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[Warhammer] Die Reise nach Tiléa

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Friedie:
Hallo Zusammen,

unsere (Bonner) Rollenspielgruppe existiert schon seit ca. 6 Jahren und wir spielen im Schnitt alle 2-3 Wochen. Wir haben die Abenteuer "Unter falschem Namen", "Schatten über Bögenhafen" und "Gefahr auf dem Reik" durchgespielt, teilweise mit wechselnden Spielern und Charakteren. Tagebuch führe ich seit drei Sitzungen, Die Abenteuer beginnen kurz nach dem Fall der Burg Wittgenstein. Als Einführung (1.Tagebucheintrag) die Herkunft bzw. Vorgeschichte des Charakters den ich spiele, den Barden Sigurd Silberzunge.

weitere Spielercharaktere neben Sigurd Silberzunge:
Monalon (Magierin)
Wolfgang Kern (Arzt)
Magnus von Moosfels (Sigmar-Ritter)
Raslani Abendstern (Elfin)
Myralin (Ärztin)

Viel Spaß!

Für weitere Informationen, Kommentare, Anregungen, Kritik usw.:
http://tanelorn.net/index.php/topic,35260.0.html

Gruß aus Bonn
Friedie

[gelöscht durch Administrator]

Friedie:
Daubentag, der 01. Pflugzeit, an Bord der Beribeli

Sollten meine Wegbegleiter diese Zeilen einmal nach meinem Ableben lesen, so würden sie sich sicher erst einmal wundern, dass ich überhaupt fähig war, diese niederzuschreiben. Ich glaube nämlich, dass sie, zumindest diejenigen unter ihnen, die sich selbst als besonders gebildet ansehen, mich vielleicht nicht ganz so sehen, wie ich wirklich bin oder wie ich zu sein glaube. Sigurd und Schreiben? - Noten vielleicht. In letzter Zeit zweifeln einige von Ihnen anscheinend sogar meine Sangeskunst an. Natürlich bin ich ein spontaner Mensch, der manches Risiko vielleicht auch manchmal etwas unüberlegt eingeht, und ich bin sicher auch jemand, der häufig aus einem Instinkt heraus handelt. In manchen Situationen war das sicher auch falsch, in anderen hat wahrscheinlich diese Wesensart von mir mein Leben gerettet - und vielleicht auch gelegentlich das ihre.

Ich war aber auch immer schon ein nachdenklicher Mensch. Und ich glaube, dass ich dies nach den jüngsten Ereignissen noch viel mehr sein werde, vielleicht sogar mehr, als mir lieb ist. Denn ich liebte nun mal meine bisherige Lebensart. Ich habe es so sehr genossen, in den letzten zwei Jahren völlig unbekümmert durch die Lande zu ziehen. Damals wusste ich wohl noch wenig über Dämonen und anderen Zauberkram, jetzt belastet es mich umso mehr. Und ich ertappe mich nun des öfteren in meiner Kajüte auf der alten Beribeli bei der Anbetung vom schlauen Ranald oder dem starken Ulric, sie mögen doch bitte alle Dämonen aus dem Reiche fegen oder mir doch die Kraft geben, zu widerstehen; oder mir doch zumindest den Weg weisen, der mich an den Gefahren vorbeiführt. Ich habe früher sicher zu selten gebetet. Ist das der Grund, warum mir plötzlich all diese entsetzlichen Dinge passieren ?

Doch wie kam es dazu, dass ich ein so unbesorgter Mensch wurde ? Nun - ich glaubte wohl, in meinem Leben schon soviel erlebt und durchgestanden zu haben, dass mir nichts mehr gefährlich werden könnte. Meine Kindheit und Jugendzeit im guten alten Middenheim war sicher alles andere als einfach. Aber ich habe letztlich fast immer meinen Kopf durchgesetzt und die mir selbst gesteckten Ziele erreicht. An dieser Stelle wird es wohl Zeit, ein wenig zurückzuschauen. Ich wurde vor 24 Jahren als zweites Kind eines Heilers geboren. Meine Mutter starb wenige Wochen nach meiner Geburt, und so kümmerte sich meine zehn Jahre ältere Schwester Alina um mich und meinen Vater. Dieser war ein schlechter Mensch. Er verfiel nach dem Tod meiner Mutter dem Met und verlor daraufhin seine Aprobation. Die Schuld für alles gab er uns Kindern. Ich weiss nicht, wie Alina es schaffte, uns drei über die Runden zu bringen, und ich bewundere sie noch heute dafür. Als ich 14 Jahre alt wurde, starb mein Vater, als er im Vollrausch glaubte fliegen zu können und dies an der höchsten Wehrmauer Middenheims meinte in die Tat umsetzen zu müssen. Befreit von diesem "Monster" beschloss ich, mein Leben gänzlich in die eigene Hand zu nehmen. Der Abschied von Alina fiel mir sehr schwer. Aber auch sie wollte möglichst weit weg von der elterlichen Behausung. Sie zog es in ein abgelegenes Kloster des Verena-Ordens in den Wäldern nördlich von Middenheim. Einige Jahre später, als ich sie dort besuchen wollte, war sie nicht mehr dort. Man sagte mir, sie sei "Die Erste" in einem neugegründeten Kloster in den wilden östlichen Ländern jenseits von Kislev geworden - diesen Mut von ihr bewundere ich sehr.

Ich blieb zunächst in der Stadt und führte mein zwar schweres, aber auch unbekümmertes Leben als Gassenjunge fort, verdiente mein Geld als Laufbursche und auch durch gelegentliches Singen und Lautenspiel in den beliebten Tavernen der Stadt Middenheim. Die Fingerfertigkeit fürs Lautenspiel habe ich wohl von meinem Vater geerbt - eine seiner wenigen positiven Eigenschaften. Meine Einkünfte reichten immerhin dafür, dass ich nicht auf der Strasse leben musste, sondern immer ein Dach über dem Kopfe hatte. Ich nahm mir in der Webergasse im Südosten der Stadt, im Stadtviertel "Altmarkt", eine kleine Kammer bei einer alleinstehenden alten, wohlhabenden Dame namens Gwendolyne, die wohl Gefallen an meiner Stimme gefunden hatte. Ich weiss nicht, woher sie stammte, aber ich bin mir sicher, ursprünglich sicher nicht aus Middenheim. Dafür sprach schon der seltsam fremdländischer Dialekt in dem sie sprach. Die Dame schien auch nicht so recht in die Webergasse zu passen, lebte aber wohl aus gutem Grund sehr zurückgezogen. Einige vermuteten eine grosse Magierin in ihr, ich kann das allerdings nicht bestätigen. Jedenfalls wirkte sie auf Aussenstehende, und oft auch auf mich, sehr geheimnisvoll. Sie gab sich neben gelegentlicher musikalischer Unterhaltung mit einem sehr geringen Mietzins zufrieden. Das beste an ihr aber war, dass sie trotz meiner Jugend mein Privatleben immer respektierte. Das galt auch für jeden Besuch, den ich in meiner Kammer empfing. Andererseits konnte ich immer mein Herz bei ihr ausschütten, wenn dies einmal nötig war. So manch junges Mädchen fand allerdings ebenfalls Trost bei ihr - ich bekam dann des öfteren auch ein sehr schlechtes Gewissen. Aber sie nahm mir nie etwas übel: "Du musst selbst wissen, was Du da tust, Junge". Das hat bei mir sicher mehr Wirkung hinterlassen, als das eine Ohrfeige oder Strafpredigt getan hätte. So ein bisschen hat mir neben meiner Schwester Alina wohl auch Gwendolyne die Mutter ersetzt.

In dieser Zeit bildete sich in mir wohl auch der Wunsch, ein berühmter Barde zu werden. Ich gab mir den Nachnamen "Silberzunge", um auch das letzte Überbleibsel, was mich an meinen grausamen Vater erinnerte, eben seinen Namen, aus meinem Leben zu tilgen. Aber was gab es für eine bessere Möglichkeit, sich einen "Namen" zu machen, als die erfolgreiche Teilnahme am grossen Sängerwettstreit, der jedes Jahr während des Middenheimer Karnevals, des grössten und rauschendsten Festes der gesamten alten Welt, stattfand. Ich nahm mir also vor, bei diesem Wettstreit zu bestehen, doch um letztlich den Sieg davonzutragen stellten sich mir drei grosse Hürden in den Weg, zu denen ich später noch kommen werde.

Beim Sängerwettstreit treten jeweils zwei Barden gegeneinander an, der Verlierer scheidet aus, der Sieger erreicht die nächste Runde. Das geht dann eben so lange, bis nur noch einer übrigbleibt. Man misst sich in drei Disziplinen. Fernkampf - Sangeskampf - Trinkkampf. Den Aussenstehenden wird hier die immerwährende Verwendung des Begriffes "Kampf" wundern, aber so ist nun einmal die Middenheimer Art. Im Singen konnten mir damals nur wenige das Wasser reichen, abgesehen von dem Jahr, in dem mir die Stimme brach. Die Jury, die den jeweiligen Sieger dieser Disziplin bestimmte, bestand aus den "Schönsten Töchtern der reichen Leute", und manchmal half da sogar schon ein nettes Lächeln weiter. Schwieriger war da schon der Fernkampf. Dieser bestand entweder aus dem Zielschiessen mit dem Bogen oder aus dem Zielwerfen von Wurfdolchen. Das war dann auch mein erstes Problem - welches ich allerdings durch monatelanges Üben, auch in meiner kleinen Kammer, was Gwendolyne schier wahnsinnig machte, aus der Welt schaffen konnte. Die dritte und abschliessende Disziplin war für mich meine zweite grosse Hürde. Sie bestand darin, eine volle Mass Met - ohne sie abzusetzen - als erster zu leeren. Was mir hier Kopfzerbrechen machte war aber nicht, dies schneller als mein Gegner zu schaffen, sondern vielmehr es überhaupt zu meistern. Wer es nämlich nicht fertigbringt, scheidet direkt aus dem gesamten Wettbewerb aus, selbst wenn er in den ersten beiden Disziplinen siegreich war.

Nun komme ich zu meiner dritten, grössten Hürde: "Bariton Bodo", ein rothaariger Zwerg mit gewaltigen Körperausmassen - in der Breite. Er war lange Zeit der bekannteste -oder soll ich lieber sagen: gefürchtetste ? - Barde Middenheims und verfügte zudem über grossen politischen Einfluss über seine Bardenzunft, welcher beizutreten ich mich immer geweigert hatte. Nun, Bodo beherrschte den Wettbewerb über viele Jahre unangefochten. Sieben mal in Folge wurde sein Name in die grosse Eichenplatte, die in der Mitte des Grossen Parks aufgestellt ist, eingraviert. Ich hab' den Kerl nie sonderlich gemocht, im Gegensatz übrigens zu vielen anderen Zwergen Middenheims, mit denen ich so manches Horn leerte. Bodo war ein regelrechter Griesgram, von übertriebenem Ehrgeiz zerfressen. Mich hatte er von oben herab behandelt seit er mich kannte: "Sieh an, da kommt wieder das Menschlein" - eine Verhaltensweise, die mir anfangs ziemlich auf den Geist ging, bis ich es lernte, seine Sprüche einfach zu ignorieren, was wiederum ihn ziemlich ärgerte.

Seit meinem 16.Lebensjahr, das war das Mindestalter, nahm ich an den Sängerspielen teil. In den ersten beiden Jahren stellte das "um die Wette trinken" ein schier unüberwindliches Hindernis für mich dar. Und auch in späteren Jahren gelang es mir höchst selten, diese Disziplin für mich zu verbuchen. Ich war dann oft schon froh die Mass Met überhaupt in einem Zug zu meistern. In den ersten vier Jahren gelang es mir aber dann doch, mich von Mal zu Mal zu steigern. Zum ersten Platz reichte es zwar noch nicht, doch es gelang mir nach und nach einen Namen zu machen. Als ich mich im Jahre 2508 stark genug fühlte, den alten Bodo endlich abzulösen, war dieser auf grosse Fahrt gegangen. Ich gewann den Wettbewerb dann im Endkampf, wie übrigens auch den im Jahr darauf, gegen meinen guten Freund Ansgar Grünblatt, "den ewigen Zweiten". Als ich dann im Frühjahr des Jahres 2510 selbst beschloss, auf Wanderschaft zu gehen, um die grosse weite Welt zu sehen - mein Ranzen war schon gepackt - da tauchte Bodo plötzlich wieder in der Stadt auf und kündigte grosspurig an, seinen rechtmässigen Platz beim nächsten Sängerwettstreit wieder einzunehmen.

Im Endkampf des Jahres 2510 war ich dann sehr glücklich, dass laut Entscheid der Jury mit Dolchen geworfen würde und nicht der Bogen entscheiden sollte, den Bodo wie kein zweiter beherrschte. Wütend warf mein Widersacher seinen neuen Bretonischen Bogen beiseite und war dann anschliessend chancenlos. Bariton Bodo war so verunsichert, dass er beim anschliessenden Singen einen Hustenanfall bekam, aber in dieser Disziplin wurde ich von den Middenheimern mittlerweile ohnehin wesentlich höher eingeschätzt. Im abschliessenden Wettrinken hatte Bodo wie erwartet leichtes Spiel, denn in wenigen Sekunden hatte er seinen Humpen geleert. Dann begann er lustige Tiléanische Geschichten zu erzählen, um mich zum Lachen und damit zum Scheitern zu bringen. Es wurden die längsten Sekunden meines Lebens. Bodo wurde immer unruhiger, versuchte alles um mich zu stoppen, denn das hätte ihm ja doch noch den Sieg beschert. Dazu kam dann noch die tosende Menge von Zwergen, die es nicht wahrhaben wollten, dass ihr Sängerkönig fiel. Ich kniff meine Augen zu und versuchte die Welt um mich herum zu vergessen und mit einem letzten grossen Schluck war es endlich geschafft. Zum Beweis liess ich den leeren Krug auf dem Tisch zerschellen. Danach brach die Hölle los. Ich weiss bis heute nicht, wie ich dem Getümmel entkam, denn Flucht war nun das einzig Vernünftige. Eigentlich scheue ich ja keine Schlägerei, aber bei rund fünfzig aufgepeitschten und rasenden Zwergen schien mir ein Bleiben doch unvernünftig zu sein. Die Siegerehrung im grossen Brauhaus entfiel jedenfalls an diesem Abend, wurde aber bald darauf nachgeholt. Ich bekam hierzu eine Vorladung zum Hause des damaligen Leiters der "Kommission für Gesundheit, Erziehung und Gemeinwohl", Helgard Stahnen. Neben Bariton-Bodo und Ansgar Grünblatt, der dieses Mal den dritten Platz erreichte, war lediglich die Jury vom Wettkampftage anwesend. Stahnens Tochter Inga überreichte mir, wie es Brauch war, die Siegespreise - als da waren ein kompletter Satz hervorragender Dolche, eine exzellente Laute sowie, und dass jetzt schon zum dritten Mal, ein kostbares, aber sehr hässliches Kristallglas mit eingravierter Jahreszahl.

Als ich die Zeremonie verlassen wollte, um mit Ansgar noch ein bisschen zu feiern, erhob Stahnen das Wort und gab mir die dringende Empfehlung, Middenheim sofort zu verlassen. Ich hätte eine Massenprügelei beim Karnevalsfest angezettelt und dem Gemeinwohl beträchtlichen Schaden zugefügt. Ich wurde völlig überrumpelt. Leugnen sei zwecklos, so Stahnen weiter, es gebe mehr als fünfzig Zeugen. Meinem bisher unbescholtenem guten Namen hätte ich es zu verdanken, nicht gleich abgeurteilt und ausgepeitscht zu werden. Als ich ein böses Grinsen bei Bodo bemerkte, wurde mir einiges klar. Das alles war sein Werk. Stahnen wurde anscheinend von ihm und seiner Zunft gehörig unter Druck gesetzt. Den Jurymitgliedern schien das alles sehr peinlich zu sein, Inga schien sogar Tränen in den Augen zu haben, aber ehe ich in meiner Wut und Enttäuschung etwas anstellen konnte, führte Ansgar mich aus dem Hause Stahnens in die nächste Taverne - ein guter Freund, der mich damit sicher vor Schlimmeren bewahrte. Nach ausgiebigem Feiern war uns natürlich nicht mehr zumute. Immerhin versprach der gute Ansgar mir zu versuchen, die Wahrheit über dass, was wirklich passiert war in der Stadt zu verbreiten.

Einige Tage später sah ich mein Bildnis an fast jeder Strassenecke meines Viertels mit dem Hinweis "Gesucht zum Empfang von zwanzig Stockschlägen - Belohnung" Die Strafe wird bei solchen Steckbriefen mit aufgeführt, weil diese dann als öffentliches Schauspiel erfolgt und somit einen Anreiz zur Ergreifung des Gesuchten geben soll. Da ich nun meinen Beschäftigungen nicht mehr frei nachgehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, gefangen und vor dem Volke meiner Heimatstadt gedemütigt zu werden, beschloss ich die Stadt zu verlassen - was ich ja eigentlich ohnehin beabsichtigt hatte. So packte ich meine wenigen Habseligkeiten, verabschiedete mich von Gwendolyne - was mir dann doch recht schwer fiel - und machte mich auf den Weg. Eingehüllt in eine dunkle Kutte, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, machte ich mich aus dem Staube, nicht ohne bei Querung des grossen zentralen Parkes zu bemerken, wie gerade mein Name in die berühmte Eichentafel graviert wurde. Was auch geschehen sein mochte, einen Rest Anstand hatte sich der Herr Helgard Stahnen also doch bewahrt.

Diese Geschehnisse ereigneten sich nun vor knapp zwei Jahren. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass ich jüngst auf dem Schaffenfest in Bögenhafen erfuhr, im letzten Jahr habe ein Elf - nämlich ein gewisser Lladhréin - den Sängerwettstreit von Middenheim gewinnen können. Er soll den alten Bodo dabei so dermassen lächerlich gemacht haben - und dass in allen drei Disziplinen - dass dieser geschworen haben soll, nie wieder anzutreten. Als ich davon hörte, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen - lernte ich doch genau diesen Elfen kürzlich in Nuln kennen und hatte die grosse Ehre, mit ihm zusammen musizieren zu dürfen.

Friedie:
Königstag, der 19. Sommerzeit 2512

Jetzt ist es also doch passiert. Irgendwie habe ich ja immer geahnt, dass es mit uns kein gutes Ende nehmen konnte. Allerdings hatte ich eigentlich immer erwartet, irgendwann von einem grinsenden Dämon verschlungen zu werden, wie einst eine gewisse Ratte in Bögenhafen, und nicht von einem korrupten Gericht zum Tode verurteilt zu werden. Denn damit muss man jetzt wohl rechnen, wenn man sich vor Augen führt, wen Monalon und Wolfgang da vorhin zur Strecke gebracht haben. Wagner, den Lagerverwalter und Buchhalter von Matthias Blücher, der wiederum als einer der einflussreichsten Kaufleute Kemperbads gilt. Was ist da nur in sie gefahren? Getötet haben wir in der Vergangenheit ja schon häufiger, allerdings war das zumindest in Bezug auf Menschen immer in Selbstverteidigung und niemals kaltblütiger Mord. Einschüchtern und ausquetschen wollten wir Wagner. Den Brand der Beribeli aufklären, unseres Schiffes, und erfahren was es mit Wagners Brief auf sich hat, der hätte nachweisen können, dass wir seit Monaten von der Purpurnen Hand beschattet wurden. Nun ist dieser Brief allerdings zusammen mit dem Lagerverwalter selbst in Flammen aufgegangen.

Jetzt sitzen wir also in dieser Gefängniszelle, neben Wolfgang ein weiterer Gefangener, der seit Wochen darauf wartet, dass ihm die Hand abgeschlagen wird - welch grausames Schicksal, wie mir gerade klar wird, und meine Wenigkeit. Monalon ist nicht bei uns, nachdem Wolfgang sich weigerte, mit ihr in dieselbe Zelle gesperrt zu werden. Er hat sie als Hexe bezeichnet, wohl um die Schuld von sich abzuwenden und seinen Hals zu retten. Das sieht dem Kerl ähnlich. Aber ich glaube nicht, dass ihn das retten wird. Der achso schlaue Wolfgang wird wohl genauso wie Monalon und ich bald das Zeitliche segnen. Das scheint mir im Moment unvermeidlich.

Bereuen tue ich eigentlich wenig in meinem Leben. Monalon und Wolfgang geholfen zu haben, das Chaos zu bekämpfen bereue ich zu keinem Augenblick. Das ich jetzt einmal zur falschen Zeit am falschen Ort war, denn so fühle ich mich momentan, ist einfach grosses Pech gewesen. Für die Verhandlung nehme ich mir vor zu schweigen, da ich nicht glaube, damit wirklich etwas bewirken zu können. Aber ein Lied möchte ich dann doch hinterlassen in dieser Welt - und wenn dieses letzte Werk zunächst auch nur für unsere armen Nachfolger in dieser Zelle geschrieben werden kann.



The Minstrel Boy



The minstrel boy to the war is gone,
In the ranks of death you'll find him;
An ancient sword he hath girded on,
And his wild lute slung behind him;
"Land of Song!" cried the warrior bard,
"Tho' all the world betrays thee,
One sword, at least, thy right shall guard,
One faithful lute shall praise thee!"


The Minstrel fell! But the foeman's steel
Could not bring that proud soul under;
The lute he lov'd ne'er spoke again,
For he tore its chords asunder;
And said "No chains shall sully thee,
Thou soul of love and brav'ry!
Thy songs were made for the pure and free
They shall never sound in slavery!


The minstrel boy will return, we pray,
When we hear the news we all will cheer it.
The minstrel boy will return one day,
Torn perhaps in body, not in spirit.
Then may he play on his lute in peace,
In a world such as Heaven has intended,
For all the bitterness of man must cease,
And every battle must be ended

Friedie:
Arbeitstag, der 20. Sommerzeit 2512

Ein wenig Hoffnung darf ich jetzt wohl doch wieder schöpfen aus den heutigen Ereignissen. Dieses Morgens erscheint unser Rechtsbeistand, eine junge hübsche Priesterin aus dem Verena-Tempel. Wir schildern Ihr kurz was passiert ist und entwerfen mögliche Verhandlungsstrategien. Wolfgang scheint etwas enttäuscht zu sein, dass es nicht seine Mutter ist, die uns verteidigen soll und er scheint diesem Mädchen, das sich als 'Taanja' vorgestellt hat, auch nicht allzu viel zuzutrauen.

Der Prozess verläuft zunächst wie erwartet, die Beweismittel werden vorgelegt und zeigen in aller Deutlichkeit was passiert ist. Wolfgang trägt vor, er sei von Monalon behext worden und demnach die Unschuld in Person, woraufhin das Mädchen sich natürlich wehrt und äussert, sie sei von Wolfgang zu der Tat angestiftet worden. Meine beiden Reisegefährten giften sich einige Minuten regelrecht an und fahren fort sich gegenseitig zu belasten. In mir macht sich daraufhin eine gewisse Traurigkeit breit. Ich weiss in diesem Moment, dass es wohl dem Ende zugeht mit unseren gemeinsamen Abenteuern, ausserdem empfinde ich das ganze als ziemlich würdeloses Ende. Zumindest der alte Richter aber, Gerfeld Einarsson, strahlt für mich eine gewisse Weisheit aus, in dem er die Beweismittel in Bezug auf meine Person doch recht objektiv zu sehen scheint. Den Mord kann man mir jedenfalls nicht ohne weiteres direkt nachweisen. Man sieht ganz im Gegenteil ganz deutlich meinen entsetzten Gesichtsausdruck auf der "Wagners magischer Aufzeichnung", als meine beiden Gefährten in sein Büro stürmten und der Verwalter in Monalons Feuerball verdampfte.

Dann kommt die Sprache auf mögliche Motive unseres Handelns am besagten Abend, aber auch im Allgemeinen. Der Richter, der sich für die magischen Aspekte dieses Falles tatsächlich noch Unterstützung aus Altdorf hat kommen lassen, einen alten Magier, der als „Seine Spektabilität Tyrios Prahe“ vorgestellt wurde, spricht dabei von unserer „irrigen Annahme, das Chaos zu bekämpfen“. Das ist dann doch zu viel für mich und so breche ich mein Schweigegelübde indem ich vorbringe, man solle doch einmal in Wittgendorf nachfragen inwieweit diese „Annahme“ unsererseits denn wirklich irrig sei. Oder man frage doch die drei Wittgendorfer Bürger Michara, Talrik und Jörgun, die uns zur Stadt begleitet haben und sich zur Zeit in Kemperbad befinden. Richter Einarsson scheint sichtlich überrascht und stellt Fragen zu den zurückliegenden Ereignissen um die Zerstörung Burg Wittgensteins und unsere Verwicklungen hierin, die ich ihm wahrheitsgemäss beantworte. Er scheint sich seiner Sache nun nicht mehr ganz so sicher zu sein und ordnet an, die Verhandlung erst am morgigen Tage fortzusetzen um die drei Zeugen zu finden und zu befragen.

Nach den Ereignissen dieses Tages bin ich jedenfalls, wie zuvor bereits angemerkt, durchaus wieder etwas hoffnungsfroher gestimmt. Vielleicht werde zumindest ich am Ende noch einmal mit dem Leben davon kommen.

Friedie:
Festtag, der 21. Sommerzeit 2512

Am heutigen Morgen sucht uns Wolfgangs Mutter Ursula auf, was diesen sichtlich freut. Viel schlauer werden wir dadurch allerdings nicht, ich muss allerdings zugeben, dass ich irgendwie nicht in der Lage bin, mich auf dieses Gespräch zu konzentrieren. Es dauert auch nicht mehr lange und wir werden zurück in den Verhandlungssaal geführt. Und auf einmal geht dann alles sehr schnell. Denn Richter Einarsson ergreift das Wort und geht zu meiner Überraschung sofort zur Urteilsverkündung über. Ich hatte ja zumindest noch erwartet, dass die Wittgendorfer Zeugen angehört würden, aber das ist wohl offenbar schon vorher schon geschehen. Jedenfalls - so der erste Urteilsspruch - wird mein Leben verschont werden, wie ich erleichtert feststelle. Allerdings trifft mich der Bannstrahl, und ich soll ohne Verzug aus dem Reiche entfernt werden. Monalon und Wolfgang dagegen werden zum Tod durch das Fallbeil verurteilt.

Kurz darauf werden wir dann auf den Richtplatz geführt, wo sich bereits viel Volk eingefunden hat - als ob das Urteil schon lange vorher feststand. Ich sehe Monalons Eltern, die Mutter in Tränen aufgelöst. Interessanter Weise kann ich kaum Feindseligkeiten aus der Menge uns gegenüber ausmachen. Ich werde zuerst auf die Bühne geführt, wo bereits ein Schmied nebst zwei grobschlachtigen Gehilfen auf mich wartet, um mir das Bannzeichen aufzudrücken. Um mich abzulenken, stimme ich ein Lied an, werde aber vom Geschrei der Menge bald übertönt. Ich schliesse meine Augen, als ich das Brandeisen auf mich zukommen sehe. Kurz darauf spüre ich dann einen wahnsinnigen Schmerz auf der Stirn. Ich öffne die Augen, und für ein paar Momente verschwimmt alles vor mir. Meine Stirn scheint regelrecht zu brennen, aber es stellt sich auch ganz langsam ein leichtes Taubheitsgefühl ein. Ich richte mich voll auf und sehe in erstaunte Gesichter. Man hat wohl erwartet, dass ich laut aufschreien und dann ohnmächtig werden würde, und ich muss sagen, dass das in diesem Moment vielleicht auch nicht das schlechteste wäre. Ich werde daraufhin an die Seite geführt und in die Obhut eines grossen barhäuptigen jungen Mannes gegeben, damit die Henker ihr schauriges Werk weiterführen können. Viel bekomme ich dann davon aber nicht mehr mit. Nur das ich kurz den Eindruck habe, bei Monalons Enthauptung den dumpfen Aufprall des Fallbeils zweimal hintereinander zu hören, aber das könnte auch mit den irren Kopfschmerzen zu tun haben, die ich immer noch verspüre. Erstaunlich ist zudem, dass angekündigt wird, Wolfgangs Hinrichtung erst einmal auszusetzen.

Mein Bewacher stellt sich als ein Sigmar-Priester heraus, der den Auftrag hat, mich schnellstmöglich ausser Landes zu bringen. Ich erfahre, dass es nach Tiléa gehen soll, und er fragt mich, ob ich gut zu Pferd sei. Als ich das wahrheitsgemäss verneine meint er, dass würde ich dann schon noch lernen. Man führt zwei Pferde herbei, die Fussfesseln werden mir abgenommen und der Priester, der sich mir später als Magnus von Moosfels vorstellt, hilft mir in den Sattel. Ein unglaublich kräftiger Bursche, ich hoffe, mich nicht irgendwann einmal mit ihm schlagen zu müssen, das könnte bös für mich enden. Das Reiten ist anfangs schon sehr ungewohnt, aber doch einfacher, als ich es mir immer vorgestellt habe. So geht es denn auf des Rappens Rücken aus der Stadt. Das Volk, das uns teilweise vom Richtplatz aus bis zum Stadtrand begleitet, verhält sich immer noch eher zurückhaltend, und ich bemerke zu meinem Erstaunen auch weiterhin keinerlei Feindseligkeiten. Vor einigen Jahren bekam ich einmal mit, wie ein Verbannter aus den Toren Middenheims regelrecht herausgetrieben und mit verfaultem Obst und kleineren Steinen beworfen wurde. Vereinzelt glaube ich sogar aus dem Getuschel der Menge meinen Namen herauszuhören.

Den Rest des Nachmittags und den frühen Abend sind wir dann unterwegs, was mir die Zeit gibt, über die Vergangenheit und auch über meine Zukunft nachzudenken. Im Grunde ist ja jetzt alles gar nicht so schlimm, eine Verbannung erscheint mir nun nicht unbedingt etwas endgültiges zu sein, und in Tiléa soll es ja auch ganz schön sein - so weiss man dort Musik zu schätzen, wie ich schon oft vernommen habe. Natürlich trauere ich um die verlorenen Freunde und muss natürlich auch sehnsüchtig an meine liebste Marion in Delbertz denken, von der mich gerade jeder Schritt dieses blöden Gaules weiter entfernt.

Am späten Abend erreichen wir dann ein Gasthaus, wo es endlich etwas anständiges zu Essen und vor allem ein paar Schnäpse für mich gibt, die brauche ich jetzt aber auch. Von Moosfels versucht mir ein „Redeverbot“ aufzuerlegen, an das ich mich natürlich nicht halte. Der Kerl erinnert mich irgendwie sehr stark an Wolfgang in seinem Gehabe, was aber wohl auch an den Umständen liegt, somit kann ich ihm sein Verhalten kaum übelnehmen. Bald gesellt sich eine Elfin, die sich uns als Raslani Abendstern vorstellt, an unseren Tisch und stellt mir einige neugierige Fragen, was die jüngsten Ereignisse betrifft. Ich gebe ihr bereitwillig Auskunft, angefangen mit den Ereignissen in Wittgendorf, meine Begegnung mit der Sigmar-Erscheinung im dortigen Tempel, den Fund des Schwertes des Sigmartemplers, die Erstürmung der Burg mit Hilfe der Rebellen und die letzten Tage in Kemperbad. Von Moosfels scheint mir zu Anfang überhaupt nicht zu glauben, was sich aber mit der Zeit ändert, da einige Aussagen Raslanis die meinen mehr oder weniger bestätigen.

Magnus bringt mich nach einiger Zeit auf unser Zimmer und verschwindet wieder nach unten in die Gaststube, wohl um sich allein mit der Elfin Abendstern zu besprechen. Mir ist das in diesem Moment eigentlich ganz recht, da ich nach den Ereignissen dieses Tages sehr erschöpft und müde bin. Kaum befinde ich mich aber in Mors Armen, da werde ich auch schon wieder von meinem Bewacher geweckt, der mir mitteilt, dass wir am morgigen Tag zusammen mit der Elfin Raslani Abendstern nach Kemperbad zurückkehren werden. Er scheint sehr an dem Kesselrink-Schwert Monalons interessiert zu sein. Zudem teilt er mir mit, dass er Boten zu seinem Tempel nach Altdorf ausgesendet hat, um meine Aussagen über meine "Sigmar-Erscheinung" zu überprüfen. Nach einem ereignisreichen Tag, und froh immer noch am Leben zu sein, falle ich in einen tiefen Schlaf.

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