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Wie wichtig sind Regeln für die Fiktion? (war: Draconis: The Feel-Good TTRPG)

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gunware:

--- Zitat von: Swanosaurus am 26.10.2025 | 10:19 ---EDIT: und dann gibt's ja auch noch Systeme wie GURPS, wo sich alle alles per Pointbuy besorgen.

--- Ende Zitat ---
Und dann auch z.B. quasi Klassen, die man kombinieren soll, weil man dadurch beim Steigern neue Klassen freischaltet, je nach Kombination. Das wäre dann so eine Mischung zwischen D&D und GURPS. (Man kauft in dem Sinne nicht die Klassen, sondern durch den Kauf der Fähigkeiten, ergibt sich die Klasse.)

manbehind:
Ich werfe mal 2 Cent in den Ring :)


--- Zitat von: klatschi am 24.10.2025 | 18:16 ---Ich würde widersprechen :)
Ich kopple das morgen gerne aus und dann machen wir nen Thread draus - bin gerade unterwegs

--- Ende Zitat ---

Ich würde HEXer zustimmen ^^

Das unmittelbare Erleben der Geschichte in der eigenen Phantasie ist etwas anderes als das Erleben des Spiels in termini eines Regelsystems.


--- Zitat von: klatschi am 25.10.2025 | 10:18 ---Und genau diese Regeln schaffen auch Fiktion, denn sie modellieren die Spielwelt.
--- Ende Zitat ---

Ich behaupte zunächst einmal das genaue Gegenteil:

Regeln zerstören die Fiktion, denn das Erleben des Spiels in termini eines Regelsystems ersetzt die Phantasie der Spielwelt und macht sie überflüssig.

ich begründe das durch einen Blick in meine Empirie:

In meiner aktiven DSA1-Zeit (1987 bis ca. 1991) wurden z. B. Gegner und Kämpfe ausschließlich in termini des Regelsystems bespielt. „Ein Goblin“ bedeutete nicht [Beschreibung der Kreatur], sondern war ein reines Zahlen-, sprich: Wertebündel. Das reichte aus, um mit dem Goblin im Spiel zu interagieren.

1998 – also bummelige 10 Jahre später – erschien das DAS-Einsteigerabenteuer „Über den Greifenpass“ von Tom Finn. Für angehende Spielleiter findet sich dort folgender Hinweis:

„In bestimmten Ausnahmesituationen (!) mag es nützlich sein, auf bestimmte Regelaspekte ganz zu verzichten. Ein Beispiel: Die aus vier Helden bestehende Gruppe (davon einer schwer verletzt) wird von 20 Orks verfolgt, und der Elf der Gruppe beschließt, sich in einen Hinterhalt zu legen, um so den Rückzug seiner Kameraden heldenhaft mit einem Bogen zu decken.  Wenn eine solche Situation nicht wirklich wichtig für die Handlung ist, dann drücken Sie einfach ein Auge zu… Denn ansonsten könnte folgendes passieren: „Gut, dann würfel einmal. Aha, einer der Orks nimmt also drei Trefferpunkte Schaden. Naja, das ist nicht viel. Die 20 Orks stürmen in eure Richtung…“. Spannender wäre in solch einer Situation natürlich ein filmhaftes Vorgehen, bei dem Sie dem Helden actionreich schildern, wie der erste Gegner getroffen umkippt, plötzlich Verwirrung entsteht und die Orks sich erst nach und nach neu formieren. Schließlich haben auch Orks Angst um ihr Leben.“

Aus der Tatsache, dass der Autor diesen Hinweis so gibt, schließe ich, dass meine oben geschilderte Erfahrung – Wahrnehmung der und Interaktion mit der Spielwelt in termini des Regelsystems – kein Einzelfall, sondern vielleicht sogar der Regelfall war und vielleicht auch immer noch ist.


--- Zitat von: klatschi am 25.10.2025 | 10:18 --- Selbst wenn du nur die Rule of Cool anlegst und dich mit Kids an den Tisch setzt und ihr ne coole Geschichte erzählt, werdet ihr - ad hoc - Regeln für eure Geschichte erfinden. Muss ich einen Bergabhang hinunterklettern oder kann ich in einer Three-Point-Superhero-Pose unten cool aufschlagen? Da wird sich am Tisch recht schnell eine Regel finden, was in der Fiktion möglich ist und was nicht und es wird sich angleichen. Fritz möchte das Tor öffnen? Bist du stark? Ja. Dann Würfel mal einen w6. Oder einen w20, damit es cool und ungewohnt ist und die Aura des "anderen" hat.
So wie auf dem Bolzplatz sehr schnell Regeln gefunden werden (5 Spieler da? Klar, 2 vs 2, einer Torwart, alle paar Minuten wird gewechselt. Hey, Sabrina ist noch dazugekommen, dann machen wir jetzt 3 vs. 3 aber man muss zur Linie laufen, bis man auf's "gegnerische" Tor holzen darf). Diese Regeln müssen nicht verschriftlicht sein, sie ändern sich ad hoc, aber es sind Regeln.
--- Ende Zitat ---

Nein, es sind keine Regeln, es sind Definitionen, also Festlegungen. Die Regeln, nach denen gespielt wird, ergeben sich dann erst aus den Definitionen. Die Regeln sagen, wie gespielt werden muss.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Wenn es etwas nicht so funktioniert hat, wie es sollte, sagen Menschen häufig: „…aber ich dachte, dass…“: „Ich dachte, dass der Bus um 10:23 Uhr abfährt“ (und nicht um 10:13 Uhr); „Ich dachte, dass ich noch Mehl im Haus habe“ (um den Kuchen zu backen – jetzt muss ich nochmal einkaufen); „Ich dachte, der Bösewicht kann nicht zaubern!“ (sonst hätte ich mich anders auf den Endkampf vorbereitet“); um meinen Punkt von oben wieder aufzugreifen, könnte ich auch sagen: „Ich dachte damals, Rollenspiel geht so!“

Menschen sagen „ich dachte“, wenn eigentlich klar ist, dass sie nicht gedacht haben. Was sie eigentlich meinen, ist, dass sie eine Annahme als „wahr“ erlebt haben. Eine Annahme ist etwas anderes als die Handlung, die auf ihrer Richtigkeit basiert.

Wenn Kinder erst 2:2 mit einem Torwart spielen, dann ein neuer Spieler hinzukommen und ein „echtes“ 3:3 mit zwei Toren daraus wird, aber Kevin das nicht mitkriegt, weil er pullern war und ohnehin nicht die hellste Kerze auf der Torte ist und auf’s falsche Tor schießt, was wir er wohl sagen, wenn er schnallt, dass er gerade verkackt hat? Genau, „Sorry Leute, aber ich dachte, dass…“

Das, was sich funktional als „Bildung von Annahmen“ verstehen lässt, ist ein kognitiver Prozess unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, sprich, davon kriegen wir nichts mit. Im Alltag werden wir uns über Fehlannahmen erst dann bewusst, wenn darauf aufbauende Handlungen scheitern. Erst dann setzt etwas ein, was ansatzweise als „Denken“ bezeichnet werden kann. Beides wird allerdings häufig miteinander konfundiert; das drückt eben die Formulierung „Ich dachte, dass…“ aus.

Annahmen, um den Bogen zurück zu schlagen, sind Definitionen oder Festlegungen, und als solche klar von den Handlungen, die auf ihnen basieren zu unterscheiden. Ich halte daher nichts davon, beide unscharf im Begriff "Regelung" zu vermengen.

--- Zitat von: klatschi am 25.10.2025 | 16:37 ---Wenn ich differenzieren würde zwischen den Begriffen, würde ich rulings für ad hoc Entscheidungen verwenden, die ich in der Situation regeln muss, damit das Spiel weitergeht. Ich lese dann danach die Regeln nach oder aber beschließe, dass wir es vorerst immer auf diese Art und Weise machen.
--- Ende Zitat ---

„Rulings“ sind in der Tat Entscheidungen, durch die etwas definiert wird. „Rulings“ kommen im Gegensatz zu „rules“ ohne einen eigenen abstrakten Begriffsapparat aus, weil es hier nicht um abstrakte Fallklassen geht, sondern um konkrete Einzelfälle. Aber die Entscheidung regelt nichts. Wenn ich festlege, dass der Drache Feuer speien kann, dann ist hierdurch nichts „geregelt“; der Begriff "geregelt" ist hier ohne konkrete Bedeutung. Die Definition hat gleichwohl Konsequenzen für Handlungen der Spieler, die sich einem feuerspeienden Drachen anders annähern werden als einem Drachen, der kein Feuer speit; denn wenn die Entscheidung für das Spiel ohne Auswirkungen wäre, dann wäre sie überflüssig. D. h. aus dieser Definition werden Kriterien abgeleitet, die bestimmten Handlungen mehr Wert geben, als anderen; das ist hier die Analogie zu den Rechenregeln, die aus der mathematischen Definition folgen.

Explizite Regeln verändern das Spiel, denn sie geben vor, was opportun ist und was nicht. Im Fußball ist die Abseitsregel nicht "spielneutral", sondern sie hat Einfluss darauf, wie gespielt wird. "Rulings" oder "ad-hoc Entscheidungen" tun das nicht.

Outsider:

--- Zitat von: Swanosaurus am 26.10.2025 | 10:19 ---Mir ging es nur um die implizite Aussage, dass alle Rollenspiele Klassensysteme by any other name sind. Das finde ich nicht überzeugend - zur Klasse gehört neben der Grundausstattung doch vor allem die Dauerhafte Festlegung auf bestimmte Progressionspfade und die prinzipielle Beschränkung bestimmter Fähigkeiten auf bestimmte Klassen (wie du schriebst, manche Sachen kannst du dann halt nur als Dieb lernen). Beides haben Cthulhu und Traveller nicht. Und Traveller ist eigentlich nicht so, wie du es beschreibst: Da entscheidest und würfelst du deinen Werdegang, und im Prinzip ist alles frei kombinierbar, auch Kampfpilot und Ingenieur ...

EDIT: und dann gibt's ja auch noch Systeme wie GURPS, wo sich alle alles per Pointbuy besorgen.

--- Ende Zitat ---

Lies bitte was ich geschrieben habe.

Das alle Rollenspiele Klassensysteme haben ist deine Interpretation meiner Aussage. Wo du die Grenze zwischen harter Klasse "nur Diebe können das" und weicher Klasse "du bist Historiker und darfst die meisten deiner Punkte auf diese fünf Fertigkeiten verteilen" (was auch eine Form von „nur Historiker können das“ ist) ziehst ist mir egal.

Das ändert nichts am Grundgedanken das Rollenspiele eher dazu neigen dem Spieler eine Rolle zuzugestehen.

Wieder aufpassen auf das Wording „eher dazu neigen“ ist ungleich alle. 

Tudor the Traveller:

--- Zitat von: manbehind am 26.10.2025 | 11:10 ---Ich werfe mal 2 Cent in den Ring :)

--- Ende Zitat ---

Danke dafür, da ist viel Diskussionsstoff dabei  :)

Zunächst: was du Definition nennst, nenne ich Ergebnis. Und zwar das Ergebnis eines Entscheidungsvorgangs, das seinerseits dann zur Setzung in der Fiktion wird und damit zum fiktionalen Bestandteil der Erzählung.

Wo ich dir nicht zustimme, ist der Teil mit den Regeln. Hilfreich an der Stelle ist deine Gegenüberstellung von Fallklassen und Einzelfällen. Die Einzelfallentscheidungen sind wohl das, was hier als Rulings benannt wird. Es ist nur so: Jede Einzelfallentscheidung schafft einen Präzedenzfall. Die Konsistenz der Erzählung verlangt dann oft, dass die Setzungen in vergleichbaren Fällen genauso erfolgen müssen. Damit wird aus dem Einzelfall eine Fallklasse. "Drachen können in diesem Setting mitunter Feuer speien." Oder aber, es ist der einzige feuerspeiende Drache des Settings. Hier zeigen sich die Rahmenbedingungen der Erzählung, die auch beim kindlichen Rollenspiel implizit vorhanden sind. Wir als Menschen erwarten, dass die Welt Regeln folgt, auf die wir unsere Entscheidungen ausrichten können. Die Fiktion braucht diese Regeln, sonst wird alles beliebiges Chaos. (Edit: im kindlichen Spiel sind das die Grenzen dessen, was toleriert wird. Bei Überschreitung dieser Grenzen kommt es meist zum Streit.)

Fiktion und Regeln bilden ein wechselseitiges Miteinander. Ja, das kann auch dazu führen, dass Fiktion eingrschränkt wird. "Nein, Menschen können nicht fliegen und Feuer speien  außer, du setzt dafür eine fiktive Begründung."

Zu dem Beispiel mit dem Goblin: ich denke, du irrst dich da. Die Fiktion wird nicht zerstört, in der Erzählung verschwindet der Goblin nicht. Das was du schreibst ist imo Immersion: der Goblin wird nicht auf der fiktiven Ebene (in character) bespielt, sondern auf der Metaebene.


--- Zitat von: manbehind am 26.10.2025 | 11:10 ---Aus der Tatsache, dass der Autor diesen Hinweis so gibt, schließe ich, dass meine oben geschilderte Erfahrung – Wahrnehmung der und Interaktion mit der Spielwelt in termini des Regelsystems – kein Einzelfall, sondern vielleicht sogar der Regelfall war und vielleicht auch immer noch ist.

--- Ende Zitat ---

Die Regeln sollen hier für eine Konsistenz des Erwartbaren sorgen. Mit anderen Worten: dass ein Elf 20 Orks mal eben aufhällt, ist nicht plausibel. Oder "opportun" wie du es nennst. Das ist aber kein Problem der Regeln an sich, sondern ein Problem bei der Definition dessen, was die Regeln im fiktionalen Ergebnis bewirken sollen. Der verbreitete Denkfehler ist meines Erachtens, dass der Zweck der Regeln die Simulation sei. Das ist meines Erachtens vom falschen Ende gedacht. Die Simulation ergibtvsich dadurch, dass ich vorher festlege, welche Setzingen ich in der Erzählung haben will (z. B. feuerspeiende Drachen, Goblins sind eine geringe aber nicht bedeutungslose  Bedrohung) und welche ich nicht haben will (feuerspeiende fliegende Menschen sind nicht normal). Die Regeln müssen dann so gestrickt sein, dass die Entscheidungen / Setzungen entsprechend ausfallen. Im Kern ist das klassisches Prozessdesign.

Swanosaurus:

--- Zitat von: Outsider am 26.10.2025 | 11:35 ---Lies bitte was ich geschrieben habe.

Das alle Rollenspiele Klassensysteme haben ist deine Interpretation meiner Aussage. Wo du die Grenze zwischen harter Klasse "nur Diebe können das" und weicher Klasse "du bist Historiker und darfst die meisten deiner Punkte auf diese fünf Fertigkeiten verteilen" (was auch eine Form von „nur Historiker können das“ ist) ziehst ist mir egal.

Das ändert nichts am Grundgedanken das Rollenspiele eher dazu neigen dem Spieler eine Rolle zuzugestehen.

Wieder aufpassen auf das Wording „eher dazu neigen“ ist ungleich alle.

--- Ende Zitat ---

Naja, ich muss mich auch echt nicht drum streiten.
Als Freund klassenloser Systeme habe ich mich ein bisschen an der "Ist doch alles eine Soße, auch bei denen die behaupten, was anderes zu machen"-Implikation gestoßen, die da m.E. schon leicht rauszulesen war. Muss man sich ja auch nicht durch provozieren lassen. Muss man aber auch gar nciht erst so verallgemeinernd hinschreiben. Wohlwollend lesen ist schön und gut, wohlwollend formulieren aber auch.

@1of3:

--- Zitat ---Ist das so? Dann ist D&D3 nicht wirklich ein Klassensystem, sondern sehr simple Fertigkeitsbäume. Also ich kann ja jede Stufe eine andere Class nehmen. Es gibt nichts, was ich ich prinzipiell nicht können kann, es sei dann aufgrund meiner bisherigen Auswahl kann ich vor Stufe 20 in einer Class nicht länger hinreichend hoch kommen. PbtA ist auch zweifelhaft, denn ich kann take a move from another playbook.

DSA3 ist auch kein Klassensystem. Es gibt gewisse Dinge, insbesondere Zauber, die prinzipiell nur bei Wahl des korrekten Heldentypen zum Zeitpunkt der der Charaktererschaffung gehen, soweit richtig, aber ansonsten sind diese Heldentypen reine Starterpakete. Sie liefern keine spezielle eigene Progression. Alle progredieren gleich. Sie sind also eher wie D&D Races statt D&D Classes.
--- Ende Zitat ---

Klar lässt sich das Thema auch so rum aufzäumen - letztendlich ist jedes System, dass dir offiiziell erlaubt, irgendetwas hauszuregeln, schon kein Klassensystem mehr ... aber auch wenn es sich um Enden einer Skala handelt, hat die Differenzierung der Begriffe durchaus einen Sinn: Es gibt Systeme, die setzen voraus, dass du sie benutzt, um ein eigenes Figurenkonzept umzusetzen (GURPS), es gibt Systeme, die geben dir Zufallsbausteine (Traveller), es gibt Systeme, die geben dir eine mehr oder weniger enge Startschablone und ab dann ist alles offen (DSA3, Cthulhu), es gibt aber auch Systeme, die dir eine Start- und Progressionsschablone grundsätzlich erst einmal exklusiver Art liefern, und alles, was diese Schablone verlässt, ist eher die Ausnahme als die Regel (pick another move by pbtA ist meistens schon sehr begrenzt und ermöglicht es normalerweise RAW nicht, einen völlig neuen Weg einzuschlagen, bei D&D kenne ich mich echt nicht genug aus, aber da wird es doch selbst bei Klassenwechsel noch einen Haufen Sachen geben, die zusammen einfach nicht erlaubt sind, oder?). Dann gibt es auch noch komische Fälle wie DSA4, die vordergründig reines Pointbuy sind, bestimmte Vorteile wie Magie aber mit so harten Einschränkungen belegt, dass sie wieder als Klassen fungieren ...

Ändert aber alles nichts daran, dass mir Cthulhu, GURPS und Traveller auf jeweils unterschiedliche Arten viel mehr Freiheit dazu geben, frei Schnauze spielmechanische Charaktereigenschaften zu kombinieren als irgendein D&D oder die meisten pbtA-Spiele. Und das artikulieren diese Spiele ja auch in ihrem Selbstverständnis. Das eine oder andere dann als Verarsche hinzustellen ("das ist ja eigentlich doch nur ein verstecktes Klassensystem" bzw. "Wenn es Multiclassing hat, ist es kein richtiges Klassensystem"), geht doch an der Funktion der jeweiligen Regelmechaniken vorbei und ist auch irgendwie ... nicht nett gegenüber den Machern und Fans. Es gibt ja schon Gründe dafür, dass manche lieber feste Klassen wollen und manche lieber freie Generierung, und beides hat seine Berechtigung.


Zum Threadthema:

Ich glaube, die Eingangsfrage ist zu prinzipiell gestellt; die Antwort kann immer nur subjektiv sein.
Phantasie braucht immer Material – das ist im Prinzip die komplette Lebenserfahrungswelt des jeweiligen Individuums.
Und Phantasie braucht immer Anregung – ganz ohne einen Anstoß oder Auslöser passiert nichts, und wenn der Anstoß nur ist: „Ich will eine Geschichte schreiben“ (denn die Vorstellung von einer Geschichte enthält ja schon ein Vorwissen darüber, was eine Geschichte ist, Regeln, die man befolgen oder brechen kann, ein Selbstbild, das beinhaltet, die Art von Person zu sein, die eine Geschichte schreibt …).
Ob Regeln jetzt im positiven Sinne als Anstoß funktionieren oder im negativen Sinne als Restriktion (oft wahrscheinlich als beides), ob sie manchmal sogar im positiven Sinne eine Restriktion sind, weil sie die Phantasie auf eine unerwartete Bahn lenken – das ist doch so abhängig von der jeweiligen Person und Situation, dass es sich unmöglich allgemein beantworten lässt.

Die Frage wäre also eher: Wie gehe ich damit um, wenn Regeln als negative Restriktion empfunden werden? Was mache ich, wenn der eine bei der Lektüre der Vor- und Nachteilsliste von GURPS die Krise kriegt, weil er nicht weiß, wie er seine Ideen damit spielmechanisch umsetzen soll, während die andere zu Hochtouren aufläuft, wenn jeder neue Nachteil bei ihr eine neue, bereichernde Idee sprießen lässt? Was mache ich, wenn eine die Kriegerklasse liest und denkt „Boah, wie geil ist das denn!“, während sich ein ganz eigenes Bild von der Figur dazu vor ihren Augen formt, während ein anderer schon längst eine Vorstellung hat, die aber nicht zu den Regeln der Klasse passt?

In der Praxis wird das durch Kompromisse, Hausregeln, Re-Skinnen gelöst. Das funktioniert in meiner Erfahrung auch recht gut. Deshalb beantworte ich die Frage für mich so: Regeln sind in aller Regel gutes Material zur Anregung meiner Fantasie. Wenn sie mir gefallen. Und wo sie mir im Weg stehen, da überlege ich, ob es die Mühe wert ist, sie zu ändern, oder ob ich mich auf etwas anderes einlasse, als das, was ich mir von selbst ausgedacht hätte.

Wo ich auf keinen Fall mitgehen würde, ist eine idealistische Vorstellung von Phantasie, die wie der heilige Geist über einen kommt und jungfräulich Ideen gebiert. Wie gesagt braucht Phantasie Material und Anstoß, und es kommen immer wieder neues Material und neue Anstöße hinzu. Und das können auch RSP-Regeln sein.

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