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Systembastel-Überlegungen: Mindestvoraussetzungen/Mali vs Ermutigungen/Boni

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Zed:
Beim Basteln über einen langen Zeitraum an Beyond Time (in progress) hat sich mein Geschmack und auch fast schon mein Anspruch an ein System verändert. Um das Thema auf den Punkt zu bringen: Ich hatte Ende der Nuller Jahre noch häufig "Mindestvoraussetzungen" in den Regeln, später dann auch Mali, aber davon bin ich immer mehr abgekommen, und jetzt gibt es stattdessen "gute Regeln" ;) und "Ermutigungen".

Beispiel
Du kannst sagen, dass ein Barde mindestens Charsima 12 oder einen Musizierenskill von 5 haben muss (= Mindestvoraussetzungen). Oder ein bardischer Charakter bekommt einen Bonus aufs Musizieren (= "Ermutigung", dass dieser Charakter sich weiter aufs Musizieren fokussiert) - plus Regeln, die einem Barden mit niedrigem Charisma weniger Chancen geben als einem Barden mit viel Charisma. Runenstahls aktueller Thread zu "Vorhersagen für DnD 2034" scheint abzubilden, dass auch professionelle Regeln sich eher hin zu "Boni statt Vorgaben und/oder Mali" entwickeln.

Das waren die Gedankengänge zu meiner Entwicklung hin zu "Ermutigungen":

Schritt 1
Die Vorgaben, ein Volk oder eine Klasse nur wählen zu dürfen, wenn Mindestvoraussetzungen erfüllt wären wie in AD&D 1, empfand ich schon immer als schlechten Regelbau. Ich meine, dass es der Freiheit der Charaktergestaltung geschuldet ist und auch rollenspielerisch interessant und möglich sein sollte, wenn man zB auch einen weniger talentierten Barden spielen kann. Damit war eine Mindestvoraussetzung wie zB Charisma 12 für mich vom Tisch.

Schritt 2
Also wählte ich als Ersatz der Mindestvoraussetzung eine Vorgabe wie "Musizieren mindestens 5". Das entsprach der Idee von Freiheit der Gestaltung mehr: Denn der Musizierenwert ist eine Summe aus Charisma und Fertigkeit (=Übung). Man konnte also weniger Übung mit mehr Charisma ausgleichen, oder wenig Charisma mit mehr Übung. So erreichte auch ein weniger charismatischer Barde das Level an Fähigkeiten wie ein charismatischer Barde - nur etwas später.

Schritt 3
Als ich dann auf die Regelmechnismen schaute sah ich, dass ein Barde mit wenig Charisma in Beyond Time direkt weniger Bardenfähigkeiten einsetzen kann und sie zudem weniger durchschlagend sind. Da brauchte es eigentlich keine Vorgabe wie "Musizieren 5", die Regeln regeln das ganz alleine. Also weg damit.

Viele Bardenfähigkeiten in Beyond Time wie "Motivieren"/"Demotivieren" haben keinen direkten Musikbezug. Aber trotzdem ist eine Verknüpfung zwischen Barde und Musizieren erwünscht, klar. Also gibt es jetzt einen netten, mitsteigenden Bonus aufs Musizieren, wenn man "Barde" wählt, ein Bonus, der mit eigenen Effekten so richtig dann zum Tragen kommt, wenn sich zusätzlich aufs Musizieren fokussiert.

Schritt 4
Als ich meine nun favorisierten Systembastelprinzipien erkannt hatte, wandte ich sie durchgehend an: Die Regeln müssen in das Erwünschte (charismatisch musizierender Barde) mit Vorteilen versehen. Wer etwas suboptimales spielen möchte, sollte in den Regelmechanismen noch ein Feld an Möglichkeiten vorfinden, in denen ein solches Konzept Sinn ergibt. Ganz wilde Konstruktionen wie ein stummer Barde mit Charisma 6 verbieten sich anhand der nicht vorhandenen Vorteile/Fähigkeiten von selbst. Ohne Mindestvoraussetzungen, ohne Mali, nur mit Regeln.

Zu 100% konsequent habe ich diese Prinzipien nicht durchgezogen: Spruchlevel zB sind da oder nicht, also ist Magiekundigenstufe 3 die Voraussetzung für Spruchlevel 2, das ist geblieben.

Ihr Selbstbastel-Veteranen dieser Eigenentwicklungen...:

Fragen für die Kurzvorstellung
Götterland
Let's Go To Magic School (okay, hier gibt es das Problem wohl nicht)
Q-Sys
Keys RPG
Æris
Feenlicht
ERPEGE
Beyond Time
DuoDecem

...und alle anderen, wie seht Ihr das?

nobody@home:
Klingt mir erst mal, da unvertraut, etwas kompliziert. :) Allerdings erinnert es mich an eine Textstelle aus Fate Core, die in eine ähnliche Trompete stößt (hier geht's um das Festlegen von Schwierigkeiten):


--- Zitat von: Fate Core (deutsch) S. 199 ---Es sollte generell schwieriger sein, wenn es um wichtige Dinge geht und der Einsatz hoch ist, und weniger schwierig, wenn das Ergebnis der Probe nicht so entscheidend ist.
Im Prinzip ist das auch nichts anderes, als wenn du eine feste Schwierigkeit definierst und dann entsprechende Abzüge für Zeitdruck oder andere ungünstige Umstände verteilst. Psychologisch gesehen besteht allerdings ein großer Unterschied zwischen einer hohen Schwierigkeit und einer niedrigen Schwierigkeit mit hohen Abzügen. Das solltest du nicht unterschätzen. Ein Spieler, der eine hohe Schwierigkeit angehen muss, hat oft das Gefühl, dass er angemessen herausgefordert wird. Derselbe Spieler fühlt sich von einem hohen Abzug, den die SL willkürlich festgelegt hat, eher entmutigt.
--- Ende Zitat ---

Der Philosophie folgt das Spiel dann generell auch in der Praxis -- Abzüge gibt's normalerweise schlicht nicht (wenn wir mal ausklammern, daß die Würfelergebnisse selbst von -4 bis +4 reichen...), und wo sie außerhalb des Kernsystems doch mal vorkommen, wirken sie entsprechend schnell etwas seltsam.

Zed:
Mnja, nobody, das soll das Thema nicht sein, so wie ich Deine Antwort verstehe. Das Thema ist, ob die Regeln sagen:

Um den Barden zu wählen, brauchst Du mindestens Charisma 12 und einen Wert "Musizieren" von mindestens 5.

oder

Wählst Du den Barden, kannst Du Deine Bardenfähigkeiten sooft am Tag einsetzen wie Dein Charismabonus hoch ist plus 2. Außerdem erhältst Du einen Bonus auf Musizieren von +2.

Die erste Version macht strikte Vorgaben/setzt Mindestwerte voraus und verbietet Charakteren mit Charisma 11 überhaupt Barde zu werden.

Die zweite Version lässt allen Charakteren offen, den Barden zu wählen, wer aber Charisma 6 hat, kann die Bardenfähigkeit gar nicht einsetzen, und wer Charisma 18 hat (+4) kann die Bardenfähigkeiten 6 Mal am Tag einsetzen. Die Regeln ermutigen, Barden mit hohem Charisma zu spielen.

nobody@home:
Hmm...ja, das klingt mehr nach der D&D-Schiene, und aus dem Grad an Komplexität bin ich schon ein Weilchen innerlich raus. :) Aber es ist im Prinzip richtig: auch mit "Mindestvoraussetzungen" habe ich's eher weniger oder höchstens da, wo es innerweltlich halbwegs Sinn ergibt (wenn beispielsweise Magie definitiv auf aufeinander aufbauenden Zaubersprüchen basiert, so daß z.B. Feuerball erst dann eine Option ist, wenn der Zauberer Brennende Hände auch schon kann), und selbst letzteres ist mehr eine Frage der Toleranz als unbedingt der Begeisterung.

Ainor:

--- Zitat von: Zed am  5.09.2024 | 15:21 ---Die Vorgaben, ein Volk oder eine Klasse nur wählen zu dürfen, wenn Mindestvoraussetzungen erfüllt wären wie in AD&D 1, empfand ich schon immer als schlechten Regelbau. Ich meine, dass es der Freiheit der Charaktergestaltung geschuldet ist und auch rollenspielerisch interessant und möglich sein sollte, wenn man zB auch einen weniger talentierten Barden spielen kann. Damit war eine Mindestvoraussetzung wie zB Charisma 12 für mich vom Tisch.

--- Ende Zitat ---

Volk und Klasse sind da ja recht unterschiedlich. Volk bedeutet ja dass z.B. Menschen Stärke 8-18 haben, Orks aber 10-20.
Der Unterschied zum Volksbonus wäre dann dass der Ork die 20 nicht "geschenkt" bekommt. Ich glaube dass es in Point buy Systemen durchaus Sinn machen kann höhere Maxima zu haben anstatt der unseligen Volksboni. 

Was Klassen angeht: in D&D3 brauchen Magier Int 11 um Grad 1 zu können. Also "du kannst mit wenig Int Magier sein, dann kannst du aber nicht zaubern." Das ist dann auch eine Mindestvoraussetzung. Ebenso Fähigkeiten die man einmal pro Punkt Charismabonus einsetzen kann.


--- Zitat von: Zed am  5.09.2024 | 15:21 ---Als ich dann auf die Regelmechnismen schaute sah ich, dass ein Barde mit wenig Charisma in Beyond Time direkt weniger Bardenfähigkeiten einsetzen kann und sie zudem weniger durchschlagend sind. Da brauchte es eigentlich keine Vorgabe wie "Musizieren 5", die Regeln regeln das ganz alleine. Also weg damit.

--- Ende Zitat ---

Kommt drauf an was Klassen bedeuten. Wenn man ohne Musikkönnen nicht in der Bardenschule aufgenommen wird dann macht die Vorraussetzung Sinn.


--- Zitat von: Zed am  5.09.2024 | 15:21 ---Als ich meine nun favorisierten Systembastelprinzipien erkannt hatte, wandte ich sie durchgehend an: Die Regeln müssen in das Erwünschte (charismatisch musizierender Barde) mit Vorteilen versehen.

--- Ende Zitat ---

Das Problem dabei ist dass das schnell dazu führt dass man nur dann effizient ist wenn man das entsprechende Attribut maximiert.
Man zahlt dasselbe (z.B. 3 Bardenstufen) bekommt aber weniger (z.B. Anwendungen von "Motivieren"). Da wird der Korridor der möglichen Attributwerte schnell recht eng.

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