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Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
Zed:
Ich möchte Dir danken, dass Du uns auf dem Laufenden hältst, was aus Deiner neugestarteten Gruppe geworden ist. Du hattest ja viele gerechtfertigte Bedenken, und mit Mut und viel Arbeit und den richtigen Ansätzen ist ja soweit alles richtig gut geworden, denke ich. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Kannst Du nochmal zusammenfassen, wie Du den Punkt letztlich genau umgesetzt hast, neu anzufangen und doch das "Altgespielte" nicht ganz aufzugeben?
Folgendes ist nicht zuerst als Widerspruch gemeint, sondern schlicht als Gedankenstrom zu einigen Deiner Eindrücke, die insbesondere das Verhältnis zum Railroading betreffen:
--- Zitat von: Namo am 4.01.2025 | 18:19 --- Aber das Pacing! Meine Güte. Das ist mir echt nicht gut gelungen. Wir haben uns in manchen Szenen zeitlich ungeplant total verrannt zeitlich. Das hat dazu geführt, dass ich nicht an den Stellen enden konnte an denen ich wollte und am letzten Abend sogar gefühlt relativ gehetzt "vorspulen" musste um noch den von mir gewünschten Jahresabschluss hin zu bekommen.
--- Ende Zitat ---
Ich bin ja eher vom SL-Typ: "Das Abenteuer ist das, was auf dem Weg geschieht." Zwar habe ich im Blick, dass wir uns nicht völlig festfahren oder im Kreis drehen und dass das nächste Abenteuer sich als Kontrast so sehr im Ton, der Art und vom Herausforderungskatalog her vom aktuellen unterscheidet, wie es nur geht, aber ich als SL gebe mir Mühe, das Abenteuer sehr wenig von der Seite her zu denken, wie ich meine, dass es enden soll, wie möglich.
Damit habe ich nicht nur einen weniger railroadigen Ansatz beschrieben, ich möchte auch deutlich machen, dass auch ich auch viel Verantwortung für das Pacing in die Hand meiner Gruppe lege. Wenn sie lieber noch drei mehr Leute aushorchen wollen, um ihren Heist noch besser zu planen, und sich dabei nicht langweilen - warum denn nicht?
--- Zitat von: Namo am 4.01.2025 | 18:19 --- Das hat mich im nachhinein total geärgert. Genauso wie mir das Abenteuer aufgrund der Reisesituation auch irgendwie extrem railroadig vorkam.
--- Ende Zitat ---
Reisesituationen sind bei mir auch fast nur "Stimmungsmomente". Sie sind nur dann Teil der Spannung und werden "richtig" ausgespielt, wenn sie eine Verfolgungsjagd oder Fluchtsituation sind. Wir spielen so selten (vielleicht 5 mal im Jahr), dass ich keine Zeit auf in der Luft stehenden, ausgewürfelten Zufallsbegegnungen verschwenden möchte. Railroadig wären meine Reisebeschreibungen nur, wenn sie sehr lang ausfallen. Ich meine, es ist in Ordnung, wenn einige Rollenspielmomente im Zeitraffer abgehandelt werden und andere (meist Kämpfe) im Zeitlupe.
--- Zitat von: Namo am 4.01.2025 | 18:19 --- Außerdem hatte ich zweimal die Möglichkeit der rule of cool zu folgen und hab das nicht wahr genommen und es verbockt. Das ist mir erst im Nachhinein so richtig bewusst geworden und ärgert mich sehr. Ich kann manchmal noch nicht wirklich über meinen Schatten springen, obwohl ich mir aufgrund der übersichtlichen Sessionzahl immer vornehmen möchte, alles raus zu feuern was ich habe. Dennoch halte ich mich da gedanklich dann auf indem ich denke "das ist jetzt zu drüber" oder noch schlimmer "diese Information dürfen sie jetzt noch nicht haben, ich brauche ja noch was für später".
--- Ende Zitat ---
Ich halte meinen Metaplot in meinem Kreativoberstübchen wage und nicht selten in Schrödinger-Katze-Zuständen. Dadurch kann ich mich freier auf das erzielte Ergebnis eines Abeneteuers einlassen und habe keine Angst, völlig aus der Bahn geworfen zu sein, wenn ein Abenteuer "unorthodox ausgeht". Das öffnet mich mehr für Rule of Cool - Momente.
--- Zitat von: Namo am 4.01.2025 | 18:19 --- Beim Thema railroading bin ich mir gar nicht mal sicher ob das die Spieler so schlimm wahr genommen haben, da es innerhalb der Abende immer genug Szenen gab die zu etwas besonderem führten bzw. innerhalb der Szene auch Handlungs- und Dialogoptionen existierten. Am Ende war es aber Reise von A nach B und gehe dann in Dungeon C und kämpfe gegen Gegner D. Und klappere dazwischen Dialog oder Handlungsstationen ab.
--- Ende Zitat ---
Ich finde, das klingt richtig gut! Am Ende ist doch auch der Herr der Ringe "nur" eine "Reise von A nach B und gehe dann in Dungeon C und kämpfe gegen Gegner D." - die Qualität, in der es passiert, und auch, was dazwischen geschieht, ist doch entscheidend.
--- Zitat von: Namo am 4.01.2025 | 18:19 --- Aber ich denke das werde ich tatsächlich demnächst mit meinen Mitspielern nochmal thematisieren bzw. nachhaken, auf was sie grundsätzlich Lust/Spaß haben und auf was eher nicht. Letzten Endes ist es aber auch so, dass ich immer noch gerne dabei bin, für mich neue Dinge auszuprobieren um nicht schon gleich in die Gewohnheitsfalle zu tappen, sondern mir wieder einen gewissen Horizont als SL zu erarbeiten, der mir später nochmal helfen wird.
--- Ende Zitat ---
Solche Metagespräche findet ich gut und wichtig, und wäre ich Dein Spieler, wüsste ich Deine Offenheit für Rückmeldungen sehr zu schätzen!
Namo:
Danke für deine Gedanken zu meinen railroading Befürchtungen. Wenn man meine Beiträge hier im Thread querliest, kommen die ja in der ein oder anderen Form immer mal wieder vor. Das Feedback schätze ich sehr, da man ja doch in seiner eigenen Blase lebt und der Blick von außen häufig hilft. Letzten Endes geht es bei vielen Themen die ich mir hier so aufwerfe oftmals um Nuancen. So betraf die Schlussszene die ich gerne haben wollte das Auftreten eines neuen, wichtigen NSC. Dieses war aber unabhängig vom Ausgang des eigentlichen Abenteuers und fand an einem anderen Ort zu dem dem die Charaktere danach gereist sind statt. Aber ja, ich muss mir immer wieder selbst den Metaplot vor Augen halten. Oder eher immer weiter versuchen die Ziele der jeweiligen NSC zu definieren. Dann ist es egal wie ein Abenteuer ausgeht. Die NSC reagieren dann einfach auf den Ausgang.
Zu deiner Frage versuche ich es kurz zusammenfassen um den Grundsachverhalt darzustellen.
Wir hatten damals eine high fantasy Mittelerdekampagne gespielt, die langsam auf die Dagor Dagorath (die Schlacht der Schlachten gegen Morgoth) zugesteuert ist. Hierbei hat Morgoth zum Ende hin Sonne und Mond vernichtet und das Land fiel in Schatten nur von Sternenlicht beleuchtet. Das war ja auch vom Setting her extrem düster und nicht geeignet für eine leichfüßigere Neustartkampagne. Bei der Verfolgung von Morgoths Dienern gelangte die Gruppe nach Morenore, einem Kontinent im Süden Mittelerdes. Dieser war von Numenorern bewohnt die ihn einst auf ihren Reisen gefunden und besiedelt hatten. Diese wurden zu dieser Zeit von einem Spinnenvolk unterdrückt. Diese Arakniden waren letztlich die wahren Herrscher des Landes, auch wenn einen (Marionetten)König der Numenorer existierte. Die Charaktere zettelten eine Revolution an und befreiten das Land vom Spinnenfluch und konnten so Hilfe für die Schlachten in Mittelerde gewinnen.
Darauf baut die aktuelle Kampagne dann auf. Seit der großen Schlacht der Befreiung sind knapp 100 Jahre vergangen. Als Morgoth die Sonne vernichtete lag auch Morenore 7 Tage in Dunkelheit und dann ging die Sonne überraschend wieder auf. Allerdings nur über Calanor. Der Grund wird später zu erfahren sein. Letzten Endes ist es der Magier der alten Gruppe. Das Witzige ist hier schon die erste Verknüpfung. Um die Wiederkehr der Sonne hat sich im Land eine neue Kirche gebildet. Und der Spieler des damaligen Magiers hat sich zufälligerweise einen Paladin ebenen jenes Glaubens erstellt. Das ist natürlich schon ein unfassbar cooler Zufall. Ich freue mich schon auf die Szene wenn das offenbart wird. So konnten die Spieler in einer für sie zunächst "normalen" Fantasywelt starten, in der es verfeindete Reiche und Streit zwischen zwei großen Adelshäusern um das Land gibt.
Was sind nun die Verknüpfungen zum "Altgespielten" neben den rein technischen (gleiches Rollenspielsystem, gleiche Spielgruppe)? Nun schon alleine das oben geschilderte Setting ist natürlich eine einzige Verknüpfung zum Alten - nur eben 100 Jahre später. Und nach und nach offenbaren sich hierzu eben Dinge die ich auch nutze um sie den Spielern in Erinnerung zu rufen. Die Kernidee war ja schon im allerersten Beitrag, dass ich aus der Not eine Tugend machen wollte und ein umgekehrtes Hangover Abenteuer zu machen. Während die Charaktere viele Ereignisse der Welt kennen, erinnern sich die Spieler an diese eben nicht mehr und erfahren sie langsam wieder. Wobei das Hauptaugenmerk die aktuelle Kampagne und deren Handlung ist. Alles andere sind eher easter eggs und Fanservice bzw. Krumen für die Zukunft. Das sah so aus:
1. Abend: Keine Verknüpfung zur alten Kampagne, Spieler dachten wir spielen in einem neu erfundenen Land. Deswegen gibt es dort z.B. auch keine Orks, die Sprachen haben eigene Namen (mystische Sprach anstelle Quenya z.B.). Es wird immer von einem Fest wegen der Befreiung vom Bösen vor hundert Jahren gesprochen, dass bald gefeiert wird.
2. Abend: Offenbarung dass das Land Calanor nach dem Sieg gegen die Dunkelheit umbenannt wurde. Vorher Morenore. Gänsehaut bei den Spielern. Auftauchen einer Arakniden Schattenweberin (2. Erinnerung). Hier gab es im Dialog mit dem NSC auf die Fragen der Spieler hin einen geschichtlichen Abriss was damals passiert ist. Ich weiß nicht mehr genau ob ihnen da klar war, dass es dabei um ihre alten Helden ging.
3.-4. Abend: Das Zombieabenteuer. Die Zombies sind von einem Dämon erschaffen und kontrolliert worden. Der Dämon stammt aus einem Portal das sich zufällig aufgetan hat. Die Charaktere treten hindurch und befinden sich in der ersten Ebene des Multiversums. Die Beschreibung kommt ihnen bekannt vor. Der Dämon spricht von seiner Herrin. Den Spielern wird klar, dass sie in Aethor sind, der Ebene über die die böse Tochter des Magiers der alten Gruppe herrscht. Sie war wesentlicher NSC der alten Kampagne und möchte alle Magie der alten Erzmagier auf sich vereinen. Inzwischen existieren aus dem Zirkel nur noch sie und eben der Magier der Gruppe. Ohne Namen zu nennen verstehen die Spieler und haben Gänsehaut.
5.-6. Abend. Abenteuer in der Hauptstadt in der das Fest der Freiheit stattfindet. Schausteller stellen in einem Bühnenstück die große Schlacht von vor 100 Jahren nach und sind als die alten Charaktere verkleidet und sprechen dabei noch von ein zwei anderen Dingen. Witzig gehalten, für die Spieler aber ein schönes Gefühl - sie haben Spuren hinterlassen. Außerdem Auftreten eines deutlich gealterten NSC der damals ein tatkräftiger Verbündeter war und nun ein weißer Ratgeber für das Land ist.
7.-9. Abend. Am Ende Offenbarung, dass der Meister des Magiers in der neuen Gruppe ein Dunkelelb aus dem Haus tra'Keel ist. Mit diesen hatten die alten Helden viele, viele Auseinandersetzungen. Die Dunkelelben sind bei mir die größten Diener Morgoths und eigentlich durch und durch böse. Bis auf wenige Ausnahmen. Tolles Metaspiel hier. Die Spieler wissen wenn sie da vor sich haben, aber die Charaktere nicht. Insbesondere der Magiercharakter vertraut natürlich seinem Meister.
10. Abend. Besuch der Schattenebene die zwischen dem Reich der Lebenden und Toten entstanden ist und Nekromanten vor Rätsel stellt. Die Spieler wissen es noch nicht, aber ein alter Hass NSC Lich ist nun Gott dieser Ebene und ein alter befreundeter Halbvampir ist nun dessen Diener. Diesem sind sie kurz begegnet ohne Worte mit ihm zu wechseln. Das kommt später. Außerdem Hinweis auf Bibliothek in Palanthis, deren oberster Bibliothekar vor 99 Jahren spurlos verschwunden ist. Er konnte angeblich alles sehen was in der Welt geschieht und noch geschehen würde. Auch darin waren die alten Charaktere verwickelt. Hier habe ich tatsächlich kurz zusammengefasst was damals geschehen ist, da es für das Ende der aktuellen Kampagne und Verknüpfung mit der alten Kampagne zentral werden wird.
Der Schwerpunkt liegt also absolut auf der aktuellen Kampagne, aber nach und nach werden immer wieder Elemente aus der alten Kampagne erwähnt oder eingeführt so dass sie sich organisch verbinden und die Spieler immer wieder Erinnerungsschnipsel bekommen. In dem Maße habe ich eben auch noch diverse Ideen. Wobei im letzten Fünftel der Kampagne diese Teile dann auch verstärkt werden , da dieser ja die Rückkehr der alten Helden behandeln soll. Aber das ist bisher nur grob in meinem Kopf und ich lasse erstmal die aktuellen Handlungen rollen.
Als letztes i-Tüpfelchen begleite ich das auch musikalisch. Wir haben früher bei Kämpfen und besonders epischen Szenen oft Virgin Steele laufen gehabt. Das ist eine epischer Heavy Metal mit allem was dazu gehört. Hier wird vorallem die griechische Mythologie behandelt. Das hat sich uns allen eingebrannt. Irgendwann haben die ein Akkustikalbum (nur Sänger und Akkustik-Gitarre) mit vielen dieser Stücke heraus gebracht. Immer wenn es nun Verknüpfungen zur alten Kampagne gibt, lasse ich davon Stücke laufen. Quasi wie ein musikalischer Schatten vergangener Größe oder ein Vorspiel. Die echten Heavysongs stehen den alten Helden zu.
Ich hoffe damit kannst du dir das einigermaßen vorstellen wie das die letzten 9 Monate in etwas verlaufen ist, was die Verknüpfung mit der alten Kampagne angeht.
Edit: und ja, das liest sich ziemlich übertrieben. Ist aber Ausfluss der alten Kampagne die eben extrem weit gediehen war. Die Helden waren fast Stufe 30 und blicken auf eine lange, lange Kampagne zurück. Aktuell ist es sehr bodenständig und auch relativ magiearm. Gerade der Kontarst macht sehr viel Spass
Zed:
Hey Namo, vergiss meinen Gedankenstrom zum Railroading: Du hast da ein besonders auf Deine alte Gruppe zugeschnittenes, faszinierendes Projekt auf die Beine gestellt, in das vorab viel Gehirnschmalz reingeflossen ist, um Deiner Gruppe a) etwas neues zu bieten, b) an die alte gespielte Geschichte anzuknüpfen und insbesondere c) um sich eine coole, nachvollziehbare und doch überraschende Weiterentwicklung der alten Geschichte auszudenken, die sich ja vorerst im Off befindet, und die Deine aktuelle Gruppe sich d) Stück für Stück mit einigen Aha-Effekten erarbeitet.
Mein Gefühl: Das Ganze lässt sich kaum anders besser durchziehen als Du es tust, weil Du soviele Komponenten aufeinander abstimmen musst. Da bleibt das Sandboxige vielleicht etwas zurück, bis sich die Off-Geschichte ganz enthüllt hat, aber dafür jonglierst Du eben auch erfolgreich viele auf Deine Gruppe zugeschriebene Komponenten, die an und für sich auch wirklich schwer zu jonglieren sind.
Hut ab, und weiter viel Erfolg!
Sphyxis:
Moin Namo,
ich verfolg das hier schon eine ganze Weile sehr fasziniert und weil du jetzt Homepage und auch ein paar andere Dinge erwähnt hast, die da bei mir aus den Anfängen meiner Beschäftigung mit dem Rollenspiel klingeln:
Die Homepage war aber nicht "Zeitalters der Legenden" und eure Spielercharaktere damals trugen nicht solche Namen wie Lucifer, Kwork, Thargirion, oder? ;D
Da habe ich nämlich ne gute Zeitlang anfang der 2000er Berichte zu im Netz verfolgt... :D
Namo:
Das gibts ja nicht oder? Ja genau, das war unsere Homepage die ich gemacht hatte. Wie krass. Du hast gerade meinen Tag gemacht. :headbang:
Edit. Hat sich das so in deinen Kopf gebrannt? Wieso kennst du die Namen und die Seite noch? Das ist ja eben auch 20 Jahre her und die Seite ist leider schon lange offline und im Nirvana verschwunden. Bin gerade etwas überwältigt.
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