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Shadowmarch (oder auch Tad Williams ganz allgemein)
Timberwere:
Machen wir doch mal einen gepflegten Tad Williams-Thread hier. :)
[Falls ich einen alten Thread zum Thema übersehen haben sollte, bitte zusammenführen :)]
—
Seit ich die Osten Ard-Saga und Otherland kenne, bin ich ein großer Freund von Tad Williams. Er hat eine unglaublich differenzierte Art und Weise, mit der englischen Sprache umzugehen, die mich jedesmal aufs Neue fasziniert, von der Dichte und Kreativität seiner Plots ganz zu schweigen. George R. R. Martins "Song of Ice and Fire" habe ich erst vor relativ kurzer Zeit kennengelernt, jedenfalls deutlich nach Williams. Bis dahin war Williams der beste Fantasy-Autor, den ich kannte; nun, wo ich auch "Eis und Feuer" gelesen habe, liegt meiner Meinung nach vom Niveau her Martin mit Williams ziemlich gleichauf.
Mit Spannung habe ich deshalb den kürzlich erschienenen dritten Teil von Tad Williams' "Shadowmarch"-Reihe erwartet, "Shadowrise". Von "Shadowmarch" und "Shadowplay" war ich begeistert, fast mehr noch als von Osten Ard (vor allem, weil dieses ziemlich lang braucht, bis es "richtig losgeht", während Shadowmarch gleich mit einem Knaller beginnt.)
Das im Norden des Kontinents Eion befindliche Königreich Southmarch steht ohne seinen König da - als das Buch beginnt, befindet sich König Olin Eddon durch einen Verrat bereits seit einigen Monaten in der Gefangenschaft des Machthabers eines weiter südlich gelegenen Landes. An seiner Statt regiert anfangs noch sein 19- oder 20-jähriger Sohn Kendrick, aber auch den lernt man als Leser kaum kennen, denn Kendrick wird brutal ermordet.
Nun werden die 16-jährigen Zwillinge Barrick und Briony zu den Prinzregenten, und der erste Band der Reihe dreht sich unter anderem und vor allem darum herauszufinden, wer für den Mord an Kendrick verantwortlich ist.
Aber es gibt auch etliche andere Handlungsstränge:
Chert Blue Quarz, ein Funderling (ein kleingewachsenes Zwerg-/Halbling-artiges Volk, das unterirdisch lebt und sich durch seine Meisterschaft in Tunnelbau/Steinmetzkunst etc. auszeichnet), findet bei einem Ausflug an die sogenannte "Shadowline" einen kleinen menschlichen Jungen, mit dem es eine seltsame Bewandtnis hat und den er und seine Frau Opal als Ziehsohn aufnehmen.
(Bei dieser Shadowline handelt es sich um die Grenze zu den Ländern der Qar (Elfen/Feen/Kobolde und sonstige Wesen dieser Art), in dem ewiges Zwielicht herrscht und wohin die Menschen sich, seit sie daraus vertrieben wurden und die Qar diesen Mantel der Schatten darübergelegt haben, nicht mehr vorwagen.)
Im fernen Süden, im Reich Xis (das ägyptische Anklänge hat) wird Qinnitan, eine junge Tempelnovizin, vom dortigen Alleinherrscher (und "lebenden Gott auf Erden"), dem Autarchen Sulepis, völlig überraschend als hundertundsiebte Braut gewählt und in seinen Harem gebracht, dann aber völlig ignoriert bis auf die Tatsache, dass Sulepis' Priester ihr sehr beunruhigende Tränke verabreichen.
Die Qar setzen ihre Armeen in Marsch, um in die Sonnenlande einzufallen.
Das alles (und noch einige Stränge mehr) macht Shadowmarch zu einem unglaublich reichen Mosaik, dessen Puzzlesteinchen erst nach und nach zusammenpassen.
Die Welt ist sehr detailliert ausgearbeitet, und auch die Religionen, der ihre Bewohner folgen, sind glaubwürdig gezeichnet. Vor allem wird dieser religiöse Aspekt gerade im zweiten und dritten Band sehr wichtig: Es stellt sich heraus, dass alle Bewohner tatsächlich von denselben Gottheiten und demselben Götterkrieg sprechen, auch wenn die Götter in allen Kulturkreisen unterschiedliche Namen haben.
Und die Schlafenden Götter sind im Begriff, zu erwachen...
—
Kennt ihr "Shadowmarch" auch? Seid ihr ähnlich begeistert wie ich? :) (Ich bin bei Teil 3 jetzt etwa in der Mitte, und ich habe zu meiner Freude gesehen, dass es auch noch mindestens einen vierten Band geben wird, "Shadowheart".)
Was haltet ihr von "Otherland" und "Osten Ard" und dem "War of the Flowers" - bzw. ganz generell von Tad Williams?
Yerho:
Gerade die zigste Abwandlung des Hell/Dunkel-Prinzips hat mich bisher davon abgehalten, die Reihe anzufangen. Und was Du über die üblichen Thronfolgeprobleme, Findelkind-Aktionen und quasi-ägyptische Szenarien schreibst, motiviert mich auch nicht gerade. Das ist ein bißchen so, als ob dort inhaltlich so ziemlich alles zusammenkommt, was ich an Fantasy nicht mehr lesen mag, obwohl mich Tad Williams Stil ebenso überzeugt wie dich. :-\
Dash Bannon:
habe den ersten Band von Shadomarch angefangen und nie fertig gelesen.
fand ich Geschichte schlicht nicht interessant genug.
Otherland und die Osten Ard Reihe habe ich gelesen und fand beide gut, wenn auch zu lang. Einmal lesen okay, nochmal lesen nein.
Timberwere:
--- Zitat von: Knuddeloffensive am 14.04.2010 | 09:45 ---Gerade die zigste Abwandlung des Hell/Dunkel-Prinzips hat mich bisher davon abgehalten, die Reihe anzufangen.
--- Ende Zitat ---
Dann habe ich wohl oben die falschen Dinge zitiert. :) Es ist meiner Meinung nach eben nicht das übliche Hell/Dunkel. Da identifiziert man sich mit dem blinden König und der Kriegerfürstin der Qar ebenso wie mit der Prinzessin von Southmarch, mit dem Hofintriganten ebenso wie mit dem Hauptmann der Wache.
Man erfährt, dass alle Kulturkreise dasselbe Götterpantheon kennen, aber unter unterschiedlichen Namen.
Alle wissen um den Götterkrieg, aber während für die Trigonatsanhänger die 3 Hauptgötter Perin, Erivor und Kernios die Guten sind, die verehrt werden, ist es für die Bewohner des südlichen Kontinents Xis ebenso wie für die Qar genau anders herum. Dort sind die 3 Brüder die Verräter - und ich als Leser maße mir nicht an zu behaupten, die eine Seite hat recht und die andere unrecht.
Dieser Götterkrieg in der Vergangenheit bzw. die geplante Erweckung der Schlafenden Götter, bzw. der Versuch, deren Erwachen zu verhindern: das ist wohl das, worum es in der Serie letztendlich geht. Ziemlich episch, und normalerweise wäre sowas vermutlich fast ZU episch für meinen Geschmack. Aber hier ist es das eben nicht. Denn es ist so subtil beschrieben, und entwickelt sich so langsam und logisch und überzeugend, dass ich im Gegenteil kaum erwarten kann zu erfahren, was passiert.
Die Charaktere sind alle sehr tief und vielschichtig. Da gibt es keinen, der rein schwarz oder weiß wäre. Die nettesten haben ihre Schwächen, und zwar teils ziemlich beträchtliche, und die "bösesten" - jedenfalls die, aus deren Sicht geschrieben wird - tragen zumindest interessante Züge. Selbst Sulepis, der völlig wahnsinnige selbsternannte Gottkönig, verfolgt einen Plan, der in seinen Augen durchaus Sinn ergibt, und zwar nicht nur zur weiteren Selbstvergrößerung. Und wer weiß, was daraus noch wird im letzten Band?
Klar, eine Meinung über die Bösewichter, aus deren Sicht nicht direkt geschrieben wird (Hendon Tolly ist da so ein Kandidat) oder von denen man nur entfernt hört (Hesper of Jellon zum Beispiel, der König Olin verraten hat, dem begegnet man nicht, von dem hört man nur), kann man sich nur aus den Aussagen der Charaktere bilden, die über sie reden, und wenn der sprechende Charakter der Meinung ist, jemand sei ein Bösewicht, dann kommt das auch so rüber. Aber ich denke, das ist legitim.
Alles in allem denke ich, du solltest Shadowmarch vielleicht doch eine Chance geben, Knuddeloffensive, gerade wenn du Williams' Stil normalerweise magst.
YY:
--- Zitat von: Timberwere am 13.04.2010 | 15:10 ---Was haltet ihr von "Otherland" und "Osten Ard" und dem "War of the Flowers" - bzw. ganz generell von Tad Williams?
--- Ende Zitat ---
Die Osten Ard-Bücher haben mir damals sehr gut gefallen; die habe ich aber schon ewig nicht mehr gelesen.
Otherland habe ich auf nachdrücklichste Empfehlung eines Freundes über die letzten Jahre drei Mal angefangen und jedes Mal recht früh wieder abgebrochen.
Durch War of the Flowers habe ich mich beim zweiten Versuch durchbeißen können, aber das lese ich wohl auch nie wieder.
Bei der Osten Ard-Reihe war mir der etwas...behäbige Verlauf irgendwie sympathisch, weil es zur ganzen Stimmung gepasst hat.
Grad bei War of the Flowers war das aber total anders. Wenn der Protagonist schon den Ereignissen völlig hiflos ausgesetzt ist, dann muss es auch Schlag auf Schlag vorwärts gehen - das war da meinem Empfinden nach deutlich nicht der Fall.
WotF hat ein tolles Setting mit einigen sehr schönen Details, aber der ganze Plotverlauf und das Pacing waren mMn total verpeilt.
Ich habe aber mittlerweile auch eine deutliche Abneigung gegen "klassische" Fantasy-Romane entwickelt.
In Jim Butchers Codex Alera habe ich z.B. auch nur kurz reingelesen und dann dankend verzichtet, obwohl die auch objektiv gut geschrieben sind und ich die Dresden-Bücher verschlungen habe.
Mein Erstkontakt mit Williams war sehr positiv - eben die Osten Ard-Bücher, die mir sehr gut gefallen haben.
Aber dann kam irgendwie nichts mehr nach...
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