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[Setting - Meta] "Das Leben ist kein Ponyhof" - Mißkonzeption ?
Teylen:
--- Zitat von: WitzeClown am 9.08.2010 | 21:10 ---Diese Leute trifft man ruckzuck im Rudel, wenn man sich einfach mal ein paar Abende bei der örtlichen Vampire-Live Domäne antut (Ich rate davon ab.). Da haben diese Leute (wenn sie in den richtigen Positionen sitzen) genügend Gelegenheiten ihr Ego aufzupolieren ("Vor dem Prinzen zu Boden kriechen" ist ja in manchen Domänen durchaus !wörtlich! zu verstehen. Erniedrigende soziale Rituale mit vielen Zuschauern sind schon was schönes...).
--- Ende Zitat ---
Wer es nicht hinkriegt Vampire mit dem gegebenen Setting und damit der sozialen Hierarchie zu spielen und es auf das RL als erniedrigendes soziales Ritual projiziert kriegt wohl nur Ponyhof RPGs gebacken wo alles schön hierarchisch glatt gebügelt ist oder die SCs die tollsten vom tollen.
korknadel:
--- Zitat ---Zitat
Lebenserwartung. Die durchschnittliche Lebensdauer, die Individuen im europäischen MA. zu erwarten hatten, betrug zu Beginn des 14. Jh. etwa 35 Jahre. (Sie lag damit deutlich über der im röm. Kaiserreich des 4. Jh. v. Chr. mit 25 Jahren und weit unter der von 1975 mit über 71 Jahren.) Die Lebenserwartung schwankte stark je nach sozialen, ökonomischen und örtlichen Verhältnissen.
Diejenigen Individuen, die der hohen Kindersterblichkeit entgangen waren, erlitten großenteils aufgrund von Mangel- und Fehlernährung, von körperlicher Anstrengung und Krankheit eine schnellere "Abnutzung" und früheren Tod. Selbst für Könige lag das Durchschnittsalter unter 50 Jahren. Die Lebensdauer wurde wesentlich vom Ausmaß der Säuglings- und Kindersterblichkeit bestimmt, sodass in einer Population mit einer mittleren Lebenserwartung von 35 Jahren durchaus Hundertjährige anzutreffen waren. Frauen hatten infolge der hohen Risiken der Geburt sowie aufgrund unangemessen schwerer Arbeitsbelastung eine geringere Lebenserwartung als Männer, bei denen kriegsbedingte Risiken offenbar keine entscheidende Minderung erbrachten. Man hat gefunden, dass mehr Männer zwischen 40 und 60 Jahren (maturus) starben als zwischen 20 und 40 (adultus); für Frauen galt das umgekehrte Verhältnis.
Das Jugendalter (14 - 20 Jahre) durften 30,1 % der geborenen männlichen und 24,8 % der weiblichen Individuen erwarten. Für das Erwachsenenalter (20 - 40 Jahre) waren es 28,4 % bzw. 23,2 %. Das Alter (40 - 60 Jahre) erreichten jeweils 14 %. Das Greisentum (über 60 Jahre) erlebten jeweils 10 %. (Die Zahlen stammen von J. C. Russell und wurden anhand von Befunden in etwa hundert Friedhöfen aus allen Perioden des MA. erhoben.)
--- Ende Zitat ---
Nach der interessanten Feststellung, dass das römische Kaiserreich entgegen meiner bisherigen Annahme bereits im 4. Jhd. v. Chr. existierte, möchte ich doch auch noch was aus der Hüfte querschießen.
Bisher haben sich zwei Tendenzen herauskristallisiert: die einen, die die "harte oder große Jungs" versus "Ponyhof"-Thematik am Setting festmachen, und die anderen, die sie eher bei den Spielern am Spieltisch suchen und sie an der "Harmoniesüchtigkeit" derselben festmachen. Ich selbst würde das ja auch eher bei letzterem sehen, aber das meinen die Leute, die diese Begriffe vorbringen ja meist nicht. Es geht doch eher um das Setting.
Nun haben wir also das eine Setting, wo man vom Pony fallen kann, und das andere, wo man einen Splitter in den Schädel kriegen kann. Ich sehe dabei nur kaum einen Unterschied. Denn da beides nur ein Spiel mit einem Spielsetting ist, in dem die Ziele der SCs jeweils an den entsprechenden Regeln und Mechanismen der Spielwelt festgemacht sind, ist die Dringlichkeit, das Ziel zu erreichen, doch dieselbe. Als Spieler kann mich die Niederlage beim Mensch ärgere Dich nicht doch genauso hart treffen wie beim Poker oder beim Siedeln. Folglich, wenn ich die Spielwelt ernst nehme, kann ich in suizidale Depressionen geraten, wenn mein Pony krank darniederliegt, ich mich mit dem Tierarzt verkracht habe und mein Reitlehrer statt mit mir mit meiner Mutter fickt. Ist da nicht genauso schlimm, wie wenn mein knallharter Agent einen Splitter in den Kopf bekommt?
Die Agentenspieler werden jetzt womöglich pfft machen, weil das halt Ponyhof-Kinderkacke ist.
Ich selbst möchte hier erst einmal gar nicht werten, da ich mir vorstellen kann, mit den richtigen Leuten nahezu jedes Setting zu bespielen und Spaß dabei zu haben. Allerdings halte ich die Bezeichnung "für harte oder große Jungs" -- so sehr ich die damit gemeinten Genres in der richtigen Stimmung schätze -- für kurzsichtig, denn man sollte sich doch bewusst sein, dass man auch das Spiel mit Splittern im Kopf und Amputationen als infantil abtun könnte, wenn man wollte. Sprich: es ist einfach mal nur reine Geschmacksache, ob man beim Spiel lieber Granatensplitter oder Reitstunden zählt. Irgendwie so. Inwiefern diese Dinge dann mithilfe von Regelmechanismen realistisch simuliert werden oder nicht, ist eine andere Frage.
Oder anders gesagt: Ich sehe nicht, wieso Die hard erwachsener sein soll als Der Pferdeflüsterer. Da knallt es bloß mehr, und Leute, die das nicht mögen, finden das blöd oder wollen nciht hingucken. Und andere wiederum mögen das Gesäusel nicht. Erwachsener ist deswegen weder der eine noch der andere. Oder ist Blut sehen können ein Ausweis von Reife?
Und im Übrigen glaube ich, dass ich persönlich mehr auf Settings für große Mädels stehe ;).
Jiba:
Gut gesprochen, Korknadel...
Allerdings ist der "Harte Jungs"-Stil, so wie ich ihn verstehe eben nicht "Die Hard", sondern vielmehr "Schindlers Liste" oder "Sieben" oder sowas... "Die Hard" ist auch settingtechnisch Ponyhof, weil McLane ja auch nie was passiert, wo man als Zuschauer wirklich Verlustängste haben müsste. Der schießt alles über den Haufen und das relativ problemlos... also: kein "echter Sieg".
korknadel:
Ich möchte die "was für harte Jungs"-Spieler sehen, die in einem Schindlers Liste-Setting spielen ....
ja, aber wenn man es nicht ganz so überspitzt nimmt, gibt es die bestimmt, also ich meine Spieler, die nun vielleicht nicht gerade im KZ Plazsow ihre Runde ansiedeln, aber doch ziemlich weit gehen, was zwischenmenschliche Gemeinheiten, seelische und andere Grausamkeiten angeht. So haben mir Freunde ganz begeistert von einer Runde erzählt, in der die Spieler in Sklaverei gerieten, und sie das mit vielen "realistischen" Feinheiten durchgespielt haben, was wohl sehr intensiv war.
Nun habe ich da nicht das Gefühl, dabei handelt es sich um "harte Jungs"-Spielweise, sondern einfach um den gemeinsamen Wunsch, gewisse Dinge im Spiel "differenzierter" darzustellen. In diesem Fall geht das vielleicht mehr an die Nieren, weil die Assoziationen, die dabei auf die reale Welt verweisen, sehr erschreckend sind, aber eine ähnlich intensive und differenzierte Erzählweise ist doch auch auf dem Ponyhof denkbar.
Braucht es einen "großen Jungen", um einen feinsinnigen Gaukler zu spielen, der in Sklaverei gerät, an den Grausamkeiten des Sklaventreibers und dem Mobbing seiner Leidensgenoosen fast zerbricht, aber deshalb irgendwie überlebt, weil er bereit ist, dem Capo den Arsch hinzuhalten, wenn der Lust drauf hat? Ist das dreckig und realistisch genug, um als reif zu gelten?
oder wäre es "härter-jünglich", wenn sich besagter Gaukler unter der Decke Muckis antrainiert, den Capo überwältigt, dabei ein Auge verliert, aber dennoch einen Aufstand macht und den Sklaventreiber zum Zweikampf herausfordert? Und wenn's schief geht, sagt er sich halt, dass das leben kein Ponyhof sei, kann sich aber der Gewissheit freuen, hart udn groß und Jungs gewesen zu sein.
Wie immer übertriebe ich hier und meckere übers Ziel hinaus. Aber ich kann mir nicht helfen. Hier wurde ja auch oft schon SR als "harte Jungs"-kompatibel angeführt. Und das ist für mich eben nicht Schindlers Liste, sondern Die Hard. Und ich finde das ja auch gar nicht verkehrt, ich sträube mich nur dagegen, dass das erwachsener oder härter sein soll, als wenn ich mir überlege, wie ich den Reitlehrer wieder von meiner Mutter runterkriege und beim nächsten Reitturnier gewinne, obwohl Jessy meinem Pony Abführmittel ins Futter gemischt hat. Muss ich da nicht genauso gewitzt und scharfsinnig denken, wie wenn ich einen Chirurgen auftreiben muss, der meinem Kameraden den Splitter aus dem Kopf operiert?
Jetzt mag man sagen, ja, aber beim einen geht es um Leben und Tod, beim anderen aber nicht. Das stimmt, aber das liegt daran, dass das eine Spielsetting Leben und Tod als Rahmen hat, das andere eben Ficken und Gefickt Werden. Im Rahmen des vom Setting vorgegebenen ist beides genauso ernst und wichtig. Und da wieder die Frage: Bin ich härter, weil ich ein Spiel spiele, in dem meine Figur sterben kann, als wenn ich in einem spiele, wo meine Figur gefickt werden kann?
Vielleicht stehe ich in Wahrheit auf Settings für kleine Mitvierziger?
ArneBab:
--- Zitat von: Liquid Night am 9.08.2010 | 05:05 ---Arne, du wirfst hier zwei Dinge in einen Topf. Wenn jemand sagt, dass er selbst nicht gerne Ponyhof bzw. für große Jungs spielt, dann ist das etwas anderes, als wenn er zu jemand sagt, dass derjenige Ponyhof oder Kindergarten spielen würde.
Im ersten Fall hat er sich nur gegen etwas abgegrenzt und macht eine Aussage über sich selbst. Im zweiten Fall greift er jemanden an und macht eine Aussage über denjenigen.
--- Ende Zitat ---
Das Problem an der Aussage ist, dass er mit der Wortwahl eben nicht nur eine Aussage über sich selbst macht.
Wenn jemand sagt „ich will, dass Handlungen im Rollenspiel konsequenzen haben“ oder „Ich mag es nicht, wenn Superhelden nach einem Abenteuer fröhlich und frisch rauskommen, obwohl ihre Gegner eigentlich zu den schrecklichsten Wesen der Welt gehören“, dann macht er eine Aussage über seine eigenen Vorlieben.
Und auch wenn „Ponyhof“ oder „Spiel für kleine Jungs“ ein klar definiertes Genre wäre, von dem Leute gerne sagen, dass sie es spielen, würde er damit einfach eine Vorliebe ausdrücken.
Aber soweit ich weiß, gibt es kaum jemanden, der sagen würde „wir spielen Ponyhof!“ oder „wir spielen für kleine Jungs!“
(Notiz an mich selbst: Ein Kurzsetting schreiben: „Das Leben ist ein Ponyhof“, inklusive all der bösartigen Details von korknadel >;D )
Und Stolz passt hier in einem Sinn: Würde irgendjemand voll Stolz sagen, dass er Ponyhof spielt?
Meiner Ansicht nach eher nicht.
Leute bezeichnen sich als „echt darque“ oder „große Jungs“, aber wohl kaum als „Ponyhof“.
Daher bedeutet die Aussage „wir spielen kein Ponyhof“, dass ein Spiel in die Schublade „Ponyhof“ gesteckt wird. Es wird nicht gesagt „XY gefällt mir nicht“, sondern „das ist Ponyhof“.
Und ich persönlich fühle mich von der Aussage nicht angegriffen. Ich halte es einfach allgemein für unnötig abwertend, irgendeinen Spielstil in die Kategorie „Ponyhof“ zu stecken.
@WitzeClown: Ich höre bei dir nicht „Ponyhof-Spiel“ raus, sondern „Ponyhof-Spieler“. Und wenn du mit deiner Definition das Wort für irgendein Spiel verwendest, bezeichnest du alle, die es spielen, als Deppen, die nicht verlieren können, nach oben buckeln und nach unten treten. Ist das wirklich was du aussagen willst, wenn du ein Spiel als Ponyhof bezeichnest?
@korknadel: Deine Bilder sind klasse!
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