Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau

Zeitgemäßes Design - Anfängerfreundliche Rollenspiel unter Konformitätszwang

(1/7) > >>

Ein:
Heute mal etwas theoretisches. Stichwortartig und dennoch recht umfassend. Ich würde mich über Kommentare freuen.


These:

Die heutige Jugend wächst in einer Welt auf, die mit unserer (späte 80er/frühe 90er) nicht länger zu vergleichen ist.

Das Ende des Sozialismus, die Allpräsenz von Technologie und die Schatten des Strukturumbruchs (Globalisierung) ließen eine Umwelt entstehen, die vom Zwang zur Konformität, einem neuen individuellen Effizienzdenken (Materialismus) und einer Fokussierung auf die elektronischen Medien geprägt ist. Diese Umwelt ist nicht gerade der Fantasie und der Problemlösungskompetenz von Jugendlichen förderlich. Jugendliche sehen sich heutezutage nicht länger mit der Frage konfrontiert, ob der Kapitalismus wirklich dem Sozialismus überlegen ist, sondern wie sich möglichst effektiv in die Gesellschaft einordnen können, um im Erwachsenenleben auf Arbeit hoffen zu können. Der Pessimismus unserer Generation ist der ernüchterten Einsicht gewichen, dass man wirklich den Marktmechanismen ohmmächtig gegenüber steht.

Gleichzeitig werden aber Rollenspiele aufgrunde der steigenden Anforderungen der langjährigen Spieler immer anfängerfeindlicher. Damit stehen Rollenspiele der heutigen Jugend immer weniger als sinnvolle Möglichkeit des Eskapismus zur Verfügung. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass man über mangelnden Nachwuchs klagt, gleichzeitig aber die Einstiegshürden in das Hobby immer höher gesetzt werden. Zwar werden die Rollenspiele technisch immer höher qualitativer, doch wird das Marktsegment der Neueinsteiger nahezu vernachlässigt.

Ein symptomatisches Beispiel:

Obwohl das Internet das primäre Medium ist über das sich die heutige Jugend informiert, findet sich auf der Homepage von FanPro keine Erklärung, was Rollenspiel überhaupt ist, wie es funktioniert, wo sein Reiz liegt. Erst wenn man in der Produktauflistung das richtige Produkt (z.B. Basisspiel 4. Edition) auswählt, erhält man einen kleinen Werbetext, der allerdings vollkommen offen lässt, was Rollenspiel überhaupt ist.


--- Zitat ---Basisspiel 4. Edition
Art: Regelmodul

Aufregende Abenteuer erleben - gemeinsam mit Freunden eine exotische und atemberaubende Welt erforschen!
Kommen Sie mit auf die Reise nach Aventurien, in das phantastische Land der Fantasy-Rollenspiele!
Begegnen Sie einem uralten Drachen, verhandeln Sie mit den geheimnisvollen Elfen, suchen Sie nach der Spur längst verschollener Zivilisationen, lösen Sie einen verzwickten Kriminalfall oder erfüllen Sie Spionage-Aufträge im Land der bösen Zauberer.

Schlüpfen Sie in eine Rolle, die Sie selbst bestimmen: mächtiger Magier, edle Kämpferin für das Gute, gerissene Einbrecherin oder axtschwingender Zwerg. Jeder Held hat seine Stärken und Schwächen, und nur in Zusammenarbeit mit seinen Gefährten wird er ans Ziel kommen. Denn Sie erleben die spannenden Abenteuer nicht alleine, sondern Seite an Seite mit Ihren Freunden oder Freundinnen. Es gibt keinen Verlierer in diesem Spiel: Zusammenarbeit ist gefragt, Zusammenhalt und vereinte Anstrengungen, um gemeinsam zu gewinnen. Alles ist möglich in der Welt des Schwarzen Auges.

In dieser Box finden Sie alles, was Sie als Spieler oder Spielleiter für den Einstieg in die Welt des phantastischen Rollenspiels brauchen. Als Einsteiger können Sie Ihre ersten Spielerfahrungen machen, ohne vorher die Regeln in allen Einzelheiten gelesen zu haben. Beginnen Sie mit den Abenteuern in dem beiliegenden Buch Der Weg ins Abenteuer: Sie sind so gestaltet, dass man sie spielen kann, ohne auch nur einen Blick in das Regelbuch geworfen zu haben. Zu diesem Zweck liegen acht unterschiedliche und spielbereite Helden bei, und natürlich auch die Würfel, die Sie brauchen.
Mit dem zweiten Buch, den Basisregeln, können Sie sich dann Schritt für Schritt mit den Facetten dieses Spiels vertraut machen: Wie entwickle ich einen Helden nach meinen eigenen Vorstellungen? Wie kann ich die Fähigkeiten eines erfahrenen Helden verbessern? Wie kann der Kampf und der Spielablauf noch spannender und vielseitiger werden? Wie leite ich selbst ein Abenteuer? Wie sieht die phantastische Welt Aventurien überhaupt aus, in der alle diese Abenteuer geschehen? Was gibt es dort für Wesen, Völker, Landschaften?
Tauchen Sie ein in die Welt der Abenteuer und entdecken Sie die immer neuen Möglichkeiten und Varianten dieses Spiels!

--- Ende Zitat ---
Quelle: Fantasy Production

Da Fantasy das wichtigste Genre des Rollenspielmarktes ist, kann man sich nur die Frage stellen, warum es der Hersteller des wichtigsten dt. Fantasy-Rollenspiel es nicht für nötig hält, dieses Spiel auch einem jungen Publikum nahezubringen.

Zur Rettung von FanPro: Wirft man einen Blick in die Shadowrun-Sparte, so findet man dort zumindest einen griffigen Erläuterungstext. Somit ist wohl zumindest das Marktsegment der SciFi-Fans nicht für das Rollenspiel verloren.

Generelle Fragestellung:

Welche Punkte müssen Designer und Verleger beachten, um der heutigen Jugend einen Einstieg in das Hobby zu erleichtern?

Konkret:

1. Welche Informationen müssen Interessenten in ihrem Medium (Internet) frei verfügbar sein, damit sie sich überhaupt an Rollenspiel probieren?

2. Welche Spiel/Regelinformationen bedürfen Spieler wirklich?

3. Welche Form der Anleitung und Hilfestellungen benötigen Spielleiter wirklich?

4. Wie sollte das ideale Einsteigerrollenspiel struktiert sein?


Meine Überlegungen:

zu 1.) Teaser, Konzepterläuterung, Spielbeispiel

Es sollte ein Teaser verfügbar sein, der Jugendliche anspricht. Dieser Teaser sollte den Jugendlichen verdeutlichen, dass Rollenspiel ihnen etwas bietet, was sie sich wünschen, im echten Leben aber nicht umsetzen können. Welche Wünsche könnten dies sein?

Alle alten Hasen überblättern sie, aber erläutert man das Konzept Rollenspiel verständlich und attraktiv?

Welche Spielbeispiele sind sinnvoll und wie müssen sie aufgebaut sein, dass sie verständlich sind?


zu 2.) Gewichtung zwischen Spielbeispielen/Archetypen und Sonderregeln

Wieviel Platz sollten Spielbeispiele und Archetypen in einem Regelwerk gegenüber Sonderregeln eingeräumt werden?


zu 3.) Spielbeispiele, Regelbeispiele, Hinweise zur Systematik des Leitens, Hilfestellungen beim Entwurf von Abenteuern

Erneut die Frage nach den Spielbeispielen.

Wieviel Platz muss in einem Regelwerk für Regelbeispiele reserviert werden? Wie müssen Regelbeispiele aufgebaut sein, damit sie leicht verständlich sind?

Wie kann man effektiv Erfahrung vom erfahrenen Spielleiter (Designer) zum Neuling transferieren? (Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung)

Welche Werkzeuge sollte man einem 12-jährigen, der noch nie zuvor geleitet hat,  an die Hand geben, damit das Leiten für ihn nicht zur Hölle wird? (Beispiele, archetyp. Szenen/Orte, NSC-Archetypen, Zufallstabellen)


zu 4.) Vollständigkeit vs. Kundenbindung und ihre Lösung

Wie kann man ein Designer seinem wirtschaftlichen Interesse am besten gerecht werden, ohne den Kunden mit einem unvollständigen Produkt zu konfrontieren? Welche Vor- und Nachteile hat vertikale Segmentierung des Regelwerks (Systemkern, Optionserweiterungen) gegenüber horizontaler Segmentierung (Spielerset, SL-Set, Ergänzungsbände)?

1of3:

--- Zitat ---Alle alten Hasen überblättern sie, aber erläutert man das Konzept Rollenspiel verständlich und attraktiv?
--- Ende Zitat ---

Klappt nicht. Entweder man erklärt, was Rollenspiel ist, und dann brauch ich dafür 20 Seiten oder ich schreibe etwas, das für Anfänger verständlich ist. Kompromiss wäre, wenn man zumindest mal schreibt, was das vorliegende Spiel, also das, wo der Text drin- / draufsteht, ist.


--- Zitat ---Welche Spielbeispiele sind sinnvoll und wie müssen sie aufgebaut sein, dass sie verständlich sind?
--- Ende Zitat ---

Beispiele zur Erklärung von Regeln müssen kurz und prägnant sein und immer unmmittelbar da stehen, wo sie hingehören (nicht 4 Seiten weiter). Meine Faustregel: Das hat immer dann zu passieren, wenn ich zur Erklärung der Regel mehr als zwei Nebensätze brauche.

Ein Beispiel zum Spiel dagegen kann gerne inklusive aller Regeln vor der Erläuterung dieser kommen. Ich kenne allerdings nur ein Spiel, dass tatsächlich vernünftig macht. Das wäre dann Nobilis, wo tatsächlich ein kompletter Spielabend von vorne bis hinten drin steht.

Tatsächlich sind Beispiele der schwierigste Texttyp in Rollenspielen. Häufig werden sie entweder nichts sagend oder ausgewalzt und langweilig. Hierbei haben es Rollenspiele, die auf bekannten Quellen basieren, tatsächlich einfacher. Ein X-Men Rollenspiel kann einfach schreiben, dass sich Cyclops und Mr. Sinister gegenüberstehen und sich auf die Fresse hauen wollen. Keine weitere Erklärung von Nöten. (Man könnte versuchen ein ähnliches Ergebnis zu erzielen, indem man am Anfang des Werks verschiedene Charaktere vorstellt.)


--- Zitat ---Wieviel Platz sollten Spielbeispiele und Archetypen in einem Regelwerk gegenüber Sonderregeln eingeräumt werden?

--- Ende Zitat ---

Sonderwas? Sowas darf es gar nicht geben. Wobei.... was ist eigentlich eine Sonderregel? Was unterscheidet die von normalen Regeln? (Was ist eigentlich eine Regel beim Rollenspiel? ;))


--- Zitat ---Wie kann man effektiv Erfahrung vom erfahrenen Spielleiter (Designer) zum Neuling transferieren? (Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung)
--- Ende Zitat ---

Erfahrung darf nicht erforderlich sein. Punkt aus. Wir müssen also ganz genau beschreiben, wie man Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung angeht und dafür vernünftige Methoden bereitstellen und am besten diese sogar zu Regeln erheben. (Denn Regeln sind beim Rollenspiel nichts anderes, als Techniken, bei denen man sich darauf geeinigt hat, sie unter bestimmten Bedingungen anzuwenden.)


--- Zitat ---Welche Werkzeuge sollte man einem 12-jährigen, der noch nie zuvor geleitet hat,  an die Hand geben, damit das Leiten für ihn nicht zur Hölle wird? (Beispiele, archetyp. Szenen/Orte, NSC-Archetypen, Zufallstabellen)
--- Ende Zitat ---

Gleiche Antwort: Hard and fast rules. Mach das, das, das und das tust nicht! Knallhart und kleinschrittig und allgemein, also nicht in ausschließlich in Form eines Abenteuers, dessen Aufbau aber nicht weiter erklärt wird, sondern in allgemeiner Form und dann vielleicht mit einem Abenteuer in Form eines Regel-Beispiels (wie oben angedeutet).

Falcon:
was viele der neuen Produkte (auch der freien) immer mehr vernachlässigen, ist das Einstiegsabenteuer. Einfach weil sie nur damit rechnen das lediglich alteingessene Rollenspieler das Werk in Händen halten werden und die beschäftigen sich eh nur zu einem kleinen Teil mit Einstiegsabenteuern (dabei habe ich sie ganz gerne um mich in neue Settings einzufinden).

so ein Einstiegsabenteuer, das seperat zum Regel/-Settingwerk festgehalten werden sollte (also entweder hinten dran ein Kapitel oder am besten ein dünnes beigelegtes Heft), kann man nutzen um den SL wie einen 6jährigen an die Hand zu nehmen und durchs Abenteuer zu führen (und das ist nicht herablassend gemeint). Ähnlich einer Schritt für Schritt Anleitung wie man sich ein Abenteuer vorstellen kann.
Beispiele spielen ist eben besser als Beispiele lesen.
Genau so ein Abenteuer kenne ich lediglich bei D&D, und das lag meinem D&D Boardgame als Werbung bei, mit Lite Regeln :d

Regelbeispiele ins Regelwerk gehören natürlich trotzdem zusätzlich hinein.

ragnar:

--- Zitat von: One O'Three am 18.05.2006 | 12:35 ---Tatsächlich sind Beispiele der schwierigste Texttyp in Rollenspielen. Häufig werden sie entweder nichts sagend oder ausgewalzt und langweilig. Hierbei haben es Rollenspiele, die auf bekannten Quellen basieren, tatsächlich einfacher. Ein X-Men Rollenspiel kann einfach schreiben, dass sich Cyclops und Mr. Sinister gegenüberstehen und sich auf die Fresse hauen wollen. Keine weitere Erklärung von Nöten. (Man könnte versuchen ein ähnliches Ergebnis zu erzielen, indem man am Anfang des Werks verschiedene Charaktere vorstellt.)
--- Ende Zitat ---
Ich habe mal versucht Beispieletexte so zu verfassen das sie, in Reihenfolge gelesen, eine Geschichte fortführen.
Aber da ich damit nicht ganz zufrieden war und ich dann irgendwann die Reihenfolge des Regelwerks veränderte, haben sich diese Texte bald als unbrauchbar erwiesen. Ich schreib sie neu wenn ich mal mit meinem Regelwerk und dessen Aufbau zufrieden bin.

Meine Testsubjekte waren recht erstaunt als diese Dinge rausgeflogen sind; ganz so schlecht wie ich dachte wars vielleicht gar nicht.

Warum erwähn ich das? Vielleicht will's ja jemand aufgreifen um seinen Beispielen etwas weniger aufgesetztes zu verleihen.

Das ganze könnte man vielleicht auch mit dem (manchmal zu obligatorischen) Stückchen Eröffnungstext verknüpfen. Also etwa Eröffnungsgeschichte ohne Ende, Regeln(mit Beispielen die diese Gesichte etwas, etwa um eine Szene, fortführen), danach: Abschluss der Geschichte.

1of3:
Diese fortlaufenden Beispiele hab ich auch schon in verschiedenen Spielen gesehen. Gefällt mir nicht so sehr, aber das ist wohl Geschmackssache.

Das ganze mit Fluff zu verknüpfen ist natürlich auch eine gute Möglichkeit. Bei Weapons of the Gods ist mir das positiv aufgefallen. Da kommt dann eben eine kurze Szene als Fluff, dann kommt die Regel und dann kommt die Erklärung, was an Mechanismen quasi in der Szene hinter den Kulissen abgelaufen ist. (In einem Kapitel haben die Autoren leider dahingehend geschlammt, dass man nicht mehr weiß, welche der drei Teile was ist. Gefährlich!)

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln