Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte
[Splittermond] Abenteuer in Takasadu
Takur:
Rückkehr zum Tempel der tausend Tore (Spoiler für Abenteuer „Tempel der tausend Tore“)
Miari der Kamioku-Waldes (Ren und Luo)
Ren und Luo bereiteten sich derweil auf die zweite Expedition zum „Tempel der tausend Tore“ vor. Sie nutzten die Zeit auch, um die kürzlich entdeckte Inschrift auf Luos Schwert zu abalysieren. Ren – die solide Kenntnis in Sagen und Legenden besaß – konnte Hilfe von Uome Tadashi im Archiv von Miari einiges herausfinden:
Der Name Li Sao auf der Kling verwies auf eine lange verstorbenen Kaiserin Zhoujiangs. Sie regierte etliche Jahre zusammen mit ihrer Zwillingschwester Li Sui, bevor sie von dieser ermordet wurde. Dies löste den Krieg der Zwillingskaiserinnen aus, der zehn Jahre währte. Das Ende kam, als Li Sui im Angesicht einer Niederlage dunkle Mächte heraufrief, die sie und ihre Feinde gleichermaßen vernichteten. Offenbar wurde die Inschrift auf dem Schwert nach einer bestimmten Reimkadenz gestaltet, von der man seinerzeit glaubte, dass sie die Macht von Artefakten stärken würde. Das Siegel deutete auf eine Schmiede von Li Sao-Loyalisten hin, möglicherweise im Guaiwulinshan-Gebirge (d.h. im Osten der Salamander- oder Westen der Krebsprovinz). Diese Waffen hatten einen eher bedenklichen Ruf. Zusätzliche Informationen sollten sich in den kaiserlichen Archiven in Palitan finden lassen. Es erschien ratsam, die Herkunft der Waffe nicht zu offen zu thematisieren, da dies unliebsame Aufmerksamkeit wecken könnte.
Ren untersuchte auch die Feder, die Luo im Kamioku-Wald gefunden hatte. Offenbar stammte sie tatsächlich von einem niederen Phönix. Solche Artefakte waren zwar nicht sehr mächtig (es war nicht die Feder, die beim Tod eines solchen Vogels zurückblieb und aus der er wiedergeboren werden konnte), könnte aber die Herstellung eines feuermagischen Artefaktes unterstützen oder als Glücksbringer fungieren – und war einige Lunare wert. Luo behielt die Feder erst einmal.
Ren und Luo wurden von Uome Oichi für die Vorbereitung der Expedition herangezogen, da sie den Tempel schon einmal besucht hatten. Vor allem aber stützte die junge Beamtin sich auf Kaito und Tadashi, mit denen sie freilich nicht immer gut zurechtkam. Neben diesen würde Mo Pei als Vertreterin der zhoujiangischen Kulte, zwei Ashigaru und der Kriegermönch und geübte Wildläufer Hoja die Expedition begleiten. Über Oichi erfuhren Ren und Luo, dass es in der Myuriko-Kirche Meinungsverschiedenheiten gab, wie man mit der Angelegenheit mit dem Tempel umgehen sollte: immerhin war dieser den alten Tiergottheiten geweiht, die im Reich des Himmlischen Kranichs seit Jahrhunderten in den Hintergrund treten mussten, und die man nicht „aufwerten“ wollte. Manche in der Myuriko-Kirche neigten dazu, die Angelegenheit den Kantioki-Kampfmönchen zu überlassen, da es lediglich um den Schutz vor dem im „Tempel der tausend Tore“ eingeschlossenen Dämon ginge.
Dazu kamen weitere politische Aspekte. Die Gagamba-gläubige Spinnenfrau Kuraiko hatte versucht, den Dämon zu befreien. Die Gagamba-Kirche war in Zhoujiang immer noch sehr stark, auch wenn der dortige Zweig nicht so offen Kintai-feindlich war wie die Sekten in den transkabilischen Wäldern Sadus. Die Angelegenheit drohte Kreise ziehen, und es war bereits eine Reihe von Briefen an höhere Stellen unterwegs.
Als die Gruppe aufbrach, tauchte überraschend der Tengu Arashi auf, der sich der Gruppe anschließen wollte. Es war ein Rätsel, woher er über die Expedition erfahren hatte. Oichi war wenig erbaut, ließ sich aber von Luo überreden, den Rabenmenschen mitzunehmen. Arashi übernahm zusammen mit Kaito und Hoja die Führung. Dies garantierte zwar große Kompetenz, bedeutete aber gleichzeitig, dass sich die drei Wildnisführer argwöhnisch beäugten.
Deshalb war die Stimmung am abendlichen Lagerfeuer teilweise angespannt, auch wenn sich Luo darum bemühte, die Stimmung aufzulockern. Die Reise durch den Kamioku-Wald verlief überraschend reibungslos. Am Abend des dritten Tages erreichte man das Feentor zu dem Tal des Tempels der tausend Tore. Jenseits davon zeigte sich, dass Weg und Tore in gutem Zustand waren, als würde die Feenwelt (oder jemand in ihr?) sie pflegen. Auch der Tempel wirkte wie erst kürzlich verlassen (und nicht schon vor etlichen Wochen).
Abgesehen von gelegentlichen schemenhaften Bewegungen schien die Umgebung des Tempels verlassen. Die Besucher waren sich klar, dass Vorsicht, Achtsamkeit und Respekt angebracht waren. Es fiel auf, dass der Himmel nachts keinen Mond und nur unbekannte Sterne zeigte.
Die Untersuchung konzentrierte sich anfangs auf die Außenbereiche des Tempels: das Torhaus, die Priesterquartiere, ein Wirtschaftsgebäude und schließlich das Haus der Vorsteherin. Dabei fiel auf, dass die Torsäulen wie die Ziegelmauer um die Tempelanlage mit zhoujiangischen Schriftzeichen in einer unbekannten Sprache beschrieben waren. Keiner konnte sie entziffern, doch wurden Abschriften angefertigt. Im Torhaus gab es eine kleine Waffenkammer mit wenigen, aber hochwertig gefertigten Stücken, die man aber aus Respekt vor den Toten und für Nutzung unangetastet ließ. Die Gruppe kampierte im ehemaligen Priesterquartier, das einst ca. 20-30 Personen Platz geboten hatte. Von den ermordeten Mönchen waren nur ein paar kärgliche Besitztümer zurückgeblieben: Kleidung, Gebetsrollen, einfache Brettspiele und dergleichen. Offenbar ermutigte der Tempel seine Bewohner, auf Besitz, Luxus oder Kontakte zu ihrem alten Leben zu verzichten. Nicht jeder war damit zurechtgekommen: Luo entdeckte Briefe eines Mönches, die dieser an eine Geliebte geschrieben aber nie abgeschickt hatte.
Die Vorratskammer enthielt nur vegetarische Lebensmittel und diese erschienen selbst angesichts der geringen Belegschaft vor dem Angriff Kuraikos als sehr knapp. Das Essen stammte offenbar aus einem angrenzenden Klostergarten, der aber nur noch zum Teil genutzt worden war. Etliche der Pflanzen zeigten Blüten und Früchte zur selben Zeit.
Im Haus der Vorsteherin fanden sich religiöse Schriftrollen, vor allem mit Bezug zum Krebsgott Jausei und der Fangschrecke Tanglang, aber kaum etwas zu anderen Tiergöttern. Es gab zudem einige historische Romane, Sagensammlungen zum Kamioku-Wald und ein wenig schöngeistige Literatur. Ein Tagebuch der Vorsteherin Momoko gab Hinweise, dass diese (wiewohl Mensch) wohl mindestens 120 Jahre gelebt hatte (obwohl ihre Leiche keineswegs wie die einer so alten Frau ausgesehen hatte). Gerade in den letzten Jahren hatte sie sich Sorgen um die Sicherheit des Tempels gemacht, was sie mit kryptischen Worten umschrieb: „Etwas regt sich in der Dunkelheit, Etwas verbirgt sich im Licht“. Der Tempel schien freilich niemals mit der Versorgung oder Krankheiten Probleme gehabt zu haben.
Leider fand sich keine umfassende Chronik des Tempels.
Die Schriften berichteten, dass die Perlen, mit denen man die Zugänge zu den Nebenglobulen öffnen konnte, nach einer Anwendung erst bei den Wächtern „aufgeladen“ werden mussten, beschrieben die Wächter und gaben einige vage Hinweise auf die Feenwelten jenseits der Tore des Hauptgebäudes. Das Tor der Untergehenden Sonne führte in ein Geisterwelt-Abbild des Schlachtfeldes, auf dem der Dämon Kokumo vor weit über 1000 Jahren besiegt und gefangengesetzt worden war. Das Tor der aufgehenden Sonne hingegen führte vermutlich in eine Feenwelt, die von der Welt des Tals eigens zur Bewahrung der Perle abgespalten worden war. Die Dryade Sakuri war offenbar die Herrin dieser kleinen Welt, und möglicherweise würde sie sich sogar im Falle ihres Todes erneuern, solange die Perle zurückgebracht wurde. Angaben ob es eine feeische Herrin oder Herren des Tempeltals gab, fehlten. Der Kerker Kokumos wurde nur vage beschrieben, zumal die Gegenwart des Dämons ihn wohl zusätzlich verzerrt hat – in jedem Fall sollte ein Besuch tödlich sein. Es fand sich auch eine Beschreibung Kokumos und seiner Fähigkeiten. Hier bezeichnete man ihn als Kreatur Gagambas, der aber möglicherweise von ihr abgefallen war.
Im Haus der Vorsteherin fand sich ein Spiegel, der sich bei einer eingehenden Untersuchung durch Ren als Kommunikationsmittel mit den Perlen-Wächtern jenseits der Tore entpuppte. So konnte sie Gespräche mit Geistergeneral Shi und der Kirschdryade Sakuri führen. Dies brachte aber keine neuen Erkenntnisse. Es war deutlich zu spüren, dass Sakuri sich in ihrer Globule einsam fühlte, weshalb Ren anregte, dass künftige Bewohner des Klosters mit ihr Kontakt halten sollten.
Arashi war von den Informationen enttäuscht – zweifellos hatte er sich mehr Informationen erhofft, die den Tempel der tausend Tore mit dem Turm Rabenwacht der Tengu verbanden. Auch Tadashi hätte sich wohl eine Tempelchronik oder genauere Angaben zu Kokumos Herkunft und Zielen gewünscht. Kaito beschloss, noch eine Weile im Tempel zu bleiben, während der Rest der Reisenden sich auf den Rückweg machte. Trotzdem sie einen Wegkundigen weniger hatten, erreichten sie Miari ohne Probleme. Oishi war sich nicht sicher, ob die Errichtung eines dauerhaften Außenpostens im Tempel möglich sein würde – die Anlage lag tief im Kamikou-Wald, was jeden Besuch erschwerte. Ohne die Schlüsselmünzen, die Zugang zum Tal gewährtem, sollte ein Betreten schwer möglich sein, so dass das Risiko eines Angriffs überschaubar schienen. Allerdings gab es angeblich Rituale, Artefakte und Wesen, die unter bestimmten Bedingungen Tore in Feenwelten öffnen konnten…
In den Tagen nach ihrer Rückkehr widmeten sich Luo und Ren dem Kontakt zur örtlichen Zhoujiangi-Exilgemeinde. Scheinbar selbstlos brachten sie Neuigkeiten aus der alten Heimat und boten sich an, Botschaften zum Maishi-See und den angrenzenden Provinzen zu befördern. Insgeheim suchten sie zugleich (im Falle Rens mit einigem Erfolg), Stimmung gegen die Triaden und General Wu zu machen. Im Fall Luos dienten seine Bemühungen auch der Pflege und dem Ausbau seines Kontakte-Netzwerkes.
Es wurde deutlich, dass die Kintari-Oberschicht über den Umgang mit der aufgrund des Bürgerkriegs zunehmenden Zahl von Exilanten aus Zhoujiang unsicher war. Das Problem war in Miari noch nicht so akut, aber in den näher an den Grenzen zu Zhoujiang gelegenen Regionen war es wohl schon zu Spannungen gekommen, zumal manche Fürsten und Adlige mit Skepsis auf die Zuzügler blickten. Manche fürchteten, dass ihre Präsenz in den Grenzregionen den Bürgerkrieg nach Kintai bringen könnte. Mancher Lord dachte wohl darüber nach, die Flüchtlinge lieber in spärlich bewohnten Gebieten fern der Grenzen anzusiedeln. Es war übrigens auch zu spüren, das Hao und Mo Pei wegen ihrer Hilfe für die Jugendlichen beim Fest der Freuden von einigen Einwohnern nicht eben geschätzt wurden.
Ein eher unerwartetes Ergebnis der „Netzwerkarbeit“ war, dass eine örtliche Heiratsvermittlerin über Mo Pei vorfühlen ließ, ob Ren als Kandidaten für eine Einheirat in eine örtliche Familie zur Verfügung stünde. Doch sie war im Augenblick an dergleichen nicht interessiert und verneinte höflich.
Takur:
Übergänge
Miari, Banjaku-Provinzen und Kochoji-Ebenen (Hao, Luo, Ren)
Die Abenteurer, zurückgekehrt aus dem Kamioku-Wald (Luo und Ren) bzw. von ihrer Reise zum „Tempel der ersten Pflaumenblüte“ (Hao, Akira und Takur) hatten nur relativ wenig Zeit sich über ihre Erlebnisse auszutauschen. Wenige Tage, nachdem sie wieder in Miaria eingetroffen waren, wurden diejenigen, die aus Zhoujiang stammten (Hao, Ren und Luo) eilends zum Palast beordert. Offenkundig war eine wichtige Reisegruppe unter dem Banner von Klan Ranku eingetroffen und wollte die Gäste aus Zhoujiang sehen.
Man führte die Abenteurer in einen Saal, wo sich bereits die Priesterin Mo Pei und Hauptmann Lei Fang als die Anführer der in Miari weilenden Gesandtschaft der Affenprovinz befanden. Auch Uome Satsuma, die Fürstin von Miari, war anwesend. So repräsentativ wie möglich wartete man, die Abenteurer etwas zurückgesetzt hinter Mo Pei und Lei Fang. Hao war nervös, weil sie einige wüste Gerüchte über die kriegswütigen Ranku gehört hatte. Schließlich traten fünf gerüstete Schwertalben ein.
Anführerin der Gruppe war eine dunkelhaarige Albin mit markantem Gesicht in einer schwarzen Lamellenrüstung. Eine furchteinflößende Gesichtsmaske baumelte an ihrem Gürtel, während der ausladende Kriegshelm in ihrer Armbeuge ruhte. Die Kriegerin wurde als Ranku Kane, eine „Protektorin der östlichen Grenzlande“ und eines der „Schwerter des Göttlichen Kranichs“ vorgestellt. Bei den Begleitern der Kanes handelte es sich offenbar um ihren Knappen Ranku Nobunaga, den erfahrenen Krieger Tadanishi Hiro, dessen fremdartiger Dialekt eine Herkunft aus den Grenzlanden oder vielleicht auch dem Ausland nahelegte und die praktisch nicht auseinanderzuhaltenden Schwestern Nishida Akira und Nishida Kari.
Zunächst beschränkte sich das Gespräch auf diplomatisches Hin und Her. Hao realisierte schnell, dass zwischen der Fürstin und der Generalin eine gewisse Anspannung herrschte. Auch im weiteren Verlauf des Gespräches wirkte viel von der geäußerten Höflichkeit und Freude etwas gekünstelt. Die Generalin lobte die guten Beziehungen der Uome zu den Nachbarn (d. h. Zhouhjiang, speziell zur Affenprovinz), und erklärte, man wolle seitens Haus Ranku diese Bestrebungen gerne unterstützen und den Gesandten ein ehrenvolles Geleit auf dem Rückweg geben (sogar Ren und Luo, die nicht dieselbe Menschenkenntnis wie Hao hatten, mutmaßten, dass dies nicht aufrichtig gemeint war).
Die Fürstin nahm das Angebot höflich an, auch Mo Pei und Lei Fang äußersten sich freudig. Zum Abschied ihrer Gäste würde die Fürstin ein Fest ausrichten. Die Begeisterung der Generalin darüber hielt sich in Grenzen.
Das ca. eine Stunde andauernde folgende Gespräch drehte sich vor allem um höfliche Nichtigkeiten, doch kamen nun auch die Abenteurer gelegentlich zu Wort und Ren konnte dank ihrer rhetorischen Fähigkeiten einen guten Eindruck machen.
Vor dem Fest am Abend des Folgetages überprüften die Abenteurer – Akira und Takur würden sie auf das Fest begleiten, doch waren sie nicht wie die Zhoujiangi ‚eingeladen‘, sich von Ranku Kane zur Grenze eskortieren zu lassen – natürlich ihr Aussehen, um möglichst präsentabel zu sein.
Luo hörte sich in der Stadt nach Informationen über die Generalin um und erfuhr eine ganze Menge. Kane, die auch als „der Schwarze Tod“ bekannt war, galt als erfahrene und fähige Kommandeurin. Geboren um 910 LZ, hatte sie bisher vor allem an der Grenze Kintais mit Sadu gedient. Sie galt als Befürworterin einer expansionistischeren Außenpolitik und ihre Anwesenheit hier im Nordwesten sorgte bei den Uome-Untertanen für Gerede. Wie Luo später erfuhr, hatte Kane sich im Laufe der Jahre mehrere Angehörige des Hauses Momoku zu persönlichen Feinden gemacht. Fast ebenso auffällig wie die Generalin selbst war ihr Reittier – ein prachtvolles, silbergraues Quirin. Man sagte der Generalin nach, dass sie sich eher zu Frauen hingezogen fühlte (was freilich nicht als anrüchig galt).
Am Abend versammelten sich ca. 100 Gäste in einem großen Saal der Burg. Ein halbes Dutzend Musikanten und etwa dieselbe Zahl Tänzerinnen (die einen anmutigen aber formellen Tanz mit Seidenbändern aufführten) boten gesittete Unterhaltung. Man hatte die Zhoujiangi etwas weiter oben an der Tafel platziert, nahe bei Lei Fang und Mo Pei. In unmittelbarer Nähe der Abenteurer saßen vor allem die Begleiter der Generalin, dazu ein relativ junger Priester Myurikos namens Shinzo, der die Gesandtschaft begleiten würde.
Die Generalin, die Fürstin und andere Vertreter der höchsten Elite saßen ein Stück weiter weg. Entgegen aller Befürchtungen unterlief keinem der Abenteurer ein Etikette-Fauxpas und man genoss das exzellente Essen (vor allem Gemüse und Fisch in mannigfaltiger Zubereitung). Ren (und auf ihr Einwirken auch Luo) hielten sich beim Trinken zurück, während Hao sich den Reiswein und -schnaps schmecken ließ. Luo ermutigte Hauptmann Lei Fang, mehr zu trinken – er und Ren wollten natürlich verhindern, dass der Gefolgsmann General Wus (der wie die aus pragmatischen Gründen Wu unterstützende Mo Pei keine Ahnung hatte, dass Ren und Luo im Bürgerkrieg auf einer anderen Seite standen) einen guten Eindruck hinterließ. Natürlich sahen sich alle Zhoujiangi einer gewissen Herablassung seitens der schwertalbischen Elite ausgesetzt.
Bedauerlicherweise war es allerdings Takur, der weiter unten am Tisch in ein verbales Fettnäpfchen trat, weshalb er (und Akira, der die Wogen zu glätten versuchte) relativ früh gingen.
Ren bemühte sich, bei der Generalin einen guten Eindruck zu hinterlassen, hatte aber nur begrenzten Erfolg. Das Gespräch drehte sich unter anderem um den Bürgerkrieg in Zhoujiang. Wohl hielten sich Ren und Luo mit eigenen Loyalitätsbekundungen zurück, unterminierten aber subtil Lei Fangs Lobhudelei auf General Wu und seine Erfolge, etwa indem sie auf Rückschläge gegen die Triaden hinwiesen (Mo Pei war generell in ihrem Lob für Wu zurückhaltender). Lei Fangs gesteigerter Alkoholspiegel mochte dazu beitragen, dass seine Bemühungen nicht eben erfolgreich waren, aber generell reagierten die hohen Adligen nicht begeistert auf das Lob Wus (auch wenn sie seine Leistungen als Militär anerkannten). Dies mochte daran liegen, dass Wus Auflehnung gegen seine Kaiserin nichts war, was bei ihnen hoch im Kurs stand. Insgeheim verspottet eine der beiden Schwestern aus dem Gefolge der Generalin die großsprecherischen Tiraden Lei Fangs hinter seinem Rücken mit sarkastischen Gesten und Mienen.
Man erfuhr während des Festes, dass die Reise zunächst durch das Gebirge am Ostrand des Kamioku-Waldes führen würde, dann durch die nördlichen Ausläufer der Banjaku-Provinzen und schließlich durch die feuchten und fruchtbaren Kochoji-Ebenen südlich des Maishi-Sees das westliche Jadeband entlang. Hao merkte an, dass einige Reisende sich eventuell am Maishi-See von der Gesandtschaft trennen würden (weder sie noch Ren und Luo waren ursprünglich aus der Affenprovinz oder einem anderen Gebiet in Wus Machtbereich gekommen). Die Generalin lehnte das zwar nicht ausdrücklich ab, schien es aber vorzuziehen, wenn die Ausländer vorerst beieinanderblieben. Vermutlich traute sie ihnen nicht und unterstellte ihnen (nicht zu Recht) eine verdeckte Agenda.
Als Abschiedsgeschenk erhielt Mo Pei einen kunstvoll verzierten Wanderstab und Lei Fang einen prunkvollen Helm.
Direkt nach der Rückkehr in ihre Herberge teilte man den Abenteurern mit, dass ein unbekannter Bote eine Nachricht für sie abgegeben hatte. Das Schreiben war nicht unterzeichnet und der Verfasser bat, es anschließend zu verbrennen. Er/Sie warnte, dass die Abenteurer in gefährlichen Gewässern segelten. Warum sei eine Ranku-Generalin, die sonst im Osten stationiert sei, auf einmal an einer Gesandtschaft Zhouhiangs interessiert? Und wäre Diplomatie nicht eher die Domäne von Klanlan Suguri? Ren (die dem Schreiben im Grunde beipflichtete) mutmaßte, dass die Botschaft von Fürstin Uome oder aus ihrem Umfeld kommen könne – schließlich waren die Häuser Kintais nicht für ihre Harmonie bekannt. Sie versteckte das Schreiben in einem Geheimfach ihres Schriftrollenbehälters.
Nach letzten Reisevorbereitungen brach die Reisegruppe – über 30 Bewohner Kintais und fast ebenso viele Zhoujiangi – am zweiten Morgen nach dem Fest auf. Akira und Takur würden nicht mitkommen. Offenkundig hatten sie einen Kurier- und Botenauftrag übernommen, deren Details jedoch noch im Unklaren blieben. Vermutlich hatte Ranku Kano gegenüber Akira die ‚Loyalitäts‘-Karte ausgespielt, war Akiras Klan doch den Ranku zugeschworen.. Hao konnte auf einem zur Verfügung gestellten Reitpferd reisen. Luo und Ren, die beide keine guten Reiter waren, blieben auf die Wagen angewiesen. Natürlich konnte Ren, die über ein gewisses Ansehen und Stand verfügte, in der prunkvollen Kutsche fahren, in der außer ihr nur gelegentlich Mo Pei und vor allem der Priester Shinzo saßen, während Luo bei den Dienern landete.
Das Umland der Stadt war vergleichsweise trocken, so dass Getreidefelder und Viehzucht den Reisanbau überwogen. Generell dominierten in der Banjaku-Provinz weite, vergleichsweise trockene Grasflächen, was die wenigen Gebirgsflüsse und seltenen Seen umso wichtiger machte. Nur gelegentlich unterbrachen Nadel- und Mischwaldflecken das offene Land. Da Zelte und die Kutsche als Quartiere zur Verfügung standen, war die Reise vergleichsweise bequem, zudem war die Küche ausgezeichnet. Die Bevölkerung zeigte überall große Ehrerbietung gegenüber der Generalin, auch wenn sie einem mit den Uome nicht unbedingt immer in Harmonie lebenden Klan angehörte.
Es fiel den Abenteurern auf, dass sie wie auch die anderen Zhoujiangi von den Leuten der Generalin wachsam beobachtet wurden.
Die Generalin auf ihrem prachtvollen silbergrauen Quirin präsentierte sich unübersehbar als Zentrum der Gruppe. Sie nutzte die erste Woche der Reise um besonders Hao und Ren intensiver nach ihren Heimatprovinzen zu befragen. Ren sprach eher über die Kranich- und Flussdelphin-Provinz, in der sie die letzten Jahre verbracht hatte. Kane befragte alle (auch Luo) eingehend zu den Ereignissen beim „Tempel der tausend Tore“. Die Abenteurer antworteten ihr offen. Es fiel auf, dass die Generalin eher an der Kultistin Kuraiko (wegen ihrer Verbindungen nach Sadu?) interessiert war, auch wenn sie die übernatürlichen Elemente der Ereignisse und die Bedrohung durch den Dämon nicht abtat. Hao und Ren versuchten, die Generalin für sich einzunehmen, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Hao war von dem Quirin Kanes fasziniert – dass die Generalin ein solch edles Tier besaß (von dem man sagte, dass es keine Falschheit dulde), besserte ihre Ansicht über die Ranku erheblich. Die gnomische Priesterin konnte die Generalin sogar überreden, dass sie eines Abends außerhalb des Lagers eine kurze Runde auf dem Quirin drehen durfte. Ren hingegen ging es darum, eine mächtige Kintari (die möglicherweise in der Grenzregion zu Zhoujiang eine Rolle spielen könnte) für sich einzunehmen – wobei sie gewisse Erfolge erzielte.
Luo konzentrierte sich eher auf die vier Schwertalben im Gefolge der Generalin. Er beteiligte sich an den Wachen, trainierte mit ihnen und tauschte Reise- und Abenteuergeschichten aus. Der alte und kampferfahrene Tadanishi blieb eher zurückhaltend und sprach generell wenig, doch bei den jüngeren Alben hatte er mehr Glück, und konnte auch in Punkto Waffenfähigkeiten durchaus mithalten.
Schließlich erreichte die Gruppe einen größeren Fluss, den eine imposante Holzbrücke überspannte. Sie wäre jedoch noch beeindruckender gewesen, wenn nicht in ihrer Mitte ein gutes Stück gefehlt hätte. Bauern arbeiteten (eher lustlos) an dem Bauwerk, bewacht von Milizionären, die sowohl die Arbeitskräfte als auch den Fluss im Auge behielten. Wie die Gruppe bald von der Dorfvorsteherin Tanabe (einer in Kanes Gegenwart sichtlich nervösen Menschenfrau mittleren Alters) erfuhr, gab es bei der erst vor relativ kurzen Zeit im Auftrag der Uome errichteten Brücke Probleme mit einer Sippe Kappa (Feenwesen in der Form aufrecht gehender „Schildkrötenmenschen“, die Meister der Wassermagie waren). Dies hatte sich von Streichen zu echter Sabotage gesteigert. Tanabe klagte, die Bauern wären abergläubische Feiglinge, und die Wachmänner (als Einheimische) nicht viel besser…
Natürlich könne man die alte Furt nutzen, aber solange die Kappa verstimmt waren, sei dies nicht ohne Risiko. Während die Generalin zu einer „direkten“ Lösung tendierte, argumentierte Hao mit Luos Unterstützung für einen diplomatischen Ansatz.
Die Debatte wurde durch Shinzo unterbrochen, der die Generalin zurück zum Lager rief. Dort war ein Utsuro aufgetaucht, ein Mann mit leerem Gesichtsausdruck, einem zerlumpten braunen Priestergewand und Wanderstock. Um den Hals trug er eine Glocke mit umwickeltem Klöppel. Utsuro nannte man Bewohner Kintais, die eine so schwere Schuld auf sich geladen hatten, dass sie diese gegenüber der Gottkaiserin nur durch die vollständige Aufgabe ihres Selbst sühnen konnten. Als (zumeist) von jedem Stück ihrer alten Identität entleerte Gefäße des göttlichen Willens durchstreiften sie die Lande und bekämpften Störungen der Harmonie. Shinzo sah in der Präsenz des Utsuro ein Zeichen Myurikos. Die Generalin reagierte eher genervt, bezeichnete den Utsuro abfällig als „Marionette“ und hatte an dem angeblichen Fingerzeig des Göttlichen Kranichs offenbar ihre Zweifel. Dennoch stimmte sie zu, eine Rast einzulegen.
Die Abenteurer bemühten sich, mehr über die Kappa von der Furt herauszufinden. Sowohl Ren, die die Bauarbeiter befragen wollte, als auch Hao (die sich im Dorf umtat) kamen nicht recht weiter. Luo, der in seiner Kindheit einige Geschichten über Kappa gehört hatte (und so auch wusste, dass man sie mit rotem Stoff, Spielzeug und Leckereien gnädig stimmen konnte), hatte etwas mehr Erfolg. Die Einheimischen erzählten, dass die Schildkrötenmenschen schon immer hier gelebt hätten. Sie verhinderten Hochwasser und sorgten dafür, dass weder Dorfbewohner noch Reisende ertranken. Der Bau der Brücke habe sie wohl zornig gemacht, doch die Aufseherin (die erst kürzlich ihre korrupte Vorgängerin ersetzt hatte) sah nur ihre Befehle und die Abgaben. Die alte Kan Ri (eine Gnomin – wohl die einzige im Dorf, in dem sonst Menschen, Varge und einige Rattlinge lebten) habe immer vermittelt, aber sie habe sich mit Tanabe gestritten und sei verschwunden. Luo bekam allerdings nicht heraus, wohin Kan Ri gegangen war. Aber er konnte ein paar Spielzeuge bekommen.
Die Abenteurer und Shinzo schickten die Wachen vom Flussufer weg und der Priester platzierte das Spielzeug und einige Süßigkeiten, die er vom Koch der Reisegruppe erhalten hatte, in kleinen Körben. Dann rief er nach den Kindern des Wassers. Der Utsuro beobachtete alles emotionslos, was ziemlich an Haos Nerven zehrte, die das Konzept der Utsuro zutiefst beunruhigend fand.
Tatsächlich tauchten mit einmal mehrere Kappa auf. Leider war es weder Shinzo noch den Abenteurern möglich, sich mit ihnen zu verständigen, da sie eine unbekannte Zeichensprache benutzten – was vermutlich erklärte, warum nur Kan Ri sie verstanden hatte.
Mit einiger Mühe überzeugten die Abenteurer und Shinzo die Generalin, noch etwas Zeit zu investieren, obwohl sie nicht recht einsehen wollte, was sie die Probleme der Uome mit aufrecht gehenden Schildkröten angingen.
Die Nachtruhe wurde nur leicht gestört durch den Utsuro, der einen absonderlichen Stocktanz ausführte, was nicht dazu beitrug, Hao zu beruhigen.
Am nächsten Morgen war zu erkennen, dass die Arbeit an der Brücke nur sehr schleppend voranging. Die Bauern arbeiteten zögerlich und die Wachen trieben sie nur zurückhaltend an. Es schienen auch einige Bauern und Soldaten zu fehlen. Wie sich herausstellte, versuchte Tanabe, Kan Ri auf die Spur zu kommen, indem sie mehrere Bauern mit Stockhieben verhören ließ. Die Abenteurer gingen möglichst diplomatisch dazwischen, um sie nicht vor den Bauern zu beschämen. Schließlich gelang es, die Aufseherin zu überzeugen, wenigstens den Versuch einer friedlichen Lösung zu wagen und etwas Geduld zu zeigen.
Unter diesem Zeitdruck machten sich die Abenteuer mit erneuertem Eifer daran, im Dorf nach Kan Ris Aufenthaltsort herumzufragen. Dank Haos guten sozialen Fähigkeiten und Luos Vorarbeit vom Vortag bekamen sie tatsächlich eine Auskunft - gegen das Versprechen, die Gnomin nicht zur Aufseherin zu schleifen. Die alte Frau war offenbar nur zwei Wegstunden entfernt „ins Exil gegangen“.
Versehen mit einer Wegbeschreibung war es nicht schwer, das Domizil von Kan Ri zu finden. Die alte Frau lebte in einer kleinen Hütte mit Kräutergarten an einem Teich. Sie zeigte sich freilich nicht sehr hilfsbereit, da sie keine Lust hatte, sich bei ihrer Rückkehr von Tanabe festsetzen zu lassen. Die Abenteurer konnten sie schließlich überzeugen sie zu begleiten, als eine unerwartete Wendung zum Dramatischen eintrat. Offenbar hatte Tanabe ihre Zusage nicht aufrichtig gemeint, denn sie musste drei Milizionäre auf die Fährte der Abenteurer gesetzt haben. Diese waren den Helden heimlich gefolgt, um die alte Gnomin festzunehmen. Es gelang Ren und Hao jedoch, den Bewaffneten dies auszureden, indem sie ihren Auftrag durch die ungleich höher stehende Generalin verwiesen. So setzte sich die deutlich angewachsene Gruppe in recht angespannter Stimmung in Bewegung.
Kan Ri klärte die Abenteurer auf, dass die Kappa schon vor Myurikos Ankunft, ja schon vor Zhoujiangs Entstehen dagewesen seien und es immer eine Art Abkommen gegeben hatte. Für ihren Schutz erhielten Abgaben in Form von Essen und anderen kleinen Gaben, holten sich mitunter auch ein Haustier, das durch die Furt getrieben wurde oder sich am Fluss herumtrieb. Tanabe hatte dieses Miteinander gestört und die Brücke bedeutete für die Kappa einen Bruch der alten Abkommen.
Bei der Rückkehr zur Brücke kam es erneut zu einer recht angespannten Situation. Tanabe war natürlich ergrimmt, dass die Milizionäre ihren Befehl nicht befolgt hatten. Es gelang aber die Situation so weit zu beruhigen, dass Kan Ri ein Gespräch mit den Kappa suchen konnte. Nach einem kurzen „Gespräch“ in Zeichensprache präsentierte die Gnomin die Forderungen der Feenwesen: die Bewahrung der alten Absprachen, den Schutz ihrer Botin (also Kan Ri) und das Versprechen, künftig wieder Geschenke zu entrichten, auch für den Verkehr über die Brücke.
Tanabe war wenig erbaut, doch Hao und Ren präsentierten die Vorteile recht überzeugend – nicht nur ein Ende der Sabotage, sondern auch den Schutz vor Hochwasser, was die Brücke und das Dorf vor kostspieligen Reparaturen bewahren könnte. Schließlich konnte ein vorläufiges Abkommen ausgehandelt werden, das freilich noch in Miari abgesegnet werden musste. Die Abenteurer hofften, dass die Uome angesichts ihrer eigenen Erfahrungen mit Feenwesen die Sinnhaftigkeit einsehen würden. Kan Ri – die am liebsten Hao als Nachfolgerin rekrutiert hätte, suchte sie doch eine Schülerin – schenkte der Affenpriesterin einen Heiltrank zum Abschied. Der Priester Shinzo fügte dieser Belohnung noch ein paar Lunare hinzu. Als Zeichen ihrer guten Willens, vielleicht auch als subtile Erinnerung an ihre Macht, ließen die Kappa das Wasser an der Furt so stark sinken, so dass die Reisegruppe problemlos passieren und ihre Reise fortsetzen konnte.
Takur:
In den Tagen nach der Überquerung des Flusses änderte sich die Landschaft schrittweise. Sie wurde feuchter, fruchtbarer und damit auch reicher. Die Anzahl und Größe der Siedlungen und Reisfelder nahm zu. In den Wäldern dominierten nunmehr Laubbäume, auf den Wiesen waren immer mehr Blumen zu sehen. Auch Obstbäume waren in wachsender Zahl zu finden, die teilweise in (auch magisch gehegten) Wäldchen wuchsen. Auf Straßen waren immer mehr Händler und Bauern zu sehen, die der Reisegesellschaft ehrerbietig Platz machten.
Ren versuchte weiterhin ihre Bekanntschaft mit der Generalin zu kultivieren, kam aber nicht wirklich weiter. Luo hatte bei den Schwertvasallen der Ranku auch nicht viel mehr Erfolg. Ranku Oda stand sozial zu deutlich über ihm, Tadanishi blieb zurückhaltend und es gelang Luo nicht einmal, die beiden Schwestern verlässlich auseinanderzuhalten.
Die Gesellschaft passierte wiederholt größere Anwesen, die wohl auch niederen Schwertvasallen als Sitz dienten, doch lagen auch einige kleine Burgen am Weg. Die Straßen schienen zunehmend besser gepflegt und ausgebaut, was auch für die Gasthäuser galt.
Der Utsuro begleitete die Reisegesellschaft weiterhin, was Hao etwas nervös machte, und vollführte jede Nacht seine eigentümlichen Übungen. Der Myuriko-Priester Shinzo achtete darauf, dass die Bediensteten sich auch um den Utsuro kümmerten, da der Mann aus eigenem Antrieb bestenfalls die elementarsten Bedürfnisse erfüllte. Durch die Fürsorge nahm der Utsuro etwas an Gewicht zu, und auch seine Kleidung sah nun gepflegter aus. Teils aus Interesse, teils aus Berechnung beteiligte sich auch Ren an diesen Bemühungen, etwa indem sie den Zauber „Katzenwäsche“ auf den Utsuro anwandte.
Als unerwarteter Zuwachs stießen Akira und Takur wieder zu den anderen. Akira erstattete freilich zunächst Ranku Kane Bericht und blieb verschlossen, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte.
Wenige Tage darauf tauchte am Horizont eine gewaltige Struktur aus, die aus der Ferne fast wie ein Berg wirkte, sich beim Näherkommen sie sich jedoch als eine große Burg mit mehreren Festungsringen in aufsteigenden Terrassen und einem massiven Burgfried entpuppte. Die über ihr fliegenden Banner verkündeten die Macht von Klan Ranku. Pulverrauch und Donner kündeten, dass die „Renzan“ (=„Bergzug“) genannte Feste auch über Kanonen verfügte. An die hundert Bewaffnete strömten aus dem Tor des untersten Festungsrings, überwiegend mit Lanzen, Bögen oder Drachenrohren bewaffnete einfache Soldaten, dazu eine Handvoll albische Schwertvasallen in ihren prunkvollen Panzern und Gesichtsmasken. Trommeln und Segensrufe für den Göttlichen Kranich begrüßten die Neuankömmlinge.
Während die Affenpriesterin Mo Pei gelassen blieb, war Hauptmann Lei Fang etwas nervös – freilich schienen auch die Generalin und Akira etwas angespannt. Hao (die sich von der allgemeinen Nervosität und all den politischen Implikationen und Untertönen verunsichern ließ) und Ren kamen in einem gemeinsamen Zimmer unter, als man der Gesandtschaft ihre Quartiere anwies – dies geschah auf Rens Betreiben, die nicht gerne das deutlich geräumigere Quartier von Mo Pei teilen wollte. Sie traute der Affenpriesterin wegen ihrer Herkunft aus einer Provinz in General Wus Einflussbereich nicht. Hao und Rens gemeinsames Zimmer war einfach aber gediegen eingerichtet, Luo wurde hingegen deutlich einfacher einquartiert. Alle konnten sich (getrennt nach Geschlechtern in einem Badehaus) erfrischen, was Ren als Kind einer wohlhabenden Familie nach den vielen Tagen auf der Straße natürlich genoss. Luo sah sich aufmerksam in der Burg um und bemerkte rasch, dass man ihn und seine Mitstreiter im Auge behielt.
Das abendliche Mahl war kein Festessen, aber doch überdurchschnittlich – zahlreiche kleine, doch sorgfältig zubereitete Portionen verschiedener Gemüse- und Fischgerichte. Es nahmen etwa 20 Personen teil: die hochrangigen Mitglieder der zhoujiangischen Gesandtschaft, die Abenteurer, Generalin Ranku mit ihren direkten Vasallen, der Burgvogt Ranku Hanzo (recht jung und wenig bedrohlich wirkend), seine Ehefrau Hien (aus niederem Adel stammend, Kommandeurin der Bogenschützen der Feste) sowie einige Garnisonsoffiziere und zivile Respektpersonen. Einmal mehr hielten sich Ren und Luo beim Trinken zurück. Mo Pei erwies sich als aufmerksamer und angenehmer Gast, der es sogar gelang den zurückhaltenden Burgvogt und seine Frau aus der Reserve zu locken. Die Priesterin spielte recht gut auf einer Flöte die sie sich geben ließ. Lei Fang betrieb einmal mehr Werbung für General Wu und dessen Erfolge gegen die Jogdaren, was durchaus auf Interesse traf. Ren gab Kontra und verwies auf einzelne deutliche Niederlagen von Wus Truppen gegen die Triaden, gefährdete mit dieser Wühlarbeit aber ihre Tarnung als „Neutrale“ und verärgerte den Offizier. Hao plauderte mit Hanzo über Feenwesen. Luo hielt sich eher an die niederen Ränge und schlug ein (kampf-)sportliches Kräftemessen vor, was auf Zustimmung traf – wobei er freilich rasch merkte, dass die von den Ashigaru (einfachen Soldaten) genutzten Drachenrohre nicht als vollwertige Waffen für solchen Zeitvertreib angesehen wurden, da die Alben höherer Stände auf sie herabblickten.
Bereichert wurde der Abend durch den Auftritt einer reich geschminkten Tänzerin/Musikantin namens Tenja, die sich auch nach den Ereignissen in Miari erkundigte. Hao und Ren blieben erst einmal vage und erzählten lieber über den Zwischenfall mit den Kappa, von der Tengu-Schmiedegesellin in Miari und ähnlich unverfängliche Dinge. Von einem uralten Dämon in einem verborgenen Tempel sollten und wollten sie nicht so frei sprechen. Aufmerksamen Beobachtern mochte auffallen, dass Tenja ein offenkundiges Interesse an der Generalin zeigte.
Am nächsten Morgen erklangen schon früh Trommeln und Hornsignale. Als die Abenteurer nachsahen, konnten sie beobachten wie nahezu die gesamte Garnison angetreten war, möglicherweise verstärkt durch zusätzlich angerückte Truppen. Es handelte sich um mehr als 500 Bewaffnete. Zumeist waren es Ashigaru zu Fuß – doch waren unter den Truppen auch einige Dutzend Schwertvasallen sowie einige leichte Reiter, zumeist Gnome, die auf leichten Pferden oder Zhu-Schreitern saßen.
Begleitet von Mo Pei und Lei Fang sowie dem Burgvogt ließ die Generalin Ranku Kane die Truppen exerzieren – eine nicht sehr subtile Botschaft für die Untertanen von General Wu. Während Hao wie ihre Mitpriesterin gelassen blieben, zeigte sich Hauptmann Lei Fang (von der Generalin aufmerksam beobachtet) sichtlich beunruhigt.
Die Offiziere und (von ihnen getrennt) auch die Soldaten demonstrierten zudem ihr Können mit dem Stock, dem Bogen und der Klinge. Während einige der Kampfübungen am Trainingspfahl ausgeführt wurden, traten besonders die Offiziere auch in unblutigen Übungsnahkämpfen gegeneinander an.
Hao entschloss sich beim Stockkampf mitzumachen, Luo beim Kampf mit der Klinge und dem Bogenschießen. Die gnomische Priesterin hatte das Pech, in Kari (oder ihrer identisch aussehenden Schwester Akira?) auf eine mehr als kompetente Gegnerin zu treffen. Obwohl sie ihr Bestes gab, wurde Hao schnell besiegt und trug etliche blaue Flecken davon. Luo hatte war zwar nervös angesichts des hochkarätigen Publikums, bewährte sich aber. Bei einem von einem reichlichen Dutzend Schützen durchgeführten Bogenwettbewerb schaffte er es auf den dritten Platz. Glänzen konnte er auch im Nahkampf. Sein Gegner Kurida Taruk hatte ihm einiges an Erfahrung voraus, aber Luo profitierte von seinen blitzartigen Reflexen und konnte zwei schwere Treffer landen, ehe der Schwertalb zum Gegenschlag ausholte. Doch wo der erste Schlag des Alben ein solider Treffer war, wurde der anschließende Klingenwirbel zu einem Patzer, was Luo die Chance auf einen dritten heftigen Treffer eröffnete. Sein Gegner musste zähneknirschend aufgeben. Das brachte der Schattenklinge eine Menge Respekt ein.
Einige Offiziere und Schwertvasallen bewiesen ihr beeindruckendes Können im berittenen Bogenschießen, einer Disziplin, bei der keiner der Abenteurer mithalten konnte.
Ren beobachtete unterdessen nicht so sehr das Treiben der Kämpfer sondern die Zuschauer – namentlich die Tänzerin Tenja. Irgendwie traute sie der Frau nicht – wurde aber nicht aus ihr klug. Dieses Misstrauen entging der Albin nicht, doch es schien sie wenig zu kümmern. Sie unterhielt sich mit Mo Pei, Lei Fang und dem Burgvogt, warf aber immer wieder der Generalin Blicke zu.
Als sich die Abenteurer vor dem Abendessen wieder im Badehaus entspannten, wurden Ren und Hao von Tenja abgepasst, die einen Zuber in der Nähe besetzte. Sie war offenbar entschlossen, möglichst viel aus den Abenteurerinnen über die Ereignisse in Miari herauszuholen, und ihre Überredenskünste ließ die beiden mehr erzählten, als sie preisgeben wollten. Diese Stunde Geschwätz besänftigte Rens Misstrauen deutlich. Hao kümmerte sich anschließend ausgiebig um ihren Tiergefährten, ein (magisches) Eichhörnchen namens Hozhou, das sich inzwischen mit dem Quirin der Generalin angefreundet hatte.
Das Abendessen war weniger reichlich als am Vortag, aber immer noch besser als das, was man auf Reisen sonst geboten bekam. Luo wurde inzwischen mit deutlich mehr Respekt behandelt. Sogar der schweigsame Tadanishi äußerte sich knapp aber lobend, Ranku Oda befragte Luo zu seinem Bogen und auch die beiden Nishida-Schwestern zeigten sich beeindruckt.
In der Konversation führte Lei Fang erneut das große Wort über General Wus Heldentaten, womit er durchaus Eindruck bei der Generalin hinterließ. Mo Pei war von der Propaganda etwas genervt, griff aber nicht ein (und behielt Ren, deren Ablehnung gegenüber Wu sie offenbar durchschaute, wachsam im Auge). In noch höherem Maße als Lei Fangs Geschichten fesselten die wortlosen Avancen von Tenja die Aufmerksamkeit von Generalin Ranku Kane. Was jedoch keinem außer Luo aufzufallen schien, vielleicht auch weil die starke Schminke es schwer machte, ihre Mimik zu deuten – die Tänzerin lächelte stets nur mit dem Mund. In ihren Augen blieb hingegen immer ein kalter, lauernder Ausdruck, wenn sie die Ranku-Generalin musterte. Beunruhigt zog Luo nach dem Mahl eine der beiden Nishida-Schwestern beiseite und warnte sie, dass die Tänzerin möglicherweise etwas verberge. Ob sie nun eine Spionin sei oder Schlimmeres – die Generalin solle sich in jedem Fall vor ihr in Acht nehmen.
Zurück in den Quartieren informierte er auch seine Kameradinnen. Hao regte an, sich über die Tänzerin umzuhören, und sie erfuhren bald, dass Tenja vor einigen Wochen in der Burg eingetroffen war. Zuvor hatte sie dem Vernehmen nach in einem Haushalt einer Seitenlinie der Ranku gedient. Es gab einiges Gerede unter den einfachen Leuten über sie. Teja galt als hochnäsig und mancher unterstellte ihr, sie versuche hochrangige Persönlichkeiten zu umgarnen. Die Abenteurer erfuhren auch, wo sie ihre Quartiere hatte. Luo schlug vor, das Quartier zu überwachen – wobei er dabei alleine blieb, da seine Kameradinnen sich nicht unbedingt als gute Schleicherinnen einschätzten. Die Schattenklinge konnte die immer noch auf die Helden angesetzten Beobachter aus der Dienerschaft relativ gut abschütteln. Getarnt durch einen Schattenzauber schlich er sich zum Zimmer der Tänzerin, vor dem er sich in einer dunklen Nische auf eine Nachtwache vorbereitete. Lange Zeit war nichts zu hören, doch dann näherten sich leise Schritte. Eine der Nishida-Schwestern, in zivilen Kleidungsstücken aber bewaffnet, klopfte kurz an den Rahmen der Schiebetür – als niemand antwortete legte sie die Hand auf das Heft ihres Schwertes und trat ein. Im selben Augenblick gellte der Schrei „Feuer!“ von draußen – das Zimmer der Tänzerin aber war leer. Luo schloss sich der jungen Albin auf dem Weg zum Burghof an.
Auch die übrigen Abenteurer hatten den Schrei gehört und fanden, nachdem sie sich notdürftig angezogen hatten, dass eines der Burggebäude in Flammen stand. Nun galt es die Pferde aus dem benachbarten Stall zu holen, beim Organisieren der Eimerkette zu helfen (Hao), Verwundeten zu heilen (Ren) oder dem Feuer mit Wasser und Werkzeugen zu Leib zu rücken (Luo, Akira und Takur). Das Löschen gelang, dennoch dauerte es zwei bis drei Stunden, ehe die Lage unter Kontrolle war. Glücklicherweise gab es keine Schwerverletzten oder Tote, das niedergebrannte Gebäude war „nur“ ein Vorratslager für Pferdefutter gewesen.
Es überraschte wenig, dass Tenja verschwunden war. Offenbar hatte die Generalin vorgehabt, trotz oder gerade wegen der Warnung die Musikanten in ihr Gemach einzuladen um ihre Intentionen herauszufinden Doch die Tänzerin war niemals erschienen. Vermutlich hatte sie mitbekommen, dass sie verdächtigt wurde und hatte zur Ablenkung auf ihrer Flucht Feuer gelegt.
Lei Fang bezichtigte mit mehr Leidenschaft als guten Argumenten die Triaden, hinter der Tänzerin zu stecken, mochte aber niemanden zu überzeugen. Die Schwertalben hatten vermutlich einen anderen Verdacht. Anscheinend verfolgte Ranku Kane sogar eine konkrete Theorie – die sie jedoch niemandem mitteilte…
Sie vernahm noch einmal Luo, aber er konnte ihr ehrlich versichern, nichts von irgendwelchen Intrigen zu wissen – allein das Verhalten der Tänzerin hatte sein Misstrauen geweckt.
Ob Tenja nur spioniert oder gar vorgehabt hatte, die Generalin zu ermorden, blieb unklar. Die Durchsuchung ihres Zimmers brachte keine neuen Erkenntnisse.
Die Glück glimpflich verlaufenden Ereignisse dieser Nacht hatten jedenfalls eine überraschende Auswirkung: die Generalin erklärte, die Gesandtschaft fürderhin ziehen zu lassen (anscheinend hatte sie auf einmal Wichtigeres zu tun).
Es folgte noch ein letztes gemeinsames Abendessen, auch wenn die Atmosphäre angespannt blieb. Mo Pei spielte wieder die Flöte und konnte die Spannung etwas lindern. Luo hatte sich jedenfalls in der Achtung der Kintari deutlich verbessert. Die Generalin übergab der Gesandtschaft zum Abschied einige Geschenke. Lei Fang erhielt ein wertvolles Dschiahn für die Fürstin der Affenprovinz, welches sich seit „über 400 Jahren im Familienbesitz befand“ – mit anderen Worten eine Kriegsbeute aus den Reichsgründungskriegen Myurikos gegen Zhoujiang war, eine nicht sehr subtile Botschaft für die Nachbarn im Norden. Mo Pei erhielt eine alte Teeschale, die bei einem Erdbeben zerbrochen, aber mit Silberleim zusammengefügt worden war und nun schöner denn je zuvor erschien. Sicherlich sollte dies auch eine symbolische Botschaft sein. Alle höherrangigen Mitglieder der Gesellschaft (einschließlich Hao, Ren und Luo) erhielten gut gearbeitete Festtagsgewänder aus Spinnenseide. An Luo erging zudem das Angebot, sich dem Gefolge der Generalin anschließen, was er höflich ausschlug.
Gemeinsam entschlossen die Abenteurer, sich von der Gesandtschaft zu trennen und direkt in Richtung Maishi-See weiterzuziehen. Mo Pei nahm insgeheim ihre Mitpriesterin Hao beiseite und warnte sie vor ihren Gefährten. Sie solle achten, sich nicht in die Politik hineinziehen lasse – wichtig sei, dass es dem einfachen Volk gutgehe und die Provinzen sicher seien.
Offenbar war es Mo Pei nicht entgangen, dass Haos Gefährten Ren und Luo immer wieder gegen General Wu agitiert hatten und sie wollte nicht, dass Hao sich da hineinziehen ließ. Mo Peis Worte hätten überzeugender gewirkt, wenn sie nicht selber im Dienste ihrer Fürstin (und damit indirekt im Sinne General Wus) als Gesandte in Kintai gewesen wäre. Hao blieb unverbindlich, auch weil sie selber nicht sicher war, wo ihre Weggefährten in dem Bürgerkrieg in Zhoujiang eigentlich standen:
Luos und Rens Abneigung gegenüber Wu und ihre geringe Meinung von den Triaden legte nahe, dass sie der kaiserlichen Fraktion angehörten, aber sie hatten dazu noch nichts Genaues geäußert.
Akira schien als adliger Schwertalb mit aristokratischer Geringschätzung auf die Triaden herabzublicken. Bezüglich der anderen Bürgerkriegsfraktionen Zhoujiangs hatte er sich aber noch nicht wirklich positioniert. Vermutlich blickte er auf das Ganze ohne große innere Beteiligung.
Takur war der Bürgerkrieg in Zhoujiang egal. Er war ein Außenseiter, der abgesehen von seinen Weggefährten niemanden in dem Konflikt kannte, der ihm etwas bedeutete. Wie der Jaguarkrieger spöttisch in Bezug auf die Bürgerkriegsparteien anmerkte, würden ihm „alle gleich gut schmecken“.
Hao selber wollte sich aus den politischen Wirren ihrer Heimat heraushalten. Ihr ging es eher um das Wohl der einfachen Leute, die allzu leicht zwischen die Fronten gerieten.
Anmerkung: Was die Abenteurer erst später nach und nach erfuhren – aber schon vermutet hatten - war, dass sie und die Gesandtschaft offenbar in die Rivalitäten der verschiedenen Klans Kintais hineingeraten waren. Klans Ranku und Suguri waren im Moment lose verbündet, während zwischen Ranku und Momoku respektive Uome und Suguri lang anhaltende Rivalitäten bestanden. Verkompliziert wurde die Situation durch die verschiedenen Fraktionen der einzelnen Klans. So gab es bei den Ranku Kreise, die eine Kooperation mit General Wu erwogen, während andere eher Prinzessin Yi zuneigten. Klan Suguri wiederum folgte einem sehr pragmatischen Ansatz und sollten Gerüchten zufolge auch mit verschiedenen Söldnereinheiten und Verbrecherbanden in Zhoujiang Kontakte halten.
Takur:
Von Renzan nach Tsusaka
Kintai, nördliche Kochoji-Ebenen südlich des Maishi-Sees (Hao, Akira, Takur)
Als die Abenteurer Burg Renzan verließen, sahen sie das letzte Mal den Utsuro, der sie mit ausdrucklosem Gesicht beobachtete. Luo hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, dass etwas hinter den Augen des Utsoku hervorblitzte, was nicht menschlich war und die Helden aufmerksam musterte…
Die Weggefährten waren sich einig, erst einmal das am Südufer des Maishi-See gelegene Tsusaka zu erreichen, um von dort nach Zhoujiang überzusetzen. Sie waren sich allerdings nicht sicher, welches Ziel sie dann ansteuern wollten.
Das vage Vorhaben, neue Wächter für den „Tempel der tausend Tore“ zu finden und dabei auch mehr über den Tempel und die Intrigen der Spinnenfrau Kuraiko zu erfahren, die den dort eingesperrten Dämon zu befreien versucht hatte, bot mehrere Optionen:
- Nachforschungen in den kaiserlichen Archiven in Palitan und Inani oder
- Kontakt mit Tempeln und Klöstern in Zhoujiang aufnehmen, die aufgrund ihrer Tradition vielleicht bereit sein würden, den „Tempels der tausend Tore“ zu unterstützen oder Informationen zu dem dort eingesperrten Übel besaßen.
Erstaunlicherweise war es ausgerechnet Akira – und keiner der aus Zhoujiang stammenden Helden – dem ein mögliches Ziel einfiel: In den Geschichten seiner weitgereisten Urgroßtante Takeda Kimiko hatte er von dem Gebirgskloster der „eisernen Lotosblüte“ gehört. Das am Oberlauf des Rabenflusses in den „Türmen der Tengu“ in der Fangschreckenprovinz Zhoujiangs liegende Kloster war bekannt dafür, dass seine Mönche sich auf den Kampf gegen jenseitige Ungeheuer verstanden. Vielleicht würden dort nützliche Informationen zu finden sein – oder gar Freiwillige für die Wache im „Tempel der tausend Tore“.
Daneben hatten die Helden eigene Ziele:
- Luo wollte mehr über das Schwert in Erfahrung bringen, welches er vor einigen Jahren erbeutet hatte und das eine weitaus ältere und düstere Vergangenheit zu haben schien, als bisher gedacht. Möglicherweise würde sich in den kaiserlichen Archiven dazu etwas finden.
- Akira war entschlossen, nach den Mördern seines Vaters zu suchen. Er hatte zwar momentan keine konkreten Spuren, verdächtigte aber die Gagamba-Kirche oder vielmehr einen Ableger.
- Takur hatte ebenfalls seine eigene Queste: die Suche nach einem Artefakt, dass der „Göttin“ seiner fernen Heimatstadt gestohlen worden war. Zudem suchte er nach seinen beiden verschollenen Ma’Ua-Gefährten, die wie er während der Jagd nach dem Artefakt gefangengenommen und vermutlich auf den Sklavenmärkten des Südens verkauft worden waren. Allerdings ging Takur allmählich auf, wie gigantisch Lorakis war und wie gering seine Chancen, das Artefakt oder seine früheren Gefährten zu finden.
Letztendlich entschied die Gruppe, erst einmal nach Tsusaka zu reisen und dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Der erste Teil der Reise verlief ereignislos. Die Gegend schien fruchtbar, relativ wohlhabend und ruhig.
Nach einigen Tagen erreichte die Gruppe die an einem Fluss gelegene Kleinstadt Kuwagasaki. Die vor allem durch Flößer und Holzfäller geprägte und vom Klan Momoku regierte Stadt wirkte recht „rau“. Gerüchte über Truppenbewegungen der benachbarten Klans kursierten und machten die Bewohner nervös. Akira, dessen Familie den Klan Momoku in Rivalität gegenüberstehenden Ranku zugeschworen war, versuchte kein Aufsehen zu erregen. Er wusste zwar, dass die kürzlichen Truppenzusammenziehungen der Ranku vor allem dazu gedient hatten, zhoujiangische Gesandte zu beeindrucken. Aber es wäre vielleicht nicht klug zu erwähnen, dass Akira dabei beteiligt gewesen war…
Die Gruppe kam in einem Gasthaus unter, in dem auch eine Reihe Klan Suguri zugehöriger Händler eingekehrt waren. Da auch dieser Klan und die Momoku nicht immer gut miteinander zurechtkamen, wäre es in der angespannten Lage beinahe zu einer Schlägerei zwischen den Händlern und einheimischen Gästen gekommen. Akira schaffte es, die Lage zu entschärfen. Die Helden kamen mit den Händlern in Gespräch und erfuhren, dass diese nach Tsusaka unterwegs waren und gegen zusätzliche Begleitung nichts einzuwenden hatten.
Allerdings würden nur Hao, Akira und Takur den Handelszug begleiten: Ren war von einer hier lebenden Händlerfamilie aus Zhoujiang um ärztliche Hilfe gebeten worden, weshalb sie und Luo in Kuwagasaki verweilen würden. Die Helden verabredeten, sich in Tsusaka wieder zu treffen.
Die Reise mit dem kleinen Handelszug verlief anfangs weitestgehend ereignislos. Die Helden beteiligten sich am Wachdienst und machten sich mit ihren neuen Weggefährten bekannt. Angeführt wurde der Zug von zwei Schwertalben: Umeo war der Wortführer der Händler und damit praktisch der Ranghöchste in dem Handelszug, direkt hinter ihm kam Ken Suguta, der Kommandeur des kleinen Söldnerkontingentes. Umeo war relativ jung, Ken hingegen ein hartgesottener Veteran, möglicherweise ein Ronin, und die beiden kannten sich erst seit kurzem – ein Umstand, der noch eine Rolle spielen sollte.
Hao glänzte bei der Wegeführung und erwies sich einmal mehr als hervorragende Wildniskundige, was Takur ein wenig neidisch machte. Hao freundete sich mit der zum Händlerzug gehörenden menschlichen Tierbändigerin Yoko an. Offenbar interessierten sich allerdings auch andere Mitglieder der Karawane für die junge Frau. Zwischen Suguta Ken und Umeo kam es im Wettstreit um die Aufmerksamkeit Yokos immer wieder zu Streitigkeiten.
Hao hielt sich aus dem Ganzen heraus. Akira war hingegen der Meinung, dass die beiden Albenmänner sich mit ihren Eifersüchteleien lächerlich machten und die Sicherheit der Karawane gefährdeten. Einmal mehr sah sich der – eigentlich selber noch ziemlich junge – Alb veranlasst, den „Erwachsenen im Raum“ zu spielen. Er versuchte, ernste Zusammenstöße zwischen den beiden Männern zu verhindern. Akira hatte partiell Erfolg, die Situation blieb aber angespannt.
Eine interessante Begegnung am Wegesrand stellte die Sichtung eines kapitalen Krallenkarpfen dar: dieses ein Meter große Geschöpf, das wie ein Fisch auf vier Beinen aussah, galt in Zhoujiang und bei der einfachen Bevölkerung Kintais als Leckerbissen. Viele Schwertalben lehnten allerdings den Verzehr ab, da das Tier in ihren Augen gegen die göttliche Ordnung und Anmut verstieß.
Hao und Takur machten sich auf die Pirsch. Allerdings patzte der Jaguarkrieger bei seinem Speerwurf und landete wenig elegant im Schlamm, weshalb das Erlegen des Tieres zum größten Teil auf Hao ging. Der Krallenkarpfen bereicherte den bisher eher vegetarischen Speiseplan für mehrere Tage. Takur musste sich ob seines Missgeschicks etliche Sticheleien anhören.
Dass die hiesige Fauna echte Gefahren barg, wurde der Reisegesellschaft nur wenige Tage später demonstriert, als einer der Wagenknechte von einer Giftschlange gebissen wurde und einen schweren Schock erlitt. Ein von Hao herbeigerufener Heilungsgeist schloss die Wunde und neutralisierte das Gift, was die Affenpriesterin weiter in der Achtung ihrer Weggefährten steigen ließ.
Bei einer der nächsten Wegstationen, dem Dorf Tohira, wurde die Reisegesellschaft wieder an die Klanfehden Kintais erinnert: das kleine Dorf hatte in den letzten Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt und lag jetzt im Niemandsland zwischen den Einflussgebieten der Klans Ranku und Momoku. Eine Räuberbande machte sich den Bauern zufolge die unsichere Lage zunutze, terrorisierte das Dorf, überfiel Reisende auf der Straße und entführte gelegentlich Mädchen und junge Frauen.
Hao schlug vor, etwas dagegen zu unternehmen und stieß bei Akira und Takur auf offene Ohren. Akira sah sich als schwertalbischer Samurai in der Pflicht, den Bauern zu helfen, zumal diese aufgrund der wechselnden Herrschaftsverhältnisse ja zumindest zeitweise unter der Herrschaft von Klan Ranku gestanden hatten, dem Akiras Familie zugeschworen war. Takur ging das Elend der Bauern weniger nahe, er hoffte aber auf einen guten Kampf und Beute. Weniger begeistert von dieser Verwicklung waren die Händler, vor allem da die Helden gerne einige der Wachleute mitgenommen hätten. Letztlich konnten Akira und Hao sich gegenüber Umeo durchsetzen und ein fünfköpfiger Stoßtrupp machte sich auf den Weg zum angeblichen Versteck der Räuber. Die Händler würden im Schutz der Siedlung zurückbleiben, was freilich eine Reiseverzögerung von einem Tag bedeuten würde.
Der Abstecher entpuppte sich als Reinfall: die einsame Hütte im Wald war schon seit langem verlassen. Frustriert kehrten die Helden nach Tohira zurück, wo sie sich besonders von Umeo einiges wegen der unnötigen Verzögerung anhören mussten.
Als die Gruppe am nächsten Tag aufbrach, stellten die Helden allerdings bald fest, dass die Karawane offenbar beobachtet wurde. Scheinbar war doch etwas dran an den Gerüchten über die Banditen. Die Verfolger einfach zu ignorieren schien riskant, falls sie auf Verstärkung oder eine günstige Gelegenheit zum Angriff warteten. Einfach auf sie loszustürmen wäre allerdings wenig aussichtsreich gewesen. Zum einen war nicht sicher, ob es sich wirklich um Feinde handelte. Zum anderen würden die Beschatter im Fall eines direkten Angriffs vermutlich einfach im Unterholz verschwinden.
Takur schlug vor, die Havarie eines Wagens vorzutäuschen und einige Kämpfer „nach Hilfe“ zu schicken, die dann einen Bogen schlagen und sich an die Verfolger anpirschen sollten. Es war nicht einfach, Umeo zu überzeugen, dieses Risiko einzugehen. Aber letztlich setzte sich Akira noch einmal durch – wieder einmal seinen Status als adliger Schwertalb auspielend – und kurz darauf waren er und Takur unterwegs.
Tatsächlich konnten sie sich ungesehen an die Verfolger anpirschen. Offenbar handelte es dabei um zwei Späher, die die Karawane im Auge behielten, und etwas dahinter vier weitere Bewaffnete, die außer Sicht blieben. Den halblauten Gesprächen nach waren es eindeutig Räuber, die über ihre Chancen für einen Angriff berieten.
Kurz entschlossen griffen Akira und Takur die größere Gruppe Bewaffnete an, in der Überzeugung, dass die Kampfschreie und der Waffenlärm den Rest der Reisegruppe herbeirufen würden. Tatsächlich erwies sich das Manöver als Erfolg. Takur konnte seinen Schnitzer mit dem Landkarpfen auswetzen und handhabte seine Speerschleuder mit fürchterlicher Effizienz. Er und Akira schalteten den Anführer der Räuber aus, noch ehe der Kampf richtig begonnen hatte. Ein weiterer Räuber floh, die beiden anderen wurden nach kurzem Kampf gefangengenommen bzw. auf der Flucht gefällt.
Den beiden feindlichen Spähern erging es gegen den Rest der Reisegruppe ähnlich: einer der Räuber wurde mit Pfeilen getötet, der zweite flüchtete. Bei den Helden und ihren Gefährten gab es nur zwei Verletzte: Akira und Suguta Ken. Hao war aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit diesmal nicht in der Lage gewesen, in den Kampf einzugreifen. Sie kümmerte sich aber um die Verletzten.
Die Sieger sammelten die (überschaubare) Beute an Waffen, Rüstungen und Bargeld ein. Akira köpfte die getöteten Räuber, um ihre Häupter den Behörden zu bringen. Takur trieb die Sache etwas weit, als er den Bräuchen seines Volkes folgend vom Blut des erschlagenen Räuberhauptmanns kostete und sein Gesicht mit dem Blut zeichnete. Das barbarische Verhalten des Jaguarkriegers befremdete seine Weggefährten und erschreckte den gefangenen Räuber zutiefst, der schon durch den Tod und die anschließende Enthauptung seiner Kameraden höchst verunsichert war.
Akira verhörte den demoralisierten Gefangenen, einen älteren, wettergegerbten Mann. In Todesangst gab er schnell die Lage des Räuberverstecks preis. Außerdem verriet er, dass auf den getöteten Räuberhauptmann ein Kopfgeld ausgesetzt gewesen war. Laut seinen Worten war das Verhältnis der Räuberbande zu den Bauern komplexer, als man den Helden erzählt hatte: die Räuber hatten angeblich etliche Verbündete im Dorf und hätten die Bauern im mehr oder weniger erzwungenen Austausch für Informationen und Lebensmittel meist in Ruhe gelassen. Die den Helden im Dorf erzählten Geschichten von Misshandlungen und entführten Frauen seien schon lange nicht mehr vorgekommen, nachdem die Räuber klar gemacht hätten, wer hier das Sagen habe. Außerdem – so die Logik des Räubers – sei dies ja auch nichts anderes gewesen, als das Verhalten mancher neuernannter Lords, die ihre Untergebenen einschüchtern wollten. Bei Akira kam diese Analogie nicht gut an.
Der Gefangene berichtete außerdem, dass die Bauern die Helden absichtlich zu dem angeblichen Räuberversteck geschickt hatten. Der Plan sei gewesen, so den Begleitschutz des Wagenzuges zu schwächen und einen Überfall zu ermöglichen. Das Vorhaben war daran gescheitert, dass weniger Wachen als erhofft die Helden zu dem angeblichen Banditenversteck begleitet hätten und die Händler im Dorf auf die Rückkehr der Helden gewartet hätten, wo ein Angriff als zu riskant erschien. Der Gefangene flehte vergeblich, laufengelassen zu werden. Keinesfalls wollte er den Behörden ausgeliefert oder den Bauern überlassen werden. Offenbar gab es doch etliche Dörfler, die einen Groll gegen die Banditen hegten, auch wenn der Gefangene behauptete, selber an keinen Übergriffen beteiligt gewesen zu sein.
Das Lager der Banditen bestand aus einigen ärmlichen Erdhütten, die rasch durchsucht wurden. Die Helden fanden einige Vorräte und Waffen, ein offenbar kürzlich erbeutetes Maultier mit einer Ladung Spinnenseide, aber nur wenig Geld und Schmuck.
Auf Akiras Veranlassung marschierten die Helden mit dem Gefangenen und den Köpfen der getöteten Räuber in das Dorf Tahia zurück. Akira hielt den Dörflern eine flammende Rede und warnte sie davor, sich mit derartigen Übeltätern einzulassen. Ob er damit bei den Bauern durchkam, blieb aber zweifelhaft. Dem Dorfvorstehe ging es vor allem darum, Strafmaßnahmen oder ein Anschwärzen bei den Behörden zu vermeiden. Letztendlich entschieden sich die Helden, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ihren Gefangenen übergaben sie dem Dorfvorsteher, der darüber wenig erbaut war. Vermutlich fürchtete er die Rache der überlebenden Banditen und ihrer Freunde, falls er den Mann bestrafen ließ. Ihn laufenzulassen, würde ihm jedoch den Zorn derjenigen zuziehen, die unter den Räubern gelitten hatten. Und falls das den Behörden zu Ohren kommen sollte…
Der Gefangene verfluchte die Helden lautstark, als sie das Dorf verließen.
Trotz der Verzögerung von etwa anderthalb Tagen, die durch die Angelegenheit mit den Räubern entstanden war, veranstalteten die Händler am Abend ein kleines Fest. Immerhin würde diese Räuberbande sie auf künftigen Fahrten nicht mehr behelligen. Die Söldner des Begleitschutzes waren ebenfalls zufrieden, da die Helden vereinbart hatten, dass diese ein Drittel der Beute erhalten würden. Angesichts der Tatsache, dass die Helden den Großteil der Kämpfe bestritten hatten, war das eine großzügige Vereinbarung. Es wurde – auch dank der erbeuteten Vorräte – reichlich gegessen und getrunken, gesungen und Geschichten erzählt.
Akira hielt sich etwas zurück, immer bedacht, dem Ideal eines schwertalbischen Kriegers gerecht zu werden. Er schaffte es aber, der albischen Söldnerin Arisa, mit der er sich in den letzten Tagen ein wenig angefreundet hatte, ihre Geschichte zu entlocken. Offenbar war die zynische Bogenschützin mit dem vernarbten Gesicht mit ihrer Familie ein Kollateralschaden einer Klan-Fehde geworden, die sich ausgerechnet an einer Beleidigung während einer Partie des sehr zeremoniellen Kintari-Fußball entzündet hatte. Seitdem hielt sie offenbar wenig von Adligen und ganz besonders nichts von dem Klan Ranku, dessen Geschütze sie vernarbt und mehrere Familienmitglieder getötet hatten. Dennoch war sie bereit zuzugeben, dass Akira für einen Ranku-Vasallen gar nicht so schlecht sei.
Dass die Tierbändigern Yoko und der Anführer der Händler Umeo während des Festes miteinander anbandelten, sorgte für erneute Spannungen zwischen Umeo und dem Söldnerführer Suguta Ken. Akira hatte in den nächsten Tagen zu tun, damit der Streit zwischen den beiden Männern nicht eskalierte. Akiras sichtliche Frustration über das Gehabe der beiden Männer amüsierte Hao, die Vermutungen anstellte, dass der junge Schwertalb selber wohl noch nie verliebt gewesen sei.
Wenig später erreichte der Zug ein größeres Dorf, in dem sich gerade eine Patrouille des Klans Momoku aufhielt. Offenbar war man bei den Momoku immer noch wegen der Gerüchte über angebliche Truppenbewegungen des Klans Ranku alarmiert. Besonders die Präsenz von Generalin Ranku Kane, in deren Gesellschaft die Helden einige Zeit gereist waren, machte die Momoku nervös.
Die Helden wurden eingehend zu eventuellen Truppenbewegungen der Ranku befragt, konnten aber wenig sagen. Besonders Akira gab eher nichtssagende Antworten, fühlte er sich als Gefolgsmann von Klan Ranku doch diesem verpflichtet. Er hatte Glück, nicht in Schwierigkeiten zu geraten.
Immerhin konnten die Helden das Kopfgeld für den getöteten Banditenhauptmann kassieren und dann weiterreisen.
Die folgenden Tage verliefen ereignislos. Nachdem die Gruppe die zwischen den Klans umstrittenen Gebiete verlassen hatte, wurden die Lande wieder sicherer und reicher, die Straßen besser.
Kurz vor Tsusaka begegnete den Helden ein kompletter Heerzug von über 1.000 Kämpferinnen und Kämpfern der Momoku. Es war ein beeindruckender Anblick, zumal neben hunderten einfachen Soldaten auch zahlreiche schwertalbische Kriegsadlige und sogar mehrere Kanonen zu der Armee gehörten. Auch die Ausrüstung mit Handfeuerwaffen war gut. Angeführt wurde das Heer von einer noch jungen Adligen des Hauses Momoku. Wie die Helden später erfuhren, handelte es sich um Momoku Eiko, die Halbschwester des Lords von Tsusaka. Sie war zwar erst um die Dreißig, hatte aber in Kämpfen gegen verfeindete Klans, Banditen und Ungeheuer schon einigen Ruhm erworben. Akira konnte sich gegenüber seinen Kameraden freilich nicht die Bemerkung verkneifen, dass die junge Momoku eine Überraschung erleben würde, falls sie mit den Ranku-Streitkräften und Generalin Kane die Klingen kreuzen wollte.
Am Abend versuchte der junge Schwertalb, seiner Weggefährtin Hao die komplexen politischen Verhältnisse in Kintai erklären. Die Affenpriesterin konnte nicht verstehen, warum die Gottkaiserin mit ihrer absoluten Macht den Klans ihre gegenseitigen Machtspiele, Intrigen und sogar (begrenzten) Kriegszüge gestattete. Akiras subjektive Ausführungen über Traditionen, Ehre und den Wettkampf der Klans stellten die junge Gnomin nur partiell zufrieden.
Am nächsten Tag erreichte der kleine Handelszug Tsusaka. Die Einwohnerzahl der mittelgroßen Stadt am Maishi-See war in den letzten Jahren infolge der Krisen, Invasionen und des Bürgerkrieges im benachbarten Zhoujiang offenbar deutlich gestiegen, weshalb unter anderem rinr städtische Kanalisation im Bau war.
Die Stadt wies eine klare Gliederung auf: eine chaotische Vorstadt, in der vor allem die Unterschicht lebte, innerhalb der Mauern ein großes und lebhaftes Hafenviertel sowie die Bezirke der angeseheneren Schichten und des Adels. Gekrönt wurde die Stadt durch die beeindruckende Schlossanlage von Fürst Momoku Masajuro. Etwas außerhalb der Stadtmauern lag Neu-Tsusaka, das vor allem von Flüchtlingen und Händlern aus Zhoujiang bewohnt wurde. Auch wenn das Viertel recht ungeordnet erschien, war es weniger rechtlos und heruntergekommen als die eigentlichen Vorstädte.
Wachen waren in Tsusaka relativ selten zu sehen (in den rechtlosen Vororten fast gar nicht) – vermutlich, weil ein Großteil der Garnison mit der Halbschwester des Fürsten gen Süden marschiert war. Sie wurden partiell durch eine Art Hilfspolizei aus Zivilisten unterstützt.
Die Helden kamen im Hafenviertel im „Glücklichen Kappa“ unter, einer guten wenn auch nicht billigen Herberge. Nach einem ausgiebigen Bad nutzten sie den Abend für ein kleines Abschiedsmahl mit ihren Weggefährten. Takur hatte dazu eine junge vargische Köhlerin namens Hanaka eingeladen, die er auf den letzten Meilen vor der Stadt kennengelernt hatte. Auch wenn die Reise nach Tsusaka nicht ohne Probleme und Spannungen verlaufen war, verlief der Abend harmonisch. Es wurde gut gegessen, getrunken und Geschichten erzählt. Dabei zeigte Hao deutlich mehr Talent als Akira, dessen Darbietungsfertigkeiten verbesserungswürdig waren.
Die Nacht brachte allerdings wenig Ruhe, da die Helden von Unruhe auf den Straßen und einem merkwürdigen Gefühl der Unruhe geweckt wurden. Irgendetwas flog über den Himmel über der Stadt, begleitet von einem Geräusch wie zahllose Schwingen, anscheinend eher ein…Ding…als ein Lebewesen, von dem ein seltsam beunruhigendes Gefühl auszugehen schien.
Dass die Helden nicht die einzigen waren, die von diesem Ereignis geweckt worden waren, zeigte sich am nächsten Morgen: Die Stadt brummte vor Gerüchten, trotz einer offiziellen Verlautbarung, dass nichts Gefährliches vorgefallen sei. Manche meinten, das Flugobjekt sei ein Feenwesen gewesen, andere vermuteten eine Waffe einer der zhoujiangischen Bürgerkriegsparteien oder gar einen Drachling. Zumindest letzteres konnte Takur für sich ausschließen: seine Heimatstadt im fernen Jaguardschungel wurde von einer Drachlingin regiert. Er war sich sicher, dass das…Ding…über Tsusaka keine Ähnlichkeit mit einem Drachling gehabt hatte.
Die Menschen auf den Straßen waren jedenfalls verunsichert, auch weil der Vorfall sich in einer ohnehin angespannten Situation ereignet hatte. Der Abzug des fürstlichen Heeres und die Gerüchte von Truppenbewegungen des Klan Ranku ließ viele Einwohner den Ausbruch von Kämpfen fürchten. Der Handel auf dem Maishi-See hatte in letzter Zeit unter Piratenangriffen gelitten, bei denen Gerüchten zufolge nicht alles mit rechten Dingen zuging. Möglicherweise würde es für die Helden schwierig werden, eine Überfahrt zu finden…
Am nächsten Tag verkauften die Helden die von den Banditen erbeuteten Waffen und Rüstungen. Außerdem wollten sie das Angebot Uomes annehmen, über einen seiner Kontakte das Maultier und die Rohseide, die sie im Banditenversteck gefunden hatten, an deren rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Takur war zwar der Meinung, dass man diese Beute behalten sollte, aber sowohl Hao als auch Akira vertraten einen anderen Standpunkt.
Der Kontakt des Händlers entpuppte sich als eine junge Schwertalbin namens Nakama Haruko, die gerade in ein Ehrenduell mit einem Schwertalbenkrieger verwickelt war. Offenbar hatte dieser die Ehre von Klan Suguri beleidigt, was Haruko als Suguri-Gefolgsfrau nicht hinnehmen konnte. Zu Takurs Begeisterung und Akiras Anerkennung besiegte die junge Kriegerin ihren erfahrenen Gegner mit Leichtigkeit. Hao, die von dem Duell wesentlich weniger beeindruckt war, verarztete den Verletzten. Nachdem die Helden die Rohseide gegen einen anständigen Finderlohn losgeworden waren – offenbar gehörte sie einem zhoujiangischen Händler – teilten sie ihre Gewinne mit den Söldnern des Händlerzuges und man trennte sich in Freundschaft.
Takur:
Feuer und Wissen
Kintai, südlich des Maishi-Sees (Ren, Luo)
Ren und Luo waren zeitweise bei der Familie Gan untergekommen: Händlern, die in der zweiten Generation in Kintai lebten und recht angesehen waren. Die ehemalige Familienmatriarchin, Großmutter Tai, litt an der Schlafkrankheit. Da sie den heimischen Ärzte immer misstraut hatte, hatte ihre Familie sich lieber an Ren gewandt. Ren übernahm in den folgenden gut zwei Wochen die Pflege von Frau Tai, hatte aber sehr damit zu kämpfen, die alte Frau auf den Weg der Besserung zu bringen. Die Familie bestand sonst noch aus dem momentanen Oberhaupt, Frau Chi, deren zweiten Ehemann Ling, sowie der sechsjährigen Tochter Wen. Die Familie war während des versuchten Abfalls der südlichen Provinzen Zhoujiangs nach Kintai exiliert (vermutlich hatte sie auf Seiten der Separatisten) gestanden. Die Bezahlung für die letztlich erfolgreiche Heilung war mit 12 Lunaren nicht schlecht, allerdings erregte Ren die Aufmerksamkeit des örtlichen Magistrats. Das lag wohl nicht zuletzt am Eintreten ihrer Mitstreiter für die Suguri-Kaufleute. Jedenfalls musste sie eine „Gebühr“ zahlen und durfte keine weiteren Patienten annehmen.
Luo, der nur wenig zu tun hatte, hörte sich derweil nach guten Feuermagiern um, da er wusste, dass eine Cousine ihre magischen Fähigkeiten verbessern wollte. Dies war nicht so einfach, weil die Elementarmagie in Kintai nicht so eifrig geübt wurde wie in Zhoujiang, wo die fünf Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft, Metall) eine wichtige Rolle in der Magielehre spielte. Luo erfuhr, dass im Umland ein erfahrener Diener des dem Element Feuer nahestehenden Phönixgeistes namens Zha Bu zu finden sei. Die Schattenklinge konnte eine brauchbare Wegbeschreibung zu dem verlassenen Kloster erhalten, wo der wandernde Meister untergekommen sein sollte. Die mehrtägige Reise verlief glatt, auch weil die beiden sich zeitweilig mit einem wandernden Kampfmönch (einem jungen Zwergen namens Haruko) zusammentun konnten.
Das „Kloster“ erwies sich als eine verfallene Einsiedelei, bestand sie doch nur aus zwei halb verfallenen Gebäuden und einem kaum noch erkennbaren Glocken- oder Gongturm. Eines der Gebäude war notdürftig ausgebessert worden, und eine kleine Rauchsäule verriet die Anwesenheit der neuen Bewohner.
Ein junger Gnom namens Tsung, offenbar ein Schüler von Zha Bu, begrüßte die beiden Reisenden argwöhnisch, brachte sie aber zu seinem Meister. Dieser erwies sich als ein älterer Mann mit dünnem grau-weißen Bart und Haaren. Die schwarzen Augen wirkten misstrauisch, aber er war bereit, Rens Bitte anzuhören. Tatsächlich gewährte er ihr die Möglichkeit, ihre Entschlossenheit (und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Feuer) unter Beweis zu stellen – indem sie ihm folgen sollte, als er durch ein Feld aus glühender Holzkohle schritt. Während die reine Selbstüberwindung kein Problem für Ren darstellte, wäre sie körperlich an der Herausforderung beinahe gescheitert – bewältigte sie aber mit einigen Brandwunden. So qualifizierte sie sich für eine Unterweisung.
In den folgenden Tagen lernte sie einiges von dem verschlossenen Meister, der offenbar (anders als sein Schüler) aus einer besseren Familie oder sozialen Schicht stammte. Zha Bu vertrat einen ganzheitlichen Ansatz mit Meditationen, Selbstbeherrschungs- und Konzentrationsübungen. Obwohl seine religiöse Magie ein wenig anders funktionierte als Ren gewohnt war, konnte er Ren vieles beibringen.
Es war klar, dass Rens Lehrer (und sein Schüler) einiges für sich behielten. Politisch schien er kein Freund von General Wu zu sein und hielt auch von den Triaden nicht viel. Begeisterte Lobeshymnen auf das Kaiserhaus waren von ihm aber auch nicht zu hören. Zha Bu widerstand auch Rens Versuchen, ihn etwas in diese Richtung zu manipulieren.
Luo beschäftigte sich derweil mit kleinen Hilfsaufgaben, blieb aber generell wachsam. Er versuchte sich etwas mit dem Schüler anzufreunden. Laut ihm war Zha Bu aus Zhoujiang verbannt worden - ob von Wu oder der letzten Kaiserin.
Dass der Meister Grund für sein Misstrauen hatte, bewies sich etwa eine Woche nach Ankunft der beiden Reisenden. Luo bemerkte, dass sie die heimlich beobachtet wurden. Er entfernte sich unauffällig und konnte sich unbemerkt in den Rücken des Beobachters schleichen. Kurz entschlossen griff die Schattenklinge an – achtete freilich dabei darauf, nur die flache Klinge zu nutzen. Der überraschte Gegner versuchte nach zwei schweren Treffern zu fliehen, ging aber nach einem weiteren Treffer zu Boden. Bei dem Besiegten handelte es sich um einen wettergegerbten Mann in Wildniskleidung. Luo alarmierte Ren sowie ihren Meister und Mitschüler und fesselte den Bewusstlosen, bevor er ihn durchsuchte. Dabei fand er einen gesiegelten Steckbrief, der einen Solar für den auslobte, der einen wegen Hochverrats, Majestätsbeleidigung und Aufstachelung zur Unzufriedenheit gesuchten Xao Xi auslieferte. Das Gesicht auf dem Papier glich bemerkenswert dem des alten Phönixgeist-Priester. Ren hatte den Namen schon einmal gehört: als einen hochrangigen Berater der letzten Kaiserin und Mitglied des Konventes der Mönche und Priester, einen hochrangigem Gremium, das in unregelmäßigen Abständen zusammentrat.
Ren und Luo verschoben die Klärung der durch diese Enthüllung entstandenen Fragen, da der Spion bestimmt nicht alleine war. Luo wollte seinen Feind nicht einfach töten, brach ihm aber auf Hinweis von „Zha Bu“ das Bein. Dann flüchteten die Helden und ihre Begleiter, wobei sie ihre Spuren so gut als möglich verwischten.
Erst am Abend fand sich die Zeit für ein klärendes Gespräch. Wenig überraschend bekannte der Priester, dass sein Name in der Tat einstmals Xao Xi gewesen war, Hochabt des Klosters des „Feurigen Falken“. Er war beteiligt gewesen, die vorletzte Kaiserin abzusetzen und hatte deren Tochter beraten, bis er wegen allzu offener Kritik während der „Drei-Reiskörner-Hungersnot“ vor einigen Jahren verbannt wurde. Trotz dieses Konflikts mit der Kaiserin hatte er auch aus seiner Abneigung gegen General Wus Staatsstreich kein Geheimnis gemacht. Das Kopfgeld auf ihn war deshalb nicht nur aufrechterhalten, sondern angeblich sogar noch erhöht worden. Der ausgeschaltete Kundschafter gehörte vermutlich zu einem Trupp Kopfgeldjäger.
Luo und besonders Ren waren zwar kaiserliche Loyalisten, doch sogar sie waren bereit zuzugeben, dass weder die vorletzte noch die letzte Kaiserin perfekt gewesen waren. So beschlossen sie, dem Meister auf dem Weg gen Tsusaka zu helfen. Tatsächlich schafften sie es, möglichen Verfolgern zu entgehen. Ehe man sich trennte, bot Ren an, sich für eine mögliche „kaiserliche“ Begnadigung einzusetzen.
Natürlich handelte sie nicht selbstlos. Sollte es gelingen Xao Xi doch noch für die Sache von Prinzessin Yi zu gewinnen, würde es den Kaiserlichen nicht nur einen fähigen Feuermagier verschaffen, sondern auch ihre Legitimität stärken. Ob man das in Sentatau auch so sehen würde, blieb allerdings abzuwarten.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln