Medien & Phantastik > Hören

Musik aus dem Mittelalter hören

<< < (3/8) > >>

korknadel:
Anscheinend kam meine Frage falsch rüber. Mir ist keine Quelle für mittelalterliche nordische Musik bekannt, aber mir ist durchaus bewusst, dass ich nicht alles kenne, deshalb habe ich ganz ohne Skepsis danach gefragt. Ich wollte die Existenz solcher Quellen gar nicht in Zweifel ziehen.

Da Wardruna und wie die alle heißen ja ständig in entsprechenden Threads genannt werden, muss ich mir das natürlich auch mal anhören. Bei derartigen Bands bin ich aber tatsächlich skeptisch.

Wir haben ja ohnehin das riesige Problem, dass wir so gut wie nichts über Volksmusik im Mittelalter wissen. Im feudal-klerikalen Europa, wo wegen der horrenden Kosten für Pergament sehr sparsam mit Aufzeichnungen umgegangen wurde, wurde natürlich selten festgehalten, was der Pöbel aufm Marktplatz oder beim Dorffest für Musik gespielt hat. Es wurden eigentlich fast ausschließlich geistliche Lieder (Gregorianik), geistliche Kompositionen (Motetten etc) und die literarisch-musikalisch kunstvollen Hervorbringungen aus der Adelssphäre (Minnesang, Trouveres etc) notiert. Man kann so gut wie nicht feststellen, ob und wo volkstümliche Musik die hohe Kunst beeinflusst hat. Erst in der Renaissance rückt Volkstümliches mehr in den Blick. Da gibt es dann zum Beispiel Messkompositionen, die auf populären Liedern basieren (Parodiemesse), wie zum Beispiel die Missa "L'homme armé" (https://de.wikipedia.org/wiki/L%E2%80%99homme_arm%C3%A9).

Sehr, sehr Vieles, was ich so an Bandmusik höre, die mittelalterlich sein soll, basiert auf den zahlreichen Sammlungen von Liedern und Tänzen, die aber fast alle erst in der Renaissance und im Barock zusammengestellt und veröffentlicht wurden -- nun, da der Buchdruck die Sache billiger gemacht hatte. Eine Ausnahme stellt hier zum Beispiel das "Llibre Vermell de Montserrat" aus dem Spätmittelalter dar. Aber derlei ist eine Seltenheit. Wie derlei Tänze und Lieder sich zwei- bis fünfhundert Jahre früher angehört haben mochten, ist die Frage.

Luxferre:
Deine Skepsis ist einerseits gerechtfertigt, andererseits ... eben nicht.
Du suchst nach Musik die zu HârnMaster passt und so mittelalterlich daherkommt, wie es nach dem Stand der Dinge möglich ist.
Wardruna nutzt rekonstruierte Musikinstrumente aus der Zeit der Wikinger (793 - 1066), was Deinem Suchparameter "Mittelalter" (was ja recht grob ist, ca 500 - 1500) entspricht und ihre Texte sind teilweise Originale oder Interpretationen aus dieser Zeit.

Ich persönlich glaube, dass Du wenig finden wirst, das näher dran ist.

Was Deiner Skepsis zu recht nicht standhalten wird ist zum Einen die neumodische, musikalische Interpretation mit zusätzlichen moderneren Instrumenten oder den Tönen aus Natur, Wald und Co. Zum Anderen ist auch ein Quäntchen Obacht geboten, da einige Themen esoterisch aufgeladen sind und das Gründungmitglied Gaahl einen zu recht zweifelhaften Ruf genießt. Die Esoterik in der modernen Betrachtung der Wikingerzeit ist mir eh ein Graus! So viel Bullshit, so viel nationalsozialistische Rassenideologie, magische Runen (haha haha haha!!! was für'n Kokolores!) und dergleichen mehr.

Die Summe ist dennoch eine ganz phantastische und fantastische Kunst, die einen Immersion für Hârn toll erleben lässt. Orbaal, die Jarin, generell der Tenor des angelsächsischen Feudalismus und Co werden für mich musikalisch wunderbar unterlegt.

Das ist natürlich KEIN angelsächsischer Minnesang oder germanische Hofmusik. DAS kann Wardruna nicht liefern. Schrieb ich ja aber auch gar nicht ;)

EDIT | und nochmal: das war ein gut gemeinter Tipp. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn's Dir nicht ins Suchparameter passt ist doch völlig okay  :d

Uisge beatha:
Gewiss nicht, was gesucht wird, aber vielleicht geht es grob in die richtige Richtung...

Duivelspack - "Mythos Hildebrandslied - Die Musik der Germanen"


--- Zitat ---Die erstmals 2009 und 2016 erneut veröffentlichte CD »Mythos Hildebrandslied« stellt den Versuch dar, germanische Musik zu rekonstruieren. Dabei näherte sich das Detmolder Trio Duivelspack der vorchristlichen Epoche der Jahre 0 bis 500 an, indem es Instrumente gemäß historischen Vorbildern nachbaute und sich darüber hinaus mit dem Kanon früher altnordischer und altisländischer Texte sowie mit der Aussprache des Althochdeutschen und Altnordischen beschäftigte.

Mit universitärer Unterstützung entstand so ein authentisches Programm zwischen Kunst und Wissenschaft, das einen Weg zu den Klängen unserer Ahnen weist. Am Anfang dieses deutschlandweit einzigartigen Projektes stand viel Recherche und Papierkram, denn eines ist klar: Kein Mensch kann mit Sicherheit sagen, wie die Musik der Germanen geklungen hat – und so ist auch dieses Projekt nur eine Annäherung. Nachweisbar sind jedoch die Instrumente, die von den Germanen gespielt wurden. In der Musikarchäologie gibt es dazu gutes Material, das aus zahlreichen Funden herrührt.

Gemeinsam mit Instrumentenbauern fertigten die Musiker von Duivelspack Rekonstruktionen der Funde wie die Trossinger-Leier, eine Lure, Signalhörner, Knochen- und Hornflöten, verschiedene Trommeln mit tönernem Korpus und Rahmentrommeln an.
--- Ende Zitat ---

korknadel:
@Luxferre: Vielen Dank noch mal für Deine Erläuterungen. Ich werde mir Wardruna auch definitiv mal anhören.

Allerdings liegt zumindest ein MIssverständnis vor: Ich bin hier gar nicht auf der Suche nach irgendwas, auch wenn ich natürlich Empfehlungen dankbar nachgehe. Das mit Hârnworld sollte nur eine Einleitung sein, ich wollte nur kurz hinführend erläutern, dass ich aufgrund der Hârn-Lektüre gerade wieder viele CDs mit Musik aus dem Mittelalter aus dem Regal ziehe. Und dabei ist mir eben aufgefallen, dass das Hören von mittelalterlicher Musik nicht ganz einfach ist. Das war für mich Anlass, hier einfach ein Gespräch zu starten über Hörerfahrungen oder allerlei anderen Kram im Zusammenhang mit Musik aus dem Mittelalter, deren Konsum, Aufführung, Vermarktung, Rezeption, was auch immer.

Und bisher hat das ganz gut funktioniert auch Dank Deines Inputs. Nur suche ich hier eben nicht dezidiert Tipps zur Untermalung meiner Hârnmodule.   

HEXer:
Also als erstes möchte ich Kwütegs vehementen Widerspruch hier auch noch einmal wiederholen. Natürlich spielt man zu Hârn mittelalterliche Musik.

Zweitens ist es leider so, dass sich mir bei dieser ganzen Pseudomittelalterlichen Spektakulums- / NeoPaganGermanicWhatever Musik wirklich, WIRKLICH die Zehnägel aufrollen. Es ist so viel Schindluder mit vermeintlich mittelalterlichen und/oder Germanischen Dingen getrieben worden, wo die Grenze zwischen historischer Realität und (im besten Fall) Pipi-Langstrumpfartigem "ich mache mir die Welt" oder gar völkischen Ideen verwischt, dass ich da hochgradig allergisch reagiere. Einige der Lieder von z. B. Heilung mag ich vom Klang und der Atmosphäre ja durchaus. Aber allein, dass die ihre Konzerte als eine Art Ritual zelebrieren finde ich hochgradig problematisch. Von der (mindestens) sorglosen Verwendung rechtesoterischer bis rechtsextremer Symbolen mal ganz abgesehen. Und ja, ich weiß, dass Symbole wie die Schwarze Sonne nicht verboten sind und ich weiß, dass sich Heilung davon schon öffentlich distanziert haben. Ich gebe das Beispiel nur um zu verdeutlichen, woher meine Schwierigkeiten mit solcher Musik und solchen Bands kommen. Das soll nicht heißen, dass die Musik als solches schlecht wäre. Nur das Vermischen von Realität und kruden Ideen finde ich gefährlich.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln