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[Tales from the Loop] SciFi untergräbt Nostalgie? Hoher 'Whiff'-Faktor?
sma:
--- Zitat von: Sashael am 17.09.2025 | 23:46 ---Mit selbst 10 Würfeln keinen Erfolg zu schaffen ist eher "normal", mit 7 oder weniger Würfeln auch mit Pushen ohne Erfolg dazustehen ist die oft Regel.
--- Ende Zitat ---
Bitte definiere "gut" als gewünschte Erfolgswahrscheinlichkeit. Sonst kann man das schwer diskutieren.
Bei 10W ist die Chance für einen Misserfolg 5/6^10, also 16%. Oder anders ausgedrückt: Im Schnitt misslingt eine von sechs Proben bzw. fünf von sechs Proben gelingen.
--- Zitat ---Die ganzen Tabellen zu den Wahrscheinlichkeiten decken sich mit den Erfahrungen vieler Spieltische leider so gar nicht. Nicht wenige Spieler haben der YZE deswegen den Rücken gekehrt.
--- Ende Zitat ---
Das eine sind Fakten. Das andere ist wahrscheinlich _confirmation bias_ dem man z.B. mit einer Strichliste begegnen könnte. Oder es sind schlechte Würfel. Bei W6 ist es nicht so schlimm wie bei W20, aber auch diese sind in der Praxis keine Laplace-Würfel. Bessere wäre es in diesem Fall, mit einer App zu würfeln.
--- Zitat ---Meine persönliche Erfahring mit einer Corioliskampagne über ca. 50 Sessions war, dass man viel gewinnt, wenn man zwei 5er ebenfalls als Erfolg zählt.
--- Ende Zitat ---
Logisch, weil die Misserfolgschance für W10 nun 2/3^10 beträgt [...]
Ne, ich hatte das falsch gelesen. Nicht jede 5, sondern nur Paare von 5. Das ist mir zu kompliziert zu so später Stunde da die Formel herzuleiten. Aber die generelle Aussage, dass die N-te Potenz viel schneller gegen 0 als die von 5/6 strebt, ist noch richtig.
Ist definitiv eine Lösung. Wir nutzen in einer Kampagne W5 (genauer W10 und 9 und 10 sind Erfolge). Funktioniert auch ganz gut. Man könnte für noch kompetentere Charaktere auch W8 und 7 und 8 sind Erfolge (so wie Ulisses das bei Adventure in a Box macht) benutzen.
schneeland:
Vorweg: ich habe den Alexandrian-Artikel noch nicht gelesen, sondern beziehe mich erstmal nur auf das hier Geschriebene.
Zuerst zum Wahrscheinlichkeitsteil:
--- Zitat von: sma am 18.09.2025 | 00:14 ---Bitte definiere "gut" als gewünschte Erfolgswahrscheinlichkeit. Sonst kann man das schwer diskutieren.
--- Ende Zitat ---
Ich glaube, man kann schon festhalten, dass es genug Spieler gibt, die aufgrund der Poolgröße relativ sicher mit einem Erfolg rechnen, und aufgrund der relativ hohen Varianz des Systems dann irritiert sind, wenn sich dieser nicht manifestiert.
--- Zitat von: sma am 18.09.2025 | 00:14 ---Ne, ich hatte das falsch gelesen. Nicht jede 5, sondern nur Paare von 5. Das ist mir zu kompliziert zu so später Stunde da die Formel herzuleiten. Aber die generelle Aussage, dass die N-te Potenz viel schneller gegen 0 als die von 5/6 strebt, ist noch richtig.
--- Ende Zitat ---
Ich hatte da vor längerer Zeit mal im Kontext von Coriolis was ausgerechnet. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wird über weite Strecken recht moderat angehoben, allerdings muss man bei Systemvarianten, die kritische Erfolge/Zusatzeffekte zulassen, ggf. ein bisschen nachregeln, weil diese sonst zu häufig auftreten.
Das ist jetzt allerdings noch die Variante ohne zu beten/pushen.
Nimmt man das dazu, sieht es schon besser aus (Tabelle aus Tales from the Loop):
Wahrscheinlich würde es sich lohnen, bei Gelegenheit mal einen allgemeinen Wahrscheinlichkeits- und Gamedesign-Thread zu Year Zero aufzumachen, und sowohl die Pool- als auch die Step Dice-Variante genauer auseinander zu nehmen.
An dieser Stelle daher nur kurz die Feststellung: generell würde ich schon sagen, dass Year Zero Systeme "wollen", dass man pusht. Leider gibt es da gleichzeitig Umsetzungen, die das pushen auch gleichzeitig "unangenehm" machen, und Tales from the Loop gehört da leider dazu. In dem Moment, in dem man einen Wurf pusht, nimmt man nämlich gleichzeitig eine Condition, durch die zukünftige Würfe schwerer werden (-1 Würfel für entsprechende Proben).
Das kann man auch durch eine Hausregel abschwächen, indem man Conditions nur dann nimmt, wenn der gepushte Wurf auch fehlschlägt, oder wenn einer der Würfel eine 1 zeigt. Aber RAW gibt's eben die Condition für jeden Push.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass es bei Tales from the Loop auch noch die schwere Proben gibt, die zwei Erfolge erfordern. Und da wird es meiner Erfahrung nach dann tendenziell unspaßig / sehr vom Würfelglück abhängig.
Grundsätzlich sagt das Regelwerk zwar an dieser Stelle, dass man a) nur Würfeln soll, wenn es um etwas geht, und b) die Geschichte bei fehlgeschlagenen Würfen auch weitergehen soll. Aber meine Beobachtung ist da auch, dass die Fehlschläge zumindest bei klassisch geprägten Rollenspielern dazu führen, den eigenen Charakter als inkompetent zu erleben - und ehrlich gesagt geht mir das ein Stück weit auch so: selbst wenn ich mich selbst aktiv daran erinnere, dass es vor allem darum geht, wie die Geschichte weitergeht, und nicht (nur) darum, was mein Charakter kann, fühlt sich das nicht wirklich gut an, wenn man in seinen vermeintlichen Kernkompetenzbereichen regelmäßig Fehlschläge würfelt.
Wie sma aber schon anmerkt: es gibt in Tales from the Loop immerhin auch noch ein paar zusätzliche Elemente (Luck, Pride, Skill "Lead"), welche die Chancen zugunsten der Spielercharaktere verändert.
Ein paar Worte dann aber auch noch zum Thema Atmosphäre / Nostalgie vs. "Loop-Elemente":
Ich habe das nicht als grundsätzlich problematisch empfunden, aber Stalenhags Alternativ-80er sind schon etwas speziell, insofern kann auch verstehen, wenn man sich daran reibt. sma hat ja schon festgestellt: eigentlich ergibt es keinen Sinn, gleichzeitig echte KI zu haben, aber trotzdem mit der 64er zuhause Spiele von der Datasette zu laden und sich maximal per Akustikkoppler irgendwo einzuwählen.
Ich habe mir das für mich persönlich so zurechtgebogen, dass es schon die bekannten 80er (oder 90er, wenn man selbst etwas jünger ist) in der Kleinstadt sind. Mit allem, was so dazugehört - Heimcomputer, Mixtapes, Lego/Playmobil, Kicken auf dem Bolzplatz. Aber es gibt dann auch noch ein fantastisches und teilweise auch etwas bedrohliches Element, das in den Alltag eindringt und mitverantwortlich ist für die erlebten Abenteuer. Nur, dass es diesmal nicht Cthulhu ist, sondern eher die Parawissenschaft des Loop.
Ich kann an der Stelle auch etwas Entwarnung geben: ich finde die fantastischen Elemente in den Kaufabenteuern halten sich ganz gut die Waage mit mundanen Aspekten. Wenn überhaupt würde ich an den Abenteuern kritisieren, dass einige davon (meiner Erinnerung nach) schon noch ordentlich Arbeit beim Spielleiter abladen, weil sie nur so mittelgut geschrieben sind.
Trotzdem: wenn man wirklich pure Nostalgie und eher bodenständige Detektivarbeit möchte, sind die Loop-80er vermutlich nur eingeschränkt geeignet.
Sashael:
Bei Coriolis gibt es einen Indikator, wie gut man würfelt. Den Pool an Darkness Points des SL.
Für jeden Push bekommt der SL einen Darkness Point, die er einsetzen kann, um den SC das Leben schwerer zu machen.
Das fühlte sich für mich sehr schnell nur noch nach Insult to Injury an. Der SC vergeigt und dafür darf man der Gruppe auch noch teilweise ziemlich heftige Steine in den Weg schmeißen, die ihre Erfolgschancen weiter reduzieren. Auf den am Boden Liegenden eintreten.
Dementsprechend hatte ich etwa zur Hälfte der Kampagne die 50 Punkte Marke überschritten. Um das zu reduzieren, hätte ich komplett antagonistisch leiten müssen. Das Verhältnis von Erhalt zu Ausgeben von Darkness Points ist imo absurd zugunsten des SL.
Nachdem wir die 2x5 Regel eingeführt hatten, glich sich das sichtbar aus. Sichtbar, weil ich Pokerchips als DP verwendet hatte und 5 Türme á 10 Chips einfach mal ne Wall of Doom darstellen.
Da die SC jetzt auch merklich erfolgreicher waren, hatte ich auch keine Hemmungen, ihnen Schwierigkeiten zu bereiten und auch mal einfach so extra fies zu sein. Just for the fun.
Am Ende der Kampage hatte ich noch etwas zwischen 25-29 Chips.
Es wurde immer noch gepusht, obwohl die SC nach und nach auch immer mehr Skillpunkte hatten und ihre Pools immer größer wurden. Iirc hatte einer der Schützen einen regelmäßigen Pool von 13, was sich im Kampf, wo man die Regel "1 Erfolg reicht" getrost in die Tonne kloppen kann, nicht mal overpowered anfühlte.
Saffron:
Was Spielgefühl und Atmosphäre angeht, hängt das sehr von den Spielenden selbst ab. Wenn die Gruppe Spaß am Nostalgiefaktor und der Impulsivität und Unschuld der kindlichen Handlungen hat, dann können sie die weirde und bedrohliche Technik auch durch die staunenden Augen ihrer Charaktere sehen statt es als störendes Element zu empfinden. Natürlich ist es aber immer unterschiedlich, ob mich ein Setting anspricht und warum, also sehe ich wenig Sinn darin, über die Aussage des Autors zu streiten. Wie bei jedem Rollenspiel sollten anfangs die Erwartungen und Vorstellungen der Spielgruppe besprochen werden.
Zu den Regeln möchte ich gern teilweise widersprechen: Zum einen ist Coriolis nicht TftL, es ist ein eng verwandtes, aber eben nicht das selbe Regelsystem.
Zum anderen kann ich Wahrscheinlichkeiten von Würfelpools zwar berechnen, aber wie Sashael selbst schon gesagt hat, kommt in der Realität oft ein anderes Gefühl auf, wie erfolgreich die Gruppe ist. Wenn ich leite – egal in welchem System – versuche ich immer Wege zu finden, die Gruppe zwar vor Herausforderungen zu stellen, sie aber nicht zu sehr zu sehr zu frustrieren.
Wie in jedem Rollenspiel kann ich mir je nach Situation z.B. überlegen, ob ich überhaupt würfeln lasse. Wenn ein Charakter ein Gespräch belauschen will, kann ich verlangen, dass er eine Probe zum Anschleichen macht, dann noch eine, ob er etwas hört, und dann auch noch, ob er begreift, was da an Techno Babble gesagt wird. Ich kann aber auch einfach mal entscheiden, dass es echt nicht so schwierig ist, sich unbemerkt unter das Fenster zu hocken, und dem Spieler zu sagen, was da gesprochen wird.
Und selbst wenn ich würfeln lasse, gibt es immer die Möglichkeit des fail forward. Wenn der Charakter beim Anschleichen zum Fenster patzt, sage ich nicht einfach. Sorry, du bist laut, und wenn du nicht erwischt werden willst, musst du schnell noch weglaufen. Statt dessen lasse ich ihn vielleicht von den Erwachsenen erwischen und ins Gebäude bringen. Vielleicht bekommt er das Gespräch nicht mit, aber er könnte dort drinnen etwas anderes entdecken, das die Ermittlungen voranbringt.
Was man auch nicht vergessen darf: Anders als in anderen Rollenspielen können die Kinder nicht sterben, und eigentlich kann auch nichts wirklich Schlimmes passieren, das sie dauerhaft handlungsunfähig macht. Wenn sie sich in ein Labor des Loop einschleichen und erwischt werden, besteht nicht die Gefahr, dass sie von Sicherheitsleuten erschossen werden oder drei Jahre im Gefängnis hocken. Sie werden von der Polizei nach Hause gebracht und kriegen Stubenarrest, das Abenteuer kann aber weitergehen. Das Schlimmste was passieren kann, ist ein gebrochener Charakter, der erst einmal eine Weile von seinen Eltern oder Anker getröstet werden muss.
Dann noch zu dem Punkt, dass Kinder nunmal nicht sehr kompetent sind: In welchem anderen Setting kann eine Zwölfjährige die Zeitmaschine umprogrammieren, über die sie gerade gestolpert sind? Da wird eben nicht gesagt, dein Computer-Geek hat ja nur einen 64er zu Hause, der müsste erstmal drei Jahre Informatik studieren, um so fortgeschrittene Technik zu begreifen. Gefühlt können die Kids also ziemlich viel reißen. Und wenn sie beim Würfeln patzen, dann ist es auch einfach spaßig, sie eben nicht wie fachkompetente Erwachsene reagieren zu lassen, sondern sie aus dem Impuls heraus irgendeine Dummheit begehen zu lassen.
So sieht „mein“ Tales from the Loop aus. Andere dürfen das wie immer natürlich anders sehen.
Waldviech:
--- Zitat ---1) "Wenn man Elemente aus Stålenhags Kunst nimmt, sie verwendet, um eine alternative Geschichte der 80er Jahre zu konstruieren, und dann sagt: „Das ist die Welt, die eure Spielercharaktere für normal halten, aber es wird AUCH diese anderen Elemente geben, die total seltsam und übernatürlich sind und so“, dann landet man in einem Rekursionsfehler: Das Spiel möchte, dass sie Nostalgie hervorrufen und diese dann mit dem Fantastischen unterbrechen, um eine ganz bestimmte Stimmung und emotionale Reaktion zu erzeugen ... aber dann sagt es Ihnen, dass Sie diese Stimmung NICHT fühlen oder diese Emotion als Reaktion auf diese ANDEREN fantastischen Elemente haben sollen. Die grundlegende Dynamik des Genres „Nostalgie-Kids“ wird gestört, weil das Spiel ständig das untergräbt, worum es angeblich geht.
--- Ende Zitat ---
Njäääää.....das ist vielleicht eine Sache der persönlichen Wahrnehmung, aber ich halte diese Betrachtung ein Stück weit für ziemlichen Quatsch, da diese ganzen Sci-Fi-Elemente in Tales from the Loop ja dezidiert retrofuturistisch sind. Einer der Gedanken ist ja: "Was wäre denn, wenn es eine Haufen Sci-Fi-Krams, wie er in den 1980ern popkulturell vorkam, wirklich gegeben hätte?" Da spielt ganz stark nostalgische Erinnerung an solches Zeug wie "ET", "The Explorers", "Nummer 5 lebt", "Der Flug des Navigators" und so weiter und so fort ne Rolle. (Wobei Tales from the Loop das Ganze dann allerdings auch mit einer gewissen Melancholie koppelt, die den Vorbildern weitgehend fehlt).
Wenn ich damit natürlich keine Berührungspunkte habe und diesen IMHO sehr wichtigen Punkt komplett ignoriere...ja, dann habe ich da Brechungs- und Reibungspunkte. Das ist allerdings aus meiner Sicht heraus ein wenig so, als würde ich D&D mit der Erwartung spielen, eine reale Mittelaltersimulation zu zocken und dann kritisieren, dass die ganze Zauberei ja gar kein authentisches Gefühl für das 13. Jahrhundert aufkommen lässt.
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