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[MSZL] Kapitel 1 - Ein kalter Empfang -

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Outsider:
Auf dem Weg zum Corell Anwesen

Leise viel der Schnee vor den Fenstern eurer Kutsche aus tiefhängenden dunklen grauen Wolken die über den Himmel zogen. Die Dämmerung würde an diesem neunten Januar 1862 früh einsetzen und so richtig hell würde es überhaupt nicht werden. Was dem Winter im ausgehenden Jahr 1861 gefehlt hatte schien er jetzt nachzuholen. Es war fast so als hätte sich das Wetter gegen euch verschworen und aus ein paar Flocken in Uppsala war ein dichtes Schneetreiben geworden. Außer euch war niemand auf den Straßen unterwegs und die Wälder um euch herum wurden dichter je weiter ihr nach Nordosten kamt. Zwei Fähren galt es zu bekommen, eine für eine kurze Überfahrt von Öregrund nach Gräsö und eine zweite viel weiter im Norden, oberhalb der Bucht von Mattingsviken um nach Örskär überzusetzen.

Während die Winterlandschaft an euch vorbeizog



grübeltet ihr in dem windgeschützten Inneren der Kutsche über das was ihr in Stockholm und Uppsala vor eurer Abfahrt noch herausgefunden hattet.

Der deutsche Namens Keisinger, wie Aleksander in seinen alten Kreisen herausfinden konnten, war lange nicht mehr in Stockholm gewesen und in Aleksander keimte der Verdacht, dass dies seit dem Verschwinden von Alva im Jahre 1859 der Fall sein könnte. Schon vorher war Keisinger nur noch selten und wenn überhaupt nur für kurze Zeit auf den Sommer Saison´s der letzten Jahre gewesen. Aber er war ja auch schon ein Mann in gehobenem Alter als Lisbeth noch eine junge Frau war. Vielleicht hatte er einfach das Interesse verloren.

Trotzdem schien seine Anziehungskraft auf Frauen nie nachgelassen zu haben und selbst jetzt noch wünschte sich die eine oder andere das er zurückkommen würde, wenn vielleicht auch nur für eine Saison. Keisinger umgab eine geheimnisvolle Aura der Macht, so konnte man es wohl am besten ausdrücken welche mehr Verheißungen offenbarte als verbarg und die Gedanken seiner Gäste anregte.

Zu seinem momentanen Aufenthaltsort konnte Aleksander jedoch nichts herausfinden. Immer hieß es nur er wäre auf seinem Anwesen in Schottland. Woher die Leute das wussten, na schließlich kam er doch von dort, auch wenn er Deutscher war.

Die Archive der Gesellschaft verrieten Aleksander dann noch, dass Keisinger mehrmals um förmliche Aufnahme in die Gesellschaft gebeten hatte, schriftlich. Alle Ersuche waren, wenn auch höflich, aber bestimmt abgelehnt worden. Ein echter Grund war nirgendswo zu erkennen und auch der Diener konnte sich an den Deutschen nicht erinnern. Die Gesellschaft schien damals wohl der Meinung gewesen zu sein, dass man die Gesellschaft des deutschen Gentlemans lieber mied und ihn nicht noch einlud.

Bezüglich seines Rituals oder der Séance konnte Aleksander nur sehr wenig herausfinden. Es gab Gerüchte und Erzählungen die alten Schriften festgehalten waren, dass in äußerst seltenen Fällen, welche selten gut ausgingen, nicht die Geister in diese Welt gerufen wurde, sondern der Rufende in die Welte der Geister geriet. Ein Grund warum eine Séance kein Vergnügen für gelangweilte Jünglinge und Damen war.

Das Amulett war jedoch erwähnt. Ein alter Wälzer vermerkte ein Hölzernes Herz aus dem Baum einer Eschenbraut mit kristallener Seele. Es soll den Träger vor der Berührung von Vaesen schützen können, wenn er diese nicht wünschte und obendrein hätten Träger des Amuletts Verwundungen überlebt welche für gewöhnliche sterbliche auf jeden Fall tödlich gewesen wären. Die Gelehrten waren sich auch sicher, dass solche Amulette noch weitere Kräfte hätten, welche jedoch weit weniger bekannt waren und vielleicht gefährlich. Man war sich sicher, dass solche Macht immer mit einem Preis bezahlt werden musste und dieser würde in Schrecken der Grunst die das Amulett gewährte in nichts nachstehen. Manche gingen weiter und behaupteten so ein Amulett wäre ein Leuchtfeuer für eine bestimmte Sorte Vaesen und würde sie anziehen wie eine Kerze die Motten.

Helena steckte ihre Nase in die Bücher der Gesellschaft und stattete der Kirche in Uppsala einen Besuch ab, darüber hinaus machte sie die Verwandten von Johann Corells Mutter in Uppsala ausfindig.

Das Kloster war in der Tat im dreizehnten Jahrhundert erbaut worden, oder besser gesagt fertiggestellt worden. Im Zuge der Christianisierung der Nordländer war wohl Mitte des zwölften Jahrhunderts mit dem Bau der ansehnlichen Abtei begonnen worden welche, nach etwas fünfzig Jahren fertiggestellt wurde, nur um nach weiteren achtzig Jahren bis auf die Grundmauern abzubrennen, so die Geschichtsschreiber. Bei dem Grund der Erbauung waren sich die Geschichtsschreiber uneinig und die Kirchenarchive völlig nutzlos. Es hieß, dass der Ort für die Christen, welche die heidnische Bevölkerung zum Glauben bekehren sollte besonders wichtig gewesen sei. Dort oder in der Nähe wurde vermutete, dass sich einer der „Fingernägel des Teufels“ befand. Leider fand sich nirgendswo ein Hinweis darauf was das sein sollte. Möglicherweise eine Reliquie, etwas das die Existenz des Antichristen bewies? Aber warum hier, warum so hoch im Norden und warum ausgerechnet in der Nähe des Corell Anwesens. Hatte das etwas mit der Insel der stehenden Steine zu tun, oder dem Grund warum die Abtei abgebrannt war? Hier muss aber erwähnt werden, dass diese Mutmaßung nicht von der Kirche selbst gestützt wurde die in ihren Büchern den Ort selbst als Ausgangspunkt für die die Bekehrung der Heiden ihm heutigen Finnland ausgibt und das ein Unglücksfall oder eine Unachtsamkeit den Brand verursachte der zur Sommerzeit wütete und die Anlage zerstörte.

Einen Punkt klärten aber auch die Kirchenarchive nicht auf, oder besser gesagt umschifften ihn geschickt. Wenn der Ort so wichtig war und der Bau so lange gedauert hatte, warum wurde die Abtei nie wieder aufgebaut?

Als nördlichster Ausläufer der Inselgruppe vor dem Festland war die Insel der Corells schon immer sagenumworben gewesen. Etwas auf der Insel ließ die Natur dort außerordentlich gut erblühen, dort gab es das beste Wild und die reichhaltigsten Fischgründe. Wer dort siedelte soll vom Glück reichlich bedacht worden sein, doch das alles schien mit den Corells zu Ende gegangen zu sein. Vielleicht kümmerte sich keiner mehr um die alten Bräuche und brachte das kleine Volk, dass es sicherlich im dichten Unterholz der dichten Wälder gab, gegen sich auf? Besonderes Augenmerk legten die Sagen und Legenden jedoch auf das kleine Eiland vor der Insel auf dem es fünf stehende Steine gab die wie die Finger einer geöffneten Hand in den Himmel stachen und dem Wetter trotzten. Manche sagten in der Mitte der Steine wäre ein alter, blinder Krieger begraben, der sein Volk gegen Drachen und Riesen verteidigt hatte, mit ihm wurden seine Rüstung und seine Waffen in der Erde verscharrt.

Andere wiederum behaupteten diese Steine wären ein Hexenkreis um die Mächte der See und des Wetters zu beschwören. Die Steine seien auch der Grund für den Fischreichtum um die Insel und auf Ewig verbunden mit der See und den Gezeiten. Leider war keine der Sagen oder Geschichten konkret genug um mehr als nur Aberglaube zu sein, jedoch so hatte Helena wohl gelernt, steckte in allem ein Körnchen Wahrheit.

Bei der Suche nach Evalines Verwandten waren nur noch alte Leute zu finden welche sich kaum noch an das Mädchen erinnerten welches Joseph Corell geheiratet hatte, aber immerhin gab es noch einen spärlichen Rest an Korrespondenz zwischen Evaline und ihrer Familie der allerdings nichts gutes verhieß.

Hier auf dem Anwesen der Corells stimmt etwas nicht.

Joseph, mein Mann, der mich einst mit seinem guten Willen und seinem Lächeln bezauberte, wirkt jetzt distanziert und zurückgezogen. Als wir uns trafen, wurde mir klar, dass es diese Unvollkommenheiten gibt, über die man hinwegsehen muss, und dass einem das Herz hilft, zu vergeben.

Josephs seltsame Besessenheit hält ihn jedoch zu jeder Nachtzeit in der Bibliothek fest. Selten verbringen wir Zeit miteinander, und noch seltener will er sein eheliches Recht mir gegenüber ausüben.

Langsam fühle ich mich unzulänglich, besonders wenn er von seinem Wunsch nach Kindern spricht, die auf dem Anwesen herumtänzeln. Was soll ich tun? Ich verbringe die meiste Zeit allein im Gewächshaus und denke an meine süße Jugend und den reichen und galanten Peter Roakana, der geduldig auf mich wartete und mich mit teuren Geschenken wie meiner geliebten Perlenkette überschüttete.

Die Dinge hätten anders sein können, wenn ich diesen Weg beibehalten hätte. Stattdessen fühle ich mich wie eine Idiotin, weil ich mich mit Joseph Corell eingelassen habe. Seine besten Momente verbringt er in seiner Bibliothek mit Büchern, die doppelt so alt sind wie ich. Anscheinend kann nicht einmal mein Gesicht seine Aufmerksamkeit von den Büchern abwenden. Welchen lieben Rat kannst du mir geben, liebste Mutter?

Ich werde auf Deine Antwort warten.

Ich hoffe, dass dieser Brief dich und Vater wohlauf findet. Sag Vater, er soll sich keine Sorgen um seine kleine Eva machen, jetzt wo ich das Nest verlassen habe. Im Herzen bin ich immer bei euch.

Mit Liebe,

Evaline
Vor den Fenstern der Kutsche wird es dunkel und der Wind nimmt an stärke immer weiter zu. Gerade noch rechtzeitig kommt ihr an der Küste an und könnt in der aufgepeitschten See ein Boot nehmen das euch übersetzt. Doch an ein weiterkommen ist heute nicht mehr zu denken. Schneewehen versperren den Weg und nehmen jede Sicht.



Der Hohlweg der weiter nach Norden führt ist versperrt und so bleibt euch nichts anderes übrig als in dem kleinen Fischerdörfchen Gräsö mit seiner Fährstation zu übernachten.

Mit Schnee verkrustest und umgeben von einem weißen Inferno aus windgepeitschten Flocken hält die Kutsche vor dem einzigen Gasthaus der Ortschaft, dem „Silbernen Dorsch“.

Das alte Schild in Form eines Fisches schwingt wild über der Tür im Wind und irgendwo ist das Schlagen eines nicht gesicherten Fensterladens zu hören. 

Don D. Kanalie:
Aleksander von Bäcklund - Gasthaus "Silbernen Dorsch"

Aleksander öffnet die Kutschentür bis sie ihm vom Wind förmlich aus der Hand gerissen wird und gegen die Kutsche knallt. "Du meine Güte, was für ein Wetter.", stößt er erschrocken hervor. Dann steigt er aus und stapft eilenden Schrittes und seinen Zylinder festhaltend zum Eingang des Gasthauses, um auch hier die Tür zu öffnen und für Helena offen zu halten. "Wenn ich bitten dürfte Helena!", ruft er über das Brausen des Schneesturms hinweg.
Sobald Helena an ihm vorbei ist fügt er hinzu: "Ich werde unserem Kutscher beim Ausladen helfen. Würdest du für uns schon mal Zimmer besorgen und ein wärmendes Getränk bestellen?" Nach einer Antwort nickt er knapp, zieht seine Jacke enger und wartet zurück in das Schneegestöber.

Outsider:
Helena merkt sofort das etwas nicht stimmt als sie die dunkle Gaststube betritt. Die Gäste die hier zusammen sitzen scheinen alles Dörfler zu sein, welche die Köpfe zusammenstecken. Ein Raunen und Murmeln ist zu hören, dass vom Knacken des Kamins in der Ecke untermalt wird.

Wo das Licht des Kamins nicht mehr hin dringt sind Petroleumlampen aufgehangen und auf den Tischen stehe tönerne Teller in denen sich eine Schicht herabgebrannter Kerzen auf der nächsten stapelt bis wieder weiße Wachsfinger in die Höhe ragen auf deren Spitzen kleine Flammen tanzen und den Tisch ausleuchten.

Hinter einem Tresen, von dem aus wohl auch eine Tür in die Küche der Gaststube führt, stehen ein voluminöser Mann und eine dralle Frau welche Bier zapfen, Schnaps ausschenken und den Eindruck erwecken als wären sie die richtigen Ansprechpartner um nach einem Zimmer zu fragen.

In dem Raum riecht es nach scharf angebratenem Essen, Pfeifenrauch und Leder. 

Die Blicke die Helena von den Tischen entgegenschlagen zeugen von Skepsis. Hier ein Kopfschütteln dort eine gehobene Augenbraue. Irgendwo ertönt es laut „Tür zu!“ ohne dass man den Rufer ausmachen kann.

Der Wind fährt in die Gaststube und die kleinen Flammen fangen an zu flackern, Schnee weht herein und dann fällt die Tür auch schon wieder schwer ins Schloss, sperrt das Wetter aus.

Für einen Augenblick herrscht Stille, die Blicke der Gäste liegen auf Helena, dann setzen die gemurmelten Gespräche wieder ein.

Draußen sind Aleksander und der Kutscher schwer damit beschäftigt die Kutsche in dem Sturm auszuladen und die Pferde in den Stall zu bringen.

Katharina:
Helena - Reise nach Gröso, Gasthaus Silberner Dorsch

Trotz der Kälte merkte man Helena am Morgen die Neugier und Vorfreude auf die Reise an. Ausführlich berichtete sie während der Kutschenfahrt von den Ergebnissen ihrer Reise, wobei sie insbesondere die Geschichte der Kirche und Christianisierung mit großem Detailwissen kundtat. Bei der Überfahrt auf dem Schiff wurde Helena jedoch einsilbig. Immer wieder blickte sie mit ernstem Gesicht auf die stürmische See hinaus, während sie penibel darauf achtete, sich stets irgendwo festzuhalten. Erst als es wieder mit der Kutsche weiterging, entspannten sich ihre Gesichtsauszüge wieder.

"Das mache ich gerne.", reagiert Helena auf Aleksanders Vorschlag und betritt dann in freudiger Erwartung der Wärme das Gasthaus. Als sie die Blicke auf sich spürt, wird sie jedoch unsicher. Langsam bahnt sie sich ihren Weg zum Tresen, während sie versucht zu verstehen, was genau ihr Unbehagen verursacht. "Verzeihen Sie die späte Störung.", wendet sie sich schließlich an die Frau hinter dem Tresen, wobei ihre leise Stimme sich kaum gegen all die anderen Geräusche durchsetzen kann. "Meine Begleiter und ich sind auf der Durchreise, aber bei diesem Wetter ist an ein Weiterkommen heute nicht mehr zu denken. Hätten Sie denn eine warme Speise und zwei Zimmer für die Nacht für uns?"

Outsider:
Die Frau hinter dem Tresen beugt sich vor um Helena besser zu verstehen. Das pausbackige Gesicht ist gerötet und umspielt von blonden Locken, deren Enden bereits in ein Grau übergehen.

„Red lauter mein Kind, ich kann dich ja kaum verstehen!“

Als Helena ihre Frage, diesmal mit etwas mehr Kraft in der Stimme wiederholt breitet sich ein Lächeln in dem Gesicht der Frau aus.

„Ein Zimmer, ja klar. Wir haben aber nur noch eins. Das müssten sie sich mit ihrem Begleiter teilen! Außer ihr Begleiter will vielleicht hier in der Gaststube nächtigen, wenn das schicklicher ist. Sie wirken wie jemand der darauf wert legt! Wie eine aus der Stadt!“

Die letzten Worte sind nicht böse gemeint, dass spürt Helena, die Wirtin ist eher bemüht den Umstand zu umschiffen, dass sie keine zwei Zimmer mehr frei hat.

„Bei dem Wetter kehren viele Leute ein und wir haben auch noch zwei Polizisten hier unterbringen müssen, schreckliche Geschichte…“

Die Wirtin stellt unaufgefordert eine dampfende Tasse Kräutertee vor Helena auf den Tresen.

„Geht aufs Haus!“

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