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Wie geht Midgard?!

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Kurna:
@Falcon

Perfekte Regelsysteme gibt es nunmal nicht. Irgendetwas muss man immer anpassen.

Was die 20 bei Fertigkeiten angeht, arbeiten wir manchmal mit einem "Zielkorridor".
D.h. z.B. eine 16 könnte schon ein "Gerade eben Erfolg" sein, eine 20 ein normaler und ab 24 wäre es ein guter Erfolg. Das könnte dann beim Klettern z.B. so ausgelegt werden, dass man es mit der 16 zwar geschafft hat, aber sich (etwa durch kurzes Abrutschen) Schürfwunden geholt hat (= AP-Verlust). Und mit der 24 wäre man vielleicht schneller als erwartet gewesen.

Tschuess,
Kurna

Falcon:
Der Zielkorridor von 16 ist ja quasi eine +4 Erleichterung.

Ich finde das Kampfsystem im großen und ganzen auch noch recht robust.
Allerdings ärgern wir uns teilweise wegen der zu harmlosen Tiere, da bemerkt man auch die niedrigen Skills. Habe meinen Spielern letzten Abend einen dämonisch besessenen Bären entgegengehetzt (Grad5). Der hatte 2 Attacken auf +9. Der Kampf gegen 3 SCs (Grad5) dauerte 3 Runden oder so, nach 10Minuten war der Bär platt. Er selber hat in der Zeit nur einmal getroffen und grandiose 4 Schaden angerichtet (davon nochmal 2 ab wegen Lederrüstung).
Sprich, drei Grad5 Kämpfer erledigen einen wilden Bären ohne Probleme, können aber kaum z.b. mit Pflanzenkunde vernünftig ein Sträuchlein finden.  


Ich will euch nicht den Absatz aus dem Grundbuch vorenthalten, den ich meinte, als ich von willkürlichen Mods sprach. Hier ist er in aller mathematischen, durchgerechneten Präzision und Pracht und "Richtigkeit":

Im folgenden Kapitel wird beschrieben, was die Abenteurer alles lernen können und was sie damit im Spiel ausrichten können. Außerdem findet der Spielleiter Anregungen, wann beim Klettern, beim Schleichen oder beim Ausüben anderer Fertigkeiten Abzüge und Zuschläge auf Erfolgswürfe angebracht sind. Im Gegensatz zu den grundlegenden Regeln im Buch der Gesetze sind diese Anmerkungen aber nur Ratschläge, die nicht sklavisch befolgt oder gar auswendig gelernt werden müssen. Sie sollen in erster Linie illustrieren, wie der Spielleiter spontan eigene Regeln improvisieren kann, wenn die aktuelle Situation im Spiel es verlangt.
::)

Rowlf:
Ich hatte vor kurzem ein längeres Gespräch mit Jürgen und schaffe es dadurch vielleicht, dir (Falcon) ein wenig weiterzuhelfen: Midgard war nie als durchdesigntes System entwickelt worden. Er und seine Mitspieler haben einfach seit Ende der 70er Jahre die Regeln immer wieder angepasst und erweitert - in den Dingen, die ihnen gerade wichtig waren. Es ging nie darum, das System von Grund auf in sich abgeschlossen zu machen, sondern einfach nur bei neuen Situationen eine Regelmöglichkeit zu haben, die zu ihrem Spielstil passte.

Midgard 4 ist das aktuelle Ergebnis dieses inzwischen wohl gut über 30-jährigen Prozesses. Da sind natürlich auch viele Wünsche, Anregungen und Vorschläge von Spielern und Fans eingeflossen. Jürgen hat tatsächlich jede Regeländerung oder -erweiterung durchgerechnet, ob sie in seine Welt und seine Vorstellung vom Spielen reinpasst. Insofern ist alles rund und stimmig und somit ist also alles bewusst so, wie er es für richtig hält. Es ist also angebrachter zu sagen, dass man die Entscheidungen oder den Spielstil blöd oder dumm findet, statt von irgendwelchen unbeabsichtigten Fehlern auszugehen.

Wenn man jetzt so wie Jürgen spielen mag und auch mit diesen Regeln locker umgehen kann, dann passt das eben. Ich mache das durchaus seit einigen Jahren mit viel Freude. Für mich stimmt es einfach, die Regeln geben mir den Halt, den ich brauche und die Mitspieler finden das Spiel herausfordernd und verlässlich. Man weiß, woran man ist und besondere, bislang nicht geregelte Situationen können recht einfach nach dem Vorbild der anderen Regeln glaubwürdig und berechenbar abgehandelt werden.

Übrigens ist Midgard nicht als "realistisch" gedacht und gewiss wird nichts simuliert. Die Regeln sollen nicht die Realität irgendwie wiederspiegeln, sondern einfach nur so spielbar sein, wie die Macher es wünschen und praktizieren. Es sollte nur plausibel und ausgewogen sein. Und das ist es für die Midgard-Spieler - sonst spielt man logischerweise etwas anderes (was ja die Mehrheit der deutschen Rollenspieler tut).

Jetzt bist du halt wegen der merkwürdigen Schwächen der NSC-Krieger irritiert. O.k., das sei dir unbenommen, ich kann durchaus deiner Argumentation folgen. Ich finde das jedoch völlig uninteressant. Ich muss nicht den Krieg zwischen NSC-Armeen mit Würfelorgien simulieren, sondern lege einfach für mich plausibel die Ressourcen der Parteien und davon abgeleitet den Verlauf fest. Wenn SCs dann vielleicht in diesen Krieg eintreten, wird mit dem Vergrößerungsglas herangegangen und die für die Spieler relevanten Aktionen anhand der Regeln abgehandelt. Der Rest wird dann plausibel anhand der Fakten und Festlegungen hochgerechnet. Bei Unsicherheiten kann man Wahrscheinlichkeiten festlegen und die Würfel entscheiden lassen. Ich brauche da nicht mehr.

NSCs würfeln nicht, wenn die Spieler nicht beteiligt sind - Ausnahme: Ich bin mir beim Ergebnis nicht sicher und/oder will mich überraschen lassen. Und auch die Spieler würfeln nicht, wenn die Aktionen logischerweise so einfach sind, dass ein Scheitern unmöglich ist. Warum lässt du würfeln, wenn für dich klar ist, dass das Sträuchlein aufgrund der Kenntnisse der Figur gefunden werden sollte? Die Regeln und das Würfeln kommt für mich erst ins Spiel, wenn der Ausgang ungewiss ist.

Hilft dir das weiter?

Gruß,
Rowlf

Falcon:
danke, das hilft mir weiter, auch wenn es genau den Eindruck bestätigt, den unsere Runde von Midgard hat. Oder wie es ein Mitspieler immer sagt:
"Midgard ist kein System, sondern die Hausregelsammlung von Frankes Runde."

Wie ICH das Spiel spiele ist ja gar nicht der Punkt. Bzw. es ist genau der Knackpunkt, denn ich spiele es ja auf meine Weise, weil ich keine Alternative habe.

Anekdote: Est letzten Abend haben wir ulkigerweise unabhängig voneinander parallel 2 Textstellen gefunden, die wir klären wollten, und haben erst beim Vortragen unserer Fragen erkanrnt, daß besagte Textstellen wohl Klarstellungen darstellen, die an irgendeinem Abend in der Vergangenheit bei irgendeiner Diskussion in Frankes Runde offensichtlich wohl notwendig waren, obwohl sie als Regeltext keinerlei Funktion erfüllen.
Die sind dann häufig der Struktur:  "Es ist unmöglich, daß  ... insbesondere wenn..."
Vielleicht ist klar, was ich meine.  Im Grunde ist das eine gewachsene Notizzettelsammlung, aber sicher nichts, mit dem eine Person mit wissenschaftlichem Verstand  ....  wirklich zufrieden sein kann.

Die Sache mit dem Durchrechnen: Was bleibt ist dein Wort. Schlussendlich kann man jedes, wirklich JEDES System genau auf dieses Argument herunterbrechen: "Egal was dabei rauskommt, die Statistik verhält sich genauso, wie ich es mir vorstelle". Klar, wer soll das anzweifeln, es steckt schliesslich nur im Kopf des Autoren.
Aber glauben wir das mal (ich habe keinen Grund es nicht zu glauben), dann, und das ist der Punkt, ist das noch lange kein Qualitätsmerkmal. Dann hat man immer noch den Eindruck, daß der Autor vielleicht gut in Mathe ist, aber ansonsten offensichtlich nicht weiss, was er tut ODER es ihm völlig egal ist oder: Wenn DAS Ergebnis genau die Welt und den Spielstil produziert, die sich der Autor vorstellt, dann frage ich mich was da oben vor sich geht.
Für mich ist ein Wirres Konzept mit Zahlen, die irgendwas produzieren, ausser einer glaubwürdigen Spielwelt, nichts womit mich jemand von seinen Mathekenntnissen überzeugen kann. Ich habe ja keine Möglichkeit es zu sehen, ich sehe ja nur welchen Spielstil es produziert, und der ist immer imaginär. Die Argumentationsreihenfolge ist dabei also genau verdreht.


Quintessenz: Selbst wenn man die Gedankenwelt von Franke mag, dann genügt DIESES Regelwerk NICHT um diesen Spielstil ohne Hilfe reproduzieren zu können. Dazu ist es als Anleitung einfach ungeeignet. Man hat immer noch einen riesigen Anteil an Raten und Interpretieren.

Dann gibt es zwei Möglichkeiten, entweder weiss er daß, dann ist er einfach gleichgültig oder er kann keine Rollenspiele schreiben und ist wirklich der Ansicht,  das dieses Buch den Spielstil neutral so wiedergibt, wie er ihn betreibt und daß es keine eleganteren Lösungen für exakt dieselben Probleme gibt, die das Buch versucht zu lösen.
Die Gültigkeit der Zahlen ist lediglich eine Grundvorraussetzung, auf die alles andere aufbauen muss. Aber sie ist nichts wert, wenn es nicht Reproduziertbar ist oder durch andere Regeln wie "macht Mods, die ihr wollt"  irrelevant werden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist nicht so, daß wir nicht ähnlich Schlimmes oder Schlimmeres (DSA, ED) gewöhnt sind, man KANN es ja als Basis nehmen, um daraus ein eigenes lauffähiges Rollenspiel zu machen. Es ist vielmehr so, daß wir auch den Vergleich mit den wesentlich BESSEREN Anleitungen unter den Rollenspielen kennen. Und deren Zahlen funktionieren meistens auch alle (oder man muss eben die Autoren fragen, ob die Zahlen stimmen ;) ).

Und, falls du dich immer noch wunderst, warum ich es spiele, die einzigen Pro Argument für Midgard sind für mich die relativ hohe Detaildichte und das niedrige Powerlevel der Regeln und die imho recht atmosphärische, etwas einseitige, aber dafür stringente Spielwelt mit viel keltischem Einschlag, inklusive klassischer Fantasy. Und das finde ich so nicht unbedingt unter den Rollenspielen.

Rowlf:

--- Zitat von: Falcon am 21.11.2010 | 23:41 ---danke, das hilft mir weiter,
--- Ende Zitat ---
Das freut mich, ehrlich! Schließlich habe ich mir ja auch wirklich Mühe mit dem langen Posting gegeben.


--- Zitat von: Falcon am 21.11.2010 | 23:41 ---[...]Im Grunde ist das eine gewachsene Notizzettelsammlung, aber sicher nichts, mit dem eine Person mit wissenschaftlichem Verstand  ....  wirklich zufrieden sein kann.[...]
--- Ende Zitat ---
Da wirst du sicherlich Recht haben, sage ich mal mit einem leisen Schmunzeln.

Ansonsten fände ich es wirklich interessant und sinnvoll, wenn du mal mit deinen Fragen, Theorien, Einsichten und Erklärungen Kontakt zu den Autoren aufnimmst und direkt kommunizierst. Oder zumindest sie einer wesentlich größeren Masse von Midgärdnern vorträgst - vielleicht lernen/erkennen sie, was sie falsch machen oder falsch verstehen. Jürgen Franke ist über seine Frau Elsa sehr leicht ansprechbar. Kontaktmöglichkeit postalisch, per Email oder Telefon findest du hier: http://www.midgard-online.de/cgi-bin/show?id=impressum Das sind wirklich nette und umgängliche Leute - ein freundliches, älteres Ehepaar eben.

Ansonsten kann ich dir nur noch das Midgard-Forum empfehlen. Da sind bestimmt einige blinde Fanbois (die man aber ignorieren kann), aber auch viele andere Autoren und ernsthafte Diskussionspartner. Schließlich ist der größte Teil der Midgardspieler inzwischen gut 40, Akademiker und meist ein wenig gesetzter. Die werden gut mit dir (vermutlich auch auf wissenschaftlichem Niveau) diskutieren können. Vielleicht bringst du ja mit deinen frischen Ansichten und Wahrnehmungen neuen Wind rein? Gerüchten zufolge wird dort über M5 (Midgard, fünfte Edition) diskutiert und Wünsche geäußert, die Jürgen wahrnimmt.

In diesem Sinne: Viel Spaß mit Midgard und/oder dem Schimpfen darüber!

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