Autor Thema: Intrigen/Politikspiel  (Gelesen 3247 mal)

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Offline Maarzan

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Intrigen/Politikspiel
« am: 20.06.2006 | 21:24 »
Bei Vorbereitungsüberlegungen zu einer Runde bin ich zu der Problematik der Intrigen/Politikspiele gekommen.

Was bei meinem kurzen Brainstorming herausgekommen ist, sind eher Kriminalfälle als Intrigen:

Schmutzwäsche
"Die Charaktere sollenbelastendes Material über jemanden finden oder ggf auch fingieren und deponieren"

Ehele(i)ute(d)
"Die Spieler sollen den reibungsfreien Verlauf einer Hochzeit (oder auch von Verhandlungen) sichern/verhindern"

Die Kernfragen sind daher:
1. Wie könnten weitere Beispiele zu Intrigen/Politikspiel aussehen?
2. Wie kann man die Charaktere der Spieler dabei einbinden - und zwar so, das sie auch wirklich etwas dabei in diese Richtung aktiv zu tun haben? Idealerweise sollte diese Einbindung auch mehrere Spieler umfassen und Platz für weitere Szenarien auf dieser Basis offen sein.
3. Welche Anforderungen müßten die Charaktere dann erfüllen (Fertigkeiten, Kontakte, Tischmanieren)?

Die kriminalnahen Fälle haben es dabei recht leicht, da sie auch kriminalnahe Fertigkeiten erfordern, welche zivile Gruppen vielleicht nicht aufbieten können. Dazu kann ein Fehlschlag oder öffentlich werden der Aktivitäten weiteren Statusverlust herbeiführen, so daß es naheliegt Fremde zu engagieren, von denen man sich leicht distanzieren kann.
Umgekehrt müssen die Charaktere nicht besonders eingebaut werden und nur die typischerweise bereits vorhandenen Fertigkeiten für diesen Run besitzen.
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Offline Dreadnought

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #1 am: 20.06.2006 | 23:22 »
1. ) Etwas weiteres Brainstorming:

Sie Spieler müssen Vertragsverhandlungen zu einem günstigen Abschluss führen, damit ihre Auftraggeber die einzigen sind, die Eisenerz von XY beziehen, ggf. indem sie andere Bieter ins Zwielicht rücken.

Geld regiert die Welt, man könnte den Spielern eine Falle stellen, in der sie sich bestechen lassen für eine Kleinigkeit und danach versuchen das ganze zu vertuschen, bzw. erpresst werden.

Wie sehen die Geld/Nachrichten Wege ins Heimatland, zu den Vorgesetzten aus?
Und wie die der Gegner? Hier bietet sich die Möglichkeit Nachrichten abzufangen, auszutauschen, möglichst so, dass es keiner merkt.
Andererseits müssen die Spieler einen gewissen Aufwand treiben, dass ihre Nachrichten/Geldwege sicher sind…
Hier gibt es die Möglichkeit verschlüsselte Texte einzubringen und Codes zu knacken.

Klassische Militärische Spionage. Schon eine einzelne Konferenz beim König sagt mehr über die Leibgarde, als ihm lieb ist.

Schmuggel hat als Grundlage Einfuhrbestimmungen, die als Grundlage wiederum Politik haben. (Insbesondere Waffenschmuggel könnte interessant aufzudecken/ zu verschleiern sein.)

2.+3.) Ich würde für eine Solche Kampagne die Spieler zu einer offiziellen Gesandtschaft einer Machtgruppe machen. Mit dem adligen Anführer/Diplomaten (Benehmen, Diplomatie, Fremdsprachen(!), Politik), dem Meuchler (Gift, Schleichen, Schauspielern), dem Bodyguard (Einschüchtern ist als Skill ein muss), die Hure (für Erpressung und Pillowtalk und Infiltartion), der berüchtigte Söldner, dessen Loyalität in Frage steht, der deswegen ideal für Infiltration anderer Gruppen ist, man sich aber fragen muss, ob man ihm trauen kann.

Eine Variante könnten die Erben mit Entourage sein, die sich bewähren sollen, bzw. auf Brautschau sind.

Die Aufgabe könnte in einem solchen Falle einfach lauten: „Gehen sie nach XY und vertreten sie unsere Interessen.“
Wobei die Gruppe im Zweifelsfall mal diskutieren darf, was eigentlich die Interessen des Auftraggebers sind.

Des Weiteren könnten die SC klassische Spezialisten for hire sein, wobei sie sich sowohl vorher kennen könnten, oder auch nicht. (ich weiß, nicht originel)

Ich denke, dass Politik und Intrigen Abenteuer am besten vor dem 20 Jhd. funktionieren, da die langsamen Nachrichten die Spieler öfters zum improvisieren zwingen.

Offline Maarzan

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #2 am: 21.06.2006 | 08:22 »
Ich möchte meine Frage noch einmal präzisieren, falls das oben nicht ganz klar geworden ist.
Ich wollte a) weg von den Kommandostilabenteuern, wie es z.B. alles weäre, was Anschläge oder Einbrüche erfordern würde.
Des weiteren wollte ich b) Sitautionen, wo die Charaktere bzw. deren Spieler wirklich eingebunden sind, sie also die möglichkeit haben relevante Entscheidungen zu treffen, antelle einfach nur Aufträge nach Rezept auszuführen, einfach nur dabei zu sein oder das ganze auf nur eine Entscheidung reduziert wird. Für de Spieler wäre es schön, wenn die Situation so wäre, dass die Spieler nicht nur würfeln müßten sondern die Situation so aufbereitet wäre, das die Spieler selbst genügend Informationen haben die Entscheidungen zu treffen.
Insbesondere für Verhandlungen müssen die Verhandelnden eine Ahnung haben, wie sie Situation ist, was sie wollen und was sie anbieten können. Gerade hier kommt es ggf. auf Details an, die dem ganzen die Würze geben würden.
Höfische intrigen wären das Schachern um Posten und Pfründe und das Vorbereiten einer Position, die das Erlangen selbiger erleichtert. Aber auch hier ist das Problem eine Situationsbeschreibung und Resolution zu finden, welche eine Spielerbeteiligung ermöglicht jenseits von letztendlich willkürlichem "Ich möchte haben" und folgendem "wird schon funktionieren".
Ich will also eine detailliertere Betrachtung nicht unbedingt allein von der Situation, sondern auch eine Beantwortung der Frage "Was machen Charakter/Spieler da" und was muss gegeben sein, damit die dort sinnvoll etwas machen können.

Codes knacken wäre z.B. ein Stilelement, aber letztendlich wird es eine Skillfrage sein.
Spionage/Schmuggel liegt an der Grenze zu Kommandoaktionen. Ohne solche ist es wohl eher ein beobachten und zählen bzw. ein Verstecken und Hoffen auf passende Würfe .

Ein Wechselspiel von Gefälligkeiten, gewährten und geschuldeten (incl. Bestechungen) wäre schonnäherliegend, aber dabei muss etwas ausgearbeitet werden, was den Spielern einen Eindruck gibt, was es gibt (i.e. was sie haben wollen), was sie bieten können und was die möglichen Komplikationen sind) Dies erfordert aber eine sehr detailliert und formell ausgearbeitete Spielumgebung - die sich die Spieler auch in dieser Tiefe reinziehen müßten. Ob das nahegebracht werden kann, muß ich leider bezweifeln. Klassische Crunchspiele würden dagegen wohl eher mager aussehen und für viele interessantere Bereiche abdecken.
Ähnliches gilt im Gerangel um Pfründe. Auch da sind zumindest Grundvorstellungen von der damit verbundenen (langweiligen ?) Funktionalität verbunden.

Gibt es also Beispiele, wo die obigen Anforderungen bzgl Spielerbeteiligung ohne den typischen Kommandostil erfüllt sind und wie sieht die Abschätzung der Anforderungen aus?
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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #3 am: 21.06.2006 | 08:29 »
Da hilft es wohl nur einen der SC in eine Machtposition zu bringen, in der Entscheidungen zu fällen hat. Sobald er da, kontaktieren ihn natürlich Leute:
1) Die Lobby, die denkt, der Neue wäre leicht zu beeinflussen.
2) Die Unterdrückten, die denken, der Neue wäre nicht so korrupt wie der Rest.
3) Die Feinde, die versuchen, ihm den Gar auszumachen.

Die anderen SCs würden dabei dann zum Stab des Ermächtigten.

tyrarachsa

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #4 am: 21.06.2006 | 12:30 »
Mal eine Zwischenfrage. Was für ein System willst du spielen?

Offline Bitpicker

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #5 am: 21.06.2006 | 15:23 »
Ich hätte da vielleicht ein Beispiel aus einer Vampire-Chronik, die ich mal spielen wollte; allerdings war den Spielern die Entscheidungsfreiheit zu ungewohnt (wohl-dressierte Auftragsempfänger), weshalb die Kampagne im Sande verlaufen ist. Vielleicht reaktiviere ich sie mal.

Ausgangspunkt war das Quellenbuch 'Berlin bei Nacht', welches bis zum Wechsel auf den Ansatz, die SC-Interessen in den Vordergrund zu stellen, Material für vier andere Abenteuer geliefert hatte, damit sich die SC in der Vampirgesellschaft Berlins eingliedern konnten. Das Intrigen- oder Politikspiel begann damit, dass die beiden Prinzen von West und Ost vernichtet wurden. Ich hatte als SL natürlich einen Schurken vorgesehen, der das initiiert hatte, aber auch mehrere Machtgruppen, die auf diese Situationsänderung irgendwie reagieren mussten. Die SC waren quasi eine dieser Gruppen.

Ich hatte nicht vorausgeplant, wie alles verlaufen und ausgehen sollte, hatte allerdings recht genaue Vorstellungen von den Plänen aller Machtgruppen außer den SC, von denen einige den SC natürlich auch nahestanden. Weil es aber eine Situation war, in der die Karten quasi neu gemischt wurden, war es für die SC möglich, frei Bündnisse einzugehen, sich selbst gute Positionen zu erwirtschaften usw. Die Handlungen der SC sollten natürlich Auswirkungen auf den weiteren Verlauf haben usw.

Als Resultat würde ich sagen, dass es gut ist, zu Anfang so etwas wie eine Relation Map diverser NSCs und SCs zu haben, und die SCs sollten auch keine rein abhängigen Befehlsempfänger sein. Eine Chaos-Situation wie nach dem Verlust der etablierten politischen Struktur ist auch hilfreich. Der SL sollte einen guten Überblick über die Pläne der verschiedenen Fraktionen haben und diese dauernd re-evaluieren. Die Spieler sollten von vornherein ermutigt werden, eigene Pläne zu entwickeln. Das ist auch der Punkt, an dem es bei uns gescheitert ist: obwohl ich es genau so deutlich gesagt habe, haben sie doch irgendwie die ganze Zeit darauf gewartet, dass jemand kommt und sie beauftragt, etwas über den Mord an den beiden Prinzen von Berlin herauszufinden.

Robin
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Eulenspiegel

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #6 am: 21.06.2006 | 19:54 »
Ein paar Ideen:
1) Die SCs erben eine Baronie. - Leider liegt die Baronie an der Grenze zweier verfeindeter Staaten. (Zugegeben: Die Idee ist aus Might and Magic  geklaut.)

2) Die SCs sind an Bord eines Schiffes, das aufbricht, einen neuen Kontinent zu entdecken. (Oder den Seeweg nach Indien.)
Optimalerweise sind die SCs bereits in höherrangigen Positionen: Kapitän, 1. Offizier, Navigator oder sie sind Rädelsführer der Meuterer.

Jedenfalls strandet das Schiff dann am neuen Kontinent und die SCs müssen den AUfbau organisieren, mit den Einheimischen verhandeln, sich überlegen, ob sie das Schiff auseinandernehmen, um daraus ein Dorf zu bauen, oder ob sie das Schiff reparieren und zurück nach "Europa" schicken.

3) Analog zu oben: Bloß jetzt sind sie eine Raumschiffbesatzung, die einen neuen Planeten kolonisieren soll.

4) "Der König ist tot, es lebe der König!"
Die SCs leben in einem Staat, der in die Anarchie verfällt. (Hauptursache kann eine geglückte Revolution sein, nach der sich die Revolutionäre gegenseitig zerfleischen.)
Natürlich gibt es zig Machtgruppen, die das Machtvakuum füllen wollen.
Die SCs können sich nun aussuchen, für welche Gruppe sie arbeiten, oder ob sie die Gruppen gegeneinander ausspielen, um am Schluss der lachende Dritte zu sein.

5) "Für eine Handvoll Dollar"
Hier kommen die SCs als Neulinge in ein System, dass sehr feudal geprägt ist. (Also sehr breite aber nicht hohe Hierarchie)
Auch hier versuchen die SCs das beste aus ihrer Situation zu machen und innerhalb einer Gruppe langsam aufzusteigen. (Dazu gehört es nunmal auch, nicht nur die gegnerischen Gruppen zu schädigen, sondern auch gegen seine Vorgesetzten zu intrigieren bzw. im richtigen Augenblick überzulaufen.)

Offline Maarzan

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #7 am: 22.06.2006 | 09:30 »
@ EIn
Den PC selbst in die Machtposition zu bringen ist sicher ein guter Weg. Intrige und Politikspiel entwickeln sich dann aus seinen Aktionen nahezu von selbst um ihn herum. Die Probleme die ich sehe sind, das der Spieler genug vom Hintergrund und auch alltäglichem Geschäft wissen muß, um auch wirklcih Entscheidungen treffen zu können und der Spielleiter muß unterstützt werden um sinnvolle und konsistente Reaktionen zu erzielen. Wenn beide raten müssen was so Sache ist, sind es meines Erachtens nicht wirklich gehaltvolle Entscheidungen.

Wenn der Charakter eher unerwartet und so unqualifiziert zum Posten kommt, kann man die Spielerseite etwas leichter handhaben, außer der Spieler denkt daran sich beraten zu lassen. Der Spielleiter muß aber wissen, was Sache ist und welche Folgen die Aktionen haben.

@tyrarachsa
Ich schreibe an einem eigenen (Fantasy-)System mit Lebenslaufanalyse als grundlegendes Charakterbausystem. Dazu brauche ich eine Welt, die ich auch gerade am gestalten bin. Den augenblicklichen Stand wollte ich einmal antesten, voraussichtlich mit einem vermanschten DSA4 oder Rolemaster. Bei der Durchsicht der möglichen Szenarien bin ich auf diese generelle Lücke/Problematik in dieser Richtung gestoßen, unter anderem weil hier das Problem der noch nicht informierten Spieler am größten ist. (Das Abenteuer wird daher auch mit Sicherheit nicht ein primär politisches. Ich wollte mir nur auch zu diesem Bereich mal Gedanken machen)

@ Bitpicker
Relationshipmaps sind nahezu zwingend um alleine die Mitspieler im politischen Spiel zu platzieren. Aber im Gegensatz zu einer rein taktischen (wie sonst üblichen) Zielsetzung ist das Feld der möglichen Werkzeuge und Spielfelder weitaus größer und schwieriger zu beschreiben (was meines Erachtens auch der Grund für das Fehlen von Regelhilfen ist - Kampf und Magie sind einfach so viel einfacher zu regeln, sind "flashiger" und errecihen damit auch noch mehr Kunden)
Kriminalistische Ansätze (wie es auch eine Mordaufklärung wäre) sind dabei sicher noch die leichtesten Szenarien, weshalb ich sie aus dieser Betrachtung auch auslassen wollte.
Bleibt die Frage, was geht sonst?

@ Eulenspiegel
1.) Baroniespiele mag ich persönlich sehr. Allerdings läßt das Interesse der meisten Mitspieler schnell nach und auch die Spielleiter die ich bisher getroffen habe schwenken sehr schnell wieder auf klassische Plots um. Dabei gibt es auf dieser Ebene sogar eine gewisse Unterstützung (Harnmanor z.B.) aber vermutlich ist es den meisten Leuten auf dieser Ebene nicht spektakulär genug und zu viel Arbeit.

2+3) Haben für mich nicht direkt Intrigen/Politikflair (obwohl es am Rande natürlich vorkommt). Würde ich eher als Überlebens/Entdeckungs oder Eroberungsszenario sehen.

4+5) hören sich für mich so wie geschildert zu oerflächlich an,als das ich mir darunter etwas direkt im Spiel umsetzbares vorstellen könnte. Was sollen die SC machen, welche Entscheidungen können sie trffen und auf welcher Informationsbasis?

Ich überlege, ob Intrigen/Politikspiel, wenn man über das Herumführen neuer Kleider auf einem Ball hinwegsieht, nicht in erster Linie eins ist :"Hartwurst".
Wie schon von Dreadnought gesagt: Geld regiert die Welt und letztendlich handelt Diplomatie von der Verteilung und Ausbeutung von Ressourcen, bzw. der Sicherung der Mittel um auf diese Verteilung Einfluß zu nehmen. Und das ist ein ganz schön breites Feld mit einer Menge zu betrachtender Details, darunter einer Menge Dinge, die eher an Buchhaltung den an Glorie der einen oder anderen Art erinnert.
(Und damit hat es leider eher wenig Freunde)
Was dem Dungeoneer Stufen, Ausrüstung und EP sind, sind dem Politiker Posten, Kontakte/Verpflichtungen und Einkommen - und die wollen eigentlich mit ähnlicher oder mehr Detailtiefe versehen sein, ohne dieselbe Ausstrahlung zu haben, die den Aufwand vergessen lassen.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Eulenspiegel

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #8 am: 22.06.2006 | 21:48 »
2+3) Haben für mich nicht direkt Intrigen/Politikflair (obwohl es am Rande natürlich vorkommt). Würde ich eher als Überlebens/Entdeckungs oder Eroberungsszenario sehen.
OK, das klassische Flair fehlt natürlich.
Aber ansonsten kommt durchaus beides vor:
Intrige: Der Kommandant ist unfähig, ich kann das viel besser.
Der Kommandant ist ein verweichlichtes Arschloch, der mit den Indianern verhandelt. / Der Kommandant ist ein sadistisches Arschloch, der die Indianer gnadenlos niedermetzelt.

Gründe, um gegen seinen Chef zu sein, gibt es genug. - Und dann muss man natürlich intrigieren, um ihn abzusetzen.
Aber es stimmt, dass die Intrigen wesentlich harmloser ausfallen, wenn man um's nackte Überleben kämpft. - Dann muss man in erster Linie zusammenhalten. (Intrigen finden zwar statt, sind aber wesentlich schwächer ausgeprägt als bei funktionsfähigen Staaten.)

Politik: Kommt darauf an, was man unter Politik versteht. Im Grund ebesagt doch Politik nur, dass man das aktuelle System am Laufen halten soll und versucht, dieses zu verbessern. Ob man jetzt ein großes System wie Deutschland oder ein kleines System wie ein einzelnes Schiff hat, spielt dabei keine Rolle. Die prinzipiellen politischen Wirkungsweisen sind die selben.

Zitat
4+5) hören sich für mich so wie geschildert zu oerflächlich an,als das ich mir darunter etwas direkt im Spiel umsetzbares vorstellen könnte. Was sollen die SC machen, welche Entscheidungen können sie trffen und auf welcher Informationsbasis?
OK, als Beispiel Setting kann man für 4) Deutschland 1918 nehmen:
Der Krieg ist verloren, der Kaiser vertrieben.
Die Kapitulation ist zwar noch nicht unterschrieben, aber das ist nur noch eine Frage der Zeit.

Von diesem Setting Hintergrund kann man sich jetzt überlegen, was man spielen will:
- Der Soldat, der keine Lust hat, in einem eh schon verlorenen Krieg doch noch zu sterben: Also berät er sich mit Kameraden und plant die Desertation bzw. eine Meuterei.
- Beamte, die sehen, wie das Kaisertum vergeht, und die versuchen zu retten, was noch zu retten ist.
- einfache Zivilisten, die jetzt die Möglichkeit sehen, aufzusteigen.
- Sozialisten, die die Geschehnissse in Russland beobachten und dies als Inspiration/Abschreckung sehen und ihre eigen Sicht vom Sozialismus durchsetzen wollen.
- Nationalisten, die versuchen, Deutschland stark erscheinen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Friedensbedingungen möglichst Milde ausfallen.
- Leute, die Freunde in den USA oder Frankreich haben und deswegen einen möglichst schnellen Frieden herbeizurufen. (Mit der Hoffnung, dass sich die Allieerten anschließend auch um die inneren Unrughen kümmern.)
- zig andere Gruppen, die auch jeweils eigene Interessen hatten.

Was kann man nun tun?
- Nun, zum einen kann man mit anderen Gruppen verhandeln bzw. sie bestechen/erpressen/um Hilfe bitten.
- Man kann auch versuchen, große Teile der Bevölkerung von der eigenen Sache zu überzeugen.
- große Teile des Staatsapparates funktionieren noch, sind aber am Zerfallen. Man könnte versuchen, diese zu übernehmen, solange sie noch funktionsfähig sind. (Wenn man Einfluss auf Post oder Polizei hat, verschafft einem das auch weiterreichenden Einfluss.)
- Man könnte Separationsbestrebungen haben und versuchen, ein Gebiet Deutschlands für unabhängig zu erklären.
- Sobald sich der neue Staatsapparat abzeichnet, kann man versuchen, daran beteiligt zu werden. (Damals galt Parität als wichtige Eigenschaft von entscheidenden Gremien. - Wenn man es also schaffte, einer passenden Gruppierung anzugehören, hätte man gute Chancen, auch ins Gremium zu gelangen.)

Zitat
Ich überlege, ob Intrigen/Politikspiel, wenn man über das Herumführen neuer Kleider auf einem Ball hinwegsieht, nicht in erster Linie eins ist :"Hartwurst".
Hartwurst ist ja vor allem das Ausspielen von Sachen, die einem nicht interessieren.
Für mich wäre also das Herumführen von neuen Kleidern Hartwurst. ;)

Man sollte halt versuchen, den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten.

Zitat
Was dem Dungeoneer Stufen, Ausrüstung und EP sind, sind dem Politiker Posten, Kontakte/Verpflichtungen und Einkommen - und die wollen eigentlich mit ähnlicher oder mehr Detailtiefe versehen sein, ohne dieselbe Ausstrahlung zu haben, die den Aufwand vergessen lassen.
Von zuviel Detailtiefe rate ich ab. Sonst kommst du nämlich in den Bereich des Mikro-Managements. Und das ist dann eher eine Wirtschaftsspiel anstatt RPG.

Hier mal ein paar regeltechnische Ideen. (Ich habe nicht groß darüber nachgedacht. Sie sind mir halt ad hoc eingefallen.)
1) Soziale Kontake: Besteht aus 4 Werten: Name der Kontaktperson, Amt der Kontaktperson, Höhe der Loyalität, Art der Loyalität (Freundschaft, beruflich, etc.)
2) Eigene Posten: Name des Posten, Bereich (Militär, Wirtschaft, Propaganda etc.), Hohe des Einflusses (Wie hoch ist der Posten innerhalb der Hierarchie?1 bedeutet, die bist im Prinzip nur ein einfacher Angestellter. 20 bedeutet, du bist der neue Bundeskanzler), Einkommen

Offline Maarzan

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #9 am: 24.06.2006 | 09:39 »
OK, das klassische Flair fehlt natürlich.
Aber ansonsten kommt durchaus beides vor:
Intrige: Der Kommandant ist unfähig, ich kann das viel besser.
Der Kommandant ist ein verweichlichtes Arschloch, der mit den Indianern verhandelt. / Der Kommandant ist ein sadistisches Arschloch, der die Indianer gnadenlos niedermetzelt.

Gründe, um gegen seinen Chef zu sein, gibt es genug. - Und dann muss man natürlich intrigieren, um ihn abzusetzen.
Aber es stimmt, dass die Intrigen wesentlich harmloser ausfallen, wenn man um's nackte Überleben kämpft. - Dann muss man in erster Linie zusammenhalten. (Intrigen finden zwar statt, sind aber wesentlich schwächer ausgeprägt als bei funktionsfähigen Staaten.)

Politik: Kommt darauf an, was man unter Politik versteht. Im Grund ebesagt doch Politik nur, dass man das aktuelle System am Laufen halten soll und versucht, dieses zu verbessern. Ob man jetzt ein großes System wie Deutschland oder ein kleines System wie ein einzelnes Schiff hat, spielt dabei keine Rolle. Die prinzipiellen politischen Wirkungsweisen sind die selben.

Danach wäre aber alles Politik. In den beschriebenen Fällen gibt es zunächst einmal (typischerweise) keine höhere Instanz als den Kapitän. Es bleibt also nur die Meuterei und als Vorbereitung dabei die Suche nach Mitmeuterern - falls man selbst nicht stark genug ist das Ding durch zu ziehen. Das ist einmal eine einmalige Sache und die soziale Interaktion meines Erachtens nur Beiwerk zur eigentlichen Herausforderung der Meuterei.

Zitat
OK, als Beispiel Setting kann man für 4) Deutschland 1918 nehmen:
...

Von diesem Setting Hintergrund kann man sich jetzt überlegen, was man spielen will:
- Der Soldat, der keine Lust hat, in einem eh schon verlorenen Krieg doch noch zu sterben: Also berät er sich mit Kameraden und plant die Desertation bzw. eine Meuterei.
siehe oben

Zitat
- Beamte, die sehen, wie das Kaisertum vergeht, und die versuchen zu retten, was noch zu retten ist.
- einfache Zivilisten, die jetzt die Möglichkeit sehen, aufzusteigen.
- Sozialisten, die die Geschehnissse in Russland beobachten und dies als Inspiration/Abschreckung sehen und ihre eigen Sicht vom Sozialismus durchsetzen wollen.
- Nationalisten, die versuchen, Deutschland stark erscheinen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Friedensbedingungen möglichst Milde ausfallen.
- Leute, die Freunde in den USA oder Frankreich haben und deswegen einen möglichst schnellen Frieden herbeizurufen. (Mit der Hoffnung, dass sich die Allieerten anschließend auch um die inneren Unrughen kümmern.)
- zig andere Gruppen, die auch jeweils eigene Interessen hatten.

Was kann man nun tun?
- Nun, zum einen kann man mit anderen Gruppen verhandeln bzw. sie bestechen/erpressen/um Hilfe bitten.
- Man kann auch versuchen, große Teile der Bevölkerung von der eigenen Sache zu überzeugen.
- große Teile des Staatsapparates funktionieren noch, sind aber am Zerfallen. Man könnte versuchen, diese zu übernehmen, solange sie noch funktionsfähig sind. (Wenn man Einfluss auf Post oder Polizei hat, verschafft einem das auch weiterreichenden Einfluss.)
- Man könnte Separationsbestrebungen haben und versuchen, ein Gebiet Deutschlands für unabhängig zu erklären.
- Sobald sich der neue Staatsapparat abzeichnet, kann man versuchen, daran beteiligt zu werden. (Damals galt Parität als wichtige Eigenschaft von entscheidenden Gremien. - Wenn man es also schaffte, einer passenden Gruppierung anzugehören, hätte man gute Chancen, auch ins Gremium zu gelangen.)

Das ist mir noch zu oberflächlich, bzw. es sind nur Schlagworte zu/ Schnappschüsse von (zu) kleinen Einzelelementen aus dem großen Gesamtbild, um für ein Spiel nutzbar zu sein.
Die meisten Punkte weren mehr neue Fragen auf, als sie beantworten:
wen und womit bestechen, wie sieht so ein Einfluss letztendlich aus, wie komme ich in Schlüsselpositionen, was kann ich da dann tun.
Es fehlen Hinweise, wie das Angedeutete dann jeweils durchzuführen wäre in einer Weise, daß der Spieler daran beteiligt wird, d.h. wie das im Spiel dann aufzudröseln wäre und eine Handlungsresolution durchzuführen wäre.

Nehmen wir also ein kleines Städtchen, welches in Aussicht hat in den nächsten ein,zwei Wochen vom anrückenden Feind besetzt zu werden. Jeder Spieler ist leitender Vertreter einer örtlichen Fraktion: Polizeichef, Bürgermeister, Bauernrat, Chefredakteur der Lokalzeitung, Parteichef einer der Ratsparteien, Minderheitenvertreter (ggf. im Untergrund) ... . (Damit ist den Spielern zumindest schon mal eine Handlungsbasis gegeben)

Es müßte jeder Vertreter wissen, was die Einstellung/Ziele und die Ressourcen seiner Fraktion sind (zusätzlich zu den eigenen). Dazu müßte er wissen, welche Rechte und Pflichten sich nominell aus seiner Position ergeben. Es müßte auch eine Vorstellung darüber geben, wie die Posten überhaupt besetzt werden, um ggf. Leute auszutauschen oder sich gegen Absetzungsversuche zu wehren.
Des weiteren bräuchte man Mechaniken, um festzustellen in wie weit die eigene Fraktion aktiviert werden kann. Dazu kommt und ist verbunden die öffentliche Meinung und ihre Manipulation.
Je nach Entwicklung der Lage müßte es auch Vorstellungen über die allgemeinen Ressourcen geben, z.B. um fest zu stellen, ob man den Ort doch verteidigen könnte oder zumindest den Anschein erwecken könnte dazu in der Lage zu sein um günstigere Verhandlungen führen zu können.
Der Speilleiter müßte entsprechende Informationen nun auch noch für weitere Fraktionen bei Freund und Feind besitzen und Informationen um deren Reaktionen ermitteln zu können, z.B. auf Bestechungsversuche etc.

Zitat
Hartwurst ist ja vor allem das Ausspielen von Sachen, die einem nicht interessieren.
Für mich wäre also das Herumführen von neuen Kleidern Hartwurst. ;)

Da habe ich eine unbewußte (und wahrscheinlich unzulässige) Ergänzung meiner Vermutung/Beobachtung dessen betätigt, was die meisten nicht zu interessieren scheint:
Alles was nicht schnell und ohne Aufwand einen Coolnessgewinn aufzeigt.
Und wer schon die Frage nach Intrige/Politik stellt -häufig im Gegensatz zu Kampf und Taktik - schien mir dem Präsentieren von Statussymbolen durchaus zugeneigt. Für anders interessierte wäre natürlich genau das uninteressant.

Zitat
Man sollte halt versuchen, den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten.
Von zuviel Detailtiefe rate ich ab. Sonst kommst du nämlich in den Bereich des Mikro-Managements. Und das ist dann eher eine Wirtschaftsspiel anstatt RPG.

Solange die Person und (freien) Entscheidungen des Charakters im Mittelpunkt stehen, ist ein Spiel meines Erachtens mit Sicherheit noch Rollenspiel - vielleicht kein Rollenspiel dessen Fokus jeder mag.
Um aber Entscheidungen treffen zu können muss man Informationen haben. Da die wenigsten Leute wirklich die Kenntnisse ihres Charakters haben, müssen diese Informationen formalisiert werden und so über die Regeln allen Beteiligten zur Verfügung stehen.
Nicht Rollenspiel würde ich etwas eher nennen, wenn die Regeln so grob werden, dass der Inhalt der SIS bzw. deren Wechselwirkungen nicht mehr ausreichend abgebildet werden, Entscheidungen also trivialisiert werden oder gar nicht mehr sinnvoll möglich sind.
Beispiel:
Auch ein RPG mit Fokus auf taktische Gefechte kann keine Realität abbilden, aber ein einfacher Wurf Gefecht gewonnen oder nicht, möglichst noch ohne Berücksichtigung möglicher Taktiken oder externer Einflüsse und Ausrüstung ist am Ende ein Würfelspiel. Mit der Formalisierung über Regeln erlaubt man allen auf gemeinsamer Basis am Spiel teil zunehmen und unter dem gewählten Fokus Entscheidungen zu treffen.
Entsprechendes würde ich auch bei anderen Foki erwarten und bei der Bandbreite von Politik und sozialem Geschehen (und Wirtschaft letztendlcih immer als Grudnlage davon) ist das ungleich komplexer als beim Schädeleinschlagen.

Entsprechend halte ich die Regelvorschläge auch für nicht ausreichend (War im Detail aber auch nicht Primärziel der Frage, so dass ich das nicht vertiefen will).

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Eulenspiegel

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #10 am: 24.06.2006 | 18:42 »
Danach wäre aber alles Politik. In den beschriebenen Fällen gibt es zunächst einmal (typischerweise) keine höhere Instanz als den Kapitän.
Solange man auf dem Schiff ist, hast du (teilweise) recht.
1) Der Kapitän ist zwar auf dem Schiff das, was der Kaiser auf dem Land ist. - Aber wie der Kaiser auf dem Lande muss der Kapitän auf dem Schiff achtgeben, was er tut, damit seine Untergeben nicht unzufrieden werden.
2) Es gibt vielleicht nicht nur Besatzung, sondern auch Passagiere. Denen kann der Kapitän nicht so einfach Befhele erteilen.
3) Der Kapitän ist der Chef an Bord. Was ist aber, wenn das Schiff gestrandet ist? Wer sagt denn, dass der Kapitän noch immer der Chef ist? Vielleicht fühlen sich einige Besatzungsmitglieder/Passagiere eher berufen, die Leitung zu übernehmen. Hier muss der Kapitän dann auch durch soziale Interaktion beweisen, dass er etwas als Anführer taugt.

Zitat
Es bleibt also nur die Meuterei und als Vorbereitung dabei die Suche nach Mitmeuterern - falls man selbst nicht stark genug ist das Ding durch zu ziehen. Das ist einmal eine einmalige Sache und die soziale Interaktion meines Erachtens nur Beiwerk zur eigentlichen Herausforderung der Meuterei.
Die Meuterei ist eine einzelne Sache.
Aber du behandelst das "Suchen nach Mitmeuterern" in einem Nebensatz. Meines Erachtens wäre dass der Haupt-Fokus in diesem Abenteuer.

Zitat
Das ist mir noch zu oberflächlich, bzw. es sind nur Schlagworte zu/ Schnappschüsse von (zu) kleinen Einzelelementen aus dem großen Gesamtbild, um für ein Spiel nutzbar zu sein.
Da ist das Problem:
Da die Spieler große Handlungsfreiheit haben, kann ich dir schlecht eine ganze Kampgane erzählen. - Denn meine Schlagworte sind ja auch nur Aufhänger. Wie sich die Kampagne entwickelt, hängt doch total von den Spielern ab. - Vielleicht verbünden sie sich mit den Allierten oder den Russen. Vielleicht kapitulieren sie. Vielleicht kämpfen sie weiter. - Vielleicht fliehen sie/wandern sie aus.

Was genau passiert, hängt von den Spielern ab. Und deswegen ist es schwer, hier eine ganze Kampagne zu erzählen.
Das einzige, was man machen könnte wäre zu sagen: Wenn die SCs so handeln, dann würde die Umwelt so reagieren. Wenn die SCs darauf hin so reagieren, dann würde das passieren etc.

Zitat
Die meisten Punkte weren mehr neue Fragen auf, als sie beantworten:
wen und womit bestechen, wie sieht so ein Einfluss letztendlich aus, wie komme ich in Schlüsselpositionen, was kann ich da dann tun.
Das sollen sich ja die SCs überlegen.
Wäre ja langweilig, wenn man ihnen ein Buch vor die Nase setzt mit dem Titel: "Bundeskanzler werden in 10 Schritten"
Schritt 1: Bestechen sie diesen und jenen
Schritt 2: Besorgen sie sich Belastungsmaterialv on xyz
Schritt 3: ...

Hier sollte sich der SC bzw. Spieler schon selber überlegen, wie er in eine Schlüsselposition kommt.

Zitat
Es müßte jeder Vertreter wissen, was die Einstellung/Ziele und die Ressourcen seiner Fraktion sind (zusätzlich zu den eigenen).
Muss er das?
Eine Fraktion besteht aus einem Zusammenschluss von Leuten, die ein gemeinsames Interesse haben. Das gemeinsame Interesse ist imho recht klar (und kann sich im Verlauf der Kampagne evtl. ändern).
Die anderen Interessen der einzelnen Mitglieder sind nicht unbedingt klar.

Nehmen wir den SC, der Polizeichef ist.
Das gemeinesames Interesse der Polizei ist recht offensichtlich: Für Recht und Ordnung soprgen und die Kriminalität bekämpfen.
Wie der einzelne Polizist dazu steht, ist aber unbekannt: Vielleicht sind einige von der örtlichen Mafia bestochen und drücken ein Auge zu.
Wieder ein anderer Polizist sympathisisert mit den Alliierten.
Der dritte Polizist ist aus Überzeugung zur Polizei gegangen und erledigt seinen Job mit vollem Elan.
Der 4. Polizist hat den Job nur des Geldes wegen angenommen und weil dies eine Möglichkeit war, sich vor dem Kriegsdienst zu drücken.
Der 5. Polizist ist Karrieregeil und will den Posten des Polizeichefs.

Was also die Einzelmotivationen der Polizisten sind, ist dem Polizeichef unklar.

Zitat
Dazu müßte er wissen, welche Rechte und Pflichten sich nominell aus seiner Position ergeben. Es müßte auch eine Vorstellung darüber geben, wie die Posten überhaupt besetzt werden, um ggf. Leute auszutauschen oder sich gegen Absetzungsversuche zu wehren.
Ja, das sollte er wissen. Das sind allerdings Setting Beschreibungen und nicht Teil des Regeltextes.

Möchtest du das von uns hören? Was für Posten gibt es, und wie werden diese vergeben?

Zitat
Des weiteren bräuchte man Mechaniken, um festzustellen in wie weit die eigene Fraktion aktiviert werden kann. Dazu kommt und ist verbunden die öffentliche Meinung und ihre Manipulation.
Wozu Mechaniken?
Imho ergibt sich das recht offensichtlich aus dem Hintergrund.
Man braucht keinen einzigen Regelmechanismus, um festzustellen, ob sich die Presse jetzt einschaltet oder nicht falls man selber Pressechef ist.

Falls man kein Pressechef ist, ergibt sich das aus dem Loyalitätswert: Du machst eine Probe auf die Loyalität des Reporters (deiner Verbindung im Pressewesen).
Gelingt die LO Probe, wir er sich der Sache annehmen und ein paar Artikel veröffentlichen.
Misslingt die Probe, hat er gerade interessantere Sachen vor.

Oder du verzichtest auf den LO Wurf und spielst das Gespräch mit dem Reporter aus.

Zitat
Je nach Entwicklung der Lage müßte es auch Vorstellungen über die allgemeinen Ressourcen geben, z.B. um fest zu stellen, ob man den Ort doch verteidigen könnte oder zumindest den Anschein erwecken könnte dazu in der Lage zu sein um günstigere Verhandlungen führen zu können.
Ja, aber das hat dann wenig mit Politik/Intrige zu tun, sondern geht dann wieder in den Bereich Taktik.
Und hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass man als SL ganz einfach improvisieren kann.
Wenn mich ein Spieler fragen würde: "Wie sieht es eigentlich mit der Verteidigungskraft unserer Stadt aus?", würde ich ganz spontan antworten: "ca. 400 Frauen, 100 Männer im Wehrfähigen Alter, 40 Greise, 50 Kinder zwischen 14 und 18 Jahren, 400 Kinder unter 14 Jahren.
Die 100 wehrfähigen Männern bestehen aus: 8 Polizisten, 3 Verbrecher im Knast, 20 Veteranen aus dem 1. Weltkrieg, 20 Ausländer, 30 Leute mit einer Waffe aber ohne militärische Ausbildung, 10 Ärzte, 10 Leute ohne Waffe.
Dazu kommen noch einige Flüchtlinge von der Front (vermutlich einige Deserteure unter ihnen). Ihr könnt ihre Zahl nicht genau sagen, schätzt sie aber auf ca. 50 Männer.

Des Weiteren hat die Innenstadt natürlich eine Mauer. Der Hauptteil der Stadt liegt allerdings außerhalb der Mauer. Geographische Lage ist *blablub* (Da ich in einer echten Stadt spielen würde, hätte ich vorher die Stadt schonmal auf einer Karte rausgesucht und würde ihnen jetzt die Landkarte präsentieren.)"

So, das wäre das, was ich in dem Augenblick frei improvisiert hätte und den Spielern dann als Fakten vorlege. Auf Nachfragen, gebe ich ihnen auch gerne Auskunft: Wieviele Gewehre gibt es im Polizeipräsidium? Hat die Stadt eine Kaserne? Wenn ja, ist dort noch Kriegsgerät vorhanden?
Wo befinden sie deutsche militärische Einheiten in der Umgebung? etc.

Und wenn man Lust auf ein Taktik-Spiel hat, kann man gerne noch weiter in's Detail gehen. Aber für ein Intrigen-Spiel sind diese Informationen vollkommen ausreichend.

Zitat
Der Spielleiter müßte entsprechende Informationen nun auch noch für weitere Fraktionen bei Freund und Feind besitzen und Informationen um deren Reaktionen ermitteln zu können, z.B. auf Bestechungsversuche etc.
Auch hier kann ich nur sagen: Improvisation ist dein Freund!
Man kann hier eine kurze Plausibilitätsüberprüfung machen:
Flogen irgendwelche gegnerischen Flugzeuge über der Stadt? Hat diese Stadt einen gegnerischen Spion? Falls du beides mit Nein beantwortest, hat der Gegner vermutlich kein Wissen über die Verteigungsstärke.
Falls der Gegner Luftaufklärung einsetzt, überlege ich mir kurz, was man aus Flugzeugen (die wegen Flak hauptsächlich nachts fliegen) so alles sehen kann.
Falls in der Stadt ein Spion haust, dann würde ich diesen Spion schon vorher genauer ausarbeiten (auch mit Motivation, Fähigkeiten etc.) und dann hängt es vom Spion ab, wie gut die Informationen sind.

Falls du dich für das Setting des 2. Weltkrieges interessierst, kann ich gerne auch interessante NSCs (wie z.B. den Spion) ausarbeiten. - Ansonsten verzichte ich darauf.

Zitat
Um aber Entscheidungen treffen zu können muss man Informationen haben. Da die wenigsten Leute wirklich die Kenntnisse ihres Charakters haben, müssen diese Informationen formalisiert werden und so über die Regeln allen Beteiligten zur Verfügung stehen.
Aber gerade Formalisierung zerstört den SIS.
Wenn man dagegen jedem Spieler ein bißchen Hintergrundbeschreibung für seine Fraktion liefert, dann kann er diese auch viel besser ausspielen und alles wirkt viel lebendiger.

Wenn du Politik zu sehr formalisierst, hast du im Prinzip den gleichen Mechanismus wie im Kampf nur mit anderen Namen.

Zitat
Nicht Rollenspiel würde ich etwas eher nennen, wenn die Regeln so grob werden, dass der Inhalt der SIS bzw. deren Wechselwirkungen nicht mehr ausreichend abgebildet werden, Entscheidungen also trivialisiert werden oder gar nicht mehr sinnvoll möglich sind.
Also ich sehe etwas als Rollenspiel, wenn der SIS sehr stark ist.
Wenn Entscheidungen also aus dem SIS heraus stattfinden, dann ist das RPG.
Wenn die Entscheidungen jedoch aus den Regeln heraus stattfinden und der SIS auf die Entscheidungsfindung keinen Einfluss mehr hat, dann ist das kein RPG mehr.

Und da habe ich nunmal die Erfahrung gemacht: Je stärker Regeln ausgearbeitet sind, desto weniger entscheidet man aus dem SIS heraus. - Man fängt immer stärker an, über die Regeln zu argumentieren.
(Das andere Extrem sind dann die regellosen RPGs, die überhaupt keine Regeln kennen und wo alles aus dem SIS heraus begründet wird.)
 
Zitat
Auch ein RPG mit Fokus auf taktische Gefechte kann keine Realität abbilden, aber ein einfacher Wurf Gefecht gewonnen oder nicht, möglichst noch ohne Berücksichtigung möglicher Taktiken oder externer Einflüsse und Ausrüstung ist am Ende ein Würfelspiel. Mit der Formalisierung über Regeln erlaubt man allen auf gemeinsamer Basis am Spiel teil zunehmen und unter dem gewählten Fokus Entscheidungen zu treffen.
Ein einzelner Wurf beim Gefecht ist ein Würfelspiel, da hast du recht.
Aber wenn du die Regeln jetzt verkomplizierst, erhälst du ein TableTop, ein Taktikspiel oder ein Co-Sim.

Ein Würfelspiel wird nicht dadurch RPG-mäßiger, dass du mehr Regeln einführst.
Im Gegenteil: Ein Würfelspiel wird RPG-mäßiger, wenn du die Regeln in den Hintergrund drückst und sagst: "Anstatt zu würfeln, beschreibe doch einfach mal, was dein SC so macht."
Also die Regeln runterdrücken und den SIS stärken.

Offline Maarzan

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Re: Intrigen/Politikspiel
« Antwort #11 am: 26.06.2006 | 18:25 »
Ich wollte damit sagen, daß es eine klare Machtsituation gibt und es letztendlich eine weitere "Kommandoaktion" werden wird, je nach Lage eher sogar nur als Nebenhandlung zur eigentlichen Krise. Und ohne Krise - wieso den Kaptain absetzen - aber das war ja auch nur ein Beispiel, genau wie die Weltkriegsgeschichte, die ich im Gegensatz dazu als echtes Politikspiel ansehen würde.

Ich hatte am Anfang drei Punkte aufgemacht und wollte diese eigentlich en Block in ihren Wechselwirkungen behandelt sehen.
Der erste Punkt ist die Inspiration, die beiden anderen die Perspiration.
Für politische Situationen würden mir wohl auch schon ein paar Sachen einfallen, da kann man sich ja noch von Geschichten und Geschichte inspirieren lassen.
In der spielpraktischen Umsetzung sehe ich dabei die Bomben, nicht zuletzt auf Grund eigener schlechter Erfahrungen und auch Beobachtungen fremder Runden.
Neben der kurzen Situationsbeschreibung zur Orientierung hätte ich daher primär gerne gehört, was andere Leute dort für Erfahrungen bei der Umsetzung gemacht haben, insbesondere unter Berücksichtigung der eigenständigen Spielerbeteiligung - damit meine ich qualifizierte Handlungs - und  Entscheidungsmöglichkeiten - und was sie für Rahmenarbeit da hineingesteckt haben, sei es Regeln, Setting oder aber der Hinweis auf besondere Bedingungen der Spielrunden z.B. 10 Jahre gemeinsame Spielpraxis.
Die Zahl der möglichen Situationen und Handlungen ist sicher nicht handhabbar, aber da ich nicht der erstebin, der an Politikspiel denkt, hoffe ich auf Praxisbeispiele funktionalen Politikspiels. Dabei geht es mir wenigerdarum ob man nun etwas mit +1 oder +2 bewertet hat, ob jemand Pirat oder Raumfahrer ist, sondern in welchen Situationen welche Entscheidungen anstanden, wie die Chars da hineingekommen sind und wie das dann prinzipiell gelöst wurde.

Was ich bisher gesehen habe war gerade im Bereich Politik massives Railroading: SuperNSC, AutomatenNSC und Desorientierung: Verständnisinkompatibilitäten über übliche/mögliche Reaktionen und Ergebnisse, eigener und fremder Möglichkeiten, Details aus demCharumfeld, die übersehen werden oder anders gesehen werden und später plötzlich zum Widerspruch führen. Und Pixelbitching - nichts bewegt sich, solange man nicht die Vorgabelösung des Spielleiters erraten hat.

Womit wir beim SIS wären. SIS ist in meinem Verständnis erst dann SIS, im Sinne von wirklich shared, wenn die Leute von seinem Funktionieren eine genügend ähnliche Vorstellung haben, dass sie bei der Abschätzung und Resolution von Handlungen kompatibel sind. Die Armbrust oder der Drache oder das Auto in der Spielwelt ist per Erwähnung schon einmal da. Ob es wirklich im SIS angekommen ist, merkt man erst, wenn es von Color zum Entscheidungselement geworden ist.

Und da komme ich zu den Regeln, welche den Inhalt des Sis nach Möglichkeit so auflösen, dass alle dieselbe Vorstellung bekommen.  Regeln haben auch nur in so weit wirklichen wert, als sie auf dem SIS begründen bzw. mit ihm in Wechselwirkung stehen, denn sonst werden sie selber zu einer Bruchstelle. Entsprechend ersetzen sie keine detaillierte Beschreibung, sondern sind eine Ergänzung und Unterstützung zu ihrer Bearbeitung. (Und Regeln müssen nicht immer in Würfeln enden.)

Zitat

Und da habe ich nunmal die Erfahrung gemacht: Je stärker Regeln ausgearbeitet sind, desto weniger entscheidet man aus dem SIS heraus. - Man fängt immer stärker an, über die Regeln zu argumentieren.
Im Idealfall sollten das zwei Seiten derselben Medaillie sein.

Zitat
Ein Würfelspiel wird nicht dadurch RPG-mäßiger, dass du mehr Regeln einführst.
Im Gegenteil: Ein Würfelspiel wird RPG-mäßiger, wenn du die Regeln in den Hintergrund drückst und sagst: "Anstatt zu würfeln, beschreibe doch einfach mal, was dein SC so macht."
Also die Regeln runterdrücken und den SIS stärken.

Die Regeln sollten - so sie gut gemacht sind - nicht im Widerspruch zur SIS stehen. Aber wenn Elemente aus dem SIS ins Rollespiel einfließen sollen, also Teil von Entscheidungen werden sollen, müssen sie gemeinsam verstanden und bewertet werden. Nur mit Color kann man nicht spielen.
Das was da gerade beschrieben wurde, muss bewertet werden und der Beschreiber wird auch eine Vorstellung davon haben müssen, wie die Dinge stehen, die er gerade betrachtet. Ansonsten steht man vor einem Problem, sobald eben klar wird, das man zwar einen IS hat, aber den nicht unbedingt wirklich teilt.
Mehr Regeln (im weitesten Sinne, d.h. hier incl. Setting) sind wie mehr Pixel/Schärfe in der Kamera, mit der man den SIS sieht (ersteres inklusive mehr Rauschen ;) .
« Letzte Änderung: 26.06.2006 | 18:27 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...