Autor Thema: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren  (Gelesen 4665 mal)

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Offline flaschengeist

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #100 am: 5.06.2025 | 20:43 »
Ich definiere Kampagne nicht, ich nenne das für mich entscheidende Kriterium, durch das sich "Abenteuer" von "Kampagne" unterscheidet. D. h. ich kann versuchen, zu vermitteln, warum das für mich der Fall ist, mehr nicht.

Die Kampagne als Publikationsform ist für mich eine Reaktion auf die Publikationsform des Einzelabenteuers. Das Spiel - ich denke hier an das frühe D&D oder DSA - war so konzipiert, dass Spieler Abenteuermodule kaufen und spielen konnten, was zu einem rein kursorischen Erleben der Spielwelt führt, weil es zwischen diesen Abenteuermodulen und den spielbaren Geschichten in aller Regel keine inhaltliche Verbindung gab. Für das "Lösen" der Abenteuer gab es am Ende Punkte, die SCs in konkrete Verbesserungen aka Machtgewinne umwandeln können. D. h. Macht dient hier keinem Zweck, sondern ist reiner Selbstzweck. Dieses Spielprinzip muss dazu führen, dass die irgendwann mächtige SCs haben, denen die Aufgaben fehlen. Hier stellt sich - zumindest einigen Spielern - irgendwann die Frage, was der Sinn des Spiels sein soll.

(Epische) Kampagnen bieten für mich im Unterschied zu Einzelabenteuern erst den Raum, in dem Charaktere sinnvoll - d. h. mit Bezug auf das Thema - entwickelt und gespielt werden können. Machtgewinne sind kein Selbstzweck, sondern notwendig, um den Aufgaben, die sich aus dem Thema ergeben, lösen zu können.

Zu deiner Frage:

"Ein Gebiet befrieden" ist für mich nicht ohne weiteres ein Thema, sondern eher ein konkretes Spielziel. Vermutlich ist der darunterliegende Konflikt das eigentliche Thema.

Thema ist kein Selbstzweck, sondern soll im Rollenspiel einen Mehrwert für die Spielenden generieren, was auf verschiedene Weise geschehen kann. Dem Autoren muss also das Thema klar sein oder klar werden und er muss Mittel und Wege finden, es zum Gegenstand des Spiels zu machen. Das Thema bietet u. a. Gelegenheit, dass die SCs sich dazu positionieren und ihre Rolle ausspielen können. Der Konflikt zwischen Han Solo und Luke Skywalker vor dem Angriff auf den Todesstern wäre so eine Positionierung, in der sich beide unterschiedlich zum Thema positionieren und so miteinander interagieren.

Das Thema organisiert auch die Handlung und gibt Handlungen Bedeutung. Wenn Luke Skywalker den Todesstern zerstört, dann wird das Thema hierdurch angespielt, und seine Tat ist hierauf bezogen nicht weniger als der zu diesem Zeitpunkt in dieser Galaxis wichtigste und schwerstmögliche Schlag gegen das galaktische Imperium.

Danke für deine ausführlichen Erläuterungen. Mir würden sie nicht helfen, zwischen (langem) Abenteuer und (kurzer) Kampagne zu unterscheiden aber sie müssen ja letztlich nur dir helfen.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Offline Quaint

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #101 am: 5.06.2025 | 21:13 »
Naja, Probleme (oder Konflikte) gibt es schon. Es ist aber ein Unterschied ob du dem Plot hinterherhechelst und dann ab un an mehr oder weniger kreativ ein Problem löst. Oder ob die Grundstruktur, die Herangehensweise eine andere ist. Wo also Ziele und Agenda von den Spielern kommen. Und wo auch die Frage ist welche Probleme man löst, nicht nur wie.
Aber ich will mich da auch nicht streiten.
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Offline nobody@home

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #102 am: 5.06.2025 | 21:53 »
Naja, Probleme (oder Konflikte) gibt es schon. Es ist aber ein Unterschied ob du dem Plot hinterherhechelst und dann ab un an mehr oder weniger kreativ ein Problem löst. Oder ob die Grundstruktur, die Herangehensweise eine andere ist. Wo also Ziele und Agenda von den Spielern kommen. Und wo auch die Frage ist welche Probleme man löst, nicht nur wie.
Aber ich will mich da auch nicht streiten.

Soweit wir über Kaufabenteuer reden, wird das mit Zielen und Agenda der dem Verfasser herzlich unbekannten Spieler natürlich wenigstens knifflig. Will man denen möglichst viel Freiraum lassen, dann kommt am Ende vermutlich eher so was wie ein Settingband mit hoffentlich reichlich nützlichen SL-Informationen für eigene Plots heraus und weniger ein klassisches "Abenteuer" an sich -- was ja gar nicht schlecht sein muß, nur schweifen wir dann vielleicht ein wenig vom Fadenthema ab.

Offline Sashael

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #103 am: Gestern um 00:15 »
Mir ist nicht ganz klar, welche Optionen hierdurch genau nicht erfasst werden und welche Alternativen du dazu vor Augen hast :)
Proaktive Spieler mit eigener Charakteragenda.

Wenn also der SL auf die Spieler reagiert, statt andersherum.

Nicht: SL: "Der Bürgermeister sucht tapfere Recken, die dem Gorgelmopf das Handwerk legen! Was tut ihr?"

Sondern: SC: "Ich will mich an Graf Zunster rächen, der meinen Vater verleumdet und in Ungnade hat fallen lassen. Und dafür organisiere ich als allererstes mal einen Bardenwettstreit."

Letzteres leider nicht mal im Ansatz erlebt. Die Spieler waren meist schon mit Variante voll ausgefüllt bis hin zu überfordert.

Hatte sogar mal einen Spieler, der ganz ernst und ehrlich sagte "Rollenspiel ohne Railroading funktioniert nicht" und dann versuchte, eine Runde mit freier Charakter- und Storyentwicklung zu torpedieren, indem er die Gruppe in die tödlichste Gefahr führte.

Und die anderen Mitspieler waren so treudoof und sind dem offensichtlich suizidalen Magier hinterher getrappelt.
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Offline Weltengeist

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #104 am: Gestern um 06:51 »
Da das Thema inzwischen ja ohnehin komplett derailt ist und mehr um "Was ich zum Thema Rollenspiel immer schon mal sagen wollte" kreist, kann ich ja auch mitmachen:

Wenn also der SL auf die Spieler reagiert, statt andersherum.

Nicht: SL: "Der Bürgermeister sucht tapfere Recken, die dem Gorgelmopf das Handwerk legen! Was tut ihr?"

Sondern: SC: "Ich will mich an Graf Zunster rächen, der meinen Vater verleumdet und in Ungnade hat fallen lassen. Und dafür organisiere ich als allererstes mal einen Bardenwettstreit."

Herzlich gerne. Immer mal wieder probiert. Aber dann bereitet man dazu was vor, und dann ist der Spieler, dessen Figur hier seinen Vater rächen will, an dem Spielabend leider verhindert, weil die Kinder krank sind.

Zumindest bei mir ist hier mein Ideal vom Rollenspiel immer wieder inkompatibel mit dem Real Life... :'(
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Offline Galatea

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #105 am: Gestern um 14:34 »
Das ist für mich der Grund, warum man immer ein Sekundärsystem in der Hinterhand halten sollte - bevorzugt eines, bei dem es nicht schlimm ist, wenn mal Charaktere fehlen (alternativ kann man auch nen Oneshot spielen, oder sowas wie Betrayal at house on the hill).
« Letzte Änderung: Gestern um 14:37 von Galatea »
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Online Maarzan

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #106 am: Gestern um 15:25 »
...
Und die anderen Mitspieler waren so treudoof und sind dem offensichtlich suizidalen Magier hinterher getrappelt.
Die waren da wohl auf soziales Verhalten und Gruppenspiel, ggf noch kein PvP konditioniert, was dann gnadenlos ausgenutzt wurde.

Das Problem bei Sandbox sehe ich nicht in "Spieler sind proaktiv", sondern eher im Bereich: Die SC werden nicht als Gruppe konzipiert und müssten aller Logik nach sich als Erstes in alle Himmelsrichtungen zerstreuen.

So eine Sandbox verursacht halt erheblich mehr Aufwand auf allen Seiten.

Üblicher ist da denke ich eine beschränkte Sandbox, wo die übergeordnete Gruppenmotivation/-zusammenhalt vorgeplant wird und dann passend dazu SC gebaut werden.
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Offline Quaint

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #107 am: Gestern um 15:28 »
Man kann auch super Mischformen machen. Also nicht ganz frei, sondern: Ich hab hier eine Region vorbereitet, da gibt es theoretisch die folgenden 3-4-5 Aufträge, macht davon was euch gut erscheint, wenn euch nebenbei was einfällt was ihr machen wollt, bin ich da ganz offen. Und dann mal gucken, was sich ergibt.
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Offline flaschengeist

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #108 am: Gestern um 16:01 »
Man kann auch super Mischformen machen. Also nicht ganz frei, sondern: Ich hab hier eine Region vorbereitet, da gibt es theoretisch die folgenden 3-4-5 Aufträge, macht davon was euch gut erscheint, wenn euch nebenbei was einfällt was ihr machen wollt, bin ich da ganz offen. Und dann mal gucken, was sich ergibt.

Ja, das ist eine schöne Form, die Quaint nach meiner Erfahrung übrigens ziemlich gekonnt leitet :d.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Offline tartex

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #109 am: Gestern um 16:09 »
Man kann auch super Mischformen machen. Also nicht ganz frei, sondern: Ich hab hier eine Region vorbereitet, da gibt es theoretisch die folgenden 3-4-5 Aufträge, macht davon was euch gut erscheint, wenn euch nebenbei was einfällt was ihr machen wollt, bin ich da ganz offen. Und dann mal gucken, was sich ergibt.

Also mit kommt es mit den Aufträgen als Option sogar noch freier vor als ohne, weil ich dann auch explizit die Möglichkeit habe diese zu ignorieren.
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Offline Radulf St. Germain

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #110 am: Gestern um 20:11 »
Herzlich gerne. Immer mal wieder probiert. Aber dann bereitet man dazu was vor, und dann ist der Spieler, dessen Figur hier seinen Vater rächen will, an dem Spielabend leider verhindert, weil die Kinder krank sind.

Zumindest bei mir ist hier mein Ideal vom Rollenspiel immer wieder inkompatibel mit dem Real Life... :'(

Dann ist das nicht nur bei mir so?  ;D

Offline Arkam

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #111 am: Heute um 15:47 »
Hallo zusammen,

@Admins
Eine Bitte an einen Admin, so ab der Antwort 84 - 88 kommt das Thema Sandbox und Spieler gesteuertes Spiel auf. Das finde ich sehr interessant aber vielleicht könnte man diesen Teil in einen Extrathread auslagern?

Ich habe den Eindruck das es stark von der Vertrautheit der Spielenden mit ihren Charakteren und dem Hintergrund und die Spielleitung mit System und Hintergrund und dem Aufwand für die Abweichung abhängt wie leicht man auf Abweichungen eingehen kann.
Das trifft vorallem zu wenn man eben keine Zufallstabellen verwenden will sondern eigentlich ein klassisches Rollenspielabenteuer mit Auftragserteilung, Aufgabenerfüllung und Belohnung geplant war.
Ich selbst erlebe die Situation gerade unter fast idelanen Bedingungen. Meine Onlinerunde spielt inzwischen 2 Jahre im gleichen Hintergrund und die Spieler kennen ihre Charaktere. Das Regelsystem ist einfach und ich kenne den Hintergrund seid über 30 Jahren und habe über die Jahre und verstärkt seid 2020 eigenes Material für den Hintergrund geschrieben. Die Charaktere sind Eliteagenten die in einem Heist Szenario einen Koffer in eine Villa bringen sollten. Sie stellten fest das die Villa einem hochrangigem Politiker gehört und im Koffer eine Bombe war. Jetzt gelten sie als Staatsfeinde und ich bin echt gespannt wie sie jetzt vorgehen wollen. System: Paranoia RPG von 2019 mit einer selbst geschriebenen Mission.

Gruß Jochen
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Online gunware

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #112 am: Heute um 16:17 »
Ich habe den Eindruck das es stark von der Vertrautheit der Spielenden mit ihren Charakteren und dem Hintergrund und die Spielleitung mit System und Hintergrund und dem Aufwand für die Abweichung abhängt wie leicht man auf Abweichungen eingehen kann.
Ich glaube, da ist was dran. Denn persönlich kann ich mich an kein Abenteuer erinnern, das unspielbar wäre. Oder dass nicht (unabsichtlich) zerschossen werden könnte.
Ich glaube, ein Abenteuer, das bereits logische Brüche in sich trägt, wird von den Spielern auf richtige Pfade geführt. Die SL darf sich halt nicht dagegen sperren.
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"