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"Anybody home?" - von entvölkerten Fantasywelten

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dwian:
Vorweg: Vielen Dank für diesen Thread!
Wenn ich es richtig verstanden habe, müsste man in einer Spielwelt als allererstes festlegen, welchen potentiellen Ertrag einzelne Gebiete haben. Danach betrachtet man die Keimzellen aller Kulturen (SC-Spezies, Flora, Fauna *und* Monster) und deren Reproduktionsrate. Nun lässt man einen Wachstumsautomaten laufen und schaut, was passiert. Dazu muss man vorher noch festlegen, welche Kollisionsregeln gelten sollen. Das wäre zumindest die simpelste Variante - würde aber wohl allen hier widerstreben. Der Grund dafür ist, dass wir alle wissen, wie solche Automaten in aller Regel enden: Exodus für fast alle Spezies.
Zudem gibt es neben Kollisionen auch viele weitere Faktoren und einige von euch haben den ein oder anderen eingebracht: Techlevel (technisch und/oder magisch), Aggressionspotential, Resilienz, Seuchen, innere Konflikte etc. In anderen Worten: Es ginge um eine hochkomplexe Simulation, bei der wir uns schon über die Parameter nicht einig würden. Gründe dafür sind wiederum verschiedene Vergleichsszenarien: Antike bis SF, Low oder High Fantasy usw.
Ich würde deshalb vorschlagen, das Thema von einer anderen Seite anzugehen: Welchen Zweck hat die Spielwelt?
Meine Antwort darauf ist: Sie dient den Spielern als Orientierung, einem (einigermaßen) kalkulierbaren Erwartungshorizont. Die ganzen Parameter dieser Welt müssen weder "historisch korrekt" noch bis zur Genesis rückverfolgbar sein, sondern lediglich zur Spielzeit konsistent. Die Nebendiskussion, dass verschiedene Weltenbauer sich in ihrer Geschichtsschreibung dabei selbst ein Bein gestellt haben, ist mEn ein separates Thema und müsste bei Bedarf pro Spielwelt besprochen werden.
Ob eine Welt "entvölkert" ist oder nicht ist damit Entscheidung eines Weltenbauers. Je mehr Bevölkerung es allerdings gibt, desto mehr hat der Erschaffer zu tun und desto mehr hat die SL zu lesen. Eine Landfläche ähnlich unserem Planeten wird damit wahrscheinlich zu einer nicht zu bewältigenden Aufgabe - für Erbauer und SL. Unsere Kulturen zu kopieren und zu modifizieren erleichtert die Aufgabe des Erschaffers, führt aber zu skurilen Ergebnissen oder schlimmerem.

Eleazar:
Da wir ja auf Fantasywelten spielen, tue ich mich etwas schwer mit allzu realistischen Überlegungen. Warum soll alles grundsätzlich so funktionieren wie auf der Erde?

Für mich hat die geünschte Bevölkerungsdichte erst mal eine dramaturgische Funktion. Und wahrscheinlich will ich da einfach beides haben: Wildnisse und Metropolen. Ich will keine durchzivilisierte Welt, nicht mal ganze Länder, in denen man vollkommen sorglos von jedem A zu jedem B reisen kann. Und ich will auch keine so mickrige Bevölkerung, dass die Abenteurer sich irgendwann langweilen. Dann aber frage ich mich: Wie kriege ich das hin?

Am einfachsten geht das über die Nahrung: Wo Menschen sich nicht ausreichend ernähren können, da werden sie auch nicht in großer Zahl wohnen. Daher ist eine ganz einfache Stellschraube die Fruchtbarkeit des Bodens. Weite Strecken unfruchtbaren, sandigen Bodens, kleine Inseln, auf denen auskömmliche Landwirtschaft möglich ist. Also habe ich Dörfer und dazwischen Wildnisse. Oder aber regelmäßige Überflutungen: Bis ins 19 Jahrhundert standen im Wendland ein Drittel des Landes ein Drittel des Jahres unter Wasser. Da wird sich keine Pracht entfalten. Oder nehmen wir Schädlinge wie den Kartoffelkäfer: In Irland sind viele verhungert und sehr viele ausgewandert. Nehmen wir klimatische Bedingungen oder Lagen, die immer mal wieder zu Dürren oder späten Frösten führen. Ein paar Jahre geht das gut, dann bricht die Population zusammen. Gehen wir einfach mal davon aus, dass eine Species wie die Orcs mit Mangelsituationen besser zurecht kommen. Es gibt Indianerstämme in öden Gegenden, die evolutionär auf sehr effektive Nährstoffverarbeitung eingestellt waren. Seit man sich aus Supermärkten ernährt, bekommen sie verstärkt Übergewicht und Diabetes. Was wenn Orks Hungerzeiten gut überstehen und Menschen schlapp machen? Wenn nur alle 10 Jahre mal ein paar harte Jahre kommen, wird ein Landstrich quasi von alleine orkisch.

Es gibt also genügend Gründe, sich die Welt so zu machen widewidewie sie einem gefällt und ein gute Bühne für die Abenteurer darstellt.

nobody@home:

--- Zitat von: Eleazar am 20.09.2024 | 10:06 ---Da wir ja auf Fantasywelten spielen, tue ich mich etwas schwer mit allzu realistischen Überlegungen. Warum soll alles grundsätzlich so funktionieren wie auf der Erde?
--- Ende Zitat ---

Weil das erst mal der angenommene Normalfall ist: soweit nicht anders erwähnt, funktioniert auch eine fiktive Welt natürlich wie die reale, die wir kennen. An welchem Bezugspunkt sollten wir uns auch sonst orientieren?

Das heißt jetzt weder, daß es keine anderen Elemente geben darf (die müssen dann dem Publikum nur auf geeignete Weise nahegebracht werden), noch, daß das, was Hinz und Kunz gerade für "realistisch" halten, zwingend auch nur unsere Realität selbst tatsächlich schon abbildet (da gibt's nun wirklich genügend Gegenbeispiele ;)). Aber als gemeinsame Grundlage, auf der wir eine Fantasiewelt überhaupt aufbauen können, ohne erst jedes winzige Detail noch mal eigens erörtern zu müssen ("Bist du sicher, daß wir mit 'unten' dieselbe Richtung meinen?" "Wieso Richtung, und was war das doch noch mal gleich?"), werden wir so schnell nichts Besseres als eben die vertraute Wirklichkeit finden.

Tudor the Traveller:

--- Zitat von: nobody@home am 20.09.2024 | 10:56 ---Weil das erst mal der angenommene Normalfall ist: soweit nicht anders erwähnt, funktioniert auch eine fiktive Welt natürlich wie die reale, die wir kennen. An welchem Bezugspunkt sollten wir uns auch sonst orientieren?

--- Ende Zitat ---

Du sagst es ja: soweit nicht anders erwähnt. Ich formuliere um: soweit nicht anders festgelegt.

Und da ist genau der Punkt. Offensichtlich ist es bei der Bevölkerungsdichte vielfach anders festgelegt. Da dann mit "das ist unrealistisch, weil entspricht nicht irdischen Gegebenheiten" zu kommen, ist halt seinerseits unfantastisch.

Abgesehen davon geht und ging es m.E. auf der Erde viel zufälliger zu, als es viele nach mriner Wahrnehmung zu glauben scheinen. An der Entwicklung der Erde ist in meinen Augen über viele Strecken nichts "logisch" (im Sinne von zwingend so).

nobody@home:

--- Zitat von: Tudor the Traveller am 20.09.2024 | 12:28 ---Abgesehen davon geht und ging es m.E. auf der Erde viel zufälliger zu, als es viele nach mriner Wahrnehmung zu glauben scheinen. An der Entwicklung der Erde ist in meinen Augen über viele Strecken nichts "logisch" (im Sinne von zwingend so).
--- Ende Zitat ---

Das wäre dann der Punkt "was Hinz und Kunz für realistisch halten", ja. :) Und tatsächlich ist aus meiner Sicht auch eine Fantasywelt nicht gegen entsprechende Zufälle immun -- wie be- oder entvölkert ein bestimmter Landstrich ist, wird sicher auch von Landschaft, Klima, Ernteerträgen usw. usf. abhängen, aber da braucht nur einmal eine anständige Katastrophe oder umgekehrt ein Wunder im positiven Sinn dazwischenzugrätschen und schon sind alle vorherigen Trends und Berechnungen Makulatur. (Tatsächlich gilt das auch wieder schon auch im richtigen Leben, eine wie auch immer geartete "fantastischere" Welt hat einfach nur eine noch größere Auswahl an Möglichkeiten.)

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