Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte
[Darc] Engel des Todes Kampagne
Pilger:
Ein Kampagnen-Spielbericht der Betabande
Dramatis Personae
Esto (waldelfischer Drescher, ehemaliger Zisternenwächter in Baerenburg)
Franz Kreuzberg (menschlicher Gesegneter, ehemals Mönch, danach Lumpenpfaffe)
Karl-Heinz Wunderlich (menschlicher Hexer, Werdegang: Hexerlehrling)
Mathias Hilfmal (menschlicher Gesegneter, ehemals Astbrecher und Totengräber)
Tholas (elfischer Aschestreuner, arbeitete vornehmlich als Aschereiter)
Gustav Dreckstecken (menschlicher Bibliothekar in Wehihm, eigentlich Fälscher & Betrüger)
Hagen Heilehand (menschlicher Medikus, ehemals Leibflicker)
*
Nach einem ersten Einführungsabenteuer erhielten die Charaktere, welche eigentlich ein paar wenig vertrauenserweckende Siffer sind, zum Auftakt einer neuen Kampagne einen Auftrag von einem Adeligen (Herbert von Wirrungen) aus Baerenburg. Dieser erzählte, dass sein älterer Bruder, der Freiherr von Braunau, erst kürzlich einem feigen Mord zum Opfer gefallen sei und sein (von Geburt an) schwachsinniger Sohn Walter nun nicht mehr auf Burg Braunau bleiben könne und ins Kloster „Wehihm“ geschafft werden soll, um dort unter die Obhut der fürsorglichen Mönche gestellt zu werden.
Und für diese ehrenvolle Aufgabe hatte Herbert von Wirrungen sich nun (ausgerechnet) die Charaktere ausgesucht – sie sollten den „Irren“ zum Kloster Wehihm (grad mal 2 Tagesreisen entfernt) geleiten und würden danach bei ihrer Rückkehr die recht hohe Belohnung von 25 Kreuzmark kassieren. Easy job – deal.
*
In aller Früh am nächsten Morgen trafen sich die Charaktere wie verabredet mit Herbert von Wirrungen am Baerenburger „Verhauen“-Tor, um dessen verrückten Neffen Walter „in Empfang zu nehmen“ - ein fast 2 Meter großes, massiges Riesenbaby, welches mit offenen Augen und Mund den ganzen Tag nur über die Wunder der Welt zu staunen scheint. Herbert gab ihnen noch einen Beutel mit einigen Laib Aschebrot und (wässrigen) Rotwein darin mit auf den Weg. Auch händigte er ihnen ein versiegeltes Schreiben für die Mönche von Wehihm bezüglich seines verrückten Neffen aus, allerdings erst, nachdem einer der Charaktere ihn direkt danach fragte.
Nun war man soweit, verabschiedete sich von Herbert von Wirrungen und zog mit Walter hinaus aus Baerenburg in die Ascheweiten der Brandmark, vor sich die Pfahlstrasse nach Motzdamm, Zwischenstation auf ihrer Reise.
*
Vorbei an den Gehängten und gekreuzigten Pseudoheiligen, die die Pfosten der Pfahlstrasse außerhalb von Baerenburg schmücken, passierten sie auch einen Käfig, in dem ein offenbar blinder Greis hockte, sich plötzlich rührte und ihnen ein paar Sätze zuflüsterte. Zwar lauschte man neugierig noch kurz den Worten, doch was gibt man schon auf die prophezeienden Worte eines Wahnsinnigen? Und so begann endgültig ihre Reise.
Man hatte noch keine halbe Stunde die Tore der Burgstadt hinter sich gelassen, als ein Reiter in den grauen Gewändern eines Ascheboten auf braunem Ross, ebenfalls aus Baerenburg kommend, sie überholte, ohne sich auch nur nach ihnen umzudrehen. Ein Bote mit einer eilgen Nachricht, nichts besonderes. Zumindest schien es so.
*
Gegen Vormittag – man hatte das Wehrdorf Höhneberg inzwischen passiert und war in die kahlen, schwarzen Flennwälder eingedrungen, durch die die Pfahlstrasse sich nun schlängelte, schallte plötzlich lautes Gerumpel und Donner von Pferdehufen von hinter den Charakteren durchs Unterholz. Wohlweislich ging man zur Seite in den Strassengraben und kurz darauf bretterte auch schon eine Kutsche an ihnen vorbei, auf ihren verhangenen Türen das Siegel des Erzbischofs Kunibert Fomm von Baerenburg.
Nicht die Privatkutsche des Erzbischofs persönlich – da wäre wohl eine halbe Armee mit dabei gewesen – sondern eine Kutsche, wie sie seine Berater, Verwalter oder klerikale Untergebene benutzen würden, die in seinem Auftrag reisen.
Wie auch immer – vorerst war die Kutsche erstmal fort.
*
Nachdem gegen Mittag die Pfahstrasse wieder die Flennwälder verlassen hatte und man das Wehrdorf Kehlschlitz unbesucht passiert hatte, zog man unter dem aschegrauen Himmel mit seiner bleiernden Sonne weiter Richtung Motzdamm, welches man noch diesen Abend erreichen wollte. Der verrückte Walter entpuppte sich nebenbei als unproblematischer Begleiter (nur wenn er Hunger hat, wird er etwas schnell jähzornig) und man freute sich schon darauf, in den kommenden Tagen die fette Belohnung zu kassieren.
Als man gerade um eine Wegbiege kam, sahen man die Kutsche.
Offenbar war ein Rad gebrochen, die Kutsche hatte sich überschlagen und war an einem der baumdicken Pfahlstrassenpfosten zerschellt. Ein Pferd tot, das andere wo auch immer, der Kutscher ebenfalls tot (sehr hässlicher Anblick) und auch der Fahrgast – ein ärmlich gekleideter Mönch mit einem Empfehlungsschreiben aus Baerenburg in der Kutte, man solle ihn in Wehihm fortan aufnehmen, unterzeichnet von Erzbischof Kunibert persönlich.
Doch viel interessanter war das Bündel, welches neben ihm in der Fahrkabine lag. Darin befand sich eine Statuette der heiligen Jungfrau. Der Kopf der Figur war bei dem Unfall beschädigt worden und offenbarte nun, dass das Innere der Statuette hohl war und sich etwas darin befand:
Ein skelettierter Finger, eingewickelt in einem weichen Ledertuch und ein doppelseitiger Brief, dessen Inhalt die Charaktere in Aufgregung und große Besorgnis versetzte.
Was würde geschehen? Hatte die Prophezeiung des gefangenen Greisen doch mehr zu bedeuten?
*
Nachdem man die Toten eiligst bestattet hatte (und sich auch noch etwas Pferdefleisch von dem einem verunglückten Tier geschnitten hatte) zog man grübelnd und kommentarlos weiter, jeder seinen eigenen Gedanken und Bedenken nachhängend. Eines Stand fest – man würde in Motzdamm diesem Dieter Anders aufsuchen und einweihen, er könnte womöglich helfen zu verhindern, dass „Baerenburg brenne“.
*
Keine Stunde vor Motzdamm, es dämmerte bereits, zog man abermals durch ein kleines Wäldchen der Brandmark. Abermals kam man um eine Biege, da bemerkte die Reisegesellschaft vor sich in etwa 20m Entfernung einen Mann auf einem braunen Pferd (der Reiter von heute Morgen) auf dem Weg stehen:“So sieht man sich wieder! Auf sie Männer – tötet die Mörder des armen, verrückten Walter!“.
In dem Moment kamen rechts und links aus dem Unterholz Männer mit Schwertern, Äxten und Knüppeln und machten sich zum Kampf bereit, während der Reiter auf braunem Ross eiligst kehrt machte und seinem Pferd die Sporen gab.
*
Es war ein knapper Kampf, doch schließlich obsiegten die Charaktere. Die Angreifer hatten versucht sowohl ihnen als auch Walter den Schädel einzuschlagen (was man mit einem Riesenbaby nicht tun sollte, noch dazu, wenn es einen Spaten bei sich trägt). Zwar hatte der ebenfalls berittene Thonas nach dem Gefecht noch versucht, den Reiter einzuholen, doch der Mann war bereits entkommen.
Dafür hatte man zwei Überlebende.
Nachdem die beiden Lumpen aus ihrer Ohnmacht wieder zu sich kamen spucken sie relativ zügig aus, dass der Reiter ein Mann names Daniel ist und offenbar für einen Adeligen aus Baerenburg arbeitet. Dieser Daniel habe sie schon vor über einer Woche in einer Motzdammer Saufhalle angeheuert, man sollte sich bereit halten. Heute Mittag dann tauchte Daniel wohl plötzlich auf und erklärte, dass sie einen Schwachsinnigen und seine Begleiter erschlagen sollten. Letztere sollte man dann verscharren und das Gerücht in Umlauf bringen, die (toten) Charaktereseien die geflohnenen Mörder von Walter von Wirrungen.
Die nun etwas angesäuerten Charaktere zerbrachen das Siegel des Briefes, welches Herbert von Wirrungen ihnen für die Mönche von Wehihm mitgegeben hatte. Leer. Keine einzige Zeile drauf. Schließlich zog man eiligst weiter, wollte man doch noch vor Schließung der Tore Motzdamm erreichen, was auch gelang und die Session vorerst beendete.
Anmerkung: Wer sich über die Namen gewundert hat, findet hier eine Erklärung.
Pilger:
Freund und Feind
Hinweis:
Bislang wurde nicht erwähnt, dass die Charaktere bei ihrer Anreise nach Motzdamm – noch bevor man auf die umgestürzte Kutsche gestoßen war - ein graues Hausschwein nahe der Pfahlstrasse sichteten. Offenbar war die Sau einem Staubbauern oder Viehwart ausgebüchst. Thonas erlegte das Schwein mit einem gezielten Pfeilschuss und hiefte das tote Tier auf den Rücken seines Aschegauls.
Wie durch ein Wunder ignorierten die Straßenwacht als auch später die Motzdammer Torwacht das Schwein...
*
Nachdem man bei Einbruch der Dunkelheit Motzdamm erreichte, hatte man gleich die zwei überlebenden Kehlenschlitzer als einfache „Räuberbrut“ bei der Torwacht abgegeben und war froh, ohne weitere, peinliche Fragen entlassen zu werden. Nun stand man da, im fremden, nächtlichen Motzdamm – irgendwo hier müsste der Reiter namens Daniel stecken, der ihnen und Walter die Mörder auf den Hals geschickt hatte. Und auch der Mann, der sich Dieter Anders nennt und ihnen womöglich Anwort auf die vielen Fragen geben könnte, würde sich irgendwo hier in einer Saufhalle aufhalten.
Doch zunächst ging es erstmal darum, ein Dach über den Kopf zu bekommen und so schritt man auf dem breiten Motzdamm gen Zentrum – zum Freimarkt.
*
Anders als in einer gewaltigen Burgstadt wie Baerenburg war in Motzdamm die Grenze zum Freimarktviertel lediglich durch ein einfaches Stoffband markiert, welches in 2-3m Höhe über der Strasse sich von Pfosten, Simsen und Erkern spannte. Kaum hatte man diese nicht gerade offensichtliche Grenze passiert, lief man dem ersten Knüpplertrupp in die Arme, welche grinsend auf das Grenzband über ihren Köpfe deuteten und wissen wollte, was man hier zu suchen hatte um diese Zeit, wen man ausrauben wollte und was man stehlen wollte.
Dass der schwachsinnige Walter angeblich ein Adliger ist und man ganz ehrlich nur nach einer Herberge gesucht hatte, schien die Knüppler nicht besonders zu beeindrucken und nur ein „Bußgeld“ in Höhe eines halben Groschens pro Mann konnte sie davon überzeugen, dass die Charaktere nicht vor hatten, den Motzdammer Freimarkt zu bestehlen. Wenigstens glaubten die Knüppler den Charakteren, dass die Sau ja nur als Wegzehrung des Riesenbabys Walter diente und man sie schon seit Baerenburg mitführe.
Um einiges Kleingeld erleichtert, dafür nun aber wenigstens wissend, dass zwei Straßen weiter der „Goldkrug“ sich befand, stapfte man weiter durchdie leergefegten, nächtlichen Straßen des Freimarktes, nur um hinter der nächsten Biege einen Siffer zu beobachten, Kleistereimer und Bürste in der Hand, welcher gerade ein Plakat an eine Häuserwand leimte und nun – da er die Charaktere sah – Hals über Kopf davon eilte Richtung Siff.
Neugieirig inspizierte man das Plakat und stellte fest, dass es Morgen in Motzdamm wohl sehr ungemütlich werden würde und man besser bis zum Mittag wieder aus der die Stadt raus sein wollte.
*
Vorerst betrat man nun aber den gemütlichen Goldkrug am Freimarkt, wo noch immer ein-zwei Kaufmannsleute bei einem Becher Bier oder Wein zusammen saßen und der Aschereiter Tholas im angrenzenden Hof bei den Stallungen gar sein Pferd mehr oder weniger sicher unterbringen konnte. Man nahm noch ein herzhaftes (und völlig überteuertes) Mahl zu sich und quartierte sich im Gemeinschaftsschlafraum im oberen Stockwerk ein.
Zwar versuchte der Waldelf Tholas noch, die (noch immer nicht ausgenommene) erlegte Sau dem Wirt zu verkaufen, doch als dieser fragte, ob Thonas denn tatsächlich Mitglied der Metzgergilde sei und er mit illegalem Handel nichts zu tun haben will, war das Geschäft schon gestorben.
Und so bezog man den (leeren) Gemeinschaftsraum, bat den Wirt, sie bei Tagesanbruch zu wecken und legte sich schlafen.
*
Pünktlich zum Sonnenaufgang hörten Tholas und Esto (die beiden Elfen schlafen sichtlich weniger als die anderen) den Wirt die Stiege hochkommen und das Licht seiner Kerze unter den Türrahmen durchscheinen, bis er schließlich die Tür zum Gemeinschaftsraum aufstieß und verkündete: „Ihr wolltet geweckt werden! Es hat ordentlich geascht diese Nacht.“
Nach einem hastigen Frühstück aus etwas alten Graubrot, ein wenig Schmalz, Taubenei und einem verschrumpelten Stück Käse trat man hinaus aus dem Goldkrug ins morgendliche Motzdamm, wo in der Nacht viel Asche gefallen war, welche die Strassen und Dächer wie ein ergrauter Wintertraum bedeckten. Vorbei an ein paar Knüpplern, welche eiligst ein Plakat von einer Fassade kratzten („Geht weiter! Hier gibt es nichts zu sehen“), stapfte man staubend durch die Straßen und beschloß, nun endlich diesen Reiter Daniel als auch Dieter Anders zu finden und bewegte sich Richtung Motzdammer Siff...
*
Wie die Session weiterging, ob man Dieter Anders fand und wie die Motzdammer demonstrieren, poste ich etwas später, wenn ich mehr Zeit habe. :)
Pilger:
Also weiter.
Mit dem geistesgestörten Walter von Wirrungen betrat man nun also in aller Herrgottsfrühe den zugeaschten Motzdammer Siff, um den Mann namens Dieter Anders aufzuspüren. Außerdem suchte man noch diesen Daniel, der sich angeblich (so hatten es die zwei Überlebenden zumindest behauptet, die Daniel angeheuert hatte) in einer Saufhalle namens „Glatzenloch“ aufhielt. Doch erstmal wollte man das tote (noch immer nicht ausgenommene) Schwein loswerden.
Da man eh die Saufhallen nach Dieter Anders abklappern wollte begab man sich in die Saufhalle „Keimstuben“, ein versifftes Drecksloch, wo zu dieser frühen Stunde der schmalzige Wirt als auch die Gäste vom Vorabend in der dreckige Wirtsstube auf den kahlen Holzplanken zwischen ausgestreuten Reisig und Dreck noch vor sich hinschnarchten. Also woanders hin.
Bei einem Gassentrödler erwarb einer der Charaktere – Karl-Heinz Wunderlich – ein paar Feuersteine (benötigt er als Zutat für einen seiner Standardzauber) und wurde gleich noch an einen Siffhehler verwiesen, der gleich gegenüber ein paar gebratene Ratten erwarb und ihnen sicher mit dem toten Schwein behilflich sein könnte.
Der Siffhehler und sein Leibwächter Viktor (offenbar jemand aus dem Ostenreich) zeigten sich interessiert an den Waren der Charaktere (neben dem Schwein waren da noch ein paar blutige Kleidungslumpen, Lederwämse und Waffen, die man nach dem Überfall von Daniels Schergen diesen abgenommen hatte). Nur die Tatsache, dass das Schwein nicht ausgenommen war, gefiel dem Sifhehler nicht, weshalb der Elf Tholas an Ort und Stelle mit dem Ausnehmen der Sau begann. Das war eine Sauerei – die Gasse voll Blut und matschiger Asche, bellende Köter und miezende Katzen und eine Schar Schaulustiger. Letztendlich kam es aber zum Deal:
„Also – so läuft es. Viktor und ich schaffen jetzt diesen ganzen Kram zu meinem geheimen Lager. In einer Stunde kommen wir wieder hierher und zahlen Euch die Kohle.“
Das gefiel den Charakteren natürlich nicht, den Spielern noch weniger, als sie erfuhren, dass der Siffhehler Hans Reinleg hieß, aber egal – so lief es nun mal im Siff und eine andere Wahl hatte man eh nicht.
Und als nach einer Stunde tatsächlich dieser Viktor wieder aufkreuzte und ihnen den Zaster gab, war alles paletti.
*
Nun widmete man sich ganz der Aufgabe, den Mann, der sich Dieter Anders nennt, zu finden. Inzwischen wußte man bereits, dass es in Motzdamm 6 Gasthäuser gab:
„Der Goldkrug“ (bereits gecheckt, s.o.) als auch „Zum freien Kaufmann“ waren Herbergen, die beide am Freimarkt lagen und somit vermutlich nicht Anders als Unterschlupf dienten.
Die weiteren vier Saufhallen waren die „Alte Motze“, das „Glatzenloch“ (wo angeblich Daniel zu finden war), die „Dreschhalle“ sowie die „Keimstuben“(schienen nicht in Frage zu kommen, s.o.).
Auch wußte man, dass das Glatzenloch von der Motzdammer Strassenbande „Die Glatzen“ oft besucht wurde, welche ein deutliches Problem mit Fremden – besonders Elfen und Zwergen – hatten. Somit rutschte das „Glatzenloch“ erstmal nach hinten auf der Liste.
Die nächste Saufhalle wäre die „Alte Motze“ und ohne zu wissen, dass dies der richtige Weg war, begab man sich zu der Saufhalle, von der man von einem Siffer erfahren hatte, dass dort viel „Reformistenpack“ rumhängt und auf die Obrigkeit motzt...äh...schimpft.
*
Die „Alte Motze“ war eine (für Siffverhältnisse) komfortable Saufhalle, mit freundlich wirkenden Gästen. Man bestellte einen „Kurzen“, dann fragte man höflichst den Wirt, ob er denn Dieter Anders kenne.
Stille.
Gäste verstummten, blickten den Wirt und die Charaktere an.
„Ja, ein Herr Anders war hier“, antwortet der Wirt mit lauter Stimme. „Doch er ist abgereist, wollte glaube ich weiter nach Assel, einen Verwandten besuchen. Aber er sagte mir, dass ihr kommen würdet und er bat mich, Euch diesen Brief zu übergeben.“
Während die Charaktere den Brief lasen, erhoben sich einige Gäste und der Wirt – Hartmut Fressestopfer – zog beiläufig seine Schrottschleuder, die er mit kaputten Krugscherben füllte...
Wie die Session weiterging in Kürze.
Pilger:
Nachdem Karl-Heinz Wunderlich, der wie seine Kameraden mit halb erhobenen Händen, um ihre friedlichen Absichten zu demonstrieren, nur da stand, auf sein fast schon verzweifeltes: „Aber wir wollen doch nur helfen“, vom Wirt nur ein: „Verschwindet endlich mit Euren Tricks,“ und das Einrastgeräusch des Abzugshahns seiner Schrottschleuder als Antwort bekam, traten er und die anderen gepflegt, doch Zähne knirschend, zurück und man verließ die Alte Motze.
Offenbar war Dieters Anders hier gewesen und hatte den geplanten Mord, von dem die Charaktere durch das Schreiben der Darcanisten (s.o.) erfahren hatten, überlebt, dennoch fehlte nach wie vor jede Spur von ihm.
*
Sie bemerkten den gedrungenen, versoffenen Mann mit roter Trinkernase und Schlapphut, der ihnen aus der Alten Motze, sich immer wieder heimtückisch und doch verunsichert umdrehend, gefolgt war, bereits an der ersten Ecke und warteten auf ihn. Was wollte der Kerl? Warum folgte er ihnen?
Hans Falschdenker, ein spießiger Reformgegner, welcher die Charaktere offenbar für seinesgleichen hielt, entpuppte sich als wahrlich hilfreich:
„Naa – nicht so toll die Leute in der Motze, was? Kann ich Euch sagen. Wenn nur der Fusel da nicht so preiswert wäre, 's' der einzige Laden in ganz Motzdamm, der faire Preise macht. Leider zuviel Reformistenpack immer da, diese verhurten Säufer.“
„Wie auch immer. Ich habe grad zufällig Eure Unterredung in der Motze mit angehört und da ich diesen klugscheissenden Pisser von Dieter Anders auf den Tod nicht ausstehen kann – weiß alles besser, dieser Fatzke und vermiest einem das Saufen – dachte ich, ich gebe Euch freundlichen Herren mal n Tip. Der Dieter ist nämilch gar nicht abgereist, wenn ihr mich fragt. Habt ihr zufällig 'n Schnaps dabei?“
„Also dieser Dieter Anders ist 'n komischer Kerl, irgend so 'n Gelehrter, obwohl er offenbar nichts mit der Kirche zu schaffen hat, die Heidensau. Er tauchte vor einigen Monaten in der Motze auf, immer mit irgendwelchen reformfreundlichen Siffern am Labern. Vornehmlich mit zwei weiteren Eierköppen.“
„Da wäre einmal dieser Lumpenpfaffe, Bruder Bernd wird er genannt, dass ich nicht lache. Soweit ich weiß hat der 'ne Vorliebe für Kinder, wenn ihr versteht.. Der lebt in einer verfallenen Kirche an der Westmauer. Und dann ist da noch dieser obskure Kerl namens Jasper Runenforsch. Der ist irgendwie in den arkanen Künsten bewandert und lebt irgendwo am „Baerenburgtor“ im östlichen Siff. 'n gefährlicher Kerl, wenn ihr mich fragt, vermutlich 'n Darcanist.“
„Jedenfalls schien Anders hier noch sehr beschäftigt, ich glaube nicht, dass diese Laus schon fort ist. Wenn ihr ihn findet wollt, sucht diesen Lumpenpfaffen Bruder Bernd oder besser noch diesen Teufelsbeschwörer Runenforsch. Die wissen sicher wo er ist, wenn er nicht gar bei ihnen selbst zu finden ist.“
*
Als der verspießte Säufer davon stakste, machte man sich auf, diesen Lumpenfaffen mit den angeblichen Vorlieben für Kinder aufzusuchen. Die verfallene Kirche, von dem der Trunkenbold ihnen erzählt hatte, hatte man bereits früher am Tag in der Ferne schon gesehen und so machte man sich auf gen Westmauer.
Dort bei der Ruine angekommen, konnte man eine Schar verlumpter Siffkinder durch die kaputten Fenster und eingestürzten Wänder der mehr als baufälligen Kirche beobachten, die gebannt den Worten eines dicklichen Mannes mit freundlichen Gesicht und Tonsur darüber lauschten:
„...da antwortete der Heiland dem Schriftgelehrten und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Gebursalem hinab gen Ewigfroh und fiel unter die Mörder; die zogen ihn aus und schlugen ihn, und gingen davon und ließen ihn halb tot liegen."
"Es begab sich aber, daß ein Priester dieselbe Straße hinab zog; doch als er ihn sah, ging er vorüber. Desselbigen gleichen auch ein Zwerg, da er kam bei die Stätte und ihn sah, ging er vorüber."
"Ein Jammariter aber reiste und als er ihn sahe, jammerte er, ging zu ihm, verband seine Wunden, und goß drein Öl und Wein, und hob ihn auf sein Tier, und führte ihn in die Herberge, und pflegte ihn. Des anderen Tages musste der Jammariter weiter und zog heraus zwei Groschen und gab sie dem Wirt, und sprach zu ihm:
Pflege ihn; und sollte es mehr kosten, will ich dir es bezahlen, wenn ich wiederkomme. "
"Wer war nun dem überfallenen Manne wirklich der Nächste, fragte nun der Heiland. Und der Schriftgelehrte verstand und antwortete: Der barmherzige Jammariter. Da sprach der Heiland zu ihm: So gehe hin und tue desgleichen. Und genau das werdet ihr jetzt auch tun, Kinder, hop-hop, die Unterrichtsstunde ist vorbei. Macht keinen Blödsinn, seid nett zueinadner. Wir sehen uns Morgen wieder.“
Lachend und schreiend rannten die kleinen, zerlumpten Gestalten daraufhin davon, nicht weiter die Charaktere beachtend, im Gegensatz zu Bruder Bernd, der freundlich lächelnd auf sie zu schritt und dabei den Kindern noch nachrief „Nehmt Euch alle noch einen Staubkeks aus der Schale. Aber jeder nur einen, sonst reicht es nicht für alle, hört ihr?“
Schließlich kam er vor den Charakteren zum Stehen:„Diese Kinder. Man muß ihnen Beschäftigung und was zum Nachdenken geben, dann haben sie weniger Zeit für Dummheiten“, sagt der Lumpenpfaffe und blickt den Kindern dabei lächelnd hinterher, bevor er gänzlich seine Aufmerksamkeit auf die Charaktere richtete:“ Was kann ich für Euch tun, meine Brüder?“
Pilger:
Nachdem man behutsam und vorsichtig Bruder Bernd, von dem man offenbar einen gänzlich anderen Eindruck hatte als jenen, den ihnen der Säufer Hans Falschdenker von dem Lumpenpfaffen vermittelt hatte, erklärt hatte, worum es ging, verkündete der Geistliche, dass er mit jemanden sprechen müsse, bevor er ihnen helfen könne. Die Charaktere sollten ihm eine Stunde geben, dann würde Bruder Bernd sie wieder hier in seiner verfallenen Kirche treffen.
Unsicher, aber dennoch mit einem guten Gefühl im Bauch, trennte man sich von dem Lumenpfaffen und beschloß, die kommende Stunde durch den Motzdammer Siff zu spazieren.
Keine gute Idee...
*
Mit Voranschreiten des Vormittags hatten die Charaktere immer wieder bewaffnete Knüpplertrupps Richtung Zentrum hasten sehen und hier und dort hatte man schon Mobs einzelner Siffer gesichtet, welche mit beschriebenen Leinenlaken und Protesplakaten gegen die „Filtersteuer“ sich an Straßenecken sammelten. Dass die Demonstration nicht friedlich verlaufen würde, wurde immer wahrscheinlicher.
Während man noch darüber plauderte, lief man plötzlich einem fünfköpfigen Trupp Männern mit kahlrasierten Schädeln, grünen Leinenmänteln und weißen, um die Waden gewickelten Lederriemen in die Arme – Mitglieder der Motzdammer Straßenbande „die Glatzen“.
Die Fünf machten mit gezogenen Messern und Knüppeln unmissverständlich klar, dass man augenblicklich die Strassenmaud zu zahlen hätte – übliche Siffprozedur. Allerdings hatte man nicht mit solch hohen „Gebühren“ gerechnet – die gewaltbereiten Schläger forderten von jedem das Fünffache des normalen Preises pro Bein. Neben dem geringen Vermögen der Charaktere kam noch hinzu, dass die „Glatzen“ äußert unfreundlich und aggressiv – vornehmlich den elfischen Charakteren gegenüber – auftraten und die Situation drohte plötzlich zu eskalieren.
Offenbar war es den Charakteren egal, ob sie sich mit einer der größten Straßenbanden Motzdamms anlegen und ein blutiges Gemetzel in Kauf nehmen würden.
Glücklicherweise siegte schließlich doch noch die Vernuft und grummelnd entrichtete man die überteuerte Maud an die unfreundlichen Kerle.
*
Beim weiteren Spaziergang durch den Siff konnte man Meuten mit Plakaten gen Zentrum ziehen sehen, während Sprechchöre und Knüpplerpfeifengetriller immer häufiger durch Motzdamms Gassen hallten. Langsam spitzte sich die Lage zu.
Als die Stunde vorbei war und man die Ruine von Bruder Bernds Kirche endlich wieder erreichte, konnte man den sympatischen, rundlichen Lumpenpfaffen durch die Fenster und eingebrochenen Wände sehen, wie er mit einem kleinen, kahlköpfigen Mann in dunklen Kutten und mit einer adlerähnelichen Nase diskutierte. Die beiden Zankhähne erblickten schließlich die Charaktere und Bruder Bernd winkte sie unter den mißtrauischen Blicken des anderen Mannes herein.
*
Nachdem der Mann, der sich als Jasper Runenforsch entpuppte, den der Säufer Falschdenker ebenfalls schon erwähnt hatte, nun auch der Geschichte der Charaktere gelauscht hatte und danach lange – sich dabei das kantige Nasenbein reibend – über ihre Worte nachgedacht hatte, blickte dieser zu Bruder Bernd und sagte: „Ich denke, sie sind in Ordnung. Lasst sie uns zu ihm bringen.“
Und so machten die Charaktere sich mit Bruder Bernd und Jasper Runenforsch abermals auf in den Motzdammer Siff.
Unterwegs passierte man den Motzdamm, wo man in der Ferne verschanzte Siffer und Knüppler beobachten konnte, die sich offenbar eine Straßenschlacht lieferten, während hier und dort Geschrei und Lärm durch die Straßen hallte. Offenbar war die „Demonstration“ in vollem Gange.
Schließlich erreichte man ein schäbiges Fachwerkhaus, Jasper öffnete und sagte dabei zu Tholas: „Das Pferd nehmt besser mit herein.“
Innen erwartete sie ein 8köpfige Familie, welche gerade am Boden sitzend ein karges Mahl speisten und die Charaktere sprachlos anstarrten. Jasper schenkte ihnen keine weitere Beachtung, sagte zu den Charakteren nur: „Nicht wundern“ und stieg eine Kellertreppe hinab, die vor einer schweren Tür endete.
„Das Pferd lasst oben, die Familie passt schon drauf auf, seid unbesorgt“, erklärte Jasper, dann klopfte er gegen die schwere Kellertür. „Ihr lernt jetzt Dieter Anders kennen.“
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln