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[Splittermond] Abenteuer in Takasadu
Takur:
Alte Bekannte
Timog (Ren und Luo)
Während Akira, Hao und Takur im Auftrag der Suguri nach dem Wurfspeer der Myuriko suchten, waren Ren und Luo mit weniger weltbewegenden Dingen beschäftigt.
Luo nahm die Neuigkeiten, dass er ungewollt General Wus Leuten geholfen hatte, nicht so schwer wie Ren, war aber ebenfalls nicht glücklich. Auf Anregung von Ren begann er Nachforschungen anzustellen. Er wollte einen besseren Eindruck von den Machtstrukturen in Timog gewinnen, erfahren wer hier das Sagen hatte und wie die militärische Situation war.
Es fiel ihm nicht schwer, einige Soldaten und Unteroffiziere des örtlichen Jun (Provinz-Bannerheeres) zum Reden zu bringen. Er hörte unter anderem, dass der gefürchtete Jadedrache – ein Elitekämpfer Wus, der angeblich mit dem General gebrochen hatte – in der Nähe Timogs einen Beamten ermordet haben sollte. Die Berichte blieben vage. Generell war der Jadedrache eine Gestalt mit zwiespältigem Ruf. Manche nannten ihn einen brutalen Mörder und Vergewaltiger, andere einen Helden. Manche seiner angeblichen Taten hatten sich an so weit voneinander entfernten Orte zugetragen, dass kaum ein und derselbe Mann verantwortlich sein konnte. Die Triaden und die mit ihnen verbündeten Fürsten hatten jedenfalls ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, auch wenn die Angaben über die Höhe schwankten.
Währenddessen kam Lin mit ihren Nachforschungen zu ihrem ehemaligen Auftraggeber Shu nicht weiter. Vielleicht zeigte der Alb sich selten in Timog und kaufte die Waffen für seine Verbündeten nur in Tsusaka oder anderen weiter entfernten Orten.
Bezüglich der Machtkonstellationen in Timog und der Kranichprovinz war es ein offenes Geheimnis, dass Fürstin Liu Luli nur notgedrungen mit den Triaden kooperierte. Sie favorisierte gemäßigtere Triaden wie die Roten Karpfen und den Fließenden Stein. Allerdings waren angeblich auch die gewalttätigen 13 Blätter im Aufstieg begriffen. Timog hoffte vermutlich, sich durch Kooperation mit den als Piraten berüchtigten 13 Blättern vor deren Angriffen zu schützen und diese gleichzeitig gegen andere Piraten und die Kaperer und Kriegsschiffe von General Wu mobilisieren zu können, die zunehmend vom Westende des Sees her Druck ausübten. Angeblich strebten die 13 Blätter nach direktem Einfluss auf die fürstliche Flotte. Sowohl am Fürstenhof als auch unter den Händlern sahen das manche mit Sorge. Was würden die 13 Blätter mit einer solchen Macht anfangen? Zudem überfielen sie regelmäßig Schiff des benachbarten Kintai - und diese mächtige Militärmacht zu ärgern erschien wenig weise…
Drei der wichtigsten örtlichen Triadenzweige wurden von Frauen geführt:
Die Gnomin Chen Jiah fungierte Gerüchten zufolge als die lokale Anführerin der Roten Karpfen. Seitdem sich die Provinz den Triaden angeschlossen hatte, war die Beamtin am fürstlichen Hof zudem zur Ministerin für Finanzen und Handel aufgestiegen. Dass die seit 40 Jahren in der Verwaltung tätige Jiah korrupt und tief in die Schmuggelaktivitäten der Roten Karpfen verstrickt war, war ein offenes Geheimnis – ohne dass man ihr bisher etwas hatte nachweisen können. Ihr Verhältnis zu der jungen Fürstin Liu Luli galt als angespannt. Jiahs Verwandter Chen Tsu fungierte als Ältester der Alchimistengilde und besaß angeblich beträchtlichen Einfluss bei den örtlichen Heilkundigen, Kräuter- und Exotika-Händlern.
Rätselhafter erschien die als Yeying („Nachtigall“) bekannte Tengu, die den lokalen Ableger der Triade des Fließenden Steins kontrollierte. Das schwarzgefiederte Feenwesen dominierte seit einem Jahrzehnt das Vergnügungsviertel der Stadt. Man sagte ihr nach, vor allem auf Absprachen, Intrigen, Bestechung und wohldosierte Erpressung zu setzen. Angeblich hatte sie gute Kontakte zum fürstlichen Hof und war für ihre großzügigen Spenden für öffentliche Feste, die lokalen Tempel und die Armen Timogs bekannt.
Eher gefürchtet war hingegen Toryu („Drachentöterin“), die den lokalen Ableger der Triade der 13 Blätter kommandierte. Die als rücksichtslos und jähzornig berüchtigte Albin mit den markanten Brandnarben auf der rechten Gesichtshälfte, Hals und Oberkörper stammte wie viele Mitglieder der 13 Blätter aus Kintai. Ihren Namen verdankte sie ihrem Einsatz gegen General Wus Flotte. Toryus wahre Abneigung galt aber angeblich ihrer alten Heimat. Manche hielten sie für eine verstoßene Kintari-Adlige, eine in Ungnade gefallene Samurai oder eine ehemalige Woku-Piratin. Angeblich kommandierte Toryu bis zu 800 Bewaffnete und etwa zwanzig Schiffe, was sie zur mächtigsten Piratenfürstin des Maishi-Sees machte. Neben der Piraterie waren die 13 Blätter in Timog auch im Schmuggel, dem Menschenhandel und der Schutzgelderpressung aktiv.
Zu den weiteren mächtigen Personen Timogs gehörte Sima Yu. Der Zwerg hatte schon der Großmutter und Mutter Liu Lulis als Kanzler und Minister für städtische Gesundheit, öffentliche Sicherheit und Kanalwesen gedient. Unter anderem kontrollierte er die städtische Polizei und Zollbehörde, die Gerichte und das Stadtgefängnis. Yus Einfluss war angeblich maßgeblich für die Entscheidung der Fürstin gewesen, sich mit den Triaden zu arrangieren. Ob er selber einer Triade angehört, war umstritten.
Ein weiterer Vertrauter der Fürstin war ihr Verwandter Liu Jang, der Kommandeur des fürstlichen Heeres. Der junge General galt als mutig und taktisch versiert. Seine logistischen und administrativen Fähigkeiten waren allerdings ausbaufähig und sein Verhältnis zu den in der Kranichprovinz operierenden Triaden-Söldnern nicht frei von Differenzen.
Deutlich niedriger in der Gunst der Fürstin stand Admiral Tung Li, der Befehlshaber der fürstlichen Flotte. Der frühere Verwaltungsoffizier kommandierte die Marine der Kranichprovinz, seit sein Vorgesetzter zu General Wu übergelaufen war. Angesichts der Bedrohung durch General Wu und die zahlreichen unabhängigen Piraten, die auf dem Maishi-See operierten, befürwortete Li eine enge Kooperation mit der Triade der 13 Blätter, um die maritime Schlagkraft Timogs zu erhöhen.
Es waren dann aber persönliche Angelegenheiten, die beide Schattenklingen von ihren Nachforschungen ablenkten. Vor Jahren hatte zwischen Luo (der in Lin verliebt gewesen war) und Lin (die Luo nur als Freund sah) vor allem auch der gutaussehende, junge Schwertkämpfer Sung Bei gestanden. Luo hätte sich damals beinahe ein Duell mit Bei geliefert. Seine Meisterin hatte ihm jedoch den Abschied gegeben, ehe die Lage eskalierte. Wie auch immer Beis und Lins Beziehung ausgesehen hatte, sie war nicht von langer Dauer gewesen. Inzwischen hatte der Krieger die Nichte eines Silberschmiedes aus Timog geheiratet. Glücklich war er mit dieser guten Partie allerdings nicht geworden, wurde er doch momentan als angeblicher Insider bei einem Einbruch bei der Familie seiner Frau gesucht. Lin wollte ihrem alten Vertrauten/Geliebten helfen. Zwar hegte Luo keinerlei freundliche Gefühle für Sung Bei, doch er wollte Lin helfen und so auch verhindern, dass sie in Schwierigkeiten geriet.
Dank Luos Halbweltkontakte gelang es den beiden Schattenklingen, Sung Bei zu finden. Er verbarg sich in der heruntergekommenen Taverne „Wus Eintopf“ (nicht nach dem General benannt). Der Wirt schuldete Sung Bei wohl einen Gefallen. Der junge Schwertkämpfer beteuerte seine Unschuld (was Luo ihm nicht so recht abnahm), wollte aber keine Konfrontation mit dem Gesetz riskieren. Seine Frau und die wenige Monate alte Tochter mochte er aber ebenfalls nicht im Stich lassen. Luo überzeugte ihn, sich erst einmal abzusetzen – vielleicht in Richtung der Flussdelphinprovinz und von dort eventuell nach Tsusaka. Als Kämpfer konnte er sicher eine Anstellung finden, und seine Frau als geschickte Silber-Tauschiererin ebenso. Beis Frau und das kleine Kind würden besser erst später nachkommen, schließlich war das Mädchen noch klein. Sung Bei sah ein, dass dies klüger war, wollte sich aber erst von seiner Frau verabschieden (und benötigte für einen Neuanfang zudem Geld). Wohl oder übel stimmten die Abenteurer zu, ihm dabei zu helfen. Es war freilich zu befürchten, dass das Anwesen und die Werkstatt der Familie Yang von den Behörden beobachtet wurden.
Es fiel Luo nicht schwer, einen Fischer zu finden, der Sung Bei aus Timog herausschmuggeln konnte. Ren knüpfte als angebliche Kundin (sie wollte ohnehin ihre blaugrüne „Nymphenperle“ in ein Diadem fassen) Kontakt mit Yang Tia, Sung Beis Ehefrau. Die junge Frau war offenbar gewillt, zu ihrem Ehemann zu stehen. Als junges Familienmitglied lebte sie in einem außen gelegenen Raum des Familienanwesens, das in der Tat von einem Spion der Stadtgarde im Auge behalten wurde. Ein paar geschickte Ablenkungen durch Lin und Luo (ein Schaukampf, den Luo erneut für sich entschied) und Ren (die etwas dramatisch mit ihrem beschworenen „Höllenhund“ vorbeispazierte) sorgten dafür, dass niemand Beis Kommen und Gehen bemerkte. Es gelang auch, Sung Bei anschließend aus Timog herauszuschmuggeln. Lin wollte weiterhin ein Auge auf seine Ehefrau und Kind haben und Luo hoffte inständig, nie wieder etwas von Sung Bei zu hören.
Takur:
Festvorbereitungen
Timog und Weihei-Schilfmeer westlich der Stadt (Hao, Luo, Ren)
Dank Luos Kontaktenetzwerk konnte Ren einige Informationen an ihre Verbündeten in den von den Kaiserlichen kontrollierten Provinzen weiterleiten. Sie schlug vor, diplomatische Kontakte zwischen den Kaiserlichen und den Momoku in Tsusaka zu etablieren. Das mochte zunächst zwar nichts Konkretes bringen, vielleicht würden sich die Dinge ja irgendwann ändern. Zudem berichtete sie über den Waffenschmuggel aus Kintai an die Verbündeten Wus. Sun Lin war derweil beschäftigt, der Familie ihres ehemaligen Freundes zu helfen. Im Anschluss daran führte sie ein eigener Auftrag ins Umland von Timog heraus. Sie versprach Luo aber, dass es nicht wieder Jahre dauern würde, ehe man sich wiedersah.
Ren und Luo waren sehr beeindruckt von dem Bericht ihrer Gefährten über die Jagd nach dem Speer. Besonders Luo bedauerte, nicht dabei gewesen zu sein. Doch die Helden vergaßen darüber nicht ihr Ziel, in den kaiserlichen Archiven in Palitan zum Tempel der Tausend Tore zu recherchieren. Es waren vor allem die zhoujiangischen Abenteurer, die sich auf die Reise nach Osten vorbereiteten. Hao und Luo konnten aus eigenem Wissen bzw. durch Herumfragen einige Informationen zusammentragen. Die kaiserlichen Archive Palitans waren bedauerlicherweise nicht einfach zugänglich. Die Leiterin My-Mei war zugleich Vorsteherin des Händlerrates und Anführerin der Triade des Fließenden Steins, die angeblich je nach Bedarf den Zugang erschwerte. Gerade bei exotischen, heiklen oder sehr lange zurückliegenden Themen war der Zugriff aber auch grundsätzlich teuer und langwierig.
Allerdings gab es mögliche „Abkürzungen“, beispielsweise wenn ein hochrangiger Gönner, die Anfragen unterstützte. Denkbare Kandidaten dafür waren die regionalen Adels- und Handelshäuser, aber auch wichtige Tempel, Botschaften u. ä. Persönlicher Zugang zu den Archiven selbst wurde freilich nur selten gewährt. Meist blieb dieser renommierte Forscher vorbehalten, die über gute Kontakte zum Archiv verfügten. Angeblich konnten solche Experten teilweise angeheuert werden – was allerdings wiederum recht teuer sein konnte.
Die Abenteurer beschlossen, ihre finanziellen Reserven in den nächsten Tagen und Wochen aufzustocken und nach gut bezahlten Aufträgen zu suchen. Luo setzte zudem seine Kontaktversuche beim örtlichen Militär fort, jetzt auch in Hinblick auf mögliche Aufträge.
In Timog war wohl auch weiterhin einiges im Argen. Es hieß, dass einige der „verwehten Seelen“ (eine örtliche Bezeichnung für psychisch Kranke) verschwunden waren. Man munkelte „Etwas“ riefe sie auf den Grund des Sees…
Unmittelbar vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs hatte Ren ein Jahr in Timog gelebt, um ihre Ausbildung in Wassermagie zu vervollkommnen. Sie hatte in der Zeit bei Ji Dao gewohnt, einem entfernten Verwandten, der im Justizministerium tätig war. Der familiäre Frieden hatte seinerzeit darunter gelitten, dass Ji Dao nach Wus Putsch den Neutralitäts-/Triadenkurs der Fürstin seiner Provinz unterstützt hatte, während Ren eine überzeugte Anhängerin Prinzessin Yis war. Sie und Luo hatten sich seinerzeit mit anderen Loyalisten unter erheblichen Gefahren nach Norden durchgeschlagen. Deshalb hatte sie keinen direkten Kontakt mit ihrem Verwandten gesucht, als sie nach Timog zurückgekehrt war. Allerdings war es nun Ji Dao, der den Kontakt wieder aufleben lassen wollte. Vermutlich hing dies auch damit zusammen, dass Ren eine gewisse Bekanntheit errungen hatte und mit recht aufsehenerregender Begleitung reiste. Er lud Ren und ihre Begleiter ein, im Anwesen der Familie zu wohnen. Neben etlichen Bediensteten bestand der Haushalt aus Ji Daos Ehefrau Ji Xi sowie den Kindern des Paares. Da war Su, mit Jahrgang 970 die älteste Tochter, eine fähige Heilerin und Heilmagierin, die im Gesundheitswesen der Stadt tätig war (eine Berufswahl, die nicht ganz die Zustimmung ihrer Eltern fand), sowie die 14jährigen Zwillingstöchter Jao und Jan. Su sollte in naher Zukunft Zhafeng Bei heiraten, einen nachgeborenen Sohn einer lokalen Adelsfamilie, der einen Stabsposten in der Flotte der Kranichprovinz innehatte. Dies war eine gute Partie für die Tochter eines mittleren Beamten. Ren hatte allerdings den Eindruck, dass die Eltern zufriedener waren als die Braut.
Das Zusammenleben gestaltete sich weitgehend harmonisch, auch weil Ren und das Gastgeberpaar politische Diskussionen vermieden. Hao und Ren beteiligten sich gerne an der Organisation des Hochzeitfestes, das wohl auch dazu dienen sollte, Stand und Reichtum der Familie zu demonstrieren. Luo, der von dem Ji-Ehepaar allerdings eher wie ein Untergebener behandelt wurde, nutzte seine Straßenkontakte für die kostengünstige und schnelle Beschaffung verschiedener Vorräte für das Fest. Hao bemühte sich, Su durch einige Ratschläge auf die Ehe vorzubereiten und ihr etwas die Nervosität zu nehmen. Die junge Braut heiratete anscheinend eher aus Pflichtbewusstsein als aus Liebe, empfand allerdings auch keine Abneigung gegenüber ihrem Zukünftigen, der wohl ebenfalls vor allem heiratete, weil seine Familie es so wollte.
Allerdings ergab sich bald ein akutes Problem bei dem die Gäste helfen sollten. Die Ji hatten bei einem gewissen Meister Zhan einen Shunkou-Hecht und Waraneier für die Hochzeit bestellt. Der Händler, der zu der von den Roten Karpfen dominierten Gilde der Alchemisten gehörte, hatte eine erhebliche Anzahlung erhalten, war aber nun unauffindbar. Ji Dao wollte nicht glauben, dass er einem Betrüger zum Opfer gefallen war. Er machte den Helden die Suche nach Zhan schmackhaft, indem er andeutete, dass dies vielleicht helfen könnte, deren Spannungen mit den Roten Karpfen (die noch aus ihrem Abenteuer in Tsusaka herrührten) zu lindern. Da diese „Queste“ nicht wirklich gefährlich klang, beschlossen die Abenteurer, Akira und Takur erst einmal nicht zu bemühen, zumal beide in die Bewachung des Myuriko-Speers eingebunden waren. Zudem begegneten die Jis Takur mit leichtem Argwohn. Der jaguargestaltige Ma’Ua war ein etwas gewöhnungsbedürftiger Anblick…
Hao, Ren und Luo suchten den Stand von Meister Zhan auf, der am Rande eines der städtischen Tiermärkte lag. Hier wurden in einem bunten Durcheinander von Geräuschen, Farben und (nicht immer angenehmen) Gerüchen Tiere und tierische Produkte aller Art gehandelt. Zhans Stand war gegenwärtig nicht geöffnet. Nach einigem Herumfragen ließ sich ermitteln, dass Meister Zhan seit einigen Tagen verschwunden war. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, da gelegentlich seine Lieferanten aufsuchte. Freilich vermochte keiner zu sagen, wohin er genau aufgebrochen war. In seiner Abwesenheit kümmerte sich ein Gnom namens Xu um Stand und Tiere. Allerdings hatte in den letzten Wochen ein gefährlich wirkender Fischvarg nach Zhan gefragt. Die Abenteurer warteten bis zum Abend, wobei sie eine misstrauische Marktwache abwimmeln mussten, die sich aber von Hao beschwichtigen ließ. Der Markt kam auch bei Sonnenuntergang nicht zur Ruhe. Wie gehofft tauchte Xu auf, um die Tiere zu füttern. Es gelang, sein Misstrauen zu besänftigen und er erzählte, dass Zhan vor gut zwei Wochen aufgebrochen war, um sein Sortiment aufzufüllen – sicher auch wegen des Liefervertrags mit den Ji. Üblicherweise reiste er auf seinen Fahrten in das Schilfmeer mit einem örtlichen Fischer, entweder dem menschlichen Fischer Rong oder dem Fischvarg Wen. Die Abenteurer beschlossen dort anzusetzen und warnten Xu, sich vor dem möglichen Verfolger in Acht zu nehmen.
Nachdem sie die Familie Ji über die (bescheidenen) Fortschritte informiert und Proviant eingepackte hatten, brachen die drei am nächsten Morgen auf, um die Fischer abzufangen, bevor sie auf den See hinaus fuhren.
Tatsächlich gelang es, Rong ausfindig zu machen. Der Mann mittleren Alters war etwas misstrauisch, doch die Abenteurer konnten ihm zum Reden bringen. Er gab zu, Zhan gelegentlich zu den Dörfern der Fischvarge und Kranichgnome im Schilfmeer gebracht zu haben. Er hatte keine hohe Meinung von Wen, mit dem Zhan häufiger unterwegs war. Rong schilderte den Tierhändler als etwas absonderlich. Angeblich hätte er früher in einer der nordwestlichen Provinzen Zhoujinangs als Person von Stand gelebt. Die Abenteuer heuerten den Fischer an, um sie ins Schilfmeer zu bringen. Sie brachen noch am selben Tag auf, nachdem sie ihre Vorräte und Ausrüstung ergänzt hatten. Zunächst wollten sie das nächstgelegene Fischvarg-Dorf namens Sairan ansteuern. Der Fischer Wen war dort gebürtig, so dass Sairan für ihn und Zhan ein logisches Ziel wäre. Die Fahrt würde zwei Tage dauern und gen Westen führen. Rongs Boot erwies sich als nicht gerade groß – mit den drei Abenteurern und Rong konnte es bestenfalls noch ein oder zwei weitere Passagiere aufnehmen. Ein kleines Stoffsegel trieb es an, auch wenn man im Schilfmeer meist rudern oder staken musste. Haos Wildniskunde erwies sich von großem Nutzen, da sie ein Auge auf das Wetter behalten und Rong bei der Orientierung helfen konnte.
Die Fahrt verlief glatt, auch wenn nur Luo kräftig genug war, Rong beim Staaken zu helfen und die Schattenklinge sich dabei nicht allzu geschickt anstellte. War der See nahe Timog noch voller Fischer, Handelsschiffe und einzelner Einheiten der Provinzflotte, so ließ das bunte Treiben nach wenigen Stunden nach. Entlang des Schilfmeers waren bald nur noch hin und wieder kleine Fischerdörfer in der Ferne zu entdecken. Fischer und Jäger gingen ihrem Broterwerb nach. Am Abend fand sich ein Lager am Ufer, wo bereits einige Fischer Rast gemacht hatten. Man kam gut miteinander zurecht und tauschte Geschichten aus. Luo nutzte die Gelegenheit, um Rong im Auge zu behalten. Immerhin waren seine Gefährtinnen und er dem Fischer ausgeliefert, den sie kaum kannten. Doch nach seiner Einschätzung mochte der Fischer zwar geldgierig oder für eine kleine Betrügerei zu haben sein, war aber keine Bedrohung.
Auch am zweiten Tag folgte man dem Rand des sich immer weiter ausdehnenden Schilfmeers. Bald war das feste Land nur noch in der Ferne zu erahnen. Und schließlich tauchte das Boot in das Schilfmeer ein. Von nun ab hing viel von der Ortskundigkeit Rongs ab, wäre es doch ein leichtes, sich in dem Schilfdickicht zu verirren.
Glücklich erreichten die Abenteurer abends Sairan. Das Dorf lag auf einer flachen Insel und bestand aus einem halben Dutzend ärmlicher, auf Stelzen errichteten Hütten. Am Ufer lagen kleine Boote, und die vargischen Bewohner wirkten wachsam, aber nicht feindselig. Meister Zhan war ihnen bekannt (wie natürlich auch Wen). Beide waren vor ca. zwei Wochen hier gewesen, dann aber weitergefahren, weil in Sairan weder ein Silberhecht noch Waraneier zu haben gewesen waren. Gerade die Hechte waren wegen ihrer eifrigen Bejagung offenbar schon recht selten geworden. So blieb nichts übrig, als die Fahrt fortzusetzen.
Das nächste Ziel war Geko, ein weiteres Fischvarg-Dorf, das zwei Tage entfernt lag. Rong war darüber nicht ganz glücklich, weil er bisher nur selten so weit ins Schilfmeer vorgestoßen war. Zudem warnten die Dorfbewohner, dass gefährliche Leute in der Gegend unterwegs wären, bei denen es sich möglicherweise um Piraten oder Rebellen handelte. Vor ca. zehn Tagen war ein größerer Trupp unter Führung eines Sumpfbewohners gesehen worden. Die Fischer erzählten auch Geschichten von natürlichen Gefahren – Raubhechten, Donnerwelsen, manchmal sogar Haien. Die Abenteurer blieben eine Nacht in Sairan. Hao gewann die Herzen der Leute, indem sie eine Andacht abhielt, während Luo herumfragte, um die Fischvarge als potentielle Kundschafter für Timog oder für künftige Operationen der Kaiserlichen einschätzen zu können. Es war aber offenkundig, dass die Fischer sich aus der Politik heraushalten wollten.
Am folgenden Morgen setzte Rongs Boot die Fahrt fort. Je tiefer die Reisenden in das Schilfmeer eintauchten, desto fremdartiger wirkte die Landschaft. Die Luft wurde zunehmend stickiger, das Schilf immer dichter. Die Abenteurer blieben wachsam. Es waren Luo und Hao, die bemerkten, dass irgendwo vor ihnen etwas Großes durch das Schilf brach. Die Reisenden wichen zur Seite aus, und Luo begann durch das schlammige Wasser in Richtung der Geräusche zu schleichen. Bald erkannte er, dass es sich um einen jungen Varg in abgerissener Kleidung handelte. Die Schattenklinge brachte ihn zum Boot der Gruppe.
Ruo – so der Name des Vargs – war ein Flüchtling aus Geko, das offenbar von einer Bande Banditen übernommen worden war. Er war geflohen, hatte dabei aber einen Streifschuss am Arm erhalten, den Hao gekonnt verarztete.
Verfolger waren Ruo auf den Fersen, und die drei Abenteurer improvisierten einen Hinterhalt. Während sich Hao und Ren – unterstützt durch einen beschworenen „Höllenhund“ – dem Feind frontal stellten, schlug Luo einen Bogen, um sie in der Flanke zu fassen. Rong und Ruo blieben beim Boot zurück, was freilich auch bedeutete, dass die Abenteurer zu Fuß in halbhohem Wasser kämpfen mussten, was den Verfolgern in ihrem kleinen Fischerboot einen Vorteil verschaffte.
Es handelte sich um zwei Menschen und einen Rattling. Der Angriff traf sie überraschend und nach kurzem aber heftigem Kampf wurden sie überwunden und gefangengenommen. Nachdem ihre Wunden notdürftig verarztet worden waren, setzten die Abenteurer aus dem Bericht Ruos und dem Verhör der Gefangenen das Geschehen in Geko zusammen.
Offenkundig hatte etwa ein Dutzend Banditen die Siedlung besetzt, weil sie im Sumpf nach etwas suchten – offenbar nach dem Wurfspeer Myurikos… Sie hatten jeden Widerstand niedergeprügelt, plünderten die Dörfler aus und zwangen sie, ihnen bei der Suche im Schilfmeer zu helfen. Offenkundig hatten die Banditen noch nicht gehört, dass der Speer bereits gefunden worden war und sich in der (relativen) Sicherheit der Kintai-Botschaft in Timog befand. Gut möglich, dass die gezielt in die Welt gesetzten Gerüchte, der Speer sei im Schilfmeer niedergegangen, Anteil an der Besetzung Gekos hatte. Die Bande wurde von einem Fischvarg namens Tang angeführt. Dieser war wohl kein echter Räuberhauptmann, sondern hatte die anderen angeheuert. Offenbar führte er ein strenges Regiment. Allerdings war es wohl ihm zu verdanken, dass sich die Übergriffe der Banditen in einem gewissen Rahmen hielten. Ruo hatte für einen der Suchtrupps als Ortskundiger fungiert und die Gelegenheit zur Flucht genutzt. Unter den Gefangenen im Dorf waren auch Zhan und Wen. Tang hatte angelegentlich „den Bleichen“ als seinen Auftraggeber erwähnt, doch sagte der Spitzname weder den Fischern noch den Abenteurern etwas.
Nun war zu entscheiden, wie man mit den Banditen verfahren sollte. Sie als Gefangenen mitzuführen erschien gefahrvoll, denn die Abenteurer planten Geko zu helfen. Sie einfach zu töten wäre andererseits Anmaßung der fürstlichen Gerechtigkeit gewesen, und sie schienen auch bisher keine schweren Verbrechen begangen zu haben. So schüchterte Luo sie gehörig ein, während Hao ihnen ins Gewissen redete. Dann ließ man sie laufen – mit ihrem Proviant und ihren Dolchen, aber ohne das Boot und ihre anderen Waffen. Ihre Chancen im Schilfmeer waren nicht die allerbesten, aber das lag nun bei ihnen.
Im Anschluss setzten die Abenteurer ihre Reise fort. Das Boot der Banditen – offenbar ein Fischerboot aus Geko – nahmen sie in Schlepp. Rong hätte die Expedition am liebsten aufgegeben, ließ sich aber von Luo überreden. Am Abend wurde unter erhöhten Vorsichtsmaßnahmen ein Lager aufgeschlagen, und am nächsten Morgen ebenso vorsichtig die Reise fortgesetzt. Am frühen Abend näherte man sich dem Dorf.
Takur:
Luo schlich (nach einem unglücklichen Auftakt, bei der er sich durch einen Zauberpatzer leicht verletzte) nach Geko. Das Dorf bestand aus einem knappen Dutzend Pfahlhäuser.
An diesen vertäut lagen Boote, einschließlich des größeren Gefährts der Banditen. Zwei Männer hielten Wache, während fünf weitere um ein Lagerfeuer saßen, unter ihnen ein gefährlich wirkender Varg – offensichtlich der Anführer. Die anderen Hütten wirkten leblos, aber ein oder zwei waren offenbar von außen verbarrikadiert worden. Die Schattenklinge schlussfolgerte, dass die Dorfbewohner in diesen Hütten eingesperrt worden waren. Kurzentschlossen pirschte er in einem Bogen um das Dorf herum und näherte sich in einer dieser Hütten. Es gelang ihm, sich mit den Männern im Inneren zu verständigen. Er instruierte sie, sich bereitzuhalten, um im Fall einer Befreiung gegen die Banditen zu kämpfen. Dann kehrte er zu den anderen Abenteurern zurück.
Die Helden überlegten ihr weiteres Vorgehen. Ein Angriff auf die Banditen schien riskant, aber Hilfe zu holen würde Tage dauern. Und die Gesetzlosen zu überzeugen, dass ihre gesuchte Beute bereits gefunden worden war, erschien wenig aussichtsreich. Mit Hilfe der Dörfler schien ein Sieg möglich, wenn auch gewagt. Es hieß rasch zu handeln, denn es war möglich, dass jene Banditen, die noch auf der Suche nach dem Speer waren, zurückkehrten und ihre Kameraden verstärkten – oder dass die Räuber, die die Helden laufengelassen hatten, nach Geko zurückkehrten. Ruo und Rong würden nicht mitkämpfen. Sie sollten Lärm schlagen, um den Eindruck zu erwecken, dass die Angreifer zahlenmäig den Banditen überlegen waren. Nachdem sich die Abenteurer auch magisch auf den Kampf vorbereitet hatten, schlugen sie im Morgengrauen zu.
Es gelang ihnen, sich ungesehen anzuschleichen. Die meisten der Banditen hatten sich in der Hütte des Dorfältesten schlafengelegt. Luo spielte mit dem Gedanken, die Tür zu verriegeln und die Hütte anzuzünden, doch Hao fürchte, dass dabei möglicherweise auch Unschuldige zu Schaden kommen könnten. So blieb man beim ursprünglichen Plan. Luo konnte lautlos die von den drei im Schilfmeer besiegten Banditen erbeuteten Waffen in die Hütte der Dorfbewohner schmuggeln. Der Ärger begann, als Ren ihren Höllenhund beschwor, was nicht lautlos abging. Die Wachen bei den Booten wurden aufmerksam. So wurde der Angriff überhastet begonnen. Luo brach die Tür der Gefangenenhütte auf und hetzte die Fischer auf die beiden Wachposten, um sich dann seinen Kameradinnen anzuschließen.
Die schlafenden Banditen wurden von dem Lärm geweckt, hatten aber natürlich weder ihre Waffen zur Hand noch ihre Panzer angelegt, als die Abenteurer über sie herfielen. Mit Ausnahme ihres Anführers schien es sich auch nicht um geübte Kämpfer zu handeln. Unterstützt durch den Höllenhund konnten die gut ausgerüsteten Abenteurer die Oberhand gewinnen und die fünf Banditen in der Hütte mit Magie und Stahl niederkämpfen. Während Hao die Gefangenen bewachte und sicherstellte, dass die zwei Schwerstverwundeten nicht starben, kamen Luo und Ren den befreiten Dörflern zu HilfeTrotz ihrer Überzahl waren etliche von ihnen schwer verwundet worden. Das Eingreifen der beiden Abenteurer wendete den Kampf. Ein weiterer Bandit wurde überwunden, der zweite floh. Die verwundeten Dorfbewohner wurden verarztet, dann die Banditen gefesselt und gründlich durchsucht. Damit waren Geko und seine Bewohner frei. Freilich waren mindestens noch zwei oder drei weitere Banditen mit einem Dorfbewohner auf der Suche nach dem Speer Myurikos unterwegs. Und es galt zu entscheiden, was aus den gefangenen Banditen werden sollte. Die Dorfbewohner hätten am liebsten zur Selbstjustiz gegriffen, aber Hao unterband dies. Freilich wollten ihre Gefährten die Banditen diesmal nicht einfach laufenlassen, sondern sie der Gerechtigkeit überantworten.
Unter den Befreiten waren auch Zhan und Wen, die überglücklich über ihre Rettung waren.
Abgesehen von etwa 20 Lunaren an Geld und Tangs Ausrüstung waren die Waffen und Panzer der Banditen von schlechter Qualität.
In Tangs Besitz fand sich zudem ein sehr interessantes Beutestück: ein aus einem Tierhorn geschnitztes Signalhorn. Es war außen mit Schriftzeichen in „Proto-Xienyan“ geschmückt, wobei die Sprache freilich keinem der Abenteurer etwas sagte. Eine Analyse von Ren erbrachte, dass das Horn magisch war. Hao mit ihrer guten Naturkunde mutmaßte, das Artefakt könne aus dem Horn eines Chi Hu gefertigt sein, einer magischen Bestie aus der Tigerprovinz. Eine gründliche Analyse musste erst einmal warten.
Die Abenteurer erlaubten den Einwohnern, einen Gutteil der Waffen für sich zu behalten. Vielleicht konnten sie sich so besser wehren, wenn sie das nächste Mal Probleme hatten. Die Magierin legte zugleich Wert darauf, dass die Dörfler erfuhren, wer sie befreit hatte, waren sie und ihr Cousin doch in die Kranichprovinz gekommen, um Ansehen und Respekt zu gewinnen und diesen hoffentlich irgendwann im Sinne der Kaiserlichen nutzen zu können. Sie sammelte zudem die Aussagen der Dörfler gegen die Banditen, um damit deren Bestrafung in Timog gewährleisten zu können. Zudem verschenkte sie einen Großteil ihres Anteils an dem erbeuteten Geld an jene, die besonders unter den Banditen gelitten hatten.
Ein potentielles Problem stellten die drei Banditen da, die noch mit einem Dörfler auf der Suche nach dem Speer waren. Sie würden wahrscheinlich in absehbarer Zeit zurückkommen, doch wann und aus welcher Richtung war unklar. Luo bemühte sich mit Hilfe der befreiten Dörfler das Dorf so „normal“ wie möglich herzurichten. Allerdings krankte die Scharade daran, dass nur eine Handvoll Nichtvarge als falsche Banditen zur Verfügung standen. Ob es nun an der mangelnden Verkleidungskunst lag oder an der Aufmerksamkeit der Banditen – als diese am späten Nachmittag tatsächlich eintrafen, rochen sie den Braten und traten die Flucht an. Zwar wurden zwei von ihnen durch Magie und Pfeile verwundet, eine Verfolgung per Boot scheiterte aber. Zumindest konnte der bei dem Suchtrupp befindliche Dörfler befreit werden, als die Banditen ihn einfach über Bord warfen. Luo sorgte sich, dass die versprengten Banditen sich zusammentun und Rache am Dorf nehmen könnten, doch Hao meinte, dass sie in verschiedene Richtungen geflohen und teilweise verwundet waren, was einen Vergeltungsangriff unwahrscheinlich machte.
Die Abenteurer hatten nicht vergessen, was sie ursprünglich in den Sumpf geführt hatte: die Suche nach Zhan um Waraneier und einen Shunkou-Hecht für die Ji-Hochzeit zu besorgen. Und die Dörfler wie auch der Tierhändler waren gerne bereit, zu helfen. Zumindest Waraneier ließen sich vor Ort beschaffen – auch wenn man dazu in den Sumpf hinausfahren und den aggressiven Tieren ausweichen musste. Tatsächlich konnten Luo und Hao zwei Nester plündern.
Nachdem dies erledigt war, beschlossen die Helden aufzubrechen. Sie hatten die Gastfreundschaft der Dörfler lange genug beansprucht, die zwar gerne die Helden mit Lebensmittel versorgt hatten, aber nur sehr ungern die Gefangenen. Inzwischen glich die Reisegruppe einem recht absonderlichen Konvoi: Rongs Fischerboot, Zhan und Wens Boot sowie das Boot der Banditen, auf dem diese gefesselt mitgeführt wurden. Man beschloss, die Boote aneinanderzubinden, und so setzte sich die Expedition langsam in Bewegung.
Luo, der die Gefangenen bewachte, versuchte Tang zu verhören, kam aber trotz einiger Drohungen nicht weit. Die anderen Banditen waren redseliger, hatten freilich außer Unschuldbeteuerungen nicht viel anzubieten. Sie wussten nicht viel über ihren Auftrag und waren von Tang als Muskeln angeheuert worden. Vor diesem hatten sie alle großen Respekt, ja sogar Angst. Angeblich war er gut vernetzt und galt zudem als ein gefährlicher Kämpfer, der für seine rücksichtslose Art bekannt war. Manche sagten, er diene General Wu oder einer Triade. Einige der Banditen sprachen ihm übernatürliche oder magische Fähigkeiten zu.
Ren achtete darauf, dass die Wunden der Banditen sich nicht infizierten, aber Hao und sie mühten sich nicht, deren Genesung voranzutreiben, und die Versorgung der Gefangenen war ärmlich. Zudem achtete Luo darauf, dem Varg zusätzlich die Augen zu verbinden und ihn zu knebeln.
Ren unterhielt sie während der Fahr etwas mit Zhan, der sich als eigenartiger aber über den Maishi-See wohl informierter Begleiter mit vielen Geschichten über die Tiere und Pflanzen der Gegend entpuppte.
Aufgrund der langsamen Fahrt brauchte man mehr als zwei Tage bis Sairan. Die Reise verlief weitgehend glatt. Zwar versuchte die gefesselten Banditen sich eines Nachts zu befreien, stellten sich aber zu ungeschickt an. In Sairann erregten die Abenteurer mit ihren Gefangenen natürlich Aufsehen. Zudem erwartete die Helden hier eine angenehme Überraschung: die Dörfler hatten in ihrer Abwesenheit einen kleinen Shunkou-Hecht gefangen. So konnten die Gefährten den gewünschten Beitrag zum Fest zu leisten. Freilich war es nur Hao zu verdanken, dass die Reise keine dramatische Wendung nahm: die Affenpriesterin, versiert im Überleben in der Wildnis, ahnte rechtzeitig einen näherkommenden Sturm voraus. So verbrachten die Abenteurer einen zusätzlichen Tag in Sairan – wo sie die hochgehenden Wellen und die heftigen Windböen, die eine der Hütten abdeckten, glimpflich überstanden. Glücklicherweise erwies sich der Sturm als eine nur kurze Unterbrechung, dann präsentierte sich das Wetter wieder freundlicher. Und so erreichte man nach zwei weiteren Tagen wieder Timog, wobei die Abenteurer nach anderthalb Wochen im Schilfmeer etwas verwahrlost waren…
Wenig überraschend erweckten die drei Boote mit einem guten halben Dutzend Gefangenen Aufsehen, und schnell waren einige Wachen zur Stelle. Gestützt auf Wen und Zhan’s Aussage gelang es Hao schnell, die Wachen von ihrer Version des Abenteuers zu überzeugen. Die Banditen wurden unter Mitnahme der von Ren aufgenommenen Aussagen der Dörfler inhaftiert. Auch das Boot der Banditen wurde als „Beweisstück“ beschlagnahmt. Luo versuchte vergeblich, Anspruch auf diese Beute zu erheben.
Die Ji waren froh, ihre Gäste wiederzusehen und die erwarteten Bestandteile der kulinarischen Festattraktionen zu erhalten. Sie waren von der Geschichte der Abenteurer angemessen beeindruckt. Die Abenteurer ihrerseits waren froh, sicher und unversehrt zurückgekehrt zu sein, sich waschen zu können und wieder in richtigen Betten zu schlafen…
Zhan war den Abenteurern sehr dankbar und zahlte ihnen eine ordentliche Belohnung. Er war zudem bereit, ihnen in Zukunft zu helfen, falls sie Materialien aus dem See und Umland suchten.
In den nächsten Tagen halfen Hao und Ren erneut bei der Vorbereitung des Festes und auch Luo nutzte seine Kontakte. Die Abenteurer lernten zudem den Bräutigam kennen.
In anderer Hinsicht waren die Neuigkeiten weniger erfreulich. Während die einfachen Banditen samt und sondern in einer Strafarbeitskompanie landeten, in der sie die Kanäle Timogs säubern und ausbauen mussten, wurde ausgerechnet ihr Auftraggeber Tang auf „Kaution“ entlassen. Offenkundig war er wirklich gut vernetzt. Das beunruhigte Luo. Er fürchtete, dass der Varg auf Rache aus sein würde, oder zumindest danach gierte, sein magisches Artefakt zurückzuerhalten. Die Schattenklinge versuchte, mehr über den ominösen „Bleichen“ herauszubekommen, den Tang seinen Männern gegenüber erwähnt hatte. Allerdings brachten diese Nachforschungen nichts zutage.
Ren und Hao versuchten, das von Tang erbeutete Horn zu analysieren und zogen dafür einen örtlichen Magier namens Kang zurate. Doch selbst mit dessen Hilfe bekamen sie vorläufig nur heraus, dass es sich um einen relativ mächtigen Strukturgeber handelte Aufgrund dessen und des seltenen Materials, aus dem das Artefakt bestand, schätzte Hao, das der Wert einen Solar betragen mochte. Ren schlug halb im Scherz vor, das Artefakt der Fürstin zu schenken, denn so könne man deren Wohlwollen erringen und entferne eine Zielscheibe vom eigenen Rücken. Wozu etwas behalten, was einem vielleicht sowieso wieder abgenommen werden würde? Doch Hao wollte unbedingt herausbekommen, was das Artefakt bewirkte, und Ren ließ sich überzeugen.
Derweil war der Tag der Hochzeit herangekommen. Die Jis hatten ein wahrhaft opulentes Fest organisiert. Über 200 Gäste waren zugegen, oft in glückbringendes Rot gewandet. Die Zeremonie begann mit der traditionellen Ankunft des Bräutigams. Er erschien mit mehreren Freunden. Bevor er seine Zukünftige zu sehen bekam, musste er einige symbolische Aufgaben erfüllen, etwa Holz hacken und ein Gedicht über die Braut und ihre Familie rezitieren. Der nächste Punkt freilich, eine Laterne auf dem höchsten Giebel des Hauses zu entzünden, war ein wenig heikel, und da dies gestattet war, übernahm Luo diese Aufgabe. Dann erst durften sich Braut und Bräutigam offiziell sehen. Keiner von beiden schien außer sich vor Freude, aber unglücklich wirkten sie auch nicht. Beiden war es wohl etwas unangenehm, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen (von den suggestiven Bemerkungen und Geschenken der Gäste ganz zu schweigen). Anschließend wurde der Ehevertrag verlesen. Die Abenteurer lernten dabei auch die Angehörigen des Bräutigams kennen: die energische Matriarchin Zhafeng Zhi, Zhafeng Shara, die etwas zurückhaltende älteste Schwester der Bräutigams sowie Tran, den Bruder der beiden. Die Hochzeitsgeschenke waren teilweise von beträchtlichem Wert und beinhalteten unter anderen exzellenten Silberarbeiten. Hao erwies sich der Aufgabe, die Zeremonie der Eheschließung durchzuführen, als gewachsen und ihre Worte machten einen tiefen Eindruck.
Nachdem das junge Ehepaar vor dem Hausalter Räucherkerzen entzündet hatte, schloss sich das prunkvolle Festessen an, bei dem auch exotische Speisen nach Art des fernen Selenia serviert wurden. Die Gäste waren bunt gemischt. Zu Luos Freude hatte sich seine Mitschülerin (und nicht so heimliche Liebe) Sun Lin selbst eingeladen.
Weit weniger froh war Ren über einen Gast, den sie sehr gut kannte: Gardistenhauptmann Qui Ruan war unmittelbar vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs Rens erste (und bisher einzige) Liebe gewesen, die aber früh an ihren divergierenden politischen Ansichten gescheitert war. Beide junge Leuten hielten Abstand voneinander, peinlich berührt über das Zusammentreffen.
Ein allgemein bewunderter, vielleicht von einigen aber auch gefürchteter Ehrengast war Kanzler Sima Yu. Der Zwerg hatte schon mehreren Fürstinnen der Kranichprovinz gedient, und nicht wenige sahen in ihm den Drahtzieher von Liu Lulis Allianz mit den Triaden.
Die meisten Gäste amüsierten sich gut. Die Kinder spielten Fangen oder Ratespiele, die Erwachsenen improvisierten Gedichte oder übten sich in Geschicklichkeitsspielen vom Jonglieren bis zum Tanzen auf den Tischen. Hao und Ren hielten sich zurück, während Sun Lin und Luo sich bei den Geschicklichkeitsspielen beteiligten. Das Fest währte bis in die Dunkelheit. In einer Hinsicht war der Bräutigam freilich eine Enttäuschung, da er sich beim Zutrinken zurückhielt. Entweder er vertrug nicht viel oder wollte sich nicht lächerlich machen.
Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ein Feuerwerk gezündet. Das Fest würde bei sicherlich im Gedächtnis bleiben, hatte allerdings auch ein großes Loch in die finanziellen Reserven der Jis gerissen. Der Prestigegewinn war natürlich beträchtlich. Ren begann zu überlegen, ob sie nicht in absehbarer Zeit ausziehen sollte, um ihren Verwandten nicht auf der Tasche zu liegen. Sie und Luo waren auf freie Kost und Logis nicht angewiesen.
Wenige Tage nach der Feier trafen Akira und Takur wieder in Timog ein, Sie hatten die Stadt während der Abwesenheit ihrer Kameraden verlassen, um, wie Akira mitteilte, ein „Paket“ abzuliefern. Gemeinsam begann man, die Abreise nach Palitan vorzubereiten, obwohl die Nachforschungen der Abenteurer in Timog Aufsehen erregt hatten…
Takur:
Eine Frage der Diplomatie (kleine Spoiler für Mondstahlsuche)
Timog, Kranichprovinz von Zhoujiang (Akira, Takur)
Während Ren, Hao und Luo auf der Suche nach dem verschwundenen Händler waren, erlebten Akira und Takur ein weniger dramatisches Abenteuer. Der Schwertalb hatte sich freiwillig verpflichtet, der Kintari-Botschaft bei der Bewachung des Wurfspeers Myurikos zu helfen, den die Helden kurz zuvor geborgen hatten. Wie Botschafterin Suguri Hanako befürchtete auch Akira erneute Versuche anderer Interessengruppen, den Speer an sich zu bringen. Für die Bewachung des Speers konnte er seinen Freund Takur rekrutieren, auch wenn dem Jaguarkrieger die Angelegenheit weniger wichtig war.
Die Botschafterin stand vor der Frage, wie mit dem Speer verfahren werden sollte. Er konnte auf keinen Fall in Timog bleiben, da dies zu riskant und politisch heikel gewesen wäre. Allerdings sollte der Speer nach Meinung der Botschafterin auch nicht zu weit von dem Ort entfernt werden, an dem er gefunden worden war. Vielleicht hatte die göttliche Myuriko einen speziellen Grund gehabt, den Wurfspeer Richtung Timog und Maishi-See zu schleudern. Damit fiel eine Verschickung des Speers in die inneren Provinzen Kintais (oder gar zurück in die Hauptstadt) weg. Andererseits sollte der Aufbewahrungsort nicht nur sicher und relativ nahe liegen, sondern auch der Bedeutung des Artefakts angemessen sein.
Ein Transport des Speers nach Atasato, der nächstgelegenen Kintari-Großstadt, erschien aus mehreren Gründen unpassend: Die Stadt lag fast 250 Kilometer das Jadeband abwärts und damit zu weit entfernt vom Einschlagsort des Wurgspeeres. Außerdem wurde Atasato de facto von dem „Ring aus Jade und Eisen“ regiert – einem Zusammenschluss der lokalen Händler. Die Botschafterin war nicht gewillt, diesen Emporkömmlingen ein göttliches Artefakt zukommen lassen und sie dadurch politisch aufwerten. Zudem gehörte die Umgebung von Atasato teilweise zum Einflussgebiet des mächtigen Daimyo Gankoda Saburo. Dieser hatte schon einmal versucht, den Speer für seine expansiven Pläne zu instrumentalisieren. Es war besser, ihn nicht erneut in Versuchung zu führen.
Akira schlug vor, den Speer in das auf der anderen Seite des Maishi-Sees gelegene Tsusaka zu schicken. Damit könnte der Speer nur wenige Tagesreisen von seinem Fundort entfernt aufbewahrt werden. Zwar war Tsusaka nur eine Kleinstadt, doch ihr berühmter „schwimmender“ Tempel war seit Generationen ein Aufbewahrungsort für kostbare Artefakte. Nachteilig war freilich, dass Tsusaka von Klan Momoku regiert wurde, der Klan Suguri (und besonders Klan Ranku, Akarias Lehensherren) nicht gerade positiv gegenüberstand. Andererseits galt der Fürst von Tsusaka als besonnen und moderat. Er bemühte sich, gute Beziehungen mit Zhoujiang zu halten und auch die Spannungen mit anderen Kintari-Klans nicht eskalieren zu lassen. Es stand zu hoffen, dass er den göttlichen Wurfspeer nicht missbrauchen würde.
Erst einmal musste freilich ein sicherer Transport organisiert werden. Die Botschafterin sandte einen Brief nach Tsusaka und bat um ein Schiff und den nötigen Begleitschutz.
In der Zwischenzeit halfen Akira und Takur, die Bewachung des Speers zu organisieren. Dass andere an dem Speer interessierte Gruppen noch nicht aufgegeben hatten, war daran zu erkennen, dass die Botschaft immer noch unter Beobachtung durch einige zwielichtig wirkende Gestalten stand. Auf Akiras Vorschlag hin versuchte die Botschafterin, die Stadtwache auf diese Späher anzusetzen, indem sie Furcht vor einem Einbruch oder vor einem Anschlag auf die Botschaft vorschützte (den Speer jedoch unerwähnt ließ). Das Engagement der Stadtwache würde freilich davon abhängen, wie gut vernetzt die Späher und ihre schattenhaften Hintermänner waren. Akira und Takur beteiligten sich zudem an den nächtlichen Wachschichten und Akira empfahl, Besuchende und niederrangige Angestellte der Botschaft regelmäßig zu überprüfen. Er vermutete, dass die Triaden – in denen er eine der an dem Speer interessierten Gruppen vermutete – Mittel hatten, um sich die „Mitarbeit“ auch eigentlich Unbescholtenen sichern zu können.
Neben dem Schutz des Artefakts beschäftigte Akira aber auch eine persönliche Angelegenheit: Durch Luos Informationsnetzwerk hatte Akira von einer mögliche Spur zu dem Schwert seines Vaters erfahren, das bei dessen Ermordung verschwunden war. Vielleicht würde diese Spur zu den Mördern von Akiras Vater führen…
Dem Hinweis Luos folgend traf sich Akira mit dem zu den „Feuerhornissen“ gehörenden Söldner Su Tsa im „Vollem Netz“, einem zwielichtigen Gasthaus. Mithilfe einiger Freigetränke und etlicher Lunare konnte Akira den Zwergen zum Reden bringen. Su Tsa hatte in der Tat eine Waffe gesehen, auf welche die Beschreibung des gesuchten Schwertes passte. Sie war ihm in Silangan von einer Albin namens Zhan Ke zum Kauf angeboten worden, allerdings hatte der Preis über den Möglichkeiten des Söldners gelegen. Su Tsa konnte eine knappe Beschreibung der Besitzerin des Schwertes liefern: sie war noch recht jung, wirkte aber kampferfahren mit ihrem Speer und hatte blonde Haare und graue Augen. Außerdem war dem Zwergen ihr Akzent aufgefallen. Nach Akiras Meinung deutete dies daraufhin, dass die Albin eventuell aus Sadu kam – von wo Akira die Hintermänner der Mörder seines Vaters vermutete. Vielleicht wusste sie also etwas oder hatte gar Verbindungen zu den Verbrechern. Su Tsa berichte zudem, dass Zhan Ke vermutlich beabsichtigte, in Palitan einen Käufer für das Schwert zu suchen. Das war eine gute Nachricht: die Helden hatten ohnehin vor, die kaiserlichen Archive in Palitan aufzusuchen. Allerdings machte sich Akira keine Illusionen. Es würde nicht einfach sein, in der Metropole am Jadeband jemanden Bestimmtes zu finden. Und wer mochte wissen, ob Zhan Ke beim Eintreffen der Helden nicht bereits das Schwert verkauft hatte und weitergezogen war? Diese Überlegungen und die Erinnerungen an den Tod seines Vaters trübten die Stimmung des jungen Schwertalben.
Ablenkung brachte der Entschluss der Botschafterin, die Herrin der Kranichprovinz Liu Luli über die Angelegenheit mit dem göttlichen Wurfspeer zu informieren. Botschafterin Suguri Hanako war der Meinung, dass inzwischen zu viele Personen und Interessensgruppen von dem Speer wussten. Auch wenn der Fürstenhof bisher so getan hatte, als ginge ihn das Ganze nichts an, wollte Hanako die Fürstin lieber in Kenntnis setzen, statt einen ihrer gefürchteten Wutausbrüche zu riskieren oder die Beziehungen der Kranichprovinz mit Kintai zu belasten. Auf Einladung der Botschafterin nahm Akira an der Audienz teil, während Takur zurückblieb, da seine höfischen Umgangsformen zu wünschen übrigließen.
Aufgrund des sumpfigen Untergrundes von Timog, der dazu führte, dass praktisch die ganze Stadt auf Stelzen stand, war der Fürstinnenpalast ein nicht hohes, aber sehr weitläufiges Gebäude. Mit seinen kunstvollen Holzschnitzereien, silbernen Schmuckelementen und Einlegearbeiten und den zahllosen Ziervögeln in silbernen Käfigen sowie den ebenso prunkvollen wie gut trainierten Wachen bot der Palast einen beeindruckenden Anblick. Dennoch beschlich Akira bald ein unangenehmes Gefühl. Ein-, zweimal glaubte er in einem leeren Gang Schritte zu hören, meinte aus dem Augenwinkel huschende Bewegungen wahrzunehmen oder sah, wie sich Vorhänge bewegten, obwohl kein Wind ging. Möglicherweise hatte der Palast nicht nur sterbliche Bewohner – beunruhigend, aber in Zhoujiang mit seinen zahllosen Geistergeschichten nicht ganz unerwartet…
Fürstin Lui Luli empfing die Delegation zum Glück in ausgeglichener Stimmung. Von Akira unterstützt setzte Botschafterin Hanako die Herrscherin der Kranichprovinz über die Geschehnisse um den Wurfspeer Myurikos in Kenntnis. Liu Luli war nicht glücklich, dass sie erst jetzt offiziell über den Fund des Speers informiert wurde. Und sie empfand es als ungerecht, dass Tsusaka ein weiteres wertvolles Artefakt erhalten sollte, hatten die Helden doch erst vor kurzem geholfen, den Spiegel des Molchkönigs Ginleizhu aus den Händen von Piraten zu befreien und ihn zum Tempel von Tsusaka zu bringen. Botschafterin Hanako und Akira versuchten, den Unmut der Fürstin zu beschwichtigen. Zum Glück blieb ihnen einer der Wutausbrüche Liu Lulis – oder gar eine Beschlagnahmung des Speers – erspart. Es war aber offenkundig, dass Liu Luli für ihre Provinz ebenfalls ein machtvolles Artefakt begehrte. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch General Wu war es freilich verständlich, dass sie nach übernatürlichem Schutz strebte.
Die temperamentvolle Fürstin der Kranichprovinz blieb allerdings nicht das einzige Risiko. Nur wenige Tage später wurde Takur bei seiner Nachtwache auf eine verdächtige Person aufmerksam, die sich in der Nähe des Botschaftstors zu schaffen machte. Der Jaguarkrieger rief den Fremdling an und überwältigte ihn nach kurzem Kampf – freilich nicht, bevor dieser eine kleine Sprengkugel am Tor der Botschaft zünden konnte.
Der Knall weckte Akira, der zum Tor eilte. Dass das ein Fehler war, erkannte er, als vom hinteren Teil des Botschaftsgebäudes ein weiterer lauter Knall erschallte. Mit einer düsteren Vorahnung rannte Akira zur Schatzkammer der Botschaft: tatsächlich waren die beiden dort postierten Wachleute außer Gefecht gesetzt worden. In der Wand der Schatzkammer klaffte ein Loch. Und ein muskulöser, kahlköpfiger Mann, der Akira bereits aufgefallen war, als die Helden den Speer zur Botschaft gebracht hatten, war gerade dabei, sich mit dem (in einer Truhe aufbewahrten) Speer aus dem Staub zu machen. Offenbar hatten die Diebe eine magische Brücke zum Botschaftsgebäude errichtet, die Wand durchbrochen und mit einem Zauber die Wachen ausgeschaltet. Wütend verfolgte Akira den Dieb, der durch seine Beute verlangsamt wurde, auf die unsichtbare Brücke. Über dem Wasser des Kanals stellte der junge Schwertalb den Dieb und es kam zu einem blutigen Schlagabtausch. Akira erwies sich rasch als der bessere Kämpfer. Doch noch bevor er seinen Gegner überwältigen konnte, löste sich die unsichtbare Brücke plötzlich auf und beide Kontrahenten landeten im Kanal. Da Akira damit beschäftigt war, sich über Wasser zu halten und nach der Speertruhe zu fischen, konnte der verwundete Möchtegerndieb wie auch seine Verbündeten entkommen. Immerhin hatten die Helden den Diebstahl verhindern können.
Der Mann, den Takur überwältigt hatte, erwies sich als ein als Ablenkung angeheuerter Handlanger, der wenig über seine Hintermänner wusste. Immerhin konnte er eine Beschreibung seines Auftraggebers liefern, die von der Botschafterin an die Stadtwache weitergegeben wurde. Akira machte sich angesichts der vermuteten Triadenbeziehungen der Diebe allerdings wenig Hoffnung auf einen Fahndungserfolg. Tatsächlich kam es zu keiner Verhaftung, aber auch nicht zu einem neuen Diebstahlversuch.
Einige Tage später traf das erwartete Kintari-Schiff ein, um den Speer abzuholen. Der Fürst von Tsusaka hatte eines seiner wenigen Kriegsschiffe geschickt: eine massive, kastenförmige Bune, mit dutzenden Schützen und Kämpferinnen an Bord. Die Überfahrt nach Tsusaka verlief unter diesem beeindruckenden Schutz ereignislos. Dort wurde der Speer in einem festlichen Umzug vom Fürsten persönlich zum Tempel gebracht. Irgendetwas schien freilich den Tempelvorsteher zu beunruhigen, der das Artefakt in Empfang nahm, damit es in auf einen würdigen Träger oder Trägerin warten sollte. Vielleicht hatte er Sicherheitsbedenken oder fragte sich, ob es wirklich der Willen der Göttlichen Myuriko war, den Speer nach Tsusaka zu bringen. Falls ihn die Sicherheit des Artefakts beunruhigte, waren seine Befürchtungen möglicherweise nicht unbegründet: In den nächsten Tagen wurden wiederholt große Vögel(?) am Himmel von Tsusaka gesichtet. Waren das vielleicht Späher der Harpyien, die nach dem Wurfspeer suchten, der ursprünglich auf ihrer Insel eingeschlagen war? Falls ja, dann hielten die Wesen vorerst Abstand.
Akira und Takur verbrachten noch einige Tage in Tsusaka als ehrenvolle, wenn auch nicht prominente Gäste am Hof des Fürsten, bevor sie nach Timog zurückkehrten. Zu seiner großen Erleichterung erfuhr Akira, dass die jüngsten Spannungen zwischen Klan Momoku einerseits und Klan Ranku und Klan Suguri andererseits auch dank der Bemühungen des Fürsten von Tsusaka vorerst beigelegt worden waren. Damit war allerdings nicht jeder einverstanden. Gerade unter den jüngeren, kriegerischeren Adligen gab es offenbar etliche, die einen Schlagabtausch mit den Ranku befürwortet hätten. Dazu gehörte auch Momoku Eiko, die jüngere Halbschwester und Heerführerin des Fürsten von Tsusaka. Vermutlich auch deswegen (und wegen Akiras Zugehörigkeit zu einem Vasallenhaus von Klan Ranku) verhielt sie sich ihm gegenüber recht abschätzig. Akira versuchte, die Fürstenschwester etwas milder zu stimmen, aber mit begrenztem Erfolg.
Persönlich hielt er wenig von den Kämpfen zwischen den Kintari-Klans. Akira wäre es viel lieber gewesen, wenn sie vereint eine aktivere Außenpolitik betrieben hätten – sei es bezüglich des Bürgerkrieges in Zhoujiang, gegenüber dem Kintai feindlichen Kungaitan und ganz besonders in dem zersplitterten Sadu. Da dergleichen allerdings der isolationistischen Politik des Kaiserreiches widersprochen hätte, behielt er seine Ansichten für sich.
Was Momoku Eiko anging, so bewunderte Akira sie zwar für ihre Heldentaten gegen Piraten und Untiere, hegte allerdings Zweifel, ob sie sich einer Generalin wie Ranku Kane gewachsen gezeigt hätte.
Akira ließ seine Bekanntschaft mit der Kriegerin und Suguri-Agentin Haruko Nakama wiederaufleben, mit der er bei seinem letzten Besuch in Tsusaka eine kurze Affäre gehabt hatte. Beide hielten das Ganze allerdings informell, da keiner an einer festeren Beziehung interessiert war. Takur hingegen nutzte die Zeit in Tsusaka, um sich von den Tempelhandwerkern eine exzellente Glefe fertigen zu lassen, was ihm einen Gutteil seiner Ersparnisse kostete.
Takur:
Papierkram
Kranichprovinz, Timog und Umgebung (Akira, Takur, Luo, Ren)
In den Tagen nach der Ji-Hochzeit war Hao recht stark mit ihren priesterlichen Verpflichtungen beschäftigt, sei es in spiritueller Hinsicht oder als Heilerin. Sie und Ihre Gefährten erfuhren nach Akira und Takurs Rückkehr von dem erneuten Versuch, denSpeer Myurikos zu stehlen und dass die Waffe eine neue Heimat im Tempel von Tsusaka gefunden hatte. Akira hatte ein gesteigertes Interesse daran, die Reise nach Palitan vorzubereiten, nachdem er Hinweise erhalten hatte, dass sich die Waffe seines Vaters und jemand, der möglicherweise mehr zu seinem Tod wusste, in der Stadt befinden konnte. Er erzählte seinen Gefährten mehr über die Ereignisse an der Südostgrenze Kintais, wo ein langjähriger Kleinkrieg zwischen Insurgenten aus Sadu und den Schwertalben tobte, was unter anderem das Leben von Akiras Vater gekostet hatte.
Luo verbrachte etwas Zeit mit Sun Lin, vernachlässigte aber nicht seine Recherchen. Er versuchte, mehr über den fischvargischen Söldner Tang herauszufinden, der so schnell aus der verdienten Haft entlassen worden war. Doch seine Kontakte konnten ihm nicht viel Neues verraten. Der Varg war wohl schon längere Zeit in Timog aktiv, doch wusste niemand, wer seine Hintermänner waren, und ob er nun ein Schmuggler oder Pirat war - oder beides. Auf jeden Fall sollte er Kontakte zu den Triaden haben. Er hieß, er hielte sich weiterhin in der Stadt auf. Die Abenteurer beschlossen, wachsam zu bleiben.
Die Recherchen Luos zu den Gesetzlosen in den Sümpfen waren ebenfalls von begrenztem Erfolg. Die Präsenz bewaffneter Gruppen im Schilfmeer war zwar allgemein bekannt, weniger klar war allerdings ihre politische Zugehörigkeit. Dass einige Wu folgten (wie die Abenteurer vermuteten), ließ sich nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen. Nachforschungen unter den Fischern und Vogeljägern ergaben, dass es schon immer bewaffnete Banden im Sumpf gegeben hatte. Früher hatten mehrere Militäreinheiten die Banditen und Piraten in Schach gehalten, doch waren die Truppen während des letzten Jogdarenkrieges abgezogen worden. Der Provinz-Jun war nicht in der Lage, die fehlende Mannschaftsstärke zu kompensieren und die Fürstin überließ die Kontrolle des Schilfmeeres den Söldnern der Triaden. Diese galten als wenig besser als die Banditen und waren auch äußerlich oft kaum von diesen zu unterscheiden. Angeblich kooperierten manche der Söldner mit den Banditen oder waren von ihnen bestochen worden. Deshalb hielten die einfachen Leute zu allen Bewaffneten Abstand. Die Sumpfadligen mit ihren Gefolgsleuten konnten ihre eigenen Burgen verteidigen, aber kaum als Ordnungsmacht in Erscheinung treten. Auch bei ihnen munkelte man, dass manche Abkommen mit den Banden getroffen hatten.
Luos Nachforschungen blieben allerdings nicht unbemerkt und weckten das Interesse von Shan Leng. Dieser Militärbeamte war vor nicht allzu langer Zeit aus der Reichshauptstadt Inani angereist, die gegenwärtig unter der Herrschaft von General Wu stand. Theoretisch war er für alle überregionalen Sicherheitsbelange zuständig - einschließlich der Banditenbekämpfung. Allerdings wurde er wegen seiner Herkunft in dem den Triaden zugehörigen Timog konsequent geschnitten und „residierte“ relativ zurückgezogen und ohne echte Befugnisse in einem Gasthaus.
Ren und Luo interessierten sich für diese Angelegenheit, weil sie mehr über das Machtgefüge in der Provinz erfahren wollten, und auf Möglichkeiten hofften, um Geld und Einfluss zu verdienen. Sie hatten freilich Mühe, Akira zu motivieren, der lieber nach Palitan aufbrechen wollte. Schließlich gab ihm Ren zumindest gewisse Einblicke in ihre Loyalitäten und Beweggründe, was den Schwertalben veranlasste, sie wiederwillig zu unterstützen.
Ren nutzte ihr Ansehen und ihren Stand, um mit einigen der lokalen Sumpfadligen in Kontakt zu treten. Sie und Luo zögerten, mit Shan Leng zu sprechen. Immerhin stand er im Bürgerkrieg auf der anderen Seite und ein Kontakt mit ihm mochte ihrem Ruf abträglich sein. Viel erfuhr sie bei ihren Nachforschungen in der High Society nicht, doch gab es Hinweise, dass der Abzug der regulären Truppen vor einigen Jahren mit irgendeinem – sorgfältig maskierten – Skandal einhergegangen war. Auf diese Weise erfuhr sie zudem von Zuan Lihua. Die Beamte war die Vorgängerin von Shan Leng und inzwischen im Ruhestand. Sie war bereit sich mit Ren zu treffen, die Akira zu dem Treffen mitnahm. Vordergründig lief das Gespräch harmonisch. Die Frau mittleren Alters schien ihren Ruhestand zu genießen. Sie hatte aber keine hohe Meinung von ihrem Nachfolger und besaß noch zahlreiche Kontakte in der Gegend. Ihre Auskünfte blieben jedoch recht vage. Zuan Lihua zufolge war beim Abzug der Truppen nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Akira hatte das sichere Gefühl, dass sie da nicht die ganze Wahrheit sagte. Interessant war ihr Hinweis auf einen aktuellen Konflikt, der mit der Entsendung Shan Lengs zu tun hatte. Es ging dabei um eine nicht unerhebliche Menge an Geisterseide:
Seit alters her wurden die Gewänder der hochrangigsten Beamten aus der kostbaren Geisterseide gefertigt, die nur in der Spinnenprovinz zu haben war. Für die Lieferanten galten traditionell einige Zusagen und Privilegien. Mit Ausbruch des Bürgerkriegs beanspruchten sowohl die Kaiserlichen als auch General Wu die bereits bezahlten Seidenlieferungen für „ihre“ Ministerien. Sie versuchten zudem, sich Exklusivrechte für künftige Lieferungen zu sichern. Die traditionellen Handelsprivilegien und Sonderrechte wollten die Konfliktparteien freilich nur für die jeweils gegnerischen oder neutralen Gebiete einräumen, um Geld zu sparen. Naturgemäß hatten die Triaden und Händler kein Interesse an solch leeren Zusagen und unprofitablen Geschäften. So wurden die anstehenden Lieferungen weitestgehend zurückgehalten. Die bereits bezahlte Seide war zwar nach Timog geschafft worden, doch ehe eine Entscheidung über die Richtung des Weitertransportes fallen konnte, war die Seide von Räubern gestohlen worden. Verantwortlich waren angeblich die „Sumpfspatzen“, eine ansonsten verdächtig inaktive Bande. Mit angeblich drei Dutzend Angehörigen zählte die Bande zu den größeren Banditengruppen, doch schien sie nur sehr selten aktiv zu werden. Akira und Ren vermuteten, dass der „Überfall“ inszeniert worden war und die Sumpfspatzen eine Pseudobande waren, die entweder gar nicht existierte oder nur im Bedarfsfall eingesetzt wurde. Ziel der Aktion war es vermutlich gewesen, die Seide erst einmal zu behalten, sie insgeheim zu verkaufen oder aber insgeheim an eine der Konfliktparteien liefern, ohne den jeweils anderen potentiellen Empfänger offen zu brüskieren.
Da die Abenteurer Grund hatten, auch beim Abzug der Schilfmeer-Truppen falsches Spiel zu vermuten, suchte Luo mehr herauszufinden: Gerüchte über besondere Vorfälle, familiäre Kontakte zu den Angehörigen der Soldaten und dergleichen mehr. Er stieß aber nur auf einen Wust wilder Gerüchte. Manche behaupteten gar, eine ganze Einheit sei in einer verfluchten Sumpfburg verschollen. In dieser Situation entschloss sich Ren, sich an ihren Verwandten Ji Dao zu wenden, der als Beamter des Justizministeriums einiges über die Gesetzlosen im Sumpf wusste. Von ihm erfuhr sie recht viel zu der Geisterseide. Von den Vorfällen zur Zeit des Truppenabzugs wusste er allerdings wenig, doch konnte er sich erinnern, dass die Familie Guo – einflussreiche Sumpfadlige, die den Triaden nahestanden – damals in die Vorgänge involviert gewesen war und wohl irgendetwas unter den Teppich gekehrt hatte. Die Familie bestand aus der Matriarchin, drei Kindern und einigen angeheirateten oder in andere Familie ausgeheirateten Verwandten. Hauptrivale der Guo waren die Ka, welche kaiserliche Loyalisten waren und den Triaden ablehnend gegenüberstanden. Ji Dao machte klar, dass in seinen Augen all diese Seidenlieferungen und begrabenen Skandale ein heikles Pflaster waren. Sollte Ren sich weiter umhören wollen, müsse sie vorsichtig sein. Zudem bat er sie, auch die Interessen ihrer Familie nicht zu vergessen, bevor sie zu tief grub.
Luo holte weitere Informationen zu den Familen Guo und Ka ein. Die Guo waren bestens vernetzt und unterhielten gute Beziehungen zur Fürstin und zum Hof. Sie galten als überaus wohlhabend – eventuell dank ihrer Triadenkontakte? Die Ka wiederrum waren sogar mit der Fürstin verwandte: die gegenwärtige (noch nicht sehr alte) Ka-Matriarchin war mit Liu Lulis Bruder verheiratet. Allerdings hatten die Beziehungen zum Hof unter den politischen Veränderungen gelitten. Zweifelsfrei waren die Ka die prominenteste Sumpfadligenfamilie, die sich zu Prinzessin Yi bekannte.
Ren und Akira entschlossen sich, das Wagnis einzugehen mit Shan Leng zu sprechen. Dieser war sofort bereit, sich mit den Abenteurern zu treffen. Er nahm an, dass sie wie er nach verschollenen Unterlagen suchen würden, die ins Archiv in Palitan gehen sollten – offenbar hatte er Luo, Haos und Rens Recherchen zu den kaiserlichen Archiven missverstanden. Während diese in den kaiserlichen Archiven Recherchen zu einer anderen Angelegenheit durchführen lassen wollten, ging es dem Beamten um Militärdokumente, welche die vor wenigen Jahren zur Jogdarengrenze verlegten Truppenkontingente betrafen. Von den eangeforderten drei Einheiten waren nur zwei an der Westgrenze angekommen. Eine dritte Einheit – immerhin ca. 400 Soldaten und Tross – blieb unauffindbar. Die Dokumente zu den Truppen waren angeblich auf dem Transport nach Palitan verloren gegangen – wieder bei einem Überfall der „Sumpfspatzen“. Ren und Akira rätselten, ob man die Truppen heimlich abgeworben und irgendwo im Sumpf versteckt hatte, was aber bei so vielen Leuten kaum möglich erschien. Luo fand zudem keine Hinweise auf mögliche Nachschublieferungen in den Sumpf. Die Einheit schien wie vom Erdboden verschwunden.
Ren unterließ es, dem Beamten konkrete Zusagen bezüglich eines Informationsaustausches zu machen. Als Wu-Loyalist stand er für Ren auf der Gegnerseite des Bürgerkrieges.
Die Helden diskutierten die Möglichkeit, die Guos zu infiltrieren. Luo hielt es für denkbar, jemand aus ihrem Haushalt umzudrehen – doch würde man jemand finden, der wichtig aber auch illoyal genug sein könnte? Dies schien ein gewagtes und sehr zeitaufwendiges Unterfangen. Deshalb entschlossen sich Akira und Ren, erst einmal bei den Ka als potentiellen Verbündeten und Informanten vorzufühlen. Dank Rens Ansehen und Stand sollte es nicht zu schwer sein, eine Audienz zu erhalten.
Akira hielt es angesichts der politischen Verwicklungen für ratsam, Suguri Hanako, die örtliche Botschafterin Kintais zu informieren und sie nach ihrer Meinung zu fragen. Die Botschafterin war an diesen brisanten Informationen sehr interessiert. Die Tochter der gegenwärtigen Ka-Matriarchin war aufgrund ihrer Verwandtschaft mit der Fürstin eine potentielle Erbin der bisher unverheirateten und kinderlosen Fürstin Liu Luli. Mehr über das Mädchen, die Ambitionen ihrer Eltern und den Einfluss der Familie zu erfahren, mochte sich noch als nützlich erweisen. Als Albin war die Suguri daran gewöhnt, langfristig zu planen und wollte anscheinend eine mögliche Alternative für die als recht launische und impulsiv geltende Liu Luli im Auge behalten.
Tatsächlich gelang es Ren, eine Audienz in der außerhalb von Timog gelegenen Sumpfburg der Ka zu arrangieren. Sie ging dabei das Risiko ein, ihre politischen Überzeugungen zu offenbaren und erwähnte auch ihre direkten Kontakte zu den Kaiserlichen. Glücklicherweise waren die Ka tatsächlich Loyalisten. Nachdem Ren für ihren kintaiischen Kameraden gebürgt hatte, kam rasch ein offenes Gespräch zustande. Ren schilderte die bisherigen Ergebnisse der Recherchen und deutete an, dass ihrer Meinung nach viele der recht mysteriösen Ereignisse zusammenhingen. Die Matriarchin Ka Yeiyan stimmte ihr zu. Sie glaubte, dass die ominöse „verschwundene“ dritte Einheit nicht mehr existierte. Die Truppe sei wahrscheinlich im Laufe der Zeit schrittweise immer mehr reduziert worden und hätte schließlich nur noch auf dem Papier bestanden, während das Geld für ihren Sold eingestrichen und die Lieferverträge manipuliert wurden. Sehr wahrscheinlich hatten die Guo eine Hand in der Sache gehabt. Als die Einheiten für den Krieg gegen die Jogdaren nach Westen verlegt wurden, hatten die Guo auf Zeit gespielt. Die Wirren des Bürgerkrieges hatten sie davor bewahrt, aufzufliegen. So hatten sie Zeit gewonnen, und als die inkriminierenden Papiere nach Palitan gehen sollten, hatten sie einen „Überfall“ arrangiert. Ob die Angreifer wirklich die „echten“ Sumpfspatzen waren oder einfach nur der Name benutzt wurde, ließ sich nicht sagen. Das Oberhaupt der Familie Ka glaubte, dass man eventuell die Diebe der Dokumente finden könne. Es habe damals unter den Banditen zweifelsfrei Verletzte gegeben, und der Zwischenfall lag nicht so lange zurück. Vielleicht hatten auch einige der Beteiligten über einen so absonderlichen Überfall geredet? Akira konnte bei dem Treffen ein wenig mehr über Ka Ji, die Nichte der Fürstin erfahren. Das Mädchen war gerade sieben Jahre alt und in den Augen ihrer Mutter weit weniger sprunghaft als die für ihr Temperament bekannte Fürstin. Die Ka planten, das Mädchen mit einem nachrangigen Sohn einer selenischen Grafenfamilie zu verheiraten. Der Schwertalb war ziemlich angewidert über die Korruption im zhoujiangischen Militär- und Beamtenapparat, die seine ohnehin vorhandenen Vorurteile verstärkte.
Indem Luo sein verzweigtes Netzwerk aus Kontakten nutzte, konnte er drei vermutliche Beteiligte an dem Überfall auf die Dokumentenkarawane ermitteln: He, Kang und Fulong (zwei Menschen und ein Gnom). Während Kang verschollen und Fulong noch in Freiheit und aktiv war, verbüßte He eine Strafe – die er den Abenteurern verdankte, weil er zu der Banditen gehörte, die der Söldner Tang für die Suche nach dem Wurfspeer Myurikos rekrutiert hatte. Es fiel nicht allzu schwer, dank einer kleinen Bestechung ein Treffen mit dem Gefangenen zu arrangieren. He sprach recht offen über den Zwischenfall. Seine Truppe hatte in der Tat die Karawane überfallen. Allerdings war der Angriff ziemlich schlecht gelaufen. Sie hatten ernste Verluste erlitten. Auch ihr Anführer Bi sei getötet worden, der als einziger ihre Auftraggeber gekannt hatte. Deshalb hatten die etwas ratlosen Banditen die in ihren Augen wertlose Beute in einer verlassenen Sumpfburg versteckt und sich zerstreut. Wahrscheinlich waren die Unterlagen immer noch in ihrem Versteck. Wenn man seine Freilassung arrangieren würde, wäre er bereit den Ort zu beschreiben.
Luo malte dem Gefangenen aus, was mit ihm passieren würde, sollte er falsches Spiel treiben. Dann arrangierte er gegen eine Auslöse von 15 Lunaren die Freilassung von He. Nachdem der ehemalige Bandit das Versteck preisgegeben hatte, ließ man ihn ziehen.
Die Gruppe mietete ein Maultier, besorgte sich zusätzliche Ausrüstung für den Sumpfmarsch und brach auf. Fachkundig geführt durch Takur kamen sie relativ gut voran, auch wenn sie sich beim Lagern beinahe selber vergifteten, als sie das falsche Holz für das Lagerfeuer verwendeten. In der Nähe der Sumpfburg stießen sie dann allerdings auf beunruhigende Spuren, die auf einen, wenngleich kleinen, Drachen hindeuteten. Vorsichtig näherte sich die kleine Gruppe dem Ziel – einer verfallenden Palisade, hinter der mehrere verrottete Gebäude zu erkennen waren. Takur und Luo kundschaften voraus und überwanden lautlos die Hindernisse. Tatsächlich fanden sie die Unterlagen in einer etwas erhöht liegenden und deshalb trockeneren Hütte – die sich mit etwa zwei Karrenladungen als recht umfangreich entpuppten. Das Problem war, dass sich in einem anderen Gebäude tatsächlich ein kleinerer Flugdrache eingenistet hatte, der es zweifellos bemerken würde, wenn man versuchte, so viel Material unter seiner Nase herauszuschaffen.
Die Abenteuer beschlossen, dass Takur und Luo die verfallene Burg beobachten sollten, während die anderen und ihr Packtier in sicherer Entfernung warteten. Sollte das Raubtier nicht binnen der nächsten Tage ausfliegen, würden sie einen direkten Angriff vorbereiten. Tatsächlich flog der Drache am zweiten Tag der Wacht zu Jagd aus. Um ein Haar hätte er die Abenteurer entdeckt, doch mit einer guten Portion Glück konnten sie sich verbergen. Dann nutzten sie die Abwesenheit des „Burgherren“, um die Papiere zu bergen. Takur hätte zwar am liebsten dem Raubtier bei der Rückkehr aufgelauert, ließ sich aber überzeugen, dass der Ausgang des Kampfes zu ungewiss für die Abenteurer war.
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