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Deutschsprachige Rollenspiel-Rohrkrepierer

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Arkam:
Hallo zusammen,

einen Thread über Totgeburten zu reanimieren das gefällt dem Forennekromanten.

Aber in einer Zeit wo einige den Retroboom ausrufen, es Mal wieder mit SF versucht wird, viele neue deutsche Systeme und auch neue Übersetzungen von fremdsprachlichen Produkten heraus kommen lohnt sich eine Betrachtung darüber warum ein System scheitert durchaus.

Klassische Todesfälle sind Systeme die versuchen sich an eine Mode anzuhängen. Veteranen des Rollenspiels erinnern sich vielleicht noch an eine Zeit in der Rollenspiele derartige Renner waren wie später Sammelkarten oder heute Onlinerollenspiele álá World of Warcraft.
Aber auch Moderichtungen im Rollenspiel also etwa düstere Horrorspiele oder auch klassische Helden Fantasyspiele ziehen Nachahmer mit sich.
Da ist dann meistens das Produkt ein schlechtes oder aber es bietet so wenig originelles das man lieber beim Original bleibt.

Einen erhellenden Blick auf das Sterben eines Systems bietet Mechwarrior. Der Balttletech Hintergrund selbst ist ja auch weiterhin durchaus beliebt.
Die erste deutsche Fassung kam heraus als die Clans in Deutschland schon aufgetaucht waren brachte diese aber noch nicht ins Spiel obwohl sie im Original meines Wissens vorhanden waren.
Die Regeln selbst waren nicht außerordentlich komplex aber sie zeigten eine deutliche Konzentration. Das wäre ansich ja noch nichts schlimmes, ein Mechwarrior Rollenspiel darf sich ja durchaus auf Mechwarrior konzentrieren, aber in diesem Falle brachte das zwei Probleme mit sich.
Zunächst reduzierten sich die potentiellen Käufer schon Mal auf die Tabletopper. Der Kreis der Romanleser lies man außer Acht. Damit reduzierte man aber auch den schönen und aus meiner Sicht immer noch interessanten Hintergrund unnötig.
Zudem war man als Rollenspieler fast schon gezwungen den kompletten Regelsatz des Tabletops zu nutzen wenn man wenigstens das Schlachtfeld nicht nur mit Mechs sondern auch mit Panzern, Artellerie und Luftfahrzeugen ausstatten wollte.
Wäre jetzt wenigstens die Integration des Rollenspiels ins Tabletop gelungen wäre unsere damalige Runde glücklicher gewesen. Aber leider war das nicht der Fall. Ein spezialisierter Mechwarriorcharakter im Tabletop überstieg den Werterahmen des Tabletops. Dinge wie Reparaturen, Modifikationen von Mechs und auch das Leiten einer Mechgruppe wurden sehr tabletop und verwaltungslastig ins Spiel integriert.
Dazu fehlte es dann noch an Zubehör wie Hintergrundbänden und Abenteuern. Um nur individualisierte Mechpiloten zu erschaffen war das System zu komplex als Rollenspiel war es zu beschränkt.

Cthulhu zeigt mit seinem Weg deutlich das man Erfolg haben kann wenn ja wenn man aus den Fehlern der Vorgänger lernt.
Die amerikanische Cthulhu Ausgabe zeichnete sich dadurch aus das man nur ein Buch zum Spielen benötigte. In diesem Buch fand man grobe Angaben zum Spiel im viktorianischen Zeitalter, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und in der Jetztzeit.
Große Bekanntheit bekam das System darüber das der jeweilige Hintergrund eng mit dem fiktiven Geschehen verbunden wurde und die Kampagnen liebevoll und mit Handouts versehen waren.
Der erste deutsche Versuch war meines Wissens nach die FanPro Ausgabe des Systems. Das ganze gliederte sich da schon in einen Regelband und einen gemischten Hintergrund- Regelband. Mit "Die Anstalt" gab es einen Abenteuerband der mehrere Kurzabenteuer bzw. meiner Erinnerung nach eher Szenarien enthielt. Für ein System das versucht ein neues und nicht einfaches Genre wie den lovecraftschen Horror einzuführen tat man zu wenig um Spieler und vor allen Spielleiter an das System zu binden. Fragen, die bis heute eigentlich bei Cthulhu noch nicht geklärt sind, wurden beim ersten Versuch noch ganz dem Spielleiter überlassen. Zudem gab es, soweit ich mich noch erinnere, auch zeitliche Lücken bis man alles zum Spielen parat hatte.
Als nächstes kam die Laurin Ausgabe heraus. Das Regelsystem wurde hier schon in einen Spieler und einen Spielleiter Band unterteilt. Es kamen tatsächlich auch Abenteuerbände heraus. Mit Ägypten gab es sogar eine Hintergrundbox. Der empfohlene Hintergrund, die 20er Jahre in Amerika oder auch Europa wurden aber wieder nicht hinreichend unterstützt und die berühmten Kampagnen auch nicht angekündigt.
Laurin stab dann aber einen wirtschaftlichen Tod und das System mit ihm.

Pegasus unternahm dann den dritten und bisher ja auch sehr erfolgreichen Versuch.
Der erste Punkt war sicher das das Regelwerk ursprünglich in einer einbändigen Fassung vorlag und sich was den Inhalt anging an der amerikanischen Vorlage orientierte. Zudem war das regelwerk edel aufgemacht und sprach so nicht nur die Rollenspieler an die Interesse am System sondern auch die Rollenspielsammler und die Literaten an die an Lovecraft interessiert waren.
Dann wurde sowohl Hintergrundmaterial, als auch Abenteuer aber auch komplette Kampagnen veröffentlicht. Wer also spielen wollte bekam die dafür notwendige Unterstützung.
Das es mit der "Cuthuloide Welten" ein Hausmagazin und ein aktives Internetforum gibt, inzwischen, Februar 2024 leider gab bei beiden, unterstützt den Spielerzweig noch zusätzlich.
Mit dieser Basis baute man dann den spezifisch deutschen Hintergrund auf. Es gibt eine liebevoll erarbeitete Hintergrundbox und eine Kampagne die in Deutschland spielt.
Inzwischen verzweigt das System zunehmend. Mit dem Hexer und Cthulhu Now hat man neue Hintergründe veröffentlicht.
Mit den Zusatzbänden hat man Material erschaffen das ähnlich wie die Gurps Quellenbücher auch für andere Rollenspiele interessant sind.
Der Hintergrund Deutschland wird mit einem Band zum ersten Weltkrieg und einem angekündigten Band zum Mittelalter weiter ausgebaut.

Gruß Jochen - Rechtschreibung & Zeichensetzung

PS: Korrekturen was die zeitliche Einordnung oder auch einzelne Tatsachen angeht nehme ich gerne entgegen.

Neidhardt:

--- Zitat von: Alrik aus Beilunk am  6.07.2004 | 22:33 ---....

War Abenteuer in Magira nicht der Vorläufer von Midgard ?

--- Ende Zitat ---

Nein, war es nicht. Beide Systeme haben die selbe Wurzel. D.h., ursprünglich war es der selbe Kreis an Leuten, der an den selben Regeln geschrieben hat. Aufgrund unterschiedlicher Meinungen trennte man sich in zwei Gruppen (soweit ich weiß, jedoch nicht im Streit). Sowohl "Midgard" als auch "Abenteuer in Magira" (AiM) waren ursprünglich reine "Fan-Produkte". Ich muss dazu sagen, dass es Ende der 70iger, Anfang der 80iger nur wenige englisch- und keine deutschsprachigen Rollenspiele gab.

Während die Midgard-Leute - nach und nach - in den professionellen Bereich wechselten, blieben die AiM-Leute im Fan-Bereich. Als AiM in Buchform gepresst wurde und zu kaufen war, war es für einen professionellen Einstig bereits viel zu spät. Ich denke auch, dass die Mehrzahl der AiM-Macher eigentlich nie einen Einstieg ins Profi-Lager anstrebten. AiM wird nach meinen Erkenntnissen nicht mehr gespielt.

Magira heißt die Welt des Vereins Follow (www.Follow.de], die ursprünglich Grundlage für das RPG bildete, auch nach der Trennung in Midgard und AiM. Durch den Einstieg in Profi-Lager wechselte Midgard wegen eventueller urheberechtlichen Probleme von der Welt Magira zur Eigenkreation Midgard, das zwar noch viele Ähnlichkeiten aufweist, aber trotzdem anders ist.

Edit:
Ach, und noch etwas: AiM war keine Totgeburt, sondern wurde ca. 25 Jahre lang gespielt. Welches andere RPG kann das schon von sich behaupten.  :korvin:

Boba Fett:
Soweit mein Gedächtnis es rekonstruieren kann, war Magira auch zunächst die Welt für das Rollenspiel Midgard,
wurde dann aber sehr schnell durch die Welt Midgard ausgetauscht, da es zum Bruch zwischen Follow, die auf Magira ihr TabeltopSpiel "das ewige Spiel" spielten und die Kultur ihrer Clans basieren liessen, und den Midgard - Autoren kam.
Ich kann mich jedenfalls noch daran erinnern die ersten Midgard Spiele mit der Magira Welt und den Kulturen (Clans) von Midgard gespielt zu haben.
Die Aktivitäten der Follow Clans (die sogenannten Clantreffen) kann man als Mischung zwischen mittelalterlicher Con und erste Form des Fantasy LARPS ansehen.
Ich weiss jetzt allerdings nicht, ob die erste Midgardversion die im Handel erschien noch Magira oder schon Midgard als Setting nahm.

Ich hatte damals einige Kontakte zu Follow und dem EdFC (erster deutscher Fantasy Club) und die Vorstände (Lords) des Clubs waren ziemlich verquer in der Art und Weise, wie sie ihren Verein führten - das war "gefühlt" zum Teil schon fast mehr Sekte als Club.
(Mir ist nicht bekannt, wie das entwickelt hat bzw. heute aussieht!)
Allerdings habe ich sehr nette und liebe Leute bei Follow kennengelernt und ein paar davon sind immer noch gute Freunde von mir.
Aber das ist sehr sehr lange her (Mitte der 80er)...
Die genauen Gründe für den Bruch sind mir aber unbekannt.


Ächz, ich bin wohl wirklich Urgestein... ;)

Neidhardt:
Wie gesagt, Midgard wurde innerhalb Follows entwickelt. Daher war auch Magira die Spielwelt. Die 2. Edition von Midgard war Magira noch sehr ählich, erst mit der 3. Edition entstand etwas Neues.

Der "Bruch" hatte nur mittelbar was mit Rollenspiel zu tun. Die Midgard.Macher waren größtenteils mit den "Rebellen von '78" identisch.

Follow lässt sich schwer erklären. Es ist ein Club von Fantasy-Fans und hat mehrere Facetten: Literatur, Weltenbastelei, das strategische Spiel "Das Ewige Spiel", basierend auf den "Armageddon"-Regeln (kein eigentliches Tabletop), etwas Rollenspiel (seite Ende der 70iger) und etwas, was ich als "narratives LARP" bezeichnen würde und es werden alte "Follow-Traditionen" gepflegt (der Club existiert bereits seit 1966). Diese "Traditionspflege" geht aber eher in Richtung "Burschenschaft" als in Richtung "Sekte".

Follow hat sich mittlerweile stark verändert. Man kann sich die Bereiche herauspicken, die einem liegen. Die "Traditionspflege" wurde mittlerweile stark zurückgedrängt.

Woher ich das alles weiß? Na, ich bin - seit nunmehr 1981 - Mitglied von Follow und habe eine Menge seiner Höhen und Tiefen hautnah miterlebt.
Die Vorteile von Follow sind: ein gigantisches kreatives Potenzial, ein starkes soziales Netzwerk (es gibt mittlerweile Mitglieder in dritter Generation!) und viele Leute, die was auf die Beine stellen (können). Die Nachteile sind: die jahrzehntealten starren tradierten Regeln, von denen man sich erst vor kurzem mit viel Kraftaufwand trennen konnte, mangelnde Nachwuchspflege und der Zerfall in Fraktionen mit divergierenden Interessen.

Follow hat sich vom EDFC e.V. bereits 1992 getrennt. Seitdem ist der FC e.V. der "Dachverein".

Der Legende nach wurde das erste Rollenspiel in Deutschland auf einem Follow-Con (nicht "Clan-Treffen") 1976 gespielt.

Heute ist Follow nur noch ein Verein (alter Säcke) unter vielen anderen und hat sich eventuell auch überlebt. Die Mitgliedszahlen sind rückläufig, das Durchschnittsalter steigt und viele schwelgen nur noch in Nostalgie. Aber schön war's doch ...  :korvin:


AlexW:

--- Zitat von: Neidhardt am 17.10.2008 | 15:46 ---Heute ist Follow nur noch ein Verein (alter Säcke) unter vielen anderen und hat sich eventuell auch überlebt. Die Mitgliedszahlen sind rückläufig, das Durchschnittsalter steigt und viele schwelgen nur noch in Nostalgie. Aber schön war's doch ...  :korvin:

--- Ende Zitat ---

Stimmt. Obwohl zu meiner Zeit (Mit-Neunziger) der Niedergang wohl schon angefangen hatte. Ich bin am Ende ausgetreten wegen Beziehungszeugs (fiese Nummer, muss ich nicht auswalzen) - aber man begegnet doch immer noch Followern, die als Autoren usw aktiv sind, und die Grossen Alten Namen begegnen einem in der dt. Fantasy-Lit-Szene immer wieder.

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