätung) Tangtou. An eine schnelle Rückreise war wegen der Verwundeten und Schäden erst einmal nicht zu denken. Luo und Ren erhielten ihre Bezahlung und machten sich auf, ihre Botschaft zu überbringen.

Tangtou war mit fast 40.000 Einwohnern nach Inani die zweitgrößte Stadt der Provinz der Geflügelten Schlange, die das Herz des Machtbereiches von General Wu darstellte. Wegen der überall verwendeten blauen Dachziegel nannte man sie die „blaue Stadt“. Sie war einerseits ein Wirtschaftszentrum, da sich hier große Schleusenanlagen befanden, um die Wasserfälle des Jadebandes zu überwinden. Zudem war die Stadt als ein künstlerisches Zentrum bekannt. Die kaiserliche Ausstellung und die durch Kreativität und Magie geformten lebenden Bilder wurden weithin gerühmt.
Kontaktfrau der Abenteurer war Liao Duan, eine Albin mit silbernem Haar und mädchenhaften Auftreten. Die Dichterin mit guten Beziehungen zur örtlichen Oberschicht- und Künstlerszene war anfangs etwas misstrauisch, ließ sich aber vom Losungswort und Rens Beredtheit überzeugen und bot den Helden Quartier an. Man tauschte Informationen aus der Kranichprovinz und dem Maishi-See (Ren und Luo) respektive der Provinz der Geflügelten Schlange aus. Wiewohl Loyalistin, konnte Liao nicht umhin, einige Erfolge General Wus anzuerkennen. In der Provinz herrschte Ordnung und die Versorgung war geregelt. Freilich konnten sich „unproduktive Elemente“ schnell im (Zwangs-)Arbeitseinsatz finden, und die verbesserte Schulbildung diente auch der Indoktrination. Detaillierte militärische Informationen besaß die Albin nicht. Die Werften Tangtous waren gut bewacht und so mancher Möchtegern-Spion oder Saboteur hatte angeblich ein schlimmes Ende gefunden. Die Gerüchte über die künftigen Pläne Wus waren widersprüchlich. Diplomatisch hatte Wu keinen Erfolg gegenüber Esmodas gehabt, auch Kintai blieb zurückhaltend – und die Jogdaren waren sein eingefleischter Feind. Zweifellos wurde viel Geld in den Ausbau der Flotte wie der Terrakottakrieger gesteckt, nur was Wu genau damit plante blieb offen. Manche meinten, er wolle gestützt auf moderne Waffen erneut gegen die Jogdaren losschlagen. Angeblich suchte er weiter nach ausländischer Hilfe, unter anderem angeblich in Jagodien, Dalmarien und dem Shahirat Shahandir. Andere mutmaßten, er wolle Druck auf die Fangschreckenprovinz ausüben, um die Grenze zu den Jogdaren zu sichern. Und manche vermuteten, er wolle gen Osten entlang des Jadebandes expandieren. Zwar war er auf dieser Achse bei einem früheren Vorstoß in der Schlacht am Blauen Felsen zurückgeschlagen worden, doch mit einer stärkeren Flotte mochte es diesmal anders laufen. Dafür sprach auch, dass die Oberschicht und das Militär keine hohe Meinung von den Triaden hatten. Behindert wurde Wus Aufrüstung allerdings durch ein Ausfuhrverbot von Feuerwaffen aus Kintai.

Die beiden Kuriere lebten im Haus der Künstlerin, und diese ging mehrfach mit Ren aus, um ihr die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Die beiden Frauen freundeten sich ein wenig an. Luo trieb sich eher im Hafen und den einfacheren Vierteln herum. Mit Hilfe Liaos fand Luo eine günstige Transportmöglichkeit gen Osten.
Doch ehe sie diese Möglichkeit ergriffen, gab es beunruhigende Nachrichten:
Ein Agent der Kaiserlichen, ein Schreiber namens Rong Kao war verhaftet worden, als er unter falscher Identität im Umland unterwegs gewesen war. Unter Folter und Magie würde er sicherlich bald zu Reden anfangen. Deshalb galt es, seine Wohnung nach brisantem Material zu durchsuchen, dieses zu sichern oder, falls die Wohnung bereits unter Beobachtung stand, den Unterschlupf zu zerstören.

Liao Duan kannte Rong Kao nicht persönlich und wusste nur die ungefähre Adresse von Rongs Wohnung. Mit ihrer Unterstützung gelang es Luo aber, das Ziel auszumachen. Der Schreiber-Spion lebte nahe dem Hafen. Hier waren die Gassen kaum breit genug für einen Karren, die Häuserblocks vier Stockwerke oder höher und meist um einen Innenhof gebaut. Es wimmelte von kleinen Garküchen und Arbeiterquartieren.
Die Abenteurer verkleideten sich und observierten zunächst den Block, für den Fall, dass er bereit von Wus Geheimpolizei überwacht wurde. Es fand sich jedoch kein Anzeichen dafür. Natürlich mochte sich das schnell ändern und so schritten sie zur Tat. Luo übernahm den Einbruch. Angesichts des schlechten Wetters entschied er sich gegen einen Einstieg über das Dach, sondern schwindelte sich in das Gebäude hinein. Es kostete ihn einige Mühe (und beschädigte seine Dietriche), das Schloss an der Wohnungstür zu knacken. Die Zweiraum-Wohnung war nur kärglich eingerichtet und enthielt auf den ersten Blick nur Kleidung, Schreibutensilien, etwas Geld und ein paar Schriftrollen, darunter einige erotische Gedichte und Zeichnungen. Bei genauerer Nachsuche entdeckte Luo ein Geheimfach unter einer Diele. Bei der vorsichtigen Untersuchung stellte sich heraus, dass es mit einem Alarmdraht gesichert war. Luo entschärfte die installierte Brandkugel und barg den Inhalt: einige Lunare, ein Pass für einen Kao Feng (vermutlich ein Deckname) mit echt wirkendem Siegel, einige verschlüsselte Dokumente sowie die Signalements einiger Beamter und Offiziere. Luo nahm das Gefundene mit sich und entwich unbemerkt aus dem Gebäude.

Seine Funde übergaben die Abenteurer Liao Duan. Luo wollte sich nicht am Unglück eines Mitstreiters bereichern, so dass er nur die Brandkugel behielt. Kurz darauf traten Ren und Luo die Reise nach Osten an. Ein Schiff würde sie nach Baoshi bringen. Die beiden waren froh, Wus Einsatzgebiet unbehelligt verlassen zu können.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #28 am: 5.05.2024 | 09:38 »
Begegnung am Wegesrand
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Luo, Ren)

Akiras Krankheit hielt die Abenteurer für mehrere Wochen in Baoshi fest. Der junge Schwertalb litt nicht nur unter der Krankheit selber, der Blutfluss war auch eine recht würdelos Krankheit. Zumindest verlief seine Heilung gut, sodass er bald in keiner unmittelbaren Gefahr mehr war.
Hao besichtigte die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Als sie sich zu langweilen begann, entschloss sich die Affenpriesterin, mehr Zeit beim Training ihres Zhu-Schreiter zu verbringen. Sie sammelte Heilkräuter und half bei der Betreuung von Flüchtlingen. Ren unterhielt sich mit Yuchi, an dessen Forschungen zum Krieg der Zwillingskaiserinnen sie auch aus persönlichen Gründen Interesse hatte, führte ihr Cousin Luo doch eine Klinge, die damals gefertigt worden war. Luo selber schaute wohlweißlich nicht vorbei, da er sich bei seinem letzten Aufenthalt in Baoshi nicht im Einvernehmen von der hiesigen Ji-Familie verabschiedet hatte. Er stellte ähnlich wie zuvor Akira Nachforschungen zu den Kungaitanis in Baoshi an, um mehr über diese neuen Verbündeten der Triaden zu erfahren. Es war offenkundig, dass es sich nicht nur um Söldner handelte, sondern vielmehr um eine Art halbverdeckte Militärhilfe. Die Anwesenheit so vieler Auswärtiger (Söldner wie Flüchtlinge) stellte eine große Belastung für die Stadt dar. Die Preise waren auch aufgrund der Kriegsvorbereitungen deutlich gestiegen. Dinge wie Eisen und Textilien ließen sich kaum noch beschaffen. Zudem wurden die Quartiere knapp, und die Einwohner beklagten eine gestiegene Kriminalität. Die von staatlicher Seite sporadisch angeordneten Arbeitseinsätze der Bevölkerung, die neben öffentlichen Aufgaben auch für die Instandsetzung der Befestigungsanlagen herangezogen wurden, waren ebenfalls unbeliebt. Die Kungaitani traten arrogant auf und gerieten gelegentlich mit Besuchern aus dem nahen Kintai aneinander. Dazu kam die unterschwellige Angst vor Saboteuren und Spionen, ob diese nun aus Kintai oder von einer der feindlichen Bürgerkriegsfraktionen stammen mochten.

Im Laufe der nächsten Tage bekamen die Abenteurer das Gefühl, dass sie die Gastfreundschaft der örtlichen Ji-Familie langsam überstrapazierten. Sie waren länger geblieben als geplant, konnten sich aber auch nicht einfach andere Quartiere suchen. Zum einen, weil das in der überfüllten Stadt schwierig war, zum anderen wäre ein Auszug unhöflich gewesen. So nahmen Hao, Ren (und Luo, auch wenn der nicht bei den Jis wohnte) gerne das Angebot an, die inzwischen zur Inspektorin beförderte Ji Tian auf ihrer ersten Mission zu begleiten. Takur wollte Akira Gesellschaft leisten und rechnete auch nicht damit, dass auf der Reise seiner Kameraden irgendetwas Aufregendes passieren würde. Tian sollte ein halbes Dutzend Wagen und ein halbes hundert Arbeitskräfte – teils Flüchtlinge, teils Strafgefangene – zum „Turm des Silbernen Falken“ eskortieren. Diese Festung lag nordwestlich von Baoshi und bewachte die Einmündung des Lianxuhe in das Weihei-Schilfmeer. Da die Helden ohnehin nicht gen Palitan aufbrechen konnten, ehe Akira marschfähig war, würde der Abstecher keinen Zeitverlust bedeuten. Die Helden konnten sich bei den Gastgebern erkenntlich zeigen und ein wenig Geld verdienen. Die Reise würde etwa eine Woche dauern.

Während Hao mit mäßigem Erfolg versuchte, in ihrer Rolle als Priesterin die Teilnehmenden der Expedition zu ermutigen, half Luo bei der Organisation der Karawane. Weder die in Fesseln marschierenden Sträflinge, noch die rekrutierten Flüchtlinge wirkten enthusiastisch. Da nur ein halbes Dutzend Wachen zum Schutz der Kolonne abkommandiert worden war, kam die Verstärkung durch die Helden gerade Recht. Ren sorgte angelegentlich für einen dramatischen Auftritt ihres „Höllenhundes“, um fluchtwillige oder renitente Strafgefangene zu entmutigen. Hao führte die Karawane kompetent, und da das Wetter gut war, kam man gut voran. Reisende Bauern ließen sich gelegentlich frische Nahrungsmittel abhandeln, um die karge Reisekost aufzubessern. Luo und Ren halfen beim Wachestehen, und die Reisegesellschaft erreichte ihr Ziel planmäßig und ohne Zwischenfälle.
Der Turm des Silbernen Falken hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Die Festung war unterbemannt, die namensgebende weiße Bemalung der Mauern blätterte ab. Mit einem massiven Bergfried, Maueranlagen und Vorwerken (die freilich in einem schlechten Zustand waren) war die Anlage theoretisch recht wehrhaft, aber die zusätzlichen Arbeitskräfte wurden offenkundig dringend gebraucht. Luo, der sich ein wenig umsah, hatte den Eindruck, dass es auch mit der Moral der Besatzung nicht zum Besten stand. Es handelte sich nicht gerade um Elitetruppen. Tian verabschiedete sich freundlich von den Abenteurern und wünschte ihnen alles Gute. Angesichts des Zustandes der Verteidigungsanlagen würde sie eine Weile zu tun haben, und bei ihrer Rückkehr nach Baoshi würden die Abenteurer wahrscheinlich bereits abgereist sein. Dann machten sich die drei Abenteurer mit ein paar Lunaren Lohn auf den Weg zurück nach Baoshi.
Wie schon auf dem Hinweg erwies sich die Landstraße als relativ spärlich frequentiert. Selten waren Soldaten zu sehen, häufiger Bauern auf dem Weg zum Markt oder reisende Händler. Die auf der Kaiserstraße allgegenwärtige Korruption im Umgang mit Reisedokumenten, Zöllen und Kontrollen war hier nicht so dominant. Da die Abenteurer gute Pässe hatten und mit leichtem Gepäck reisten, kamen sie gut voran.

Eine ungewöhnliche Begegnung auf halber Stecke nach Baoshi stellte ein wandernder Priester Unggoys dar, der sich – erkenntlich an der braun-weißen Kleidung seiner Kirche – im Schatten eines Baumes niedergelassen hatte und eine Schar Affen fütterte. Xiao Houzi („Kleiner Affe“) war ein wahrer Hüne von Mann, mit langem, braun-blond gesträhntem Haar. Er plauderte ein wenig über seine Erlebnisse, zeigte aber vor allem großes Interesse an den Erlebnissen der Helden. Er lud die Abenteurer zu einem Rätselspiel ein, wobei er jeden Erfolg mit einer alten Silbermünze belohnte:

Was brennt ohne Feuer, Hitze und Nahrung?
Was beißt ohne Zähne, sticht ohne Nadel und Klinge,
und kann doch ewigen Schlaf schenken?
Die Antwort war „Frost“ oder „Kälte“

Dieser körperlose Geist antwortet in allen Sprachen der Welt.
Er lernt nie eine davon, er spricht sie ebenso gut wie ihr, doch nur zögernd antwortet er auf alles, was ihr sagt.
Die Antwort war „Echo“

Die Zeit zieht daran achtlos vorbei,
Holz bricht an ihm splitternd entzwei,
selbst Stahl vermag ihn kaum zu verwunden,
hab ihn gestern erst am Wegesrand gefunden.
Die Antwort war „Stein“

Was lässt dich die Welt erkunden, ohne einen Schritt zu tun?
Wo findest du Wälder ohne Bäume, Städte ohne Häuser, Straßen ohne Wagen?
Die Antwort war „Landkarte“.

Die Abenteurer schlugen sich gut, besonders Hao, die zwei der vier Rätsel beantwortete, während Luo und Ren je eines der Rätsel lösten. Auch bei einer Partie Weiqui zeigte sich, dass Xiao Houzi seine Kontrahentinnen Ren und Hao unterschätzt hatte. Allerdings war er mit dem Stab deutlich überlegen, wie ein kurzer Probekampf mit Hao bewies. Er warnte die Abenteurer auf der Straße wachsam zu bleiben und gab ihnen noch den ominösen Ratschlag „Wenn die Sonne sich aus dem Bett erhebt, grabt im Herzen der Stube“.
Während Hao trotz ihrer Niederlage im Stockkampf das Treffen mit einem Glaubensbruder zu schätzen wusste, war Luo misstrauisch. Er fragte sich, ob der wehrhafte Priester vielleicht Kontakte mit solchen fragwürdigen Elementen der Unggoy-Kirche wie dem lachenden Dutzend hatte. Und Ren war ob der alten Münzen des Priesters ein wenig verwundert.

Die Begegnung hatte die drei Abenteurer aufgehalten, und so setzten sie ihre Reise mit größerer Eile fort, um vor Nacheinbruch ein festes Quartier zu finden. Infolge der unsicheren Zeit waren so manche Weggaststätte und manches Dorf verlassen worden. Die Dunkelheit brach schnell herein. Immerhin ging es jetzt im späten Katzenmond, im Gnomenkalender Fruchtmond, deutlich auf den Herbst zu. Der aufkommende Nebel machte die Sache nicht besser.
Als in dieser Situation in der Ferne ein langgezogenes Heulen zu vernehmen war, fuhr allen der Schreck in die Glieder. Hao und Ren konnten sich zusammenreißen, Luo aber war ernsthaft verunsichert. Während Ren ihren „Höllenhund“ beschwor, bat Hao ihren magischen Eichhörnchenbegleiter Hozhou um Schutz. Die Helden setzten ihren fort. Sie waren aber noch nicht weit gekommen, als sie am Wegesrand etwas liegen sahen und ein schmerzerfülltes Stöhnen hörten. Zögernd wagten sie sich näher.
Auch wenn von ihrem Fund keine Gefahr ausging, der Anblick war beunruhigend: ein leichtes Reitpferd war zu Boden gegangen und hatte seinen Reiter, einen jungen Gnom, eingeklemmt. Er trug Kleidungsstücke, die auf eine Zugehörigkeit zur kaiserlichen Post hinwiesen. Sowohl der Gnom, der sich als Gu vorstellte, als auch das tote Pferd wiesen Pfeilwunden auf. Gus Bein war zudem beim Sturz lädiert worden. Hao erschien seine Behauptung, er sei von Banditen angegriffen worden, glaubhaft. Luo und Ren hatten gewisse Vorbehalte. Es erschien ihnen ungewöhnlich, dass Banditen einen Botenreiter angriffen, da die potentielle Strafe die Beute weit überstieg. Natürlich halfen sie Gu dennoch. Den Weg konnte man nur langsam fortsetzen, da der Verwundete sich nur mühsam auf den Zhu-Schreiter Haos setzen ließ. Der Vogel schien außergewöhnlich nervös – freilich waren die Tiere für ihr heikles Naturell bekannt.

Der mit der Dunkelheit aufgezogene Nebel nahm immer mehr zu. In dieser Situation wies der Verwundete auf ein Licht abseits des Weges. Die Abenteurer waren nicht sicher, ob sie dort Zuflucht finden würden. Bei diesem Wetter kamen ihnen all die unheimlichen Geschichten über verfluchte, von Geistern oder Schlimmeren bewohnte Weggaststätten in den Sinn. Aber mit einem Verwundeten und einer unbekannten Zahl von Feinden irgendwo im Dunkeln, sahen sie kaum Alternativen. Nur sehr zögernd öffnete sich die Tür, und ein hünenhafter Mensch ließ die Schutzsuchenden ein. Im Innern des zweistöckigen Hauses fanden sie eine einfache aber saubere Gaststube. Die zwergische Wirtin Xing hatte offenbar nur wenige Gäste oder Gesinde. Abgesehen von dem Hünen an der Tür war da nur ein hochgewachsener Varg mit einer Keule und eine zierliche Gnomin namens Chen Li, die neugierig mit den Neuankömmlingen plauderte. Die Abenteurer beschlossen, sich erst einmal auszuruhen. Besonders für Luo war die Ruhepause eine Erleichterung, denn so konnte er sich von dem Schrecken durch das geisterhafte Heulen erholen. Dennoch blieben er und Ren misstrauisch. Sie argwöhnten, dass etwas nicht stimmte. Es gelang Ren zudem nicht, die Beinwunde des Boten angemessen zu verarzten.

Die Ruhe sollte nicht lange währen. Schon bald war erneut Heulen zu hören, und dazu sich nähernde Stimmen. Die Abenteurer erwogen sich abzusetzen, aber dazu war es zu spät. Sie waren sich inzwischen sicher, dass die Verfolger kaum normale Banditen sein konnten. Tatsächlich gab der Bote jetzt zu, dass er von „Verrätern an der Krone“ verfolgt wurde. Es war aber nicht herauszufinden, zu welcher Bürgerkriegsfraktion er oder seine Feinde gehörten. Gleich darauf hämmerte es an die Tür.
Als Ren versuchte, die Identität der Verfolger Gus herauszufinden, wiesen sie sich als Männer der Silberschwerter aus. Das war entweder eine schlechte Lüge oder etwas wesentlich Schlimmeres – denn diese Einheit war vor mindestens drei Jahrhunderten aufgelöst worden. In den Abenteurern keimte der Verdacht auf, möglicherweise in eine Geistergeschichte geraten zu sein, in der der Bote, seine Verfolger und vielleicht auch die Insassen des Gasthauses ewige Protagonisten waren. Doch änderte dies nichts an der akuten Bedrohung, denn die Verfolger ließen sich nicht lange hinhalten. Sie versuchten die Tür aufzubrechen. Die Helden bereiten sich vor, in den ersten Stock zurückzuweichen, denn dort würden die Angreifer nur paarweise über die Treppe angreifen können.

Die Abenteurer rekapitulierten gedanklich, was sie über Geister wussten – was gerade bei Hao recht viel war, leider aber auch eine Menge widersprüchliche Dinge.
Geister waren in Zhoujiang allgegenwärtig. Manche klammerten sich an ihr früheres Leben und interagierten teils segensreich (etwa als Lehrer, Beamte und Handwerker), teils schadenbringend mit den Sterblichen. Andere steckten in endlosen Wiederholungen fest, die sie immer wieder durchlebten. Manche knüpften mit Sterblichen zarte Bande an, andere gierten nach dem Leben und dem Glück der Lebenden, oder stahlen ihre Körper.
Ebenso vielfältig waren die Dinge, die mit denen man Geister fernhalten konnte. Sie verabscheuten den Hahnenschrei als Zeichen des Morgens, und viele mieden Weiß (die klassische Begräbnisfarbe) – wenngleich andere davon angezogen wurden. Nicht ganz so logisch war ihre Angst vor Hundeblut, weshalb manchmal Hunde bluten oder gar sterben mussten, um Neugeborene und Türschwellen zu segnen. Zudem fürchteten Geister „wurzelloses Wasser“, wie etwa Regentropfen. Manche sagten auch, dass Bohnen sie zumindest verlangsamten. Pfirsichholz und Weidenzweige galten ebenfalls als wirksam, wie auch Spiegel, Gongs und besonders Feuerwerk. Die Barbaren im fernen Westen glaubten, dass Salz und kaltes Eisen sie abhielten. Leider waren die meisten potentiellen Gegenmittel nicht verfügbar. Die Abenteurer wagten es, sich schnell noch einmal umzuschauen – doch die Säcke in der Küche, die Bohnen enthalten sollten, waren leer. Regenwasser und Hahnenschrei ließen sich nicht magisch simulieren und die gesuchten Hölzer oder ein Spiegel waren ebenfalls nicht zu finden. So bewaffneten sich die Helden mit Töpfen und begannen Lärm zu schlagen. Das zeigte etwas Wirkung – die Versuche, die Tür aufzubrechen, stoppten für einen Moment. Freilich reagierten auch die Leidensgefährten im Gasthaus mit Abscheu. Es schien so, als ob es sich auch bei ihnen um Geister handelte…

Luo spähte aus einem der Fenster im ersten Stock. Im Schein der Fackeln der Verfolger sah er, dass es sich bei den Belagerern um etwa ein Dutzend Bewaffneter handelte. Dazu kamen einige Hunde, die von zwei Tierbändigern nur mühsam an der Leine gehalten wurden. Ein jung aussehender Alb in einem soliden Schuppenpanzer befehligte die Truppe. Die Schattenkling sandte einen Pfeil auf einen der Hundeführer, in der Hoffnung, dass die Tiere sich losreißen und Chaos anrichten würden. Doch trotz eines Treffers hielt der Mann die Leine fest. Luo tauchte vor einigen Pfeilen ab.
Auf Haos Vorschlag forderte Luo den Hauptmann zum Zweikampf um die Herausgabe des Boten heraus. Er präsentierte dabei seine Klinge (von der er wusste, dass sie sich aus der Zeit der Zwillingskaiserinnen stammte). Tatsächlich rief das eine heftige Reaktion hervor: wie sich herausstellte, trug der Hauptmann eine ähnliche Waffe und beschimpfte Luo wütend als Verräter.
Der Alb ging auf die Forderung ein, und Luo trat hinaus ins das Rund der Soldaten. Bald trafen die Klingen aufeinander, und für einen Moment sah es so aus, als würde Luo sich durchsetzen. Doch als der Hauptmann schwer verletzt zurücktaumelte, befahl der Alb seinen Untergebenen nicht etwa den Rückzug, sondern den Angriff. Nur dank seiner schnellen Reflexe konnte Luo sich in das Gasthaus retten. Mühsam wurde die Tür verbarrikadiert, doch bald schon brach sie entzwei…

Vor den in die Gaststube hereindrängenden Angreifern wichen die Abenteurer auf die Treppe zurück. Die anderen Insassen des Gasthauses waren keine Hilfe. Die junge Gnomin und das Wirtspaar hatten sich verkrochen. Gu und der Varg hielten Abstand, da Ren wieder begonnen hatte, auf ihrem improvisierten „Gong“ zu hämmern, was sie während des folgenden Gefechts auch durchhielt, und damit die Angreifer zumindest etwas ablenkte. Luo und Rens „Höllenhund“ verteidigten ihre vorteilhafte Stellung auf der Treppe mit Geschick und einer ordentlichen Portion Glück – unterstützt von der Magie von Haos magischem Eichhörnchen. Wohl kassierte Luo einen ordentlichen Treffer, doch schließlich zogen sich die Soldaten zurück, nachdem mehrere schwer verwundet und einer von dem Feuerhund getötet worden war.
Für eine Weile herrschte Ruhe. Als Luo erneut vorsichtig durch ein Fenster spähte, sah er, wie der verwundete Kommandant seine Leute für einen neuen Angriff instruierte. Mit einem zielsicheren Pfeil streckte er den Offizier nieder. Dies war keine ehrenhafte Handlung, aber nach dem Wortbruch während des Duells hatte Luo keine Hemmungen. Der heimtückische Schlag verzögerte den nächsten Angriff, doch die Soldaten knobelten eine neue Strategie aus. Es war Ren, die bemerkte, dass die Angreifer nun Feuer legen wollten. In fliegender Hast eilten die Abenteurer ins Erdgeschoss, wo sie Eimer mit Wasser und dünnen Bier füllten. Dann war es an Luo, das Nass aus einer Dachluke zu schütten, als geschleuderte Fackeln das Dach in Brand zu setzen drohten. Beständig mit neuer „Munition“ versorgt und trotz eines heftigen Pfeiltreffers gelang es ihm, die Brandherde zu löschen.
Die Abenteurer waren erschöpft, aber immer noch ungeschlagen, und den Soldaten fehlte offenbar die Entschlossenheit, einen neuerlichen Ansturm zu unternehmen. Und so sah Luo, wie sie eine in einen Mantel gehüllte Gestalt auf eines ihrer Pferde banden – vermutlich den gefallenen Anführer – und abzogen, als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont zu sehen waren.
Und während die Abenteurer inbrünstig den Göttern dankten, wurde das Licht immer heller und heller, drang in strahlender Pracht durch die Fenster und bald auch durch die Wände, blendete die Helden und nahm ihnen für einen Moment die Sinne…

Die drei kamen in der Ruine eines Weggasthauses zu sich, das vor allermindestens 100 Jahren verlassen worden war. Der Grundriss war freilich nur zu vertraut. Dem Ratschlag des Mönches eingedenk, suchten sie in der ehemaligen Feuerstelle im Herzen der Gaststube und fanden eine kleine Schatulle. Hao sprach ein Gebet für die Geister der Toten, auch wenn eine gründliche Nachsuche keine sterblichen Überreste zu Tage förderte. Dann machten sie sich auf den Weg nach Baoshi, das sie ohne weitere Zwischenfälle erreichten.
Dort öffneten die Helden das Kästchen, das billigen Schmuck und alte Silbermünzen enthielt, die aus der Li-Dynastie stammten (die jüngsten aus den frühen Jahren der Zwillingskaiserinnen Li Sao und Li Sui). Reichtümer hatten sie also nicht gewonnen, wohl aber wertvolle Erfahrungen. Die drei teilten die Beute gerechnet, wobei Ren ihren Anteil an Yuchi verschenkte, der dankbar für diese antiken Stücke war. Die Abenteurer bemerkten, dass die Münzen dieselben Prägungen hatten wie jene, die der wandernde Mönch ihnen geschenkt hatte (nur waren seine wesentlich abgewetzter gewesen). Sie fragten sich, ob er auch ein Geist gewesen war.

Hao erstatte den örtlichen Vertretern des Ministeriums der Riten Meldung. Deren Begeisterung hielt sich in Grenzen, schienen die Abenteurer doch Schwierigkeiten geradezu anzuziehen. Man räumte aber ein, dass in der Vergangenheit mehrmals Reisende in der Gegend verschwunden waren – was natürlich auch Folge von Banditenangriffen gewesen sein mochte...
Das hinzugezogene Geisterministerium in Gestalt eines Inspektors Hung bestätigte dies. Laut einigen alten Geschichten war während des Krieges der Zwillingskaiser in einem Gasthaus ein Bote von den Wirtsleuten ermordet oder seinen Häschern übergeben worden, in der vergeblichen Hoffnung, diese gnädig zu stimmen. Die Geisterscheinungen waren angeblich besonders bei dichtem Nebel oder wie jetzt im Spätsommer/Herbst aufgetreten. Hung glaubte, dass der Bote die Schlüsselfigur war. Vielleicht mochte ja der Umstand, dass diesmal die Geschichte anders ausgegangen war, den Geistern Ruhe gebracht haben. In jedem Fall würde das Ministerium das Gasthaus und Umgebung noch einmal prüfen.

Da Akira inzwischen ausgeheilt war, konnte man nun an den Aufbruch denken. Die Abenteurer verabschiedeten sich von ihren Gastgebern, die ihnen zu einem Platz auf einem Flussschiff verhalfen. Flussabwärts und gestützt durch ein Segel ging die Fahrt zügig voran. Abends wurde stets geankert, wobei zu erfahren war, dass man plante, in regelmäßigen Abständen Schiffsstationen anzulegen, um die Transportroute nach Silangan auszubauen - und um die Händler davon abzuhalten, auf der anderen Flussseite ihr Geld in Kintai auszugeben.
Am dritten Tag erreichte man die Flussfeste Alter Mandarin, die den Übergang zum kintaiischen Atasato bewachte. Dies war eine gute Gelegenheit sich nach Gerüchten umzutun. Angriffe auf Triadenangehörige und Beamte gab es offenbar auch in der Spinnenprovinz, teils die harmloseren weil eher demütigend statt tödlichen des „Lachenden Dutzend“ (die in der einfachen Bevölkerung durchaus Bewunderer fanden), teils die extrem gewalttätigen und blutigen der unbekannten Magierkrieger in ihren bunten Schuppenpanzern.
Zur Nervosität trug auch die Unsicherheit über das weitere Verhalten Kintais bei. Es war ein offenes Geheimnis, dass mancher Daimyo Ambitionen nördlich des Jadebandes hegte.
Auch die zunehmende Stärke der 13 Blätter, einer besonders auch im Piratenwesen und Schmuggel tätigen Triade, die mehrheitlich aus Exilanten aus dem Kranichreich bestand, war beunruhigend. Manche hielten sie für eine verdeckte fünfte Kolonne Kintais, andere fürchteten, ihre Missachtung, ja teilweiseoffene  Feindschaft gegenüber ihrer alten Heimat könnte einen Konflikt heraufbeschwören.
Der Bürgerkrieg in Zhoujiang selber war für die meisten Menschen hier weit weg. Wie Hao und Luo erfuhren, war die Haltung der Bevölkerung zu denTriaden-Machthabern gemischt. Mancher litt unter der allgegenwärtigen Korruption. Insbesondere die Praxis, das Eintreiben der Steuern gegen eine Festsumme an Steuerpächter zu vergeben, führte unweigerlich zu Missbrauch. Generell waren die Preise und Abgaben gestiegen. Natürlich gab es auch Gewinner, namentlich unter den Händlern, die den schwindenden Einfluss des Adels und die…entgegenkommendere…Art der Beamten begrüßten. Handelshindernisse und Standesbeschränkungen waren zurückgefahren worden, was einige Traditionalisten verärgerte. Interessanterweise waren die Beziehungen zu Atasato (wo ebenfalls Händlerorganisationen einen Großteil der Tagesgeschäfte regelten) und zu Kungaitan deutlich besser als früher. Die freien Künste hatten an Ansehen gewonnen, auch wenn sie teilweise neue Gönnerinnen und Gönner suchen mussten. Zudem hatten die auf den Künstlern liegenden Reglementierungen stark nachgelassen. Die Triadenherrschaft hatte also sowohl Vor- als auch Nachteile.
Wenige Tage später kam das Delta der Rauschenden Seide in Sicht. Am Zusammenfluss dieses Stroms mit dem Jadeband erhob sich die Inselstadt Palitan, die zweitgrößte Metropole in ganz Lorakis.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #29 am: 26.05.2024 | 03:00 »
Die Suche beginnt
Palitan, Spinnenprovinz (Akira, Takur, Ren, Luo)

Die fünf Abenteurer waren von der Großstadt Palitan und ihrem pulsierenden Straßenleben beeindruckt. Luo war der einzige, der sich bisher längere Zeit in der Stadt aufgehalten hatte. Während Akira sich im Viertel der Schwertalben einquartierte, fanden die anderen ein Gasthaus in der Altstadt, östlich des Kaiserlichen Archivviertels. Ihr zeitweiliges Domizil, der „Grüne Palast“ war recht komfortabel. Hier kamen Offiziere, Kapitäne, Künstler, Gelehrte und Kunsthandwerker unter. Das Gebäude wies das doppelte Ziegeldach vieler zhoujiangischer Gebäude auf. Die große Speisehalle war drei Etagen hoch, während die Zimmer um die Halle gruppiert waren. Das Gasthaus wurde von einer dunkelhäutigen Albin namens Altani betrieben, und die Küche bot sowohl einheimische als auch ausländische Gerichte. Seinen Namen verdankte das Gebäude seiner Farbgebung und der reichlichen Begrünung mit zum Teil exotischen Pflanzen. Luo und Ren witzelten, wie lange sie hier würden wohnen können, da sie schon öfter bei ihrem Aufenthalt in verschiedenen Städten in Schwierigkeiten geraten waren. Luo besuchte seine Großmutter Xi Fei, die die Küche eines Speisehauses in der Nudelgasse leitete. Sie war in seiner Kindheit weit mehr eine Bezugsperson gewesen als seine unstete Mutter.

Es galt nun, das weitere Vorgehen zu beraten. Der Zugang zu den Archiven war nicht leicht zu erlangen. My Mei, die Herrin der Archive, galt als zentrale Akteurin im Händlerrat und als Anführerin der Triade des Fließenden Steins. Keiner der Abenteurer war begierig, sich an eine so mächtige und zweifelhafte Person zu wenden. Dazu war das Thema der Recherchen zu heikel.
Wie die Helden rasch erfuhren, war die Archiv-Sicherheit erhöht worden, nachdem einige Fremde Chaos angerichtet und sogar ein Feuer verursacht hatten.
Palitan wurde seinem Ruf als Zentrum von Abenteuern, Handel, Diplomatie und Intrigen gerecht: Der kürzliche Besuch von Prinzessin Hui Amui und ihre überhastete Abreise hatten für viel Gerede gesorgt. Die ausgedehnten Gespräche der Tante von Prinzessin Yi mit der Botschafterin Kintais hatten die Gerüchte sprießen lassen. Nachdem die letzte Kaiserin die Büffelprovinz „an die Jogdaren verschachert habe“, glaubten manche, dass ihre Familie jetzt bereit sei, im Austausch gegen Waffenhilfe andere Reichsteile Myuriko anzubieten. Es erschien wahrscheinlich, dass diese Gerüchte gezielt von den Triaden oder von Gefolgsleuten Wus gestreut wurden.
Auch die Kabalen um die gestoppten Lieferung von Geisterseide an die Kaiserlichen und an die von Wu kontrollierten Reichsteile, von denen die Abenteurer in Timog erfahren hatten, trieben die Leute in Palitan um. Geisterseide war ein zentrales Exportgut der Spinnenprovinz. Nicht jeder konnte wie die Großhändler und die Triaden einfach abwarten. Die Entscheidung, an wen man die wertvolle Geisterseide liefern wollte, war zudem nicht nur eine wirtschaftliche und fiskalische, sondern vor allem auch eine politische Frage.
In der Straße der Wunder war angeblich kürzlich – mal wieder – eine Chimäre entlaufen, wobei es habe sogar Tote gegeben hatte. Und im Sumpf der 32.000 Lichter gab es angeblich wie so oft Probleme mit Geistern.

Hao gelang es nach einigen Tagen, mit Meisterin Hira eine Rechercheurin mit Zugang zum kaiserlichen Archiv zu finden. Die zwergische Gelehrte war allerdings nicht billig und die
Gerüchte, die Luo über sie aufschnappte, waren widersprüchlich. Manche nannten sie eine versierte Expertin und ehemalige Archivarin. Für andere war Hira eine Scharlatanin, die wegen gefährlicher Inkompetenz aus dem Archiv entlassen worden war. Ihr Zuhause, das nicht weit vom Archivviertel lag, entsprach dem Klischeebild einer Gelehrtenhöhle: verstaubte Schriftrollen, Bücher und Schrifttafeln bildeten ein verwirrendes Durcheinander.
Die Helden setzten die Gelehrte zuerst auf den ominösen „Kult des Strahlenden Schattens“ und weitere Informationen zum „Tempel der Tausend Tore“ an. Besonders Ren und Luo ließen es nicht an Warnungen mangeln: Ihrer Meinung nach war nicht auszuschließen, dass dieses Wissen heikel und vielleicht sogar gefährlich sein könnte. Meisterin Hira schien sich allerdings keine großen Sorgen zu machen.
Sowohl Hao als auch Luo hatten zudem persönliche Rechercheanliegen: Hao zum Kult des Drachen-Tiergeistes, der einst den Tempel der Tausend Tor mitbegründet hatte, und Luo zu seinem Schwert, an dessen düstere Vergangenheit er erst kürzlich erinnert worden war. Allerdings stellten sie diese Privatrecherchen erst einmal zurück. Man einigte sich auf einen Preis von 10 Lunaren für jedes Recherchethema. Hira erhielt die Hälfte der Summe für die beiden ersten Recherchen im Voraus und machte sich an die Arbeit. Sie warnte, dass die Recherchen dauern würden und es keine Erfolgsgarantie gäbe – besonders bei derart lange zurückliegenden und obskuren Themen. Denn Helden stand wohl ein längerer Aufenthalt in Palitan bevor. Sie würden Hira nur eingeschränkt helfen können, denn auch lizensierte Forschende konnten nicht einfach durch das Archiv wandern und selber nach interessanten Schriftrollen suchen, schon gar nicht nach den letzten Zwischenfällen mit einigen „fremdländischen Barbaren“. Ein weiterer Grund für die Zugangsbeschränkungen war, dass angeblich Geister durch die Archivgänge wanderten und der Umgang mit den älteren Schriftrollen die Einhaltung strikter, alleine den Archivkräften bekannten Ritualen und Regeln verlangte.

Das Archivviertel, das im Laufe der Zeit eine komplette Insel Palitans eingenommen hatte, wirkte verwirrend. Ursprünglich nur ein einzelner Gebäudekomplex mit jeweils einem Eingang für die Kaiserin, die adligen Nanjin und die Beamtenschaft, hatte das Archiv im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Gebäude geschluckt, darunter ehemalige Paläste, Wohn- und Funktionsbauten. Letztendlich war es irgendwann verboten worden, weitere Gebäude jenseits der ursprünglichen Insel zu erwerben. Und da es gleichzeitig untersagt war, Dokumente zu zerstören, musste man sich fragen, wie es möglich war, all das Material aufzubewahren, das Jahr für Jahr ins Archiv strömte – zumal in dem feuchten Klima Palitans. Angeblich waren alle Archivgebäude durch unterirdische Gänge und Lagerräume verbunden, von denen manche nicht in der diesseitigen Welt lagen.

Auf der Suche nach weiterer Unterstützung konnte Akira den Helden Zugang zur Botschaft Kintais verschaffen. Die junge Gesandte Suguri Jun erschien grundsätzlich hilfsbereit und stellte auch finanzielle Unterstützung in Aussicht. Immerhin waren die Recherchen im Interesse Kintais, das von einem Ausbruch des im „Tempel der tausend Tore“ eingesperrten Dämonen Kokumo als erstes bedroht worden wäre. Mit dieser Unterstützung mochte es gelingen, dem Geheimnis des Tempels der Tausend Tore auf die Spur zu kommen, und ebenso dem geheimnisvollen Kult, der ihn angegriffen hatte…
Die Abenteurer versprachen, alle relevanten Informationen weiterzuleiten. Allerdings deutete die Botschafterin an, dass ihre Hilfe einen Preis haben würde. Die Suguri machte kein Geheimnis aus ihrer Abneigung gegenüber der Triade der 13 Blätter, die mehrheitlich aus Kintai-Exilanten und deren Nachkommen bestand, und mit denen die Abenteurer bereits aneinandergeraten waren. Die Diplomatin war sehr an den bisherigen Erlebnissen der Helden in Timog und Baoshi interessiert. Anders als Hao waren Luo und Ren etwas zurückhaltend, vor allem bezüglich der militärischen Verhältnisse in den zhoujiangischen Grenzprovinzen zu Kintai. Akira hatte natürlich keinerlei derartige Bedenken.

***

Parallel zu den anlaufenden Archivrecherchen knüpften die Helden weitere Kontakte, die auch für ihre persönlichen Ziele nützlich werden konnten. Besonders Ren und Luo waren daran interessiert, sich mit dem örtlichen Ableger der aus Timog stammenden Ka-Adelsfamilie in Verbindung zu setzen. Diese waren als Loyalisten auch ein wertvoller potentieller Aktivposten für Rens und Luos Mission für die Fraktion von Prinzessin Yi.
Ka Maomei und Ka Gao empfingen die Helden freundlich. Zur Überraschung der Helden waren beide albischer Herkunft, während die Kai-Familie in Timog aus Menschen bestanden hatte. Wie die Helden erfuhren, war Ka Maomei in das Adelshaus adoptiert worden, um mit Gao (aus dem elfischen Hause Han) verheiratet zu werden, dessen Familie die Kas als potentiell wertvolle Verbündete angesehen hatten. Diese Hoffnung hatte sich wohl nur partiell erfüllt. Vermutlich auch wegen den Unruhen der letzten Jahre waren viele von Gaos Verwandten nach Kintai ausgewandert. Das steigerte Rens Interesse an den Kas eher noch. Immerhin war es eines ihrer Ziele, die Kontakte zwischen den Kaiserlichen und Kintai zu verbessern, um Adelsfamilien des mächtigen südlichen Nachbarn Zhoujiangs für die Sache von Prinzessin Yi zu gewinnen.
Die Kas hatten zwar keine Kontakte im Archiv, deuteten jedoch an, die Recherchen der Helden finanziell unterstützen zu können. Zudem hatte die Familie gute Verbindungen zu Kaufleuten und Händlern. Falls die Helden exotische Materialen oder Waren benötigen sollten, würde sich das Wohlwollen von Maomei und Gao als wertvoll erweisen.
Allerdings hatten die Kas eigene Probleme. Möglicherweise wegen ihrer Loyalität zum Kaiserhaus oder den jüngsten Bemühungen des Hauses Ka, politische Verbindungen mit Selenia zu etablieren, war ihr selenischer Kontaktmann Ilmar Wuselbach in Schwierigkeiten geraten. Er war zusammengeschlagen worden und man hatte in sein Haus eingebrochen. Daraufhin hatte er im Anwesen der Ka-Familie Schutz gesucht. Diese hofften, dass die Helden bei der Lösung des Problems behilflich sein konnten. Den von den Triaden kontrollierten Behörden trauten sie nicht.

Wuselbach konnte nur in begrenztem Umfang Auskunft geben. Die Männer, die ihn verprügelt hatten, konnte er nicht identifizieren. Sie hatten auch keine Abzeichen oder auffälligen Tätowierungen gehabt. Er hielt sie aber für Triadenmitglieder. Wuselbachs Haus lag in dem überwiegend von Seleniern bewohnten Hirschviertel, das von der Triade der Roten Karpfen kontrolliert wurde. Er vermutete, dass diese hinter dem Überfall und dem Einbruch steckten. Das würde auch erklären, warum die Stadtwache des Viertels nicht viel unternommen hatte. Bei dem Einbruch sei nichts abhandengekommen. Die Einbrecher schienen es eher darauf angelegt zu haben, Wuselbach zu verunsichern und einzuschüchtern. Er behauptete keine Ahnung zu haben, warum die Roten Karpfen ihm grollen mochten. Wuselbach wollte die Angelegenheit gütlich aus der Welt geschafft sehen. Als Händler mit Kontakt zur Portalgilde und zu anderen selenischen Kaufleuten konnte er nicht einfach in ein anderes Viertel ziehen und war langfristig auf das Wohlwollen der Roten Karpfen angewiesen. Die Helden versprachen, ihr Bestes zu tun. Allerdings hatten sie ein eher wechselhaftes Verhältnis zu den Roten Karpfen, mit deren Ablegern sie es schon gelegentlich zu tun gehabt hatten.

Als erstes patrouillierte Luo die Umgebung des Ka-Anwesens, ob der Gebäudekomplex observiert wurde. Dies schien nicht der Fall zu sein. Dann machte er sich daran, sich im Hirschviertel umzuhören. Allerdings hatte er damit keinen Erfolg.
Akira wandte sich an die Wachtruppe des Hirschviertels und trat als Bekannter von Wuselbach auf. Die Wachen begegneten ihm mit Misstrauen, gaben dem wortgewandten Samurai dann aber Auskunft. Sie gingen ebenfalls davon aus, dass das eine „Triadensache“ sei und hatten sich deshalb herausgehalten. Vor kurzem hatte ein gutgekleideter kintarischer Zwerg angefangen, im Hirschviertel nach Wuselbach zu fragen. Er schien nicht viel von Wuselbach zu halten, war jedoch sehr an seinem Verbleib interessiert. Dass mit Akira jetzt ein zweiter (und diesmal sogar adliger) Kintari nach Wuselbach fragte, irritierte die Wachen.
Die Helden konzentrierten ihre Nachforschungen auf den Zwergen, der nach Wuselbachs Verbleib gefragt hatte. Nach einigem Herumgefrage konnten sie seinen Namen und seinen Unterkunftsort herausfinden. Ayanokoji wohnte in einem Gasthaus in dem an das Hirschviertel grenzenden Schwertalbenviertel. Angeblich war er ein Schmied, der schon öfters in Palitan Geschäfte getätigt hatte. Er sollte sehr gut vernetzt sein und war als Vermittler bei einer ganzen Reihe von Geschäften und Transaktionen in Erscheinung getreten.  Die Verwickelung seiner Landsleute in die Angelegenheit motivierte Akira, sich verstärkt in die Recherchen einzubringen.
Luo erfuhr, dass anscheinend eine dritte Partei in die Angelegenheit involviert war: Ein weiterer (diesmal zhoujiangischer?) Zwerg hatte Stimmung gegen Wuselbach gemacht und verbreitet, dass er den Roten Karpfen hinterherspioniere und Schläger anwerbe. Allerdings konnten die Helden keine genaue Beschreibung dieses neuen Protagonisten erhalten, da er sein Gesicht durch einen Zauber maskiert hatte. Das konnte natürlich bedeuten, dass der zhoujiangische Zweg und Ayanokoji ein und dieselbe Person waren.

Um Licht in die verworrene Angelegenheit zu bringen, entschlossen sich die Helden zu einer direkten Aktion: Ren und Akira suchten Ayanokoji auf. Der zwergische Schmied verhielt sich reserviert und war auch durch die Präsenz eines adligen Schwertalben keineswegs eingeschüchtert. Er stellte sich als Vertreter einer im kintarischen Atasato operierenden Kobe vor – einer Vereinigung mehrerer Schmiedemeister.
Ayanokoji gab an, nach Wuselbach zu suchen, da seine palitanischen „Partner“ befürchteten, dass dieser ihre Geschäfte sabotiere. Dadurch seien auch die Interessen von Ayanokojis Kobe gestört worden, da diese dringend benötigte Materialien nicht erhalten habe. Offenbar gingen Ayanokoji und seine „Partner“ davon aus, dass Wuselbach etwas gesehen hatte, was nicht für seine Augen bestimmt war und daraufhin gierig geworden sei.
Vor allem wollte Ayanokoji erfahren, wer hinter Wuselbach stehe, da dieser es ohne die nötige Rückendeckung wohl kaum wagen würde, Ayanokojis „Partner“ anzugreifen.
Was freilich die Art der von Ayanokojis Kobe benötigten Materialien oder die Identität seiner „Partner“ anging, blieb der zwergische Schmied vage. Die Helden konnten sich allerdings ausrechnen, dass die palitanischen „Partner“ die Triade der Roten Karpfen und die Geschäfte mit diesen bestenfalls halblegal waren.
Akira brachte die Möglichkeit ins Spiel, dass Ayanokojis Konflikt mit Wuselbach nur ein Missverständnis sei, was der Schmied nicht so recht glauben wollte. Er blieb auch skeptisch, als ihm die Helden berichteten, dass jemand Stimmung gegen Wuselbach gemacht hatte, um ihn anzuschwärzen. Ayanokoji bestätigte immerhin indirekt, dass Wuselbach von Schlägern der Roten Karpfen verprügelt worden war, die auch bei dem Selenier eingebrochen waren, um ihn einzuschüchtern und die fehlenden Güter zu finden. Die Helden boten Ayanokoji an, Licht in die Angelegenheit zu bringen, solange er und seine „Partner“ von drastischen Maßnahmen absahen. Ayanokoji sagte dies zu und war sehr an dem Vorschlag der Helden interessiert, ein „klärendes Gespräch“ mit Wuselbach führen zu können.

Mit diesen Informationen kehrten die Helden zum Ka-Anwesen zurück. Ren und Luo unterzogen Wuselbach noch einmal einer eingehenden Befragung. Dieser behauptete immer noch, keine Ahnung zu haben, was er der Meinung von Ayanokojis „Partnern“ nach angeblich gesehen und weitererzählt hätte. Im Laufe der Befragung räumte Wuselbach allerdings ein, dass die Verdächtigungen mit seiner jüngsten Reise über die Seidenstraße in Verbindung stehen könnten. Es war ein offenes Geheimnis, dass über den Mondpfad zwischen Selenia und Zhoujiang wertvolle Schmuggelware floss. Einige von Wuselbachs Mitreisenden hatten sich etwas geheimnisvoll verhalten. Die Helden vermuteten, dass die Schmuggler annahmen, Wuselbach sei ihrem Geschäft auf die Schliche gekommen und habe dies weitererzählt. Luo hatte auch bereits eine Vermutung, WAS von Selenia nach Zhoujiang geschmuggelt worden sei: Mondstahl. Dies würde das Interesse von Ayanokojis Schmiede-Kobe erklären.

Die Helden verabredeten ein Treffen zwischen Wuselbach und Ayanokojis Triadenkontakt. Als Treffpunkt wählten sie ein Gasthaus im Schwertalbenviertel. Dort hatten die Roten Karpfen keinen Heimvorteil. Sollte es zu Komplikationen oder gar Blutvergießen kommen, würden die Helden (und besonders Akira) sich besser herausreden können, als in einem von den Triaden dominierten Viertel.
Ren und Akira begleiteten Wuselbach, während Takur und Luo vor dem Gebäude Wache hielten. Allerdings wurde Takur durch einen verpatzten Zauber abgelenkt und so bemerkte nur Luo, dass mehrere unauffällig gekleidete Personen das Gasthaus im Auge behielten.
Das Treffen im Gasthaus verlief höflich, aber angespannt. Der Verdacht der Helden, dass es um Mondstahlschmuggel ging, bestätigte sich. Die Lieferung hatte nach Atasato gehen sollen, wo Ayanokojis Kobe das wertvolle Material für ein größeres Projekt benötigte. Offenbar war es nach Wuselbachs Reise zu zwei Angriffen auf die Schmuggler gekommen – einer davon erfolgreich. Dies und Wuselbach scheinbares Interesse an den Geschäften der Roten Karpfen hatten ihn zum Hauptverdächtigen gemacht. Die Zeugenaussagen der Schmuggler, die die Angriffe überlebt hatten, waren leider nicht sehr genau. Angeblich war ein selenischer Zwerg unter den Angreifern gewesen, der eine strahlende Glefe geführt hatte. Die Helden vermuteten, dass es sich dabei um denselben Zwergen handelte, der die Gerüchte über Wuselbach verbreitet hatte. Mithilfe der Helden konnte Wuselbach den Triadenvertreter überzeugen, ihn vorerst in Ruhe zu lassen.
Draußen wäre es beinahe zu einer Eskalation gekommen, als Luo die das Haus Observierenden zur Rede stellte. Es zeigte sich, dass dies Triadenleute waren, die das Treffen abgesichert hatten. Offenbar hatten nicht nur die Helden ihren Gegenübern nicht vertraut…

Zwischen Luo und Akira kam es zu einem kleinen Geplänkel, als Akira sein Missfallen über die in Palitan wuchernde Korruption äußerte. Luo verwies auf die Beteiligung der Kintari in den Schmuggel und die Triadenaktivitäten. Akira tat das mit dem Argument ab, dass Ayanokoji aus Atasato kam. Was konnte man von einer Stadt erwarten, in der entgegen der Myuriko-gefälligen Ordnung Händler und Handwerker die Macht hatten?

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #30 am: 26.05.2024 | 03:01 »
Die Helden setzten bei ihren weiteren Nachforschungen auf mehrere Spuren: Zuerst wandten sie sich an ihre „Auftragsgeber“, das Adelshaus Ka. Diese sollten ihre lokalen Handelskontakte nutzen, ob irgendwo Mondstein günstig zum Kauf angeboten wurde. Wenn die Diebe ihre Beute zu Geld machen wollten, würde das eventuell Aufsehen erregen.
Gleichzeitig hörte sich Luo in dem Viertel um, wo der Überfall auf die Schmuggler stattgefunden hatte. Unterstützt von seinen eigenen Unterwelt-Kontakten hoffte er, Augenzeugen zu finden, denen während oder vor dem Überfall etwas aufgefallen war. Und der von den Dieben erbeutete Wagen und die Zugtiere konnten sich auch nicht in Luft aufgelöst haben. Die Räuber waren sicherlich in Eile und eventuell verwundet gewesen. Vielleicht war ihnen ein Fehler unterlaufen…
Tatsächlich brachte dieser Rechercheansatz den ersten Erfolg: Luo identifizierte einen Straßenhändler, der zumindest indirekt an dem Überfall beteiligt gewesen sein musste. Als er und Akira den Mann verhörten, knickte der Straßenhändler schnell ein: Er gab zu, für den zwergischen Anführer der Diebe als Späher und Helfer gearbeitet zu haben. Dieser hatte ihn schon vor einer ganzen Weile rekrutiert und für verschiedene Hilfsdienste eingesetzt. Dem Händler war die Sache allerdings jetzt über den Kopf gewachsen. Dass Blut geflossen war und er sich die Triaden zum Feind gemacht hatte, machte ihm fast genauso viel Angst, wie sein Auftraggeber. Leider konnte er nichts zu dessen Aufenthaltsort, Identität oder Verbindungen sagen. Er lieferte aber wertvolle Informationen zum Verbleib der Beute. Der gestohlene Mondstahl war in den „Gärten der Asche“ versteckt worden. Dieser Teil Palitans stand seit einer Feuerbrunst leer und war berüchtigt für das Auftauchen gefährlicher Feuergeister. Die beiden Helden schilderten dem Mann ausführlich, was ihm drohte, falls er seinen Auftraggeber warnen oder sich noch einmal in die Geschäfte der Roten Karpfen einmischen würde. Dann ließen sie ihn laufen. Beide waren zu gutmütig, um den Straßenhändler den Triaden zu überantworten oder ihn auf andere Art und Weise dauerhaft „aus dem Spiel zu nehmen“.
Ren befragte währenddessen den überlebenden Schmuggler noch einmal. Da dieser physisch und psychisch immer noch in einem sehr schlechten Zustand war, musste sie behutsam vorgehen. Vermutlich auch deshalb erhielt sie nur wenige neue Informationen. Da die drei Angreifer großzügigen Gebrauch von Blendzaubern gemacht hatten, konnte der Überlebende keine genaue Beschreibung liefern.

Die „Gärten der Asche“ erschienen als die logische Wahl für weitere Nachforschungen. Die Zeit eilte: Es war anzunehmen, dass die Diebe ihre Beute bald an einen weniger gefährlichen Ort verlagern oder von dem von Luo und Akira verhörten Straßenhändler gewarnt werden würden. Die Helden mieteten ein Boot und setzten zu dem ihnen bezeichneten Areal nördlich der Altstadt über. Die Brücken zu den „Gärten der Asche“ waren zumeist schon vor langer Zeit abgerissen oder verbrannt worden.
Eine unheimliche Atmosphäre erwartete sie: obwohl die Feuersbrunst schon vor vielen Jahren geendet hatte, roch die Luft immer noch nach Rauch. In den rußgeschwärzten Ruinen schien hier und da immer noch Glut zu glimmen. Die sonst üppig wuchernde Vegetation weigerte sich, die Straßen und Häuserreste zu überwuchern.
Bald fanden die Helden die Spuren, die die Diebe beim Transport ihrer Beute hinterlassen hatten. Freilich gab es auch noch andere, beunruhigende Fährten: große, rußgeschwärzte Pfotenabdrücke.
Kurz darauf bekamen die Helden den Verursacher dieser Spur zu Gesicht: einen wütenden Feuergeist in Gestalt einer brennenden Großkatze, der sofort angriff. Doch mit vereinten Kräften konnten die Helden den Geist rasch besiegen. Von diesem Zusammenstoß beunruhigt, folgten die Helden vorsichtig den Spuren der Diebe, die sie zu einem halb verfallenen Haus führten. Jemand hatte die Tür mit einem neuen Schloss versehen, das aber kein Hindernis für Luo war.
Die Spuren führten in den Keller, aus dem den Helden der Geruch nach altem Blut entgegenwehte. Mit gezogenen Waffen pirschten Ren, Luo und Akira nach unten, während Takur oben blieb, um die Umgebung im Auge zu behalten.
Im Keller stießen die Helden auf eine beunruhigende Szene: in einer Ecke lagen die Leichen von fünf Zivilisten. Jemand hatte sie gefesselt und ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Daneben war mit Blut und Kreide ein Kreis gezogen worden. In dessen Mitte stand ein Tisch, auf dem die gestohlenen Mondstahlbarren ruhten. Auf dem Kreidekreis und den Barren lagen Papiertalismane und -siegel mit den Namen von Tiergeistern und seltsamerweise auch dem der lebenden Göttin Myuriko. Eine Untersuchung veranlasste Ren zu der Analyse, dass hier offensichtlich ein Schicksalsmagie-Ritual gewirkt worden war. Der Mondstahl war verflucht worden. Der Fluch richtete sich gegen die Diener Myurikos und sollte die üblichen Eigenschaften von Mondstahl unterdrücken oder verändern.

Während die Helden rätselten, was das bedeuten mochte, erschallte der Warnruf Takurs. Er hatte drei Gestalten entdeckt, die sich zielstrebig dem verfallenen Haus näherten. Der Jaguarkrieger postierte sich hinter der Tür, während die anderen Helden zu ihm hasteten. Die Fremden – ein Zwerg sowie ein menschlicher Mann und eine Frau – griffen sofort an.
Takur schlug den Mann mit zwei heftigen Treffern in die Flucht. Die beiden verbleibenden Angreifer konnten den Jaguarkrieger jedoch durch eine Lichtbarriere von den anderen Helden isolieren, die zudem dadurch gehandicapt wurden, dass ein Zauber den Boden mit spiegelglattem Eis überzog.
Statt die blendende Barriere anzugreifen, überkletterten Luo und Akira die halb eingefallenen Wände des Hauses und stießen zu ihrem Gefährten, der inzwischen bereits verletzt und durch die Lichtzauber der Gegner halb geblendet war. Der zwergische Anführer der Gegner erwies sich als harter Gegner. Obwohl bereits verwundet, schickte er Luo und Takur mit einem wuchtigen Rundumschlag zu Boden. Luo war allerdings rasch wieder auf den Beinen. Inzwischen zerstörte Ren die Lichtbarriere mit einem Flammenzauber. Mit vereinten Waffen und Zaubern konnten die Helden die Gegner zum Rückzug zwingen. Schwer verwundet und durch den geschickten Zaubereinsatz der Diebe verlangsamt, waren sie jedoch nicht in der Lage, die Gegner zu töten oder gefangen zu nehmen. So blieb ihnen nur übrig, den Mondstahl einzusammeln und hastig die „Gärten der Asche“ zu verlassen, bevor sie auf einen weiteren feindlichen Geist stießen oder die Diebe mit Verstärkung zurückkehrten.   

Zurück beim Ka-Anwesen versorgten die Helden ihre Wunden und berieten über das weitere Vorgehen. Sie hatten nur einen halben Sieg erzielt: die Diebe waren entkommen. Und durch den Fluch, der vermutlich auf dem gestohlenen Mondstahl lastete, war die Angelegenheit deutlich heikler geworden. Besonders Akira war alarmiert, richtete sich der Fluch doch gegen die Diener Myurikos, der Herrin und Göttin seiner Heimat. Luo und Ren waren hingegen – Fluch hin oder her – sehr in Versuchung, etwas von dem Mondstahl zu unterschlagen. Letztendlich aber entschieden sie sich dagegen.
Die Helden informierten Ayanokoji über das Ergebnis ihrer Recherchen und übergaben ihm den verfluchten Mondstahl, auch wenn Akira ihm nicht völlig vertraute.
So entlasteten sie zwar Wuselbach von den Verdächtigungen, aber Ayanokoji wirkte durch die Informationen der Helden sehr beunruhigt. Er verriet den Helden, wofür er den Mondstahl benötigte: Seine Kobe war damit betraut worden, eine mächtige Waffe zu schmieden. Diese war für den Kampf gegen ein Ungeheuer gedacht, welches einer Weissagung zufolge in einigen Jahren das Reich des Eisernen Kranichs bedrohen könne. Aufgrund der Kosten und Seltenheit des benötigten Mondstahls hatte Ayanokoji auf seine halblegalen Kontakte in Palitan zurückgegriffen. Dass jemand dies mitbekommen und derart heimtückisch zu sabotieren versucht hatte, warf beunruhigende Fragen auf. Vermutlich war der Plan der Diebe gewesen, den verfluchten Mondstahl bei Gelegenheit „wiederauftauchen“ zu lassen. Falls dieser dann ungeprüft für die Waffe verwendet worden wäre, hätte sie sich im Einsatz vermutlich als nutzlos oder sogar für den Träger gefährlich erwiesen. Aber wer steckte hinter dem heimtückischen Plan – und warum? Dienten die Saboteure einem der Feinde Kintais oder hatten sie eigene Pläne mit dem Ungeheuer? Zumindest Akira fragte sich, ob dieser Vorfall im Zusammenhang mit den Ereignissen beim „Tempel der tausend Tore“ in Verbindung stehen mochte. Dort hatte die Spinnenfrau Kuraiko versucht, ein Monster freizusetzen, das im Falle seines Freikommens eine ganze Region Kintais hätte verheeren können. Und sie hatte nicht alleine gehandelt, sondern anscheinend Verbündete gehabt.
Ähnelte nicht das heimtückische und skrupellose Vorgehen in Palitan den Intrigen der Spinnenfrau? Was, wenn beides zusammenhing?

Ayanokoji war auf jeden Fall dankbar: Immerhin wisse man jetzt um die Gefahr und könne den zurückgewonnenen Mondstahl reinigen oder notfalls Ersatz beschaffen. Er belohnte die Helden großzügig. Außerdem bot er Akira an, dessen Namen an die Auftraggeber der Waffe weiterzugeben. Sollte der Tag kommen, sich dem Untier in den Weg zu stellen, könne er einer der Kandidaten dafür werden. Das lag zwar noch einige Jahre in der Zukunft, war aber eine große Ehre, die Akira bereitwillig annahm. Luo hielt das für ein wenig verrückt und für eine bestenfalls fragwürdige „Belohnung“, sagte aber nichts zu den in seinen Augen seltsamen Bräuchen der Schwertalben. Die Roten Karpfen begannen eine Fahndung nach den Dieben, doch schien der Erfolg zweifelhaft. Zudem wurde die Bergung der ermordeten Ritualopfer in die Wege geleitet.

***

Inzwischen begannen die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv erste Früchte zu tragen. Doch alleine die Recherchen zum „Tempel der tausend Tore“ kosten die Gelehrte Hira fast zwei Wochen. Die lesekundigen Abenteurer unterstützten sie so gut sie konnten, indem sie Notizen und Sekundärtexte sichteten, auch wenn sie selber keinen Zugang zum Kaiserlichen Archiv hatten. Die Gelehrte erwies sich als recht umgänglich, außer wenn man ihre Notizen durcheinanderbrachte. Gerne nahm sie die Einladungen Rens zum Teetrinken an, die sich mit Hira gut stellen wollte.

Mit tatkräftiger Unterstützung von Hao und Ren förderte Hira eine bunte Palette an Informationen zum Tempel der tausend Tore zutage. Tatsächlich war – wie bereits vermutet – der Tempel um die 2.000 Jahre alt und von den Drachlingen errichtet worden. Diese hatten sich auch an seiner Erhaltung beteiligt, sogar noch lange nach dem Mondfall. Der letzte im Tempel dienende Drachling war vor gerade einmal 500 Jahren gestorben, kurz nach der Gründung Kintais. Angeblich war er einen Meuchelmord zum Opfer gefallen. Die Drachlinge erachteten den Tempel wohl als sehr wichtig. Es schien, als ob sie neben der Gefahr, die der dort eingesperrte Dämon Kokumo darstellte, noch mehr befürchteten – so als wäre der Dämon Teil von etwas Größerem. Angeblich hing er mit der Aufstachelung oder Verführung der „Dienerrassen“ und einer „Bedrohung der göttlichen Ordnung“ zusammen. So vage dies blieb, wenn die fast allmächtigen reptiloiden Magierdespoten die Gefahr so ernst nahmen, musste sie gravierend gewesen sein.
Der Tempel war ursprünglich durch die Priesterschaften der drei Tiergottheiten Drache (für den Schutz und militärische Aspekte der Wache), Fangschrecke (zur Bewahrung der Rituale) und Krebs (Schutz der Tore) bewacht worden. Dabei hatte der Drachen-Kult offenbar eine zentrale Rolle gespielt.
Jedoch war um die Zeit des Mondfalls die Unterstützung durch die Krebs-Priesterschaft beendet worden, weil einige Abtrünnige in ihren Reihen es in einem „großen Verrat“ um ein Haar geschafft hätten, Kokumo zu befreien. Hinter diesen Umtrieben steckte offenbar bereits zu dieser Zeit der ominöse „Kult des Strahlenden Schattens“.
Der in Zhoujiang schon lange entmachtete Drachenkult hielt in der Gestalt der wenigen im Tempel verbleibenden Drachlinge und ihrer Gefolgsleute noch etwa 500 Jahre die Stellung, was freilich zu Konflikten mit den reformierten Angehörigen der Kirche der Tiergeister führte. Nach dem Tod des letzten Drachlings wurde der Drachenkult schließlich durch Priester der Geflügelten Schlange ersetzt, die jedoch ihren Dienst mit im Laufe der Jahre schwindendem Enthusiasmus und Einsatz versahen. Die Priesterschaft des Kranich-Reiches bzw. der Clan der Uome hatte offenkundig in den Jahren nach der Reichsgründung Kintais um die Existenz des Tempels gewusst und diesen unterstützt. Dies endete jedoch vor 350 Jahren, als ein Angehöriger der Fürstenfamilie „in den Schatten fiel“. Es blieb unklar, ob er ermordet wurde, im Wald der 10 Millionen Kami oder in der Geisterwelt verschwand, Verrat beging oder ihn ein anderes düsteres Schicksal ereilte.
Kurz nach der Aufnahme Gagambas in den Kreis der 13 Großen Tiergeister hatte zudem die Priesterschaft Gagambas für einige Jahrzehnte beim Erhalt des Tempels geholfen. Auf Befehl Kintais musste der Kult aber bald ihre Tätigkeit einstellen. Ihren Mitgliedern wurde unter Todesstrafe untersagt, den Tempel aufzusuchen. Die Gründe dafür blieben vage.
Ebenso unklar blieb, wie es dazu gekommen war, dass in den letzten Jahren nur noch ausgewählte Vertreter der Uome um den Tempel wussten, die nicht einmal der Kernfamilie angehörten.

Die Abenteurer informierten die Botschaft Kintais über ihre Erkenntnisse. Zum einen hofften sie auf Unterstützung, vor allem aber war es in ihrem Interesse, dass das Kaiserreich die Unterstützung der Tempelwacht intensivierte. Suguri Jun nahm die Informationen dankbar entgegen und versprach, sie weiterzuleiten.
Die Botschafterin hatte die Helden bisher noch nicht um die angedeutete „Gefälligkeit“ gebeten, ersuchte aber Hao und Ren, bei der Fürsorge für Arme und Kranke zu helfen, die die Botschaft außerhalb des Viertels der Schwertalben finanzierte.
Bei dieser Aufgabe konnte besonders Hao glänzen, während Ren ein Missgeschick unterlief, weshalb sie erst einmal in eine Hilfsrolle verwiesen wurde. Das kränkte den Stolz der jungen Magierin, aber sie schluckte ihren Ärger herunter. Während die Unggoy-Priesterin vor allem die Vorteile der Fürsorgearbeit sah, durchschaute die misstrauische Ren, dass es der Botschaft auch um subtile Propaganda zugunsten Kintais und des Myuriko-Glaubens ging. Zudem hielt man so die Armen (auch solche mit kintarischen Wurzeln) außerhalb des wohlgeordneten und „perfekten“ Schwertalben-Viertels. Zudem schien die Botschaft ihre Wohlfahrtseinrichtungen auch zur Informationsgewinnung nutzte. Luo hatte Gelegenheit, einige Male mit jungen Schwertalbenkriegern und den Wachen der Botschaft zu trainieren.
Alles in allem schienen die Recherchen auf dem richtigen Weg, wenngleich die letzten Ereignisse den Argwohn der Abenteurer weiter schürten, dass hinter dem dramatischen Geschehen beim „Tempel der tausend Tore“ dunklere Dinge steckten, als anfangs anzunehmen war: Geheimnisse, die bis in die Gegenwart nachwirkten. Die erhaltenen Hinweise würden die Recherchen zum „Kult des Strahlenden Schattens“ und zum Drachenkult erleichtern.