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Je älter der SL umso geerdeter die Abenteuer?

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Eiserne Maske:
Interessantes Thema, ich habe ähnliche Beobachtungen bei meinem eigenen Verhalten gemacht. Ich versuche mal ohne zuviel Selbstbespiegelung zu antworten..

Ich bin nicht sicher, ob das wirklich eine Alterserscheinung ist, es scheint mir auch eigentlich eine normale Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu sein, die sich auch bei anderen Phänomenen als Rollenspiel zeigt. Wir lachen nicht mehr über die Witze unserer Jugend, weniger Dinge erscheinen neu – das sind Feststellungen, die ich schon von Leuten in meiner Umgebung gehört hatte, welche schlappe 25 Lenze zählten. Das Erwachsen werden und der Kampf mit dem Alltag, die andauernd notwendige Anpassung in unserer Gesellschaft tötet tröstlicherweise das Bedürfnis nach Träumerei nicht ab, aber ich sehne mich nach reiferen/weniger naiven Ideen als den erwähnten Brückentrollen - oder zumindest neuen Ideen. Mich macht es traurig (die kindliche Unbekümmertheit ist mir ein Stück weit verloren gegangen) und beruhigt mich zugleich (bin immerhin anscheinend nicht innerlich stehen geblieben).

(Außerdem: Der Disney-Themenpark/Herr-der-Ringe-Gut-Böse-Dichotomie mit all seiner versteckten Ideologie, welcher auch in vielen Fantasywelten durchschimmert, nervt mich, da es nur noch wenig mit meinem eigenen Ausblick auf die Welt zu tun hat. Aber das ist natürlich vollkommen subjektiv.)

Weiterhin haben mir viele Leute über 40 erzählt, dass das Anarchische, die Frechheit der Jugend nicht konserviert werden kann. Aber dann lese ich das Calidar-Rollenspiel von Bruce Heard (leider schon wieder eingestampft), welcher mit Mitte 60 es irgendwie fertiggebracht hat, mit einer Einstellung, die ich mal jugendliche Begeisterung nennen würde, eine kunterbunte Ad&D-Welt zu schreiben. Der Mann hat offenkundig auf reif oder nicht reif gepfiffen. Und er hat mich beim Lesen mitgerissen. Oder der vorletzte Mad-Max-Film, Fury Road, wurde von einem Mann in den 70ern erschaffen... Manche Leute scheinen sich das Freche erhalten zu können, naiv sein ist wohl keine notwendige Bedingung dafür.

Ich würde gerne glauben, dass man das beeinflussen kann.

pale81:
Pauschalisierungen sind doof und immer falsch.

*…wait…öööö*

unicum:
Generell muss ich schon sagen dass das Alter sicherlich eine Rolle spielen kann beim Rollenspielen.

Ich hab leztes Jahr bei einem Teenager als SL gespielt. Er meinte uns mit immer neueren Monstern herausfordern und uns mit imho übertriebenen Items belohnen "zu müssen" und irgendwie hab ich mich dabei an meine Anfangszeit erinnert. Von selbst erstellten D&D Abenteuern mit 9 Dungeonleveln, von Spielleitern die (bei AH Runequest) am Spielabend sagten "Sag mal eine Seitenzahl im Monsterbuch" oder so etwas.

Und dann schau ich mal auf die Minikampange die ich auf Cons manchmal Leute. Da sind zwar auch neue Monster dirn aber bei leibe nicht so viele (will sagen: 2 in 4 Abenteuern). Es spielt zum großteil in der Stadt und gekämpft wird - im vergleich zu früher - kaum. Man muss um die Abeneteuer zu lösen selbst nachdenken, alleine die Fertigkeiten der Figuren führen nicht zum Ergebnis.

Das sind so meine eigenen Beobachtungen.

Zed:
Es gibt sicher mehrere Mechanismen, die zu einer Wandlung der Inhalte der Spielleitung führen.

1) Von der Pubertät zum Erwachsenen
Ich besuchte nicht viele Cons, aber als Anfang 20jähriger dann doch mal. Ich war in einer Spielrunde mit 15jährigen am Tisch. Die hatten den Spielleiter gefragt, ob sie ihre eigenen SCs zum Spielen nutzen dürften, er hatte nichts dagegen. Die zwei hatten dann einen großen Spaß, ihre Homebrew-"Bummeier" (=Handgranaten) sooft einzusetzen wie möglich. Und ich erinnere mich an einen handgeschriebenen Extra-Skill auf ihrem Charakterbogen, der, (was immer sie als) die Qualität der Beischlaffähigkeiten ihrer SCs ansahen, abbilden sollte. Ich habe daraus gelernt: Diese 8 Jahre Unterschied waren sehr entscheidene 8 Jahre Unterschied zum Erwachsensein, und diese Änderung kommt sicher mit drastischen Änderungen im Spielgeschmack daher.

2) Inspiration durch Medien
Meine Kampagne wurde schon immer durch Comics, Bücher, Filme und Serien beeinflusst. Wäre ich heute ein intensiver Zuschauer von Critical Role, würde wahrscheinlich CR ein großer aktueller Einfluss werden. (Meine Hauptprägung habe ich von Anbeginn bis heute durch den "Herrn der Ringe".)

Natürlich unterliegen Medien einer Änderung des Zeitgeistgeschmacks als auch ändert sich der eigene Geschmack mit dem Alter.

3a) Geschmacksentwicklung im Austausch mit der Gruppe
Ich spiele mit meiner Gruppe seit Mitte der 90er. Unsere Pubertät hatten wir da schon uns, so dass wir von Beginn an "erwachsener" gespielt haben. Unser rollenspielerischer Geschmack checkt sich also seit 30 Jahren gegenseitig. Natürlich versuche ich immer wieder, meine Gruppe zu überraschen. Aber ich würde den Teufel tun und unsere 2-3-4 - Formel umzubrechen (2 Zeiteinheiten Strategie/Planung/Verwaltung/Tralala - 3 Zeiteinheiten Diplomatie - 4 Zeiteinheiten Kampf). Zu der haben wir uns gegenseitig erzogen, die Formel finden wir gut, die wollen wir spielen.

3b) Eigene Geschmacksentwicklung ohne Austausch mit der Gruppe
Wenn ich es richtig auf dem Schirm habe, Namo, hattest Du eine sehr lange Spielpause mit Deiner Gruppe. Daher warst Du lange nicht im Austausch mit ihr und Euer Geschmack hat sich unabhängig voneinander weiterentwickelt. Hier wirkt 2) oben sicher wesentlich stärker. Dass Du Dich mehr geerdet hast im Alter, scheint mir völlig normal.

Mein Fazit: Es gibt viele Faktoren, die den Geschmack verändern. Pauschal gibt es - glaube ich - nicht einen dominierenden Entwicklungsmechanismus, sobald man die Pubertät hinter sich hat (in der potentiell andere Geschmäcker im Vordergrund stehen als im Erwachsenenalter).

Boba Fett:
Ich mag es dreckig und erdig, weil ich das als ein plausibles "so ist nun mal die Welt" empfinde. Bunt und kitschig ist nicht meines.
Ich mag es, zwischen "Profi" und "Veteran" zu beginnen und da zu verweilen und nicht von Noob zum Hero mit exponentiellen Kompetenzanstieg aufzuleveln.
Ich mag es, wenn Antagonisten eine Motivation haben. Monster haben keine.
Ich mag es, wenn die Spielenden eine Motivation haben und nicht durch die Landschaft tourende Murder-Hobos sind.
Und ja, spektakuläre Achterbahnfahrten sind manchmal auch ganz geil. Aber ich mag es nicht, jeden Tag vom herumgewirbelt werden kotzen zu müssen. Oft ist weniger mehr.

Und eigentlich fixt mich futuristischer Hintergrund auch viel mehr an, als Fantasy mit spitzen Ohren und Zauber-Zauber, Hex, hex!
Klar ist das nicht meine alleinige Kost, jeden Tag Pizza und Pasta ist irgendwann auch fade.
Und das ganze hat sich über die letzten 40 Jahre Rollenspiel bei mir eher gefestigt als entwickelt.
Und irgendwie kehre ich immer mehr zu dem zurück, womit ich begonnen habe. Traveller anyone?

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