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Gruppenbildung oder Spieler zusammen schmieden
Gast:
Am Anfang ist die Gruppenbildung etwas schwieriges. Am einfachsten ist es, wenn die Charaktere von Vornherein eine gemeinsame Aufgabe haben und völlig unbelastet an die Sache herangehen. Ich würde mich nie erdreisten einem Spieler zu sagen: "Auf daß Du Dich ja gut in die Gruppe einfügst!", weil das eigentlich Anti-RPG ist... Die Spieler sollen schließlich Individuen spielen die sich zusammenraufen weil sie Parallelen haben - und nicht einfach nur "Weils halt alle SCs sind".
Das echte Problem bei mir war allerdings nie die Gruppenbildung an sich. Das geht sich schon aus, wenn man entsprechende Situationen schafft und genug Material über die SCs hat, um schöne Hintergründe und Situationen zu bauen. Das Hauptproblem bei mir war: "Wie kriege ich einen neuen SC in eine bestehende Gruppe?"
"Hach ist der Lustig. Den nehmen wir halt mal mit..." ist keine Mentalität die ich fördern möchte. Wer in einem Team mit Leuten gekämpt hat die ihren Hintern dafür hingehalten haben daß man in den eigenen nicht Hineingetreten bekommt, sich Blutüberströmt von seinen Gefährten hat gerade noch vom Abkratzen retten lassen, und Schulter an Schulter bis nahe an den Rand der Verzweiflung gegen schier übermächtige Massen an Gegnern gefochten hat... Wer gemeinsam in einer Taverne schmutzige Trinklieder gegröhlt, sich gegenseitig seinen Kopf beim Brechen über dem Plumpsklo (oder wo man es sonst noch hin geschafft hat) festgehalten hat, wer morgens von seinen Gefährten ein Frühstück an die Pferdetränke gebracht bekam weil man in derselben aufgewacht ist, wer mit seinen zwei Gefährten den Rausschmeißer plattgehauen hat bloß weil man selbst unberechtigterweise das Maul zu weit aufgerissen hat - und nachher dann von seinen Freunden gesagt bekam das es uncool war, aber trotzdem unterstützung bei seinen Freunden fand...
Wer gemeinsam des Abends am Lagerfeuer die Weinflasche hat kreisen lassen, der hübschen Waldläuferin in die Augen schaute und wahre Freundschaft darin sah, wer seinen treuen Gefährten zu seinem neuen Schwert gratuliert und ohne mit der Wimper zu zucken einen 60-Kilometer-Ritt an einem Tag herunterreißt um einem Gefährten ein Medikament zu besorgen...
Und dann, am Tag des Grauens, am Tage des Schreckens, erleben darf wie vor den eigenen Augen eben dieser Gefährte sein Leben aushaucht... Er darniederliegt in seinem eigenen Blut, mit gebrochenen Augen, das Leben entwichen gen Himmel starrt.. und man sich fragt: "Warum? Warum kann die schöne, gemeinsame Zeit denn nicht einfach ewig währen?" Wenn solche Dinge geschehen, wenn solche Situationen eintreten...
Dann nimmt man nicht einfach so an der nächsten Ecke einen "Neuen" mit. Ein solch tragischer Verlust ist mehr als nur eine Klinge weniger an der Seite seiner Gefährten. Es ist ein treuer Waffengefährte verloren gegangen... So viele Erinnerungen sind geblieben und es wird viele Situationen geben in denen er einfach fehlen wird.
Ein "Neuer" wird den treuen Freund niemals ersetzen können. Aber man wird ihn oft daran messen. Man wird einem potentiellen "Neuen" auch nicht den Stellenwert einräumen, den der Alte hatte. Die kreisende Flasche am Lagerfeuer kann den Neuen auch mal überspringen, schon gerade wenn es noch nicht zu einem Gefecht kam und der "Neue" sich noch nicht beweisen mußte. Ebenso kann es gut sein daß es einen kleinen, unliebsamen Dialog gibt... der sich so anhören könnte:
Tigrin (neuer Charakter) setzt sich rechts neben Leo (den alteingesessenen Elfen-Bogenschützen) ans Feuer.
Leo: "Setz dich auf die andere Seite."
Tigrin: "Warum? Der Platz hier ist doch frei...?"
*Es wird Still um das Lagerfeuer*
Leo: "Nein, ist er nicht. Da saß Gilborn. Sein Platz bleibt frei."
Tigrin: "Gilborn? War das euer Gefährte?"
Leo: "Er war mein Freund. Rechts neben mir ist sein Platz. Der Platz bleibt frei."
Tigrin: "Aber er ist tot, er kommt nicht wieder, also ist der Platz auch frei."
*Leo starrt ihn ernst an*
Leo: "Der Platz bleibt frei."
*Tigrin starrt kurz zurück, erhebt sich dann aber und setzt sich auf die andere Seite des Feuers. Leo schaut ihm böse nach, senkt dann aber den Kopf, nimmt einen tiefen Schluck aus seiner Kartoffelschnaps-Flasche und senkt den Kopf... blickt niedergeschlagen und traurig ins Feuer...*
Allein das Einbringen-in-die-Gruppe kann schon ein Abenteuer für sich sein.
(L.)
Jestocost:
Klasse beschrieben, Leo. Ich denke auch, dass ein neuer Charakter sich real im Spiel beweisen muss, bis er wirklich Teil einer Gruppe werden kann: Gemeinsame Erfahrungen schmieden aneinander und die Alternative, dass man einfach so tut, funktioniert nicht, weil die Gefühle dann nicht echt sind - und Rollenspiel ist nun mal ein Mittel, um echte Gefühle durch fiktive Erlebnisse auszulösen.
Arbo:
@ Jestocost:
Eigentlich ist Dein Problem eine Sache, die ich persönlich IMMER im Vorfeld mit den Spielern kläre. So ist bei neuen Spielern oder neuen Charakteren von mir immer eine Forderung Überlegt Euch, WARUM Du in einer Gruppe agierst bzw. mit den Abenteuern zusammen etwas machen willst. .
Dies hält dazu an, dass die Spieler sich selbst mal einen Kopf machen, warum ihr Charakter mit anderen zusammen arbeitet, zusammenarbeiten sollte bzw. wie diese Zusammenarbeit ausschaut. Auf diese Weise ist m.E. einfacher, selbst problematische Charaktere zu integrieren ... weil die dann vom SL nicht unbedingt eine Situation vor den Latz geknallt bekommen, in der sie unvorbereitet bspw. die Gruppe schmeißen ...
Deshalb ist, wie immer, wenn es um Rollenspiel geht, auch hier meine Devise ... Vorarbeit ist die halbe Miete!
Anmerkung: Damit ist natürlich nicht gemeint, dass sich die Charaktere von Anfang an verstehen müssen - es geht nur darum, dass die Spieler auf eine Zusammenarbeit hinsteuern. Implizit heißt dies auch, dass die Charaktere sich vorher nicht zwingend kennen müssen. Wie gesagt: Es geht um die Perspektive bzw. die Herangehensweise und Auslegung des Charakters seitens der Spieler.
Im Spiel bzw. wenn dies nicht beachtet wurde, ist dies natürlich problematisch (wobei ich mir den Hinweis darauf erlaube, dass im Fall einer getätigten Vorarbeit der SL immer an diese erinnern kann :) ).
Ich persönlich versuche in solchen Situationen immer heraus zu bekommen, was als womögliches universelles Ziel bei den Charakteren gut ankommen würde. Mal als Beispiel ... meiner derzeitigen Midgardgruppe, in der sich einige bessere Charaktere befinden, habe ich den Betrieb eines Geschäftes innerhalb einer größeren Hansestadt in Aussicht gestellt. Mal abgesehen davon, dass die auf dieses Ziel hin ziemlich stark zusammen gearbeitet haben, ergeben sich daraus auch wunderbar weitere Möglichkeiten, um Abenteuer, die (irgendwie) ALLE betreffen, zu entwickeln.
Eine Andere Sache ist, auf Schwächen der Charaktere abzuzielen ... auch dafür mal mein Beispiel von oben. Meine Gruppe besteht, bis auf eine Ausnahme, eigentlich nur aus Halsabschneidern (Mörder, Mörderpriester ;), Dieb und ein Schwarzmagier) - für diese ist es sehr angenehm, sich eine Legende zuzulegen. Durch ihr Heldenleben (Ruhm, Ehre usw.) gelingt dies relativ gut. Der Landen, den die jetzt langsam aufbauen, verstärkt dieses Saubermannimage noch. Und da auch der einzige richtige Saubermann aus der Gruppe, von dem Rest der Gruppe profitiert, gibt es, was bspw. die Gefahr eines Imageverlustes betrifft, auch ein Zusammenhalten.
Kurz: Du solltest versuchen, Gemeinsamkeiten zu finden und auf denen dann die Gruppe etwas zusammen zu schweißen.
Helfen kann übrigens auch, den verschiedenen Charaktere ihre Grenzen aufzuzeigen. Dies macht natürlich nur bei einer inhomogenen Gruppe (Dieb/Kämpfer/Waldläufer usw.) Sinn - also da, wo wirklich Unterschiede vorhanden sind. Damit wächst die Einsicht: Nur zusammen sind wir stark. ... wobei dies auch nicht immer der Regelfall ist (reiche Charaktere kaufen sich für gewöhnlich dann andere Helden *g*).
Ansonsten ist es meiner Meinung nach keine Sache, die sich in einer Spielrunde erreichen lässt ... meist gehört auch die etwas längerfristige Reflektion (außerhalb des Spieles) dazu. Gut Ding will Weile haben ... oder so ?
@ Dorin:
--- Zitat --- Also mich nervt es eigentlich eher, wenn die Spieler auf Sauron komm raus gegeneinander arbeiten, das ist mal ganz nett, aber auf Dauer sollten sie sich von alleine zusammenraufen.
--- Ende Zitat ---
Wie gesagt, Grenzen aufzeigen. Dabei darf ruhig auch mal gewürfelt werden (natürlich ohne, dass die Ergebnisse dabei feststehen ;) ).
-gruß,
Arbo
Lord Verminaard:
--- Zitat ---Rollenspiel ist nun mal ein Mittel, um echte Gefühle durch fiktive Erlebnisse auszulösen.
--- Ende Zitat ---
Ach Jesto, das haste aber ma wieder schön gesacht! ;)
Kooperation der Spieler ist unumgänglich. Siehe z.B. unser "Zeitsplitter"-Forenspiel. Dorins Charakter ist am Anfang der Ober-Asi gewesen und hat meinen Charakter fies angepisst, aber es war von Vornherein klar, dass wir uns irgendwann zusammenraufen, und zwei gemeinsame Kämpfe, diverse Verwundungen und eine ausweglose Situation später war es dann auch soweit.
Ich denke, Spieler sollten immer langfristig auf eine funktionierende (wenn auch nicht reibungslose) Gruppengemeinschaft hinarbeiten und bei ihrem Spiel auch entsprechend berücksichtigen, dass sie eine solche Entwicklung nicht schon zu Anfang unterminieren. Es sei denn, man spielt gar nicht mit einer solchen Prämisse, sondern beispielsweise einen One-Shot, bei dem es durchaus so gedacht ist, dass die Charaktere gegeneinander agieren.
Okay, das ist jetzt der narrativistische Standpunkt. Aber wir sind ja unter uns. ;D
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