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[PtA-TS]In 80 Wochen zu uns selbst

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Jens:

--- Zitat von: Purzel am  5.02.2007 | 10:53 ---Boah!  :o Ich spüre den Frust der Spieler bis hier drüben. Am liebsten würde ich deeskalierend einschreiten, dann aber würden sie sich beim nächsten Mal nicht so herrlich gegenseitig das Leben schwer machen ;)
--- Ende Zitat ---
Irgendwie pervers aber über dieses Spiel muss das Diary diesmal besonders detailliert ausfallen! :)

Tantalos:

--- Zitat von: Jens am  5.02.2007 | 12:09 ---Irgendwie pervers aber über dieses Spiel muss das Diary diesmal besonders detailliert ausfallen! :)

--- Ende Zitat ---

Vielleicht ists eben besonders wichtig...

Schwules Lesbenpony:
Jasper hat natürlich Recht. Meine sehr kurze und knappe Zusammenfassung zeigt nicht im Geringsten das emotionale Potential dieser Serie und der letzten Folge. Daher lasse ich mich jetzt hier dazu aus.

Walther ist ein Stellvertreter für alle die 'sozial Unvermögenden' ja sogar 'emotional Behinderten', die mir so in meinem Leben begegnet sind. Er sublimiert aber auch Probleme und Ängste, die ich schonmal irgendwie hatte. Angst vor Ausgrenzung, davor sozial nicht anzukommen, nicht dazu zu gehören. Aber auch Angst davor, sich nicht mitteilen zu können, meine Gefühle und Sorgen mit niemandem teilen zu können, nicht verstanden zu werden.
Wie jede künstlerisch bewegende Figur - wie in Filmen, Romanen, Dramen, Serien, etc. - bringt Walther diese Ängste auf einen Punkt. Er ist in seiner Isolation und Unfähigkeit zum emotionalen Austausch so übertrieben und extrem, wie das im wirklichen Leben eher nicht vorkommt. An ihm werden die Konflikte seines Themas ausgetragen und ich kann an ihm leiden, ohne selbst durch sein Leid zu müssen. Ja, das ist für mich tatsächlich Kunst!

Hier kommt einer der wichtigsten Punkte an PTA und allen 'narr'-Spielen: die Identifikation mit dem Charakter. Oft wird den 'narr'-Spielen mit ihrer starken Meta-Ebene genau diese Qualität abgesprochen. Das ist mir völlig unklar, weil genau das Gegenteil hier der Fall ist. Ich habe mich noch nie mit meinen immersions-sim-figuren so identifiziert, wie mit Walther. Durch die Meta-Ebene kann ich noch mehr: ich kann mit ihm fühlen.
Wie er in seinem Keller sitzt und die Rollenspielgruppe und deren Termine der Mittelpunkt seines Lebens sind, weil er sonst völlig vereinsamt. Ich sehe dann vor meinem inneren Auge, wie er mit viel Mühe den Raum gestaltet. Mit Kerzen vielleicht und der besonderen Figur für Jasmin. Das ist fast schon possierlich, wenn es nicht so anrührend wäre.
Wie er sich absolut nicht mitteilen kann, und sich daher in eine Figur flüchtet, durch die er sprechen kann. Ganz kleinschrittig, wie bei einem Kind, haben wir da seine Stakes und Aktionen gestaltet, mit denen er seine ersten Gehversuche macht. Diese schöne Szene, in der er Realität und Spiel 'falschrum' durcheinander bringt, und Jasmin nach ihrem toten Großvater fragt, ist fast schon zu viel des Guten.
Wie er dann irgendwann richtig wütend wird, als seine Vorbereitungen für den Abend (Walther hatte Aventurische Boten mit Informationen über Elfen für Jasmin zusammengestellt) ignoriert werden. Hier nimmt ihm der Konflikt zwischen Jasmin und Stephan seine Handlungsfähigkeit. Dabei hatte er ihn empathisch schon wahrgenommen und mit seinem beschränkten Repertoir versucht, die Dinge besser zu machen.
Und schließlich die große, böse Höhepunktszene, in der alles eskaliert. In der alle Issues aufs Übelste zuschlagen und wir nur noch im Keller geschnitten hatten, weil die Flucht in die fiktive Welt nicht mehr möglich war. Wieder hat Walther keinen Konflikt bekommen, in dem eine Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungen möglich gewesen wäre. Sein Thema kann sich nicht mehr verstecken und es geht ganz direkt um seine Emotionen. Mann, hätte ich da in die Tischkante beißen können!

Ich habe die Stakes an dieser Stelle relativ lange herumgedreht und daran gefeilt und rumgebastelt, weil mir irgendwie nichts richtig auf den Punkt kam. Erst beim Herumfeilen wurde mir klar, dass es hier gar nix groß zu entscheiden gibt: Walther kann nichts mehr tun. Er hat alles ihm Mögliche versucht, um Kontakt aufzunehmen und den Konflikt zu schlichten. Jetzt ging es um die Wurst: Erkenntnis oder Untergang. Kann er seine Situation und seine Bedürfnisse hier sehen?
Und natürlich hab ich scheiße gewürfelt, und natürlich hat Walther verkackt. Er hatte sich vorher Jasmin zugewandt. Jetzt rückte er wieder in seine Ecke der Couch, versank richtig darin. Mit seinen Regelwerken und Errata und Charakterbögen und Würfeln. Er hat schön brav seinen Flammenstrahl mit allen Modifikationen ausgewürfelt und errechnet.
Und dann hat er abends seine Kiste und seinen Mut weggepackt.

Gott, fand ich das scheiße! Walther hat so viel gewagt, hat so einen großen Schritt versucht und ist dabei jämmerlichst auf die Fresse gefallen. Ernsthaft, das ist die erste Rollenspielfigur derenwegen ich geweint habe. Das ist mir noch lange so nachgegangen. So wie bei guten Filmen oder Büchern oder Dramen oder Serien. Kunst halt. :D

wjassula:
Mir ist mal die Definiton über den Weg gelaufen, Kunst bedeute, Alternativen zur Realität sinnlich fassbar zu machen. Das finde ich mit dieser Art, Rollenspiel zu betreiben, ganz schön umgesetzt, weil Dinge, die anders beschrieben wahnsinnig kompliziert klingen, unmittelbarer durch das Spiel zu erleben sind. Wir treffen uns ja nicht zu einem Pädagogikzirkel, wo wir endlos über Vereinsamung und Kommunikation debattieren, sondern es ist und bleibt ein Spiel mit Spaß und Spannung. Nur, dass es so relativ komplexe Inhalte aufnehmen kann und erlebbar macht, dass ist dann schon...na, ich sag jetzt nicht das "K-Wort"  ;).

Schwules Lesbenpony:

--- Zitat von: Jasper am  6.02.2007 | 17:17 ---Kunst bedeute, Alternativen zur Realität sinnlich fassbar zu machen
--- Ende Zitat ---
Das ist wirklich gut... :)

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