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[Changeling: The Dreaming | Ironsworn] Dunkelblaue Teestunde der Seele

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Hier ist das Profil für unsere neue Verbündete:

Marlies Lore Girardin
Alter: 9; Kith: Pooka (Nerz/Wellensittich); Hof: Licht; Erben: Orchidee/Pfau; Schein: Kindling
Attribute: Geschick 3, Konstitution 2, Stärke 1 | Charisma (Schutzsuchend) 4, Erscheinungsbild (Edel) 4, Manipulation 2 | Geistesschärfe 3, Intelligenz 2, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Anführen 1, Athletik 2, Aufmerksamkeit 2, Ausdruck 2, Empathie 2, Gewahren 3, Überzeugen 2; Etikette 3, Heimlichkeit 2, Tierkunde 1; Computer 1, Enigmas 2, Geisteswissenschaft 1, Gremayre (Eidbund) 4, Linguistik 1, Politik 1
Hintergründe:
 • Gedenken 5
 • Ressourcen (Künftige Millionenerbin) 3
Aspekte:
 • Erbin einer Million, die fortwährend Schwierigkeiten und Verpflichtungen bedeutet +2
 • Ist das heimliche Verbindungsglied zwischen den anderen Freunden +2
 • Warmes, elegantes Nerz-Fell +1
 • Heimlich verliebt in Archie +1
 • Waise, die Villa ist kein Zuhause
 • Schüchtern
 • Macht sich nicht gern schmutzig
Künste: Naming 1, Oneiromancy 1, Summer 1
Reiche: Actor 3, Fae 3, Nature 2
Glamour: 5
Willenskraft: 4
Ausrüstung: Umhänge-Portemonnaie, kleiner Taschenspiegel


Das liegt zwar an dieser Stelle nicht auf der Hand für Til, aber anstelle von Aneta diesmal Marlies wiedergefunden zu haben, ist ein Milestone auf seiner großen
Queste (Extrem): Das Wesen namens Niedzwiedz finden und beschützen.
Damit steigt deren Fortschritt auf 1,5 (ein bisher voller Punkt Fortschritt, markiert als Asteriskus, und ein halber Punkt, markiert als Kreuzchen).

Erstmal machen wir den Move namens Make Camp, um verbrauchte Willenkraft zurück zu bekommen. Sie müssen auch tatsächlich ihr Fell trocknen. Zwei Würfe auf Konstitution+Supply ergeben bedauerlicherweise einen Fehlschlag. Das bedeutet wohl, dass aller Proviant aus Tils Rucksack verloren gegangen ist oder zu Matsche durchnässt, und dass sie kein Feuer entfacht bekommen. Also lege ich die letzten drei verbleibenden Punkte Supply ab.

Marlies und die Kleinen Bunnies werden ordentlich quengelig, während Til verzweifelt versucht, ein Feuer zu entzünden.
„Ich will jetzt was zu Essen! Und ich will zurück zu Zusje! Hier ist es gräulich. Was für ein gräulicher Wald!“
Quiek-quiek, zetern die Bunnies.
„Ich geb‘s auf“, sagt Til entnervt, „Da wird kein Lagerfeuer draus. Tut mir leid! Hey, verwandeln wir uns in Tiere. Dann werden wir im Rennen trocken! Hm? Was meint Ihr?“, er versucht ermunternd zu klingen.
„Okay.“
„Findest Du zu Deiner Schwester Zusje zurück, als Tier?“
„Glaub schon … also los …“
Til fällt ein, wie er den Bären-Kindling verloren hatte, weil der Rapunzel-Traum zu Ende gewesen war, und er einfach aufgewacht war! Das darf nicht nochmal passieren.
„Halt, Marlies, warte mal! Wo können wir uns im Notfall wiederfinden? Dieser Teetrink-Winkel da unten ist als Treffpunkt viel zu abgelegen. Lieber was Oberirdisches! Kennst Du den Weg nach Holz-Giebel-Brunnen-Dorf?“
„Wieso abgelegen?“, staunt das Mädchen mit großen Augen, „Träum‘ Dich doch einfach dort hin!“
„Das geht?!“
„Klar, Zusje kann das doch auch …“
„Meine Freistatt scheint da etwas anders zu funktionieren. Ich gehe durch eine der Türen, und die führt in die Ewigen Wälder hinaus. Nach Holz-Giebel-Brunnen-Dorf ist es ein ganzes Wegstück, und von dort nach Cyenwen noch viel weiter! Ein Abenteuer für sich!“
„Ist doch umso toller!“, strahlt Marlies.
„Ja, schon, aber nicht so verlässlich …“
„Nicht so verlässlich, Schnickschnack. Sowas sagen sonst nur meine Haushälter und Lehrer!“
„Okay, okay. Ich will versuchen, keinen Erwachsenen-Quatsch zu sagen. Hab‘ schon kapiert, dass Kindlinge das nicht mögen.“
Sie nickt zufrieden.
„Dann … machen wir es anders. Hm, also Belgien, ja?“
„Belgien! Genau genommen das schöne Den Haag!“
„Ja, okay. Halt, Den Haag ist nicht in Belgien!“
„Hihi!“
„Ich komme übrigens auch nicht aus Bayern. Das war ehrlich gesagt gelogen. Ich komme aus Bielefeld. … Halt, nein, das war auch gelogen! Egal. Sag‘ mir doch Deine Emailadresse, dann können wir uns in der Herbstwelt schreiben!“
„Oh, das ist schlau! Ich habe aber doch gar keine Emailadresse.“
„Ja, Email ist auch schon wieder altmodisch, was? Also Social Media?“
„Nee, darf ich alles nicht. Zusje hat‘s verboten. Sie kann solch ein Drache sein; wenn ich doch heimlich da surfe, droht sie damit, Feuer zu spucken. Buchstäblich Feuer zu spucken!“
„Echt mal?“
Marlies nickt unsicher.
„Okay, nicht schlimm. Dann sag‘ mir Eure Telefonnummer, oder noch besser, ich sag‘ Dir meine, dann könnt Ihr Euch bei mir melden, wenn Ihr wollt! Aber wir haben nichts zum Schreiben da, Du musst sie Dir einfach merken!“
„Ich kann mir keine Zahlenfolgen merken, Til.“
„Ach nein?“
„Nee, das muss alles eingespeichert sein, wenn’s funktionieren soll. Und überhaupt, mein Hauspersonal telefoniert immer für mich.“
„Ihr seid ziemlich reich in der Herbstwelt, oder …?“
„Wir sind die reichste Familie von Den Haag!“
„Aber das ist doch gar nicht in Belgien!“
„Ich bin in Geografie auch eine Null. Null, null, null, komma null.“
„Stimmt das?“
„Frag‘ doch nicht immer! Du weißt, dass ich sowieso lüge, wenn Du direkt fragst!“, sagt sie, plötzlich ganz verzweifelt, wie als hätte man sie bei einer schuldbewussten Leidenschaft ertappt.
„Keine Ahnung … Ich lüge manchmal auch einfach so, ohne direkt was gefragt worden zu sein.“
„Ja, das auch. … So warst Du schon immer.“
„Ach ja? Und Du womöglich auch, und die anderen beiden Pooka, aus unserem … wie hast Du das genannt … Eidbund?“
„Ja, nur ich eben nicht. Ich lüge nie bei wichtigen Sachen, ich bin immerhin wohlerzogen. Wie ich schon sagte!“
„Und das war keine Lüge?“
„Lenk‘ nicht ab! Aber Du hast Recht, es wäre fein, wenn wir uns in der Herbstwelt erreichen könnten! Aber das ist doch so weit weg! Du lebst im Nachbarland! Das klappt nie.“
„Heutzutage sollte das alles kein Problem sein! Es gibt immerhin Telefonie, und Internet, und Magnetschwebebahnen!“
Jetzt wo Til davon redet, kommt ihm das alles immens weit fern vor, wie eine künstliche, unwirkliche, geradezu fiktive Welt.
„Verabreden wir uns in der Klause von Zusje! Da, wo wir jetzt hinlaufen wollen. Wirst sehen! Die liegt genau zwischen dem Schloss der Goldenen Sonne, und der Stelle, wo der Tulgee-Wald jetzt seit neuestem beginnt! Keine Grimgoriminatori weit uns breit!“
„Schloss der Goldenen Sonne? Klingt ja prächtig!“
„Na, aus dem ‚Kristallkugel‘-Märchen. Man braucht den Wünschehut auch gar nicht, um dorthin zu kommen. Zusje kommt mit ihrem Wunschring dorthin, wann immer sie will. Und mich nimmt sie mit!“
„Stark. Okay, laufen wir los! Halt, nein. Marlies, weißt Du was? Ich muss doch den Boggans berichten, dass wir Aneta verloren haben! Die machen sich doch auch Sorgen. Und die armen Dörfler haben drei Grimgoriminatori bei sich im Dorf! Als Besatzer sozusagen. Ich kann doch jetzt nicht mit Dir ganz woanders hin hoppeln. Lass‘ uns zuerst nach Holz-Giebel-Brunnen-Dorf laufen. Das ist wahrscheinlich nicht allzu weit von hier.“
„Aber ich muss doch zu Zusje zurück.“
„Dort gehen wir als nächstes hin. Okay?“
„Na gut! Aber Du erklärst meiner Zusje alles!“


Evolution: Marlies Lore bekommt einen dritten Punkt in Aufmerksamkeit, und einen zweiten Punkt in ihrem Aspekt ‚Warmes, elegantes Nerz-Fell‘, das wird im Nachhinein noch glänzender werden. Til bekommt einen zweiten Punkt in der Kunst Wayfare, er wird demnächst bemerken, wie ein neues, intuitives Verständnis dafür aus seinem Unterbewusstsein heraufsteigt. Damit hat er nach Hopscotch jetzt auch den Zauber Quicksilver freigespielt. Fernerhin lasse ich ihn einen zweiten Punkt in Ausweichen lernen, und einen dritten Punkt in Empathie.


Beide Pooka springen also zwischen die Baumwurzeln, und kommen als Tiere wieder hervor. Marlies ist ein ganz reizender kleiner Nerz, der nun zwischen den Grashalmen hervor blickt. Vorsichtig beschnuppern sie sich.



Nerz
Attribute: Geschick (Wieselflink) 4, Konstitution 2, Stärke 1 | Charisma 2, Erscheinungsbild -, Manipulation - | Geistesschärfe 3, Intelligenz 2, Wahrnehmung (Witterung) 4
Fertigkeiten: Aufmerksamkeit 3, Athletik 3, Ausweichen (Abtauchen) 4, Empathie 2, Heimlichkeit (Samtpfoten) 4, Überleben 3
Glamour, Willenskraft, Künste, und Reiche: Wie in der menschlichen Gestalt.
Gesundheitsstufen: OK, -1, -2, -3
Aspekte:
• In Wald und Gewässern von Instinkten geleitet +2
• Semiaquatische Schwimmkünste +1
• Warmes, elegantes Nerz-Fell +1
• So niedlich +1
• Furchtsamer Respekt vor großen Tieren
• Tiefe Naturliebe

Für den Rückweg ins Dorf lohnt sich eigentlich kein voller Undertake-a-Journey-Move, weit ist es nicht, nur ein paar Stunden. Fraglich ist nur, ob die SCs den Weg finden, also mache ich um diese Reise zu repräsentieren einen schnellen Gather-Information-Move. Dafür würfle ich Wahrnehmung+Überleben mit den Spielwerten der beiden Tiere. Ein Weak Hit: Irgendwas wird also die Spurensuche der Charaktere verkomplizieren! Das könnte alles mögliche sein: Die befürchteten Grimgoromn-Reiterpatrouillien mit ihren Fangnetzen, wilde Tiere, der Bryndrick, eine weitere Nixe, oder noch andere Schwierigkeiten? … Hold Bond, sagen die Orakelwürfel dazu. Das bringt mich darauf, dass das Schwesterlein von Marlies sich möglicherweise tatsächlich Gedanken macht um ihr Mündel. Die Feenkunst Flicker Flash wird sie zurück rufen; schneller als ein normales Kleinkind von der heimischen Gartenschaukel ins Haus gerufen werden kann, wenn’s Essen gibt!

Der Nerz hält inne, wechselt einen Blick mit dem großen Feldhasen, und verschwindet in einem goldenen Wölkchen aus Glitzerstaub, noch bevor er auch nur mit der Pfote zum Abschied grüßen kann. Til guckt groß, und sucht dann eine halbe Stunde aufgeregt umher, nach irgendeiner Spur oder Fährte! Schließlich vermutet er, dass die Familienbande angezogen wurden, um Marlies nach Hause zu holen. Er hat ja die Beschreibung davon, wo im Grimm‘schen Märchenland er Marlies und ihre Schwester wiederfinden kann! Aber vorerst muss er seiner Verpflichtung nachkommen, und die Boggans warnen.


Also eilen die Hoppelhasen nach Holz-Giebel-Brunnen-Dorf. Das ist immer noch von den Grimgoriminatori abgeriegelt und bewacht. Erst einmal ins Dorf eingeschlichen, verwandelt er sich ungesehen zurück. Nun hat er auch wieder seinen Hasenkopf auf den Schultern — plötzlich wieder ohne seine kleine Artgenossin zu sein hat ihn ziemlich melancholisch werden lassen. Heimlich findet er zu Dwyddle Umswydd, und erstattet dem und seinen Boggan-Freunden detailliert Bericht. Die Heinzel versprechen ihm, nach Aneta zu suchen, und auch dem Bären-Kindling sichere Wege zu ermöglichen, sollte er sich doch noch hierher verirren. Im Gegenzug sagt er ihnen zu, dass er versuchen würde, Hilfe hierher zu holen, um die Truppen von Grimgoromn loszuwerden. Wenn’s geht, mit politischer Macht, nicht mit Waffengewalt.


Am nächsten Tag kehrt Til in seiner Hasengestalt zusammen mit seinen Kaninchen zu seiner Freistatt zurück. Der Bryndrick ist als Silhouette im Schatten der Baumgrenze zu sehen, ewig beobachtend. Wahrscheinlich ist es Zeit für ihn, wieder mit dem Menschsein in Kontakt zu treten.

Vorerst bittet Til die Kleinen Bunnies, den Freistatt-Schlüssel wiederzufinden, und tritt wieder mit ihnen ein. In den sommerlichen Straßen des Traums von Vährwerder kommt ihm plötzlich eine Idee: Bisher hat er ja nur einen der vielen Schlüssel für die geheimen Seitentüren. Er weiß nicht einmal, wie viele es gibt, aber alle davon müssen Schlüssel haben.
„… Könnte es nicht sein, Bunnies, dass eine andere davon in das Grimm’sche Märchen von der Kristallkugel führt … zum Palast der Goldenen Sonne? Das wäre doch zukünftig vielleicht ganz praktisch, oder?“
Zwei der Bunnies nicken begeistert, eins tippt sich mit seinem winzigen Pfötchen an die Stirn, und vier machen Bocksprünge, insgesamt scheinen sie also indifferent.
Til will es auf jeden Fall versuchen: Wer sagt, dass die übrigen Freistatt-Schlüssel nicht alle innerhalb der Freistatt-Traumwirklichkeit warten ...?

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Daraus mache ich den Move Secure an Advantage. Mit Geistesschärfe+Enigmas versuche ich mich diesem Rätsel anzunehmen. Das ist ein bisschen wie Ostern. Die besonderen Schlüssel könnten ja hier überall sein! Ein Weak Hit resultiert:

Til fragt beim niedlichen, kleinen, altmodischen Schlüsselmacher-Laden an der Bushaltestelle, dessen Besitzer plötzlich gar nicht mehr griesgrämig ist, und im Fundbüro im kleinen Bürgerhaus, welches in diesem Traum randvoll von den wunderlichsten, interessanten Dingen ist! Im Fundbüro findet er tatsächlich einen großen, verschnörkelten Schlüssel, dieser ist kupferfarben, und etwas kompakter als der vom Bryndrick.



Die freundliche, dicke Frau Ceyda vom Fundbüro sagt, der wurde vor ein paar Wochen in der Gasse hinter dem Wochenmarkt gefunden, aber die sei jetzt seit neulich doch zugemauert. Til wird also eine Möglichkeit finden müssen, überhaupt in diese Gasse zu gelangen, um an deren Ende möglicherweise ein geeignetes Schlüsselloch zu finden … in eine neue Traum-Realität …? Er ist ziemlich aufgeregt bei dem Gedanken daran, welche Abenteuer dort warten könnten! Er nimmt sich vor, diese Pforte gemeinsam mit den Changeling-Kindern aufzuschließen, sollte es ihm gelingen, die hier zu versammeln.

Kaum hat er die Schlüssel und seine Mittelalter-Kleidung von den Boggans versteckt und den Schlafanzug mit den asiatischen Drachen drauf wieder angezogen, wacht er auch schon auf.


Zwei Sachen sollen bis zu Tils nächster Reise ins Träumen in der Welt der Dunkelheit passieren: Erstmal wird er erneut versuchen, Kontakt aufzunehmen mit Marvin Schlüter, dem damaligen Kommilitonen, der mal Druide werden wollte. Und dann wird er Maxim Yildiz wieder über den Weg laufen, der sein kriminelles Netzwerk in der Nachbarschaft weiter aufbaut.

Am übernächsten Tag ist Til auf der Arbeit, und versucht seit geraumer Zeit entnervt, die Handwerker ran zu kriegen, die eigentlich seit einer Woche bereits anrücken sollen, um die kaputte Regenrinne am Gebäude der Volkshochschule zu reparieren. Die Eislast hat das morsche Scheißding dazu gebracht, an einer Stelle runterzukommen. Dabei sieht Til, dass Marvin sich endlich wieder gemeldet hat, er hat ihm eine Textnachricht geschrieben. Tils Neugier ist geweckt, er ruft in seiner Pause direkt bei Marvin an.
„Aah, hallo Tilmann!“, meldet der sich.
„Hallo Marv. Das ist aber lange her.“
„Ja. Und Du bist aus der Politik ausgestiegen und willst jetzt ins Druidentum einsteigen, oder was?“
„Nee, ich bin aus der Politik ausgestiegen, um in die Erwachsenenbildung einzusteigen. Volkshochschule Hamburg, ist ganz gut.“
„Du klingst aber traurig! Was ist denn mit Deiner Stimme los?“
„Traurig? Ich klinge gar nicht traurig. Ich klinge immer so.“
„Früher warst Du irgendwie peppiger! Aber egal. Mensch, Tilmann. Sollen wir mal ein schönes Bier trinken? Ich bin diese Woche in Hamburg!“
„Ja, genau. Ja, äh, das passt gut! Du kennst ja meine Doppelhaushälfte noch gar nicht! Komm‘ doch mal vorbei!“
„Doppelhaushälfte! Ich hätte eher gedacht, Dich zieht es irgendwann in einen Bauwagen. So öko-alternativ und so“, und Marvin lacht, er will Til ein bisschen aus der Reserve locken.
„Nee, irgendwie war ich doch immer schon Spießer, Marv. Hast Du doch selber damals gesagt.“
„Ja, hab‘ ich? Erinner‘ ich mich nicht dran. Egal. Wann soll ich vorbeikommen?“

Na bitte, wer sagt‘s denn! Kann auch einfach mal was klappen!, denkt sich Til, als er schließlich auflegt. Entweder macht er sich übermorgen zum größten Trottel seines damaligen Studiengangs — oder er öffnet Marv Schlüter die Augen für die Welt des Übernatürlichen. … Genau genommen weiß Til nicht genau, welches Szenario ihn nervöser macht.


Und Maxim Yildiz? Die Tabelle Settlement Trouble sagt zu dessen Aktivitäten, ‚In the Crossfire‘. Mit anderen Worten gibt es eine andere kleine Gang, die hier ebenso Fuß fassen will, und jetzt ist ein Punkt erreicht, wo es zu offenen, gewalttätigen Konfrontationen kommt zwischen beiden!



Als jedenfalls Til am heutigen Feierabend durch das dunkle, winterliche Viertel geht, zum Kiosk seines Vertrauens, rauscht gerade plötzlich ein alter Lieferwagen dort vorbei, und aus dessen Fenstern werden Steine geschmissen! Zwei krachen lautstark in die Ladenfront, Glas splittert. Til zuckt zurück, schlingt instinktiv die Arme um seinen Kopf. Da kommen drei dunkel gekleidete junge Männer aus dem Kiosk gerannt, und einer schmeißt seinerseits irgendwas, trifft die Heckklappe des beschleunigenden Van, verbeult sie leicht. Til sieht, das einer der Männer eine Pistole in der Hand hat, aber schon ist die wieder in der Jacke versteckt. Die drei reden kurz untereinander, und rennen dann zu ihrem eigenen Fahrzeug.
Til verschnauft ängstlich. Dann reißt er sich zusammen, und guckt in den Kiosk. Scherben liegen überall verteilt, auf dem grauen Kachelboden, dem Zeitschriftenregal, um die Kühltruhe herum.
„Hey Aydin! Ist alles okay?“, fragt er.
Der Kioskbesitzer ist gerade hinter seinem Tresen wieder hervor gekommen.
„Scheiße“, schimpft der, „Und wer bezahlt mir das diesmal?“
„Ich hab‘ die Autonummer nicht gesehen … ich glaub, die war auch verschmiert …“
„Das waren die Arschlöcher von Blocher!“, schimpft Aydin.
„Aber der, der ist doch draußen auf dem Dorf! Was hat der gegen Deinen Kiosk?!“
„Der weiß eben, dass die Jungs von Maxim hier immer einkaufen …“, sagt Aydin, dann sieht er so aus, als würde er sich innerlich auf die Zunge beißen. Natürlich ist Aydin, obschon nur ein normaler, ältlicher Vorstadt-Kioskmann, eigentlich gewiefter, als einem unbescholtenen Weißbrot wie Til Haselberger irgendwelche Einzelheiten zu erzählen.
„Soll ich die Polizei anrufen?“, fragt der, „Fehlt Dir auch nichts?“
„Neue Fenster, die fehlen mir! Scheiße. Nee, ich mach‘ das schon. Und dann muss ich das alles hier auffegen.“
„Gib‘ mir den Feger, ich feg‘ auf …“, sagt Til.
Eigentlich soll man den Tatort nicht verändern, geht ihm durch den Kopf, aber er will Aydin jetzt nicht allein lassen bis die Polizei da ist, und er will währenddessen nicht tatenlos rumstehen.

Da verwende ich mal das Geburtsrecht namens Vertrauter, während Til schweigsam auffegt. Ich würfle Wahrnehmung+Empathie+Aspekt (‚Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes‘) für das Geburtsrecht, und bekomme drei Erfolge. Das bedeutet, dass der Kioskmann dabei mehr erzählt, als er eigentlich vor hat, und dabei drei Einzelheiten ans Licht kommen. Aydin kann ein offenes Ohr offensichtlich gerade gut brauchen. Til erfährt so, dass ein Maxim Yildiz neu in Vährwerder ist, und mit vielen Kiosk- und Ladenbetreibern ‚geschäftlich‘ im Gespräch ist. Mal hat er was zwischenzulagern, mal eine kleine Übergabe zu organisieren, und so weiter. Zweitens sieht der Großbauer Blocher seine eigenen krummen Dinger im Stadtteil bedroht von dieser neuen Gruppierung, krumme Dinger, die er seit zwanzig Jahren hier durchzieht, und er will Yildiz und seine Jungs hier schleunigst wieder weghaben. Drittens passiert seit einigen Nächten deswegen Mist wie das hier; beide Seiten beginnen, mit richtig harten Bandagen zu kämpfen. Immerhin ist noch nicht rumgeballert worden, und schließlich ist hier auch ein kleiner Vorort, und nicht die Reeperbahn!

Til lässt also klar durchscheinen, dass er über alles schweigt, was Aydin ihm gerade erzählt hat. Dann kommen auch schon zwei gelangweilte Polizisten, und machen ihre Routine. Denen erzählt der Kioskbesitzer nur halb so viel wie seinem Kunden Til eben. Til hört zu, und wartet darauf, ob er irgendwas von der Tat als Zeuge schildern soll. Dabei bemerkt er, wie sein Kopf wieder ein Hasenkopf wird. Das können die drei Sterblichen im Laden natürlich nicht sehen, ein Glück. Warum kann das echte Vährwerder in der Welt der Dunkelheit nicht sein wie das Traum-Vährwerder in der Freistatt? Zumindest ein kleines bisschen ...


Marvin Schlüter hat sich gesichtsmäßig nicht verändert, aber ist jetzt schicker gekleidet als früher, und drückt sich etwas anders aus. Eine Ungeduld haftet allem an, was er tut und sagt, die er früher zu Studententagen nie hatte. Til ist seine Melancholie seit gestern nicht losgeworden, der Hasenkopf, der ihm aus dem Spiegel entgegen blickt, ist der Beweis dafür, und auch Marvs Auftreten ändert nichts daran. Er sieht sich interessiert um, als Til ihn rein führt, und fragt zu allen möglichen Einrichtungsgegenständen, was die so gekostet haben, und ob man die nicht preiswerter beziehungsweise ‚wertiger’ hätte kriegen können, beziehungsweise beides.

Til und Marvin sitzen auf Tils Wohnzimmercouch, und Til lässt Marvin von seinem Management-Seminar erzählen.

Was ist denn der frühere Kommilitone eigentlich für einer? Die Tabellen sagen, Proud Scout who wants to Build a Relationship. Kundschafter wird er nicht sein, also ist er urbaner Talentscout, und er macht derzeit das Aufbauseminar, um in den Management-Bereich seiner Agentur mit einsteigen zu können.

Nachdem Marv eine ganze Weile von all dem erzählt hat und sie beide ein Bierchen weg haben, wird er etwas ruhiger.
„Und warum interessierst Du Dich jetzt für Keltentum, Tilmann?“, fragt er schließlich neugierig, „Das war doch früher überhaupt nicht Dein Ding! Du warst doch mehr so mit Politik und Volksbegehren und solchem Zeug!“
„Ja. Ich fand das aber total gut, dass Du das damals gemacht hast.“
„Echt?! Das war wahrscheinlich stellenweise etwas exzentrisch.“
„Und wenn schon.“
„… Ja, und jetzt? Warum wohnst Du denn alleine in der großen Bude? Und ganz schön weit draußen ist das hier, mein lieber Scholli, der Bär steppt aber hier nicht.“
„Na ja, hier bin ich halt groß geworden. Die wollten das vor ein paar Jahren ja auch alles abreißen. Für die neue Fernwärmetrasse! Und da gingen damals die Grundstückspreise in den Keller. Da konnte ich einfach zuschlagen.“
„Ah, daher weht der Wind. Das klingt dann aber wie ein Geldgrab, wenn die das demnächst abreißen, das kriegst Du doch nicht rechtzeitig wieder an einen Dummen weiterverkauft!“
„Nee, muss ich wahrscheinlich auch nicht, die Bagger stehen ja still. Ist auf absehbare Zeit alles aufgeschoben. Daran war die Bürgerinitiative wo ich mitgemacht hab’ auch dran beteiligt.“
„So“, sagt Marv, „nicht schlecht!“, und versucht, so zu klingen, als würde ihm das ein bisschen imponieren.
Dann sagen sie einen etwas länglichen Moment gar nichts.
„Und deswegen Druidentum, Tilmann? Wo Du schon fast auf dem Dorf wohnst, und die Abriss-Bautrupps verzögert hast? So als neue, esoterische Beschäftigung?“
„Ähm. Na ja.“
„Sag mal, warst Du nicht auch mit einer von denen zusammen? Dieser einen, die auch in dieser Initiative mit drin war, oder so?“
„Ja. Jette. … Hat mich aber verlassen.“
„Warum, hast doch jetzt 'n Haus! Eigenheim mit Garten und so, das finden doch Frauen tendenziell gut und so!“
„Ich war halt zu langweilig. Langfristig.“
Marvin guckt ihn an und grinst, „Ach, jetzt kapiere ich. Und jetzt willst Du Dein langweiliges Mittdreißiger-Leben mal ein bisschen aufpolieren, mit neuen Interessen, mit was, für das sich sonst überhaupt keiner interessiert!“
„Äh, ja“, lügt Til.
„Ich hab‘ da eigentlich keine Zeit mehr für das Ganze. Ich kenne aber noch ein ganz paar Leute, aus Studienzeiten, mit denen war ich damals in Kontakt. Hauptsächlich online. Gibt 'ne Riesen-Szene für keltisches Brauchtum, vor allem online. Man muss halt wissen, wie man einen Bogen um die Eso-Schwurbler machen kann, und die Hippies, wenn’s einen ernsthaft interessiert.“
„Ja, ähm. Würdest Du Dir mal was ansehen? Ich brauche Deine Meinung dazu.“
„Hast Du Dir einen eigenen Menhir gemeißelt in Deinem Hintergarten?“
„Einen was?“
„Einen Hinkelstein, Alter.“
„So ähnlich, ziemlich ähnlich“, lügt er, und holt das geschnitzte Vogelhäuschen hervor.
„Was soll‘n das sein?“
„Das hat einer aus dieser Bürgerinitiative geschnitzt. Hing jahrelang da draußen an der Gartenlaube, wo wir immer unsere Schachzüge geplant hatten. Als die dann schließlich alle weggezogen sind, hat der es als Andenken hier gelassen. Die Laube gibt‘s auch nicht mehr. Nur noch das Vogelhäuschen.“
„Tilmann, das hat nichts, aber auch gar nichts mit —“
„Pscht! Sag‘ mal gerade nix!“, wispert Til plötzlich, „Nimm‘ es einfach vorsichtig in die Hände, und guck‘ da rein! Sag‘ mir einfach genau, was Du dann siehst …!“
Jetzt kommt der Moment, nach dem er sich wahrscheinlich fühlen wird wie ein Irrer. Aber sei‘s drum.
„Versuch‘, zu sehen, ob Du irgendwas im Inneren ausmachen kannst!“
„Was hat das mit Druiden zu tun?“
„Nicht fragen! Einfach gucken, Marvin. Wenn einer was sehen kann … dann Du.“

Das vorangegangene Gespräch soll mal die Basis für einen Compel-Move sein. Wenn der gelingt, kann Marvin Schlüter mit Glamour-Punkten temporär zu einem Verzauberten Sterblichen gemacht werden (C:TD S. 460), und hat dann die Möglichkeit, in die Freistatt versetzt zu werden. Ich lasse Til für den Move Charisma+Überzeugen würfeln. Nur fünf Erfolge, und die Challenge Dice lassen den Move daraufhin auch zu einem Fehlschlag werden. Das bedeutet Pay the Price als Folge-Move! Da würfle ich nicht auf der Tabelle, da ist der Effekt klar: Marvin hält Til für geistesgestört, und er wird die Brücken zu ihm wieder abbrechen — diesmal für immer.

Als Marvin sich verabschiedet hat, in einer recht unangenehmen Atmosphäre, schaut Til ihm noch einen Moment von seiner Veranda aus nach, als er durch die Winternacht zu seinem Auto stiefelt. Marvin ist bereits am Smartphone, vielleicht telefoniert er noch geschäftlich, vielleicht erzählt er auch irgendwem anderen davon, was für eine schizophrene Begegnung er gerade hatte. Das Schlimmste ist, das Til sich einbildet, Marvin hätte eine Sekunde lang so ausgesehen, als hätte er es tatsächlich gesehen, das glitzernde, goldene Licht im Inneren des Vogelhäuschens. Eine einzige Sekunde lang. Als wäre dieser Anblick zu viel gewesen, so, dass er ihn augenblicklich wieder hatte verdrängen müssen. Til weiß in diesem Moment bereits, dass er seinen früheren Studienfreund nie wieder sehen wird. Seufzend geht er wieder nach drinnen.


Til hat neues Kaninchenfutter auf die Untertassen gelegt, die an mehreren Stellen in seiner Wohnung stehen. Er hat die Kleinen Bunnies in den letzten Tagen meistens nur aus dem Augenwinkel gesehen, aber ihr Happa verschmähen sie nie. Er geht ins Bett, es war ein langer Tag.

Er verschmäht seine Bettlektüre (Karlsson vom Dach, zum soundsovielten Mal), und macht gleich das Licht aus, um zu schlafen. Dann liegt er eine Stunde wach. Ein paarmal knallen noch vereinzelte Feuerwerkskörper in der Ferne; es ist jetzt Februar, und irgendwelche Kids müssen immer noch jeden Abend Reste-Sylvester feiern. Draußen röhren manchmal Automotoren, und vereinzelt hallen ärgerliche Rufe durch die Nacht. Irgendwer geht da einem langwierigen, kleinlichen Konflikt nach. Vielleicht die verfeindeten Gruppen von Blocher und Yildiz? Vielleicht auch noch völlig andere Krawallbrüder.
Dann endlich ist es ruhig. Die ganze Doppelhaushälfte ist still.

Til steht ruckartig auf, und geht ins Wohnzimmer. Zwei der Kleinen Bunnies gucken überrascht von ihrer Untertasse auf dem Fensterbrett auf, beide Backen voller Brokkoli. Til lächelt sie an. Er macht kein Licht, er setzt sich auf die dunkle Couch. Dann wandert sein Blick unweigerlich auf das Kaffeetischchen. Das Vogelhaus steht dort, wo Marvin es abgestellt hatte.
Natürlich leuchtet es golden von innen her. Als wäre es über jeden Zweifel erhaben, und schon immer darüber erhaben gewesen. Til lächelt, den Lichtschein auf seinem Hasengesicht. Er beugt sich näher heran, und fokussiert seinen Blick …

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Für die motivische Richtung der heutigen Traumreise ziehe ich wieder eine Tarotkarte. Es ist diesmal der König der Schwerter. Diese Karte deutet die Gegenwart eines starken, objektiven Beraters an. Das klingt nach der Art von Person, die ich brauche, um Holz-Giebel-Brunnen-Dorf zu befreien. ... Oder noch besser, ist es kein spezifischer NSC, den Til treffen kann, sondern die Aufgabe der Akteure? Viele nüchterne, weise Entscheidungen müssen jetzt getroffen werden, um die Situation zu retten. Daran orientiere ich mich mal im weiteren.

Til findet den Traum innerhalb der Freistatt sonnendurchflutet und sommerlich vor wie sonst auch, und heute wirkt er besonders tröstlich. Er winkt im Vorbeigehen einigen der Leute auf der Straße, die fröhlich zurückwinken. Er hat mittlerweile ziemlich viel Zeug in seinem Versteck an der Straßenkreuzung: Den kleinen Rucksack und die Mittelalter-Kleidung von den Boggans, und die beiden Schlüssel. Er nimmt das alles mit, und bringt es ins Bürgerhaus, wo es im Keller unter dem kleinen Event-Saal Schließfächer gibt. Da hätte er mal schon früher drauf kommen können. Hier zieht es sich um, die Kleidung von den Boggans ist genau das Richtige für sein Vorhaben. Er muss hinaus zum Rand des Gebiets, wo der Tulgee-Wald beginnt, zum Schloss der Goldenen Sonne! Vielleicht kennt die Pooka namens Zusje ja tatsächlich Mittel und Wege, um die Eindringlinge aus Grimgoromn zur Vernunft zu bringen. Zumindest hatte Marlies das ja behauptet!

Aber Proviant wird man brauchen. Also zuerst in die Bäckerei, aus der es so köstlich duftet. Die Kleinen Bunnies bekommen alle schon mal ein Mandelhörnchen für unterwegs, was sie sehr begeistert.

Komisch, alle Hunde sind unruhig auf den sommerlichen Straßen — hier in der Freistatt-Wirklichkeit ist doch sonst nie jemand nervös. Sie schnüffeln, winseln, einer hat gesträubtes Fell und bellt sinnlos. Eine Katze auf einer Mauer schwenkt nervös ihren Schwanz, und faucht leise vor sich hin, guckt aufgeregt an Stellen, wo aber gar nichts ist, wie Katzen das manchmal machen.
Merkwürdig.

Til findet Kamogelo, und plaudert ein wenig mit ihm. Der fragt ihn nach dem Sinn seiner mittelalterlichen Verkleidung, und  er ahnt dabei schon, was Til vorhat! Da gönnt er sich schnell einen starken Kaffee, für ihn scheint das alles sehr mysteriös, und unbegreiflich, aber auch faszinierend. Und das scheint Til irgendwie in sich logisch: Zwar sieht dieser Kamogelo hier aus wie sein früherer Nachbar aus dem Vährwerder der Herbstwelt draußen, aber dennoch ist er selber ja ein Wesen der Freistatt, und damit des Träumens. Als solchem fällt es Kamogelo viel leichter, die Ewigen Wälder da draußen zu akzeptieren, als es einem Herbstmenschen fiele. Marv Schlüter war schließlich nicht einmal davon zu überzeugen gewesen, es zu versuchen …


Gemeinsam treten die beiden vor den Bryndrick, der diesmal unbewegt jenseits der dunklen Baumgrenze wartet. Er sieht so aus, als habe er immer dort gestanden, unsichtbar von außerhalb seines Waldes. Til bittet seinen Nachbarn, noch einen Moment zu warten, und tritt alleine an das Holzkonstrukt heran.
„… Na, hast Du Dich versteckt, alte Vogelscheuche?“, fragt Til kameradschaftlich.
Nach einem Moment des Zögerns knarzt die tiefe Bryndrick-Stimme, „Der Kluge wird es vorziehen, verborgen zu bleiben. Gerade in den nächsten Tagen und Nächten.“
Sein Ton klingt noch ominöser als sonst.
„Wieso, was meinst Du damit?“, fragt Til.
„Zweimal sprach ich vom Herannahen des Krieges zu Dir, Pooka. Jetzt, beim dritten Male, ist er da. Die Ewigen Wälder werden durchpflügt und durchtrampelt werden von den Füßen der Kämpfenden. Es ist mir ein Gräuel, auch nur daran zu denken. Aber es gibt kein Entrinnen. Die Reiter Grimgoromns sind gierig vorgerückt gen Sonnenanstieg. Nun liegt der Leichengeruch auf dem Winde, von jenen, die von ihrer Kriegstreiberei angelockt wurden. Ich hatte es geahnt.“
„Wer? Wen meinst Du?“
„Das Herrscherreich Grimgoromn trachtet danach, allem im Träumen sein Gesetz zu bringen, Kithain. Bisher haben sich ihnen hier draußen in der Wildnis wenige entgegenstellen können. Aber die Mächte des unerbittlichen Gesetzes ziehen zwangsläufig jene anderen Mächte an, die sich mit ihnen messen werden. Die der Unordnung, und der Barbarei. Begreifst Du?“
„Ja, äh, na klar begreife ich das, ich hatte selbst ja auch schon damit gerechnet. Aber es wird schon nicht so wild sein.“
„Jetzt schon strömen viele Angehörige des Finsteren Hofes an mir vorbei, um ihre Dienste der Horde anzubieten. Jedes Mittel ist ihnen recht, um endlich die schwarzen Reiter und die Grimgoriminatori los zu werden.“
„Du meinst, da ist so eine Art Armee im Anrücken?!“
„Nein, Kithain …“, ächzt der Bryndrick schicksalsschwer, „Noch nicht. Denn das, was nun in unsere Ewigen Wälder herab kommt, ist nur eine Vorhut. Erst, wenn jenes Blut ihnen schmeckt, das sie hier lecken, kehren sie nach dem uralten Ériu zurück, um davon zu berichten. Und dann, Kithain, dann mögen die Túatha Dé Danann Dir beistehen, Dir und Deinesgleichen.“

Bei der Erwähnung der Túatha Dé darf Til gerade mal Intelligenz+Gremayre würfeln, das ist ein realweltlicher Begriff, den er schon mal gelesen haben könnte. Ein einzelner Erfolg:

„Sind das nicht heidnische Götter oder Vorfahren aus der irischen Mythologie?“
„Mögen sie Dir hold sein, trotz Deiner Ignoranz, Du Narr“, schnarrt der Bryndrick, „Denn sie waren einst diejenigen, welche jene in ihre Schranken verweisen konnten, mit denen wir es nun zu tun bekommen. Den blutdürstigen Fir-Bholg!“
„Auch den Namen hab‘ ich schon mal gelesen. Ich glaube, auf Wikipedia …“
„Lass‘ den Menschen Kamogelo mit mir sprechen. Die Zeit verrinnt.“
„Okay, gut. Aber, Bryndrick: Keine apokalyptischen Voraussagen gegenüber den Freistatt-Bewohnern! Okay? Die Leute dort sind sorglos, und das dürfen sie auch bleiben!“
Der Bryndrick neigt verständig seinen Elchschädel.

Kamogelo sagt etwas unsicher zum Bryndrick, er habe kein Smartphone, darum habe er einfach die analoge Tageszeitung mitgebracht. Er hatte letztes Mal den Eindruck, das, was da drin stünde, könnte den Bryndrick interessieren, er bekomme hier draußen ja überhaupt keine Nachrichten. Der Bryndrick schweigt und wartet. Also nimmt Kamogelo Platz, und liest ihm aus dem Weserkurier vor, sowohl Artikel, als auch Sportergebnisse, und er versucht beides zu erklären.
Til findet diese Idee spitze, darauf wäre er gar nicht gekommen. Er nutzt die Gelegenheit, um sich ungesehen in einen Hasen zu verwandeln und mit den Bunnies zusammen davon zu machen. Während das Druiden-Konstrukt Nachhilfe im Menschsein bekommt, kann Til sich etwas umschauen, denn ihm ist so, als würden seine feinen Sinne tatsächlich alarmierende Gerüche und Geräusche aufnehmen, von weit her ...

Das ist der Move Gather Information: Ich würfle mit den Feldhasen-Spielwerten Wahrnehmung+Aufmerksamkeit+Aspekt (‚In Wald und Feld von Instinkten geleitet‘). Das sind mega-viele Würfel, mit meiner Extended Action komme ich auf acht Erfolge. Und die werden ein Strong Hit:

Die Mümmelmänner finden nach ein paar Stunden eine deutliche Fährte, und dann auch den Beginn eines Trampelpfads. Eine schmale Schneise der Verwüstung zieht sich durch den Grimm-Wald. Nicht nur sind hier dutzende große, massige Krieger hindurch marschiert, sondern stellenweise wurden Büsche und Bäume entwurzelt, das Erdreich wie von Sturmwinden durchfurcht, und grünes Laub herabgeweht. Wenn sie dem Trampelpfad folgen, dann stoßen sie womöglich auf die barbarische Marschkolonne ...



Die Schneise der Verwüstung zeigt deutlich den Weg, den die einfallende Horde marschiert ist


Til und die Kaninchen kehren also schließlich zum Waldrand zurück. Hier erklärt Kamogelo dem Bryndrick gerade die Regeln des Fußballspiels, und was Übertragungsrechte sind. Der lässt das alles weitestgehend unkommentiert ... aber wahrscheinlich geht es ihm auch gar nicht um das Gesagte selbst, sondern eher darum, überhaupt menschliche Sprache zu hören.

Als man sich verabschiedet hat und Til seinen Nachbarn wieder in der Freistatt abgeliefert hat, in den abendlichen Straßen von Vährwerder, fragt er Kamogelo, „… Was kann ich eigentlich im Gegenzug für Dich tun?“
„Machst Du Späße, Til?“, fragt Kamogelo belustigt, „Das ist das tollste Abenteuer, das ich letztlich hatte!  Wenn mir was einfällt, wo ich mal Deine Hilfe brauche, melde ich mich schon bei Dir.“
Sie verabschieden sich herzlich. Dann geht Til zurück hinaus in die Wildnis des Fernen Träumens: Er wird wohl seinen Besuch im Schloss der Goldenen Sonne etwas aufschieben müssen. Zuerst will er sicher gehen, dass nicht seine Freistatt in Gefahr ist!

Schalter:
Draußen in den Ewigen Wäldern verwandelt Til sich wieder, und als weißer Hase prescht er davon, gefolgt von den freudig quiekenden Bunnies. Die vorhin entdeckte Schneise wiederzufinden ist easy.

Was sagen die Orakelwürfel denn zu der Situation? Impress Battle. Da das so noch keinen Sinn zu machen scheint, muss der Orakelspruch wohl bedeuten, ‚Impress in Battle‘, also geht hier die Kunde um von jemandem, der besonderen Eindruck gemacht hat in einer Schlacht. Das machen wir dann mal so:



Das Schlachtfeld bei Dornbrück


Vor den Vierbeinern weitet sich schließlich die Schneise auf eine große, hügelige Lichtung. Diese war kürzlich Schauplatz einer Schlacht: Das Gras ist zu Matsch zertrampelt, und eine Feuersbrunst hat an mehreren Stellen durch die Hügel gefegt. Zerfetzte Banner wehen im Wind, aufgepflanzt zwischen Bergen aus Schrott, Rüstungsteilen, Holzschilden, die mit Pfeilen gespickt sind, Barrieren aus Sandsäcken und Fässern, und ein paar zermalmten Fuhrwerken. Die Leichen wurden schon weggeschafft, an vielen Stellen sind ominöse Schleifspuren im Morast. Ihr Gestank klebt jedoch noch daran, überdeutlich für die feine Nase des Feldhasen.
In der Ferne, am Rande der Lichtung, steht ein kleines Dorf, das die Verheerung überstanden hat. Die Flügel einer altertümlichen Windmühle drehen sich dort, wie zaghaft, im Wind.

Til dreht sich nach den Kaninchen um, aber die haben sich heimlich abgesetzt. Das ist ihm eigentlich ganz recht, diese Umgebung ist nichts für kleine Leute. Ist auch ganz gut, dass die drei Kindlinge gerade nicht bei ihm sind. Im Schatten der Baumgrenze verwandelt er sich in einen Hasenmenschen zurück. Er stellt die Löffel auf, und dreht sie hin und her: Kein Feind ist zu hören. Die Truppen, die hier gekämpft haben, sind bereits weitergezogen.
Also eilt er zu dem Dörflein. Hier werden natürlich gerade Gräber ausgehoben. Eine triste Atmosphäre herrscht. Zwei der Gebäude schwelen noch als verrußte Holzgerippe, aber der Rest ist verschont geblieben.
„Ihr armen Schweine!“, sagt Til leise, während er näher kommt.
Das halb verkohlte Ortsschild sagt „Dornbrück“.



Aufräumarbeiten


Mehrere Leute heben die Blicke, einige fahren zusammen, als sie einen Mann mit weißem Hasenkopf und Schweif herannahen sehen. Alle lassen ihre Schaufeln sinken, und starren ihn an.
„Die Götter, ähm, Gott zum Gruße? Ähm, hallo allerseits!“, macht Til unsicher.
„Gott zum Gruße!“, wiederholen einige Bauern zurückhaltend.
Richtig geraten, denkt Til, immerhin ist er hier bei Grimms Märchen, die sind aus einer Zeit, wo Deutschland längst christianisiert war, der Grimm‘sche Märchenwald ist zwar rappelvoll mit heidnischen Kräften, aber die Menschen sind alle brav und gottesfürchtig; das macht Sinn.
„Was war hier los? Kann ich Euch helfen?“, fragt er also die Bauern.
„Hier war der Teufel los, wie Du siehst, Herr!“, knurrt ein Alter, „Alle Dörflein an den Straßen, die zu weit abgelegen sind von den Fürstentümern, denen ergeht‘s schlecht!“
„Dann waren das die Kundschafter aus Grimgoromn?“
„Aber mit denen hatten wir uns ja schon abgefunden, Herr. Die von Grimgoromn haben ja gesagt, sie würden einstweilen auf uns aufpassen. Wir sind gesetzestreue Bürger, wir lieben ja Recht und Ordnung! Da hatten wir wenig zu erleiden unter der Aufsicht von denen aus Grimgoromn.“
Ein anderer Bauer fügt hinzu, „Das war zwar nicht das Gesetz unseres Fürsten, das die vertreten haben, aber die haben klar gesagt, dass sie ja gar nicht wollen, dass des Fürsten Gesetze gebrochen werden. Klar gesagt haben die das! Nur noch mehr Gesetze wollten die uns bringen, noch Gründlichere, das haben sie gesagt!“
Der Alte spricht wieder, „Und bevor nicht unser Fürst seine Herolde schicken konnte, und nach dem Rechten sehen hier draußen beim Walde, was sollten wir schon tun …? Gehorcht haben wir den schwarzen Rittern. War halb so schlimm.“
„Die großen, gepanzerten Riesen aus dem Herrscherreich, das sind ja die Grimgoriminatori! Die marschieren all‘samt nach und nach dem Sonnenanstieg entgegen. So heißt es seit Wochen, oh ja! Die schwarzen Ritter, die begleiten die Riesen ja nur. Die wären schon abgezogen beizeiten. Dann hätten wir wieder nur mehr unseren Fürsten gehabt, dem wir Rechenschaft abzulegen haben.“
Til fragt, „Wenn die Grimgoromn-Reiter Euch also nur herumkommandieren wollten, dann ist der Grund für diese Verheerung also …“
Ein Bauer ringt die dürren Hände, und platzt heraus, „Das sind die von der uralten Insel, die da heißt Ériu! Weit von hier, ein Reich, das seit Jahrhunderten vergessen ward, hier bei uns auf dem Festland …!“
„Eine Streitmacht, deren Name heutzutage ebenso vergessen ist!“, raunt der Alte aufgeregt, „Wo sie einher gehen, da kommen Flammen, Gischt, Erdanziehung, Sturmtosen, alles wie aus dem Nichts! Zauberer, Gehörnte, Wesen vom Feenvolk! So wie Du, Herr — aber schrecklich.“
„Ich würde Euch gern helfen … gibt’s irgendwas, das ich für Euch tun kann? Hier scheint’s viel Aufzuräumen zu geben …“
Die Bauern gucken sich etwas ungemütlich gegenseitig an.
„Nun, nun ja … Du scheinst zum Guten Volk des Waldes zu gehören …“
„Wenn Du ein Heinzelmann wärest, dann …“
„Wie die Heinzel aus Holz-Giebel-Brunnen-Dorf …“
Til nickt, und übertreibt gleich wieder, „Das sind Freunde von mir! Sehr enge Freunde sogar!“
„Mehr noch wäre uns ehrlich gesagt geholfen, wenn einer ginge, um herauszufinden, wo die Horde sich nun aufhält! Und ob sie vielleicht zurückkehren will hierher!“
„Ja, Herr, Du musst wissen: Die übrigen schwarzen Ritter sind denen gefolgt, und seitdem haben wir nichts mehr von einer der beiden Seiten gehört! Schon nicht mehr seit vorgestern.“

Til sagt den Sterblichen zu, dass er für sie einen Kundschaftergang machen würde. Mit großer Selbstsicherheit sagt er, „… Ich verspreche Euch, dass ich die Vorhut dieser Horde gewaltlos dahin zurück schicken werde, wo sie hergekommen ist.“
Das war womöglich sein Lügenbold-Instinkt, der ihn das so vollmundig sagen lassen hat, aber die Bauern von Dornbrück gucken ihn daraufhin ganz andächtig an. Til vermutet, dass er sich unabsichtlich schon wieder an einen Eid gebunden hat (und es ist entgegen seiner Feennatur, solche Eide zu brechen): Das wird die
Queste (Formidabel): Die Vorhut der Horde gewaltlos dahin zurück schicken, wo sie hergekommen ist.

Ich würfle aufgrund dieser Szene den Move Swear an Iron Vow, und würfle Willenskraft+Aspekt (‚Überzeugter Pazifist, kämpft nur defensiv‘). Das wird ein Weak Hit, immerhin: Til weiß seine ersten Schritte noch nicht, aber ist determiniert.

Passiert ansonsten noch was in Dornbrück? Das Orakel spricht, und sagt, Gather Momentum. Irgendetwas nimmt hier also schon wieder Fahrt auf. Dann inszenieren wir hier was, das ich eigentlich erst tiefer in der Wildnis vorhatte:

Jenseits des Schlachtfeldes sind erneut Silhouetten am Waldrand zu sehen. Diese spähen misstrauisch rüber zum Dorf der Sterblichen. Tils Hasenlöffel hören von dort Trommelrythmen, die an Intensität zunehmen.

Da will ich mal lieber spionieren gehen, mit dem Move Gather Information. Til wählt erneut die Hasengestalt, und würfelt darin Geschick+Heimlichkeit, um nah ranzukommen. Dabei zählt die Spezialisierung ‚Verstecken‘, die er in dieser Gestalt bei seiner Heimlichkeit-Fertigkeit hat, und Zehner sind doppelte Erfolge. Ein Strong Hit resultiert dann auch. Das gibt Willenskraft zurück, und macht für unsere Narrative klar, was hier vorgeht:

Jenseits des Waldrandes haben mehrere Trolle sich zusammengerottet. Sie sehen der Horde von Gwargar Blutsprenkelpranke verdächtig ähnlich, bucklig, zottig, mit dicker Lederhaut, manche gehörnt. Einer davon hat einen prominenten, nach oben gebogenen Hornstachel an seiner Nase! Das ist der Kundschafter aus den Tiefen Cyenwens, der uns freundlicherweise gehen lassen hat beim letzten Mal! Zwei der Versammelten sind keine Trolle, sondern giftgrüne Giftzwerge mit langen Fledermausohren und  fiesem Grinsen. Til würde seine alten D&D-Bücher darauf verwetten, dass das Goblins sind! Von hier erklingen die primitiven Trommeln. Das Dutzend Ungeheuer scheint bester Stimmung zu sein, sie verströmen geradezu Tatendrang. Ihre Späher kommen gerade zu ihnen zurück, die sind abgerissene Bauernburschen, offensichtlich die sterblichen Komplizen dieser Feenwesen!



Den Finsteren Trollen haben sich zwei Goblins angeschlossen


Die Orakelwürfel bestätigen die Vermutung: Dieser Trupp will sich nicht mit Dornbrück aufhalten, da gibt es eh nicht viel für sie zu holen. Sie wollen schnell dahin, wo die Action ist, nach der sie gieren, den beiden weitergezogenen Streitkräften hinterher!

Und ein gewisser Feldhase, jetzt wieder begleitet von sieben gewissen Kaninchen, hoppelt ihnen unauffällig nach!

Die Trolle und ihre Goblins und Sterblichen folgen trommelnd und summend und keckernd den matschigen Spuren, die weg vom Schlachtfeld führen. Die sind ganz bestimmt in anderem Auftrag hier, die wollen niemandem gegen die einfallende Horde aus Ériu helfen — die wollen denen wahrscheinlich Hilfe anbieten! Til erschaudert. Er beobachtet das Ungeheuer mit dem Nasenstachel genau, jetzt gerade scheint er genauso brutal und polterig zu sein wie seine Artgenossen. Aber neulich schien er einen weichen Kern zu haben! Mit dem könnte er vielleicht reden! Aber nicht als Feldhase, in dieser Gestalt sowieso nicht. Wenn er selber ein Troll wäre, dann vielleicht, dann würde man sich ihm anvertrauen. Er könnte im Dunkel der heraufziehenden Nacht seine Stimme verstellen. Noch tollkühner: Er könnte sich mit Matsch und Moos verkleiden, als einer der Lulatsche tarnen! Wenn Hasen kichern könnten, würde er es jetzt tun …!


Bei Dämmerung machen die Marschierenden ihr Lager. Die Bäume hier werden karger, und morastige Lichtungen häufiger. Uhus und Wölfe stimmen in der Nachtdämmerung ihr Lied an. Til verwandelt sich zurück, und schmeißt sich in den Dreck, suhlt sich darin. Die Kleinen Bunnies gucken ihn aus riesengroßen Augen an.
„Macht ruhig mit!“, raunt Til.
Sie schmeißen sich ihm hinterher, und rollen nach Herzenslust herum. Hoffentlich kriegt er die sieben je wieder sauber! Til setzt sich jedenfalls auf, packt Matsch auf seine Schultern, in seinen Nacken, dekoriert sich so eine Art Pferdemähne aus Hängemoosen. Übt ein bisschen, in tief verstellter Trollstimme zu grummeln.

Das ist mein Schelmenspiel für den intuitiven Zauber Sparrows and Nightingales, mit dem kann ich den Feenschein meines Charakters illusorisch wechseln! Drei Erfolge, das reicht für fünf Tage. Til erhebt sich aus dem Schlamm, schüttelt seine Zotteln. Er ist nicht nur mit Matsch getarnt, um eine trollige Silhouette abzuzeichnen — er ist völlig in einen scheinbaren Troll verwandelt! Statt dunklem Zottelhaar ist seins weiß geblieben, wie seine Fellfarbe, und er hat auch den Quastenschwanz behalten. Der Rest sieht durch und durch nach Troll aus, „Wow!“, entfährt es ihm, aber in der normalen Til-Haselberger-Stimme. „Öhm, üch moine, wooow“, sagt er mit verstellter Stimme, und versucht, möglichst tief zu sprechen.
Die schmuddeligen Bunnies gucken erstaunt zu ihm hoch, dann hellen sich ihre Gesichterchen auf. Begeistert hüpfen sie auf und nieder.
„Ihr haltet Euch erstmal versteckt, bitte! Wer weiß, ob sie mir nicht auf die Schliche kommen!“
Nicken, kichern.

Schalter:

Til in seiner Tarnung als Troll


„Hoho ho“, lacht Til gekünstelt, und versucht seine beste Imitation davon, wie altdeutsche Trolle reden, „Man hört, hier gäbe es Verlustierungen zu finden! Wohlan, wohlan! Wo wollt Ihr denn hin, Kameraden?“
Er hält auf den Hünen mit dem Nasenstachel zu. Der grinst, und sagt, „Ja doch, ja! Schon möglich! Wer bist Du, Gevatter? Welchem Clan gehörst Du an? Dich sah man hier noch nie, in diesem Teil der Oberwelt!“
„... Ich habe die letzten hundert Jahre ja auch in meiner Grotte zugebracht und meinen Hort bewacht.“
„Gold, Gevatter? Ein Goldhort?“
„Nee, leider. Nur Walnüsse und Kronkorken. Habe jüngst endlich begriffen, dass das niemand rauben werden will, und ich mir genauso gut mal wieder so richtig die Beine vertreten kann!“
„Du bist ein gar merkwürdiger Gevatter! Aber meinetwegen, sei‘ halt merkwürdig. ... Wir ziehen in den Kampf, in die wilde Schlacht! Wenn Du mit uns kommen willst, so soll es uns recht sein. Die meisten vom Clan des Gwargar Blutsprenkelpranke mussten in Cyenwen bleiben. Nur wir können uns in dieses Abenteuer stürzen! Da sind wir für jedes weitere Paar Pranken dankbar, jede weitere Keule, die im Namen von Gwargar geschwungen wird.“
„So sei es, Gevatter! Ich bin … Axl Rocks. Wie heißt Du, und wem wollt Ihr Euch anschließen?“
„Ich bin Brokonuk! Wir wandern nach dem Kriegslager der Streitmacht aus dem fernen Ériu. Erûnar Réodraige führt sie an! Jetzt, Gevatter, geht’s ganz gewaltig ans Heimzahlen in den Ewigen Wäldern!“
„Ihr habt auch keinen Bock auf die Truppen aus Grimgoromn, was?“
„Bock?! Versteh’ nicht. Sehen wir aus wie Satyre?“
„Bah, verzeih‘ meine Ausdrucksweise, Gevatter Brokonuk! So ist das, wenn man hundert Jahre unter einem Stein lebt … buchstäblich …!“
„Aber Grimgoromn, jaaa … Grimgoromn hat nun lange genug unsere Wälder durchtrampelt und unsere Sterblichen erschreckt. Lange genug danach getrachtet, uns unsere Freiheit zu nehmen. Weg mit ihnen, nieder mit ihnen, Flüche auf ihre metallenen Häupter!“
Mehrere der grobschlächtigen Trolle lachen, und einige heben gut gelaunt ihre Humpen und Trinkhörner.
„Bei meinem Barte!“, tönt Axl Rocks, „Wenn Ihr mich brauchen könnt, so will ich mit Euch ziehen! Ich will mir wohl anhören, was dieser … äh, Erûnar Road Rage uns anzubieten weiß!“

Aus dieser Interaktion machen wir den Move Compel. In dieser Verwandlung sind Tils Spielwerte unverändert, denn sie wirkt zwar echt für alle Sinne, ist aber Illusion. Ich würfle für ihn Charisma+Überzeugen. Sein Aspekt ‚Überzeugter Pazifist, kämpft nur defensiv‘ zählt hier, aber diesmal nicht vorteilig, sondern nachteilig, also ziehen Einser Erfolge vom Wurfresultat ab. Und da sind auch welche dabei; etwas Schwermütiges haftet allem an, was Axl oben behauptet hat, er strahlt keine Angriffslust aus, nur Neugier! (Das gibt einen der eingesetzten Willenskraft-Punkte zurück, weil der Nachteil ihm zu schaffen macht.) Die mageren fünf Erfolge werden immerhin gerade so noch ein Weak Hit. Beim Compel-Move bedeutet das, dass eine Bedingung gestellt wird. Das passt mir gut in den Kram:

Nachdem man Axl ein Trinkhorn mit Starkbier gereicht hat, und angestoßen und ausgesoffen wurde, haut Brokonuk ihn an: „He, Gevatter. Komm‘ mal mit, wir müssen noch was bereden!“
„Okay.“
Das Gebräu steigt dem falschen Troll etwas zu Kopfe, er sieht ganz und gar nicht so aus, aber er hat ja nur zwei Punkte in Konstitution! (Immerhin hat er damit eine Neun gewürfelt, und ist nur beschwipst, nicht gleich sternhagelvoll!)
Die Trolle und Goblins suchen sich gerade Kojen und Schlupfwinkel zwischen den Findlingen, die hier aufgetürmt liegen. Ihre Leiber sehen dort aus, als wären sie Teil des Gesteins, was Til ein Gefühl von folkloristischer Faszination spüren lässt. Die sterblichen Laufburschen schlagen derweil ihre Zelte auf.

Auf der anderen Seite der Felsen macht Brokonuk Halt, und raunt leise, „So, Gevatter Axl! Du siehst aus wie ein Sippling des Sichelzahn-Clans! Könnte das wohl sein?“
„Oh, öh, na ja …!“
„Wenn‘s eins gibt, für das ich den Sichelzahn-Clan schätze, ist das, dass sie vermaledeit noch eins ein Geheimnis bewahren können!“
„Absolut!“
„Und die Hälfte von Euch Sichelzahns gehört traditioneller Weise … zum Lichten Hof!“, und herausfordernd sagt Brokonuk, jetzt laut, „Etwa nicht?“
„Öhm, ja nun! … Schon!“
Axl merkt, wie sich sein Nackenfell aufstellt vor Nervosität. Das war’s wohl! Er macht sich bereit, buchstäblich zu Laufen wie ein Hase!
„Dann will ich Dir auch mal mein Geheimnis sagen, Gevatter: Ich bin auch Licht, nicht Finster! Ja. Der einzige im Gwargar-Clan, der vom Lichten Hofe ist. Eine Schmach, würde das herauskommen!“
„Warum dann mit diesem Kriegshaufen ziehen, Gevatter?“
„Ha! Die anderen machen das, um denen aus Grimgoromn ihre Metallköppe zu verbeulen. Weil sie sich von allen Regeln und aller Tyrannei frei machen wollen! Ich, Gevatter, ich mache das aber, weil ich unsere eigenen Gesetze hier in den Ewigen Wäldern schützen will! Der Alleinherrscher von Grimgoromn mag behaupten, dass er uns Recht und Gesetz bringen will, aber seine schwarzen Reiter und Grimgoriminatori vertreten eine falsche Ordnung, eine Ordnung der Buchstaben-Treue, der Hörigkeit gegenüber Büchern und Stempeln und Siegelringen! Ich will Freiheit für die Unschuldigen in den Ewigen Wäldern!“
„Aber … wenn das nun hieße, sich die Pranken schmutzig zu machen im Dienste einer Barbaren-Horde aus Ériu?“
„Niemand ist schlimmer als die von Grimgoromn. Die sind die Vorboten, Gevatter, die Herolde des Langen Winters.“
„Kapiert. Okay, wir Lichten Trolle halten zusammen!“
„Das will ich meinen, Gevatter Axl! Ich lasse Dich mit uns ziehen. Aber wenn ich ein Ablenkungsmanöver brauche, dann hast Du derjenige zu sein, der das macht! Hast Du verstanden? Wenn ich mich davon machen will, warum auch immer, wirst Du die Finsteren Feen ablenken!“
„Oho! Hm, na gut, klingt ganz fair.“

Dieses Täuschungsmanöver erfolgreich eingeleitet zu haben ist dann für Til der erste Milestone für unsere neue
Queste (Formidabel): Die Vorhut der Horde gewaltlos dahin zurück schicken, wo sie hergekommen ist
und bringt damit unseren Fortschritt auf eins.


Heimlich füttert der Troll Til noch seine Bunnies mit Backwaren aus seinem Rucksack (der Rucksack ist in dieser Gestalt nur mehr eine Gürteltasche). Dann haut er sich ebenfalls hin.

Passiert irgendwas Unvorhergesehenes während der Nacht? Die Orakelwürfel bejahen, und zwar mit einem Pasch, ein extremes Resultat! Und das im Kriegsgebiet! Was prophezeit das Orakel denn daraufhin? Suppress Strength. Das Stärkste, was hier rumläuft, sind die Trolle. Womöglich ist unter denen vom Finsteren Hof Verrat im Spiel, die wollen sich gegenseitig ans Messer liefern. Stecken die Gobbos dahinter? Nein, die grünen Kobolde sind keine Verräter, sagt das Orakel. Einer der Trolle oder der Sterblichen auch nicht. Es tauchen laut Orakel aber auch keine Soldaten von Grimgoromn auf! Dann ist es wohl die verrückte Fauna des Märchenwaldes! Und da ein Pasch diese Begegnung ausgelöst hat, ist das wohl ein schweres Kaliber ...

Til wacht einmal kurz auf, und blinzelt verwirrt, er fühlt sich wie gerädert vom ungewohnten Schlafen auf nacktem Gestein. Die Glut der Lagerfeuer und das Sternenlicht bringen kurz zahlreiche Spinnenfäden zum Glänzen, die durch die Nachtluft wehen, und unerklärlicherweise schweben Unmengen von großen Staubflocken und Pusteblumen-Ablegern durch die Nacht. Er will in den Schlaf zurück sinken. Dann aber schrillt ganz leise eine Alarmglocke in seiner Psyche — vielleicht ist das sein weltlicher, sterblicher Menschenanteil, der bemerkt, dass hier etwas nicht stimmt, der faulen Zauber leichter identifizieren kann als die Einheimischen des Märchenlandes es können!

Daraus mache ich den Move Face Danger. Til kämpft minutenlang mit aller Kraft gegen die Müdigkeit an, ich würfle Geistesschärfe+Enigmas, und mit zwei Willenskraft-Punkten akkumuliere ich sieben Erfolge. Mit einer Neun und einer Zehn auf den Challenge Dice wird es dennoch ein Fehlschlag! Ermattet sinkt Tils Troll-Haupt auf den Stein zurück …

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