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[Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")
Bad Horse:
Sehr schön!
...ich musste bei Cardos Vorfreude auf die Reise sooo kichern. :D
Timberwere:
Ricardos Tagebuch: Vignette 2
Zurück von der Insel. Oh Mann.
Roberto und Edward haben ja die fünf jungen Autoren zu ihrem Ritual begleitet und sie natürlich zu dem offensichtlichen, verbrauchten Ort geführt. Alex und ich fuhren in einem zweiten Boot hinterher und gingen auf Wizard Island ebenfalls an Land, um die Dinge im Auge behalten zu können. Auch Ms. Gruber ließ sich das nicht nehmen – sie folgte in einiger Entfernung auf einer Art, hm, wie nenne ich das, magischen Wasserskiern.
Am Ritualplatz konnten wir sehen, wie die anderen erst einmal eine Weile diskutierten, bis sie sich schließlich einigten und das Ritual begannen.
Ich kenne mich inzwischen genug mit solchen Sachen aus, um auch aus der Ferne zu erkennen, wann der Hokuspokus beendet war und die Wirkung einsetzte... und die war, obgleich keine nach außen ersichtliche Magie passierte, ziemlich heftig. Die Ritual-Handlung endete, die jungen Leute sahen sich stirnrunzelnd um, weil eben nichts Offensichtliches geschehen war – und dann schrie Edie plötzlich auf und rannte mit schreckerfülltem Gesicht davon, Leyla riss die Augen auf und zog sich schleunigst von der Lichtung zurück, und auch drei jungen Männer wirkten verstört. Jeff, der Besitzer des kleinen Hundes, der Edward so ins Herz geschlossen hat, brach an Ort und Stelle schreiend zusammen.
Natürlich eilten Alex und ich hin, als die Sache so aus dem Ruder lief, aber es war Ms. Gruber, die das Ganze beendete. Sie hatte schon vorher mit ihrer Magie unheimliche Wolken am Himmel erscheinen lassen; nun ließ sie es regnen, und das fließende Wasser unterbrach, was auch immer da am Laufen war, höchst effizient.
Alex fand Leyla in ihrem Versteck, und ich schnappte mir Edie, ehe sie noch stolperte und von einem Felsen fiel oder sowas. Dann versuchte ich sie zu beruhigen, so gut es ging – das arme Mädchen stand völlig unter Schock und klammerte sich an mich und wollte sich erst gar nicht beruhigen. Sie stammelte unzusammenhängend von den schrecklichen Dingen, die sie plötzlich gesehen habe: Edward habe ausgesehen wie eine wilde Bestie, und ihre Freunde hätten auch ganz seltsam gewirkt. Danny habe ausgesehen wie ein Baum, Jeff sei verwundet und blutüberströmt gewesen, und Colbys Gesicht sei ganz verzerrt gewesen, mit einem riesigen Maul in einem kleinen, verkniffenen Gesicht.
Für mich klang das schwer danach, was Roberto von seinen Erfahrungen mit der „Sight“ im Laufe der Zeit so erzählt hat, aber davon sagte ich Edie natürlich nichts, und irgendwann beruhigte sie sich ein wenig und begann, das Gesehene mit Drogen zu rationalisieren. Dennoch war sie weiterhin noch ziemlich verstört und blieb schutzsuchend in meiner Nähe. Beim Abendessen setzte sie sich dann auch neben mich – was Elena gar nicht gefiel, so schien es mir; zumindest deutete ich ihre verstohlenen Blicke so.
Leyla hingegen war beim Abendessen schon wieder ganz die alte, hatte sich erstaunlich schnell von dem Schock erholt. Jeff war mit seinem Nervenzusammenbruch ins Krankenhaus gebracht worden, und Danny redete seitdem nur noch davon, ein Baum zu sein. Der stand barfuß draußen und wollte sich mit der Erde verwurzeln, bis wir ihn zum Abendessen hereinholten.
Während wir draußen unterwegs waren, ist noch etwas Seltsames passiert. Kirsty McGregor hat sich den Arm gebrochen, konnte aber gar nicht mehr sagen, wann genau und unter welchen Umständen. Und auch von den anderen wusste es niemand. Höchst eigenartig.
Oh, und beim Abendessen betrachtete Roberto Elena durch die „Sight“. Auf dieser Ebene gesehen, hatte sie gemalte Augen und war mit ihrem Block und ihrem Zeichenstift verbunden. Unter ihrer Haut lief schwarze Tinte entlang wie Blut in ihren Adern, und ihr Malblock wirkte sehr real, während Elena selbst blass erschien. Sehr beunruhigend. Und irgendwie genau das, was wir befürchtet hatten: Sie steht unter dem Einfluss ihres Malblocks.
Es war übrigens tatsächlich die „Sight“, was bei dem Ritual auf der Insel geschehen war, bekräftigten Roberto und Edward: Man hatte noch herumdiskutiert, wie genau man das Ritual durchführen wolle, und sich schließlich auf die vermeintlich harmloseste Variante geeinigt: etwas, das das „magische Potential“ der Teilnehmer öffnen würde. Dass sich das natürlich in der „Sight“ niederschlagen könnte, daran hatten weder Edward noch Roberto gedacht.
Vanessa Gruber war entsprechend angesäuert. „Ich dachte, ihr geht mit, damit eben nichts passiert? Damit das Ritual fehlschlägt?“ Aber auch auf diese Idee war keiner von uns gekommen, wir hatten immer nur daran gedacht, das Ganze so harmlos zu halten wie möglich. Seufz.
Naja, jetzt ist es leider nicht mehr zu ändern, es ist spät, und es war ein langer Tag. Gute Nacht!
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15. März. 08:25 Uhr.
Ooookay. Das muss ich jetzt vor dem Frühstück kurz aufschreiben, so viel Zeit muss sein.
Ich habe komisches Zeug geträumt, und dann war George in meinem Traum, und der erzählte mir, Edward habe soeben Roberto umgebracht. Davon wachte ich auf und ging natürlich sofort nachsehen, aber – dem Himmel sei Dank! – alles war in Ordnung. In Robertos Zimmer war alles ruhig, und auch Edward schlief ein wenig unruhig, aber fest. Puh.
Aber ich bin wie gerädert. Ich sehe aus dem Fenster, und draußen ist es neblig. Brrrrr. Passt.
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Beim Frühstück habe ich den anderen natürlich davon erzählt, und es stellte sich heraus, dass alle so seltsam geträumt hatten. Totilas muss sehr unruhig geschlafen haben, denn er sah ebenso fertig aus, wie ich mich fühle, und er erklärte, er werde jetzt in die Stadt fahren. Obwohl er es nicht aussprach, klang das für mich so, als habe er sich mit seinem Dämon auseinandergesetzt und wolle nun in die Stadt, um sich zu ernähren. Ich glaube, Genaueres will ich gar nicht wissen.
Roberto sah im Traum die gemalten Augen von Elena, und Edward träumte von Roberto, den unheimlichen Wolken, die Ms. Gruber tags zuvor herbeigezaubert hatte, und von der Badewanne mit Erde, in die wir Danny gesetzt hatten, als er meinte, er sei ein Baum. Nur dass im Traum Roberto in der Badewanne lag und Edward ihn gerade erschlagen hatte und er jetzt rief: „Verdammt, Roberto, kompostier' endlich!“
Danke, George. Du bist ein Traumfresser, da sollte man doch meinen, dass du inzwischen so langsam gelernt hast, dass Träume nicht unbedingt immer mit der Realität übereinstimmen. Aber nein, erstmal den guten alten Cardo mit solchen Schocknachrichten aufscheuchen...
Wir saßen noch beim Frühstück, da heulte draußen ein Wolf. Nur dass es kein echter Wolf war, wie Edward erkannte – was Jeffs Hund Snowball allerdings nicht daran hinderte, zurückzuheulen. Was wiederum Edward veranlasste, den kleinen Hund darauf hinzuweisen und dieser, Edwards amüsiertem Gesichtsausdruck zufolge, tatsächlich irgendetwas antwortete. Ich bin jedesmal wieder baff, wenn Edward mit Hunden redet. Langsam müsste ich mich doch eigentlich daran gewöhnt haben.
Kaum jemand hatte so richtig gut geschlafen, stellte sich heraus. Leyla war müde, Colby schlief wohl noch, und auch Edie war nicht im Speisesaal, und Danny saß wieder in seinem Terrakotta-Topf.
Leyla kam zu uns und sprach Edward auf das Wolfsheulen an – sie hatte ihn in der „Sight“ ja als Wolf gesehen –, doch er erklärte ihr trocken, dass er und seine, nennen wir es „Artgenossen“, auch wenn das das falsche Wort ist, nicht auf Geheul angewiesen seien, weil sie Telefone besäßen. Außer, er habe mal wieder ein Telefon kaputtgemacht, setzte er noch hinzu.
Leyla macht sich allerdings große Sorgen um Edie. In ihrem Zimmer ist sie nämlich nicht, und den ganzen Morgen hat sie noch niemand gesehen. Nicht dass es sie ist, die da heult, und das ein Zeichen dafür ist, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Edward und ich gehen jetzt nach ihr suchen.
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Santísimo padre en el cielo, socorre. Wir haben Edie gefunden. Zu spät.
Wir begannen unsere Suche im Wald, von wo das falsche Wolfsgeheul gekommen war. Edie fanden wir dort nicht, aber dafür an ein seltsames Gebilde aus Holz: ein langer Stamm, beinahe wie ein Mast, in den Boden gesteckt, dekoriert mit Stöcken und Blättern. Das Ganze wirkte, vor allem im Nebel, ziemlich unheimlich und als solle es für ein Ritual dienen, aber Edward stellte fest, dass keine magische Energie dahinter steckte.
Wir gingen weiter, kamen über den Nebel hinaus, der über den Kraterrand und den See gezogen war. Von hier oben hatten wir wieder eine Sicht auf den See, und dort schien es so, als läge da ein Segelschiff im Nebel vor Anker. Ein Segelschiff? Hier? Ah, das war natürlich das „Phantom Ship“, eine Insel, die an eben jener Stelle im See zu finden ist, wo ich das Segel zu sehen geglaubt hatte.
Der falsche Wolf heulte wieder, und ich rief laut nach Edie, erhielt aber keine Reaktion. Ein Stück weiter fanden wir wieder so ein Ast-Blätter-Gebilde, und hier konnte Edward einen Geruch aufnehmen: den von Maggie und Hattie, zwei älteren Damen und Freundinnen unserer Gastgeberin Margo, die ebenfalls das Wochenende auf der Lodge verbringen. Viel hatten wir mit ihnen bisher nicht zu tun, da sie tagsüber immer wandern gehen und entsprechend selten anwesend sind.
Aber dass Edward erwähnte, er könne hier den Geruch der beiden Damen wittern, brachte mich auf eine Idee. Wenn wir schon Edwards gute Nase zur Verfügung haben, konnte er doch damit auch nach Edie suchen!
Allerdings nicht ohne Vorbereitung, dazu wäre die Witterung vermutlich zu schwach. Also gingen wir zurück zur Lodge, wo Edward ein kleines Ritual wirkte, um seinen Geruchssinn zu schärfen. Dort bemerkten wir dann auch, dass sich Leute mit Gewehren in den Wald aufmachten, die den „Wolf“ jagen gehen wollten. Es hatte wenig Sinn, denen zu sagen, dass es kein echter Wolf war, denn die waren schon ein gutes Stück den Weg hinunter, aber das brachte uns dazu, uns Warnwesten aus dem Auto zu holen, damit man uns nicht aus Versehen für Wild hielt.
Während Edward und ich auf der Suche nach Edie waren, wollte Roberto sich übrigens Elenas Bilder ansehen, unauffällig natürlich, aber das klappte leider nicht. Maggie und Hattie haben noch einen jungen Mann dabei, einen Verwandten. Sohn? Neffe? Schwiegerson? Irgendwie sowas. Ich glaube, eine von beiden sagte bei der Vorstellung vorgestern etwas von „Stiefschwiegersohn“, wie auch immer das funktioniert.
Jedenfalls, dieser Typ bemerkte Roberto dabei, wie er Elenas Mappe durchblättern wollte, und stellte ihn zur Rede. Soviel dazu.
Nun also wirkte Edward sein Geruchsverstärkerritual, wobei der kleine Hund Snowball lustigerweise ständig um ihn herumwuselte und das, noch lustigerweise, Edward überhaupt nicht störte. Trotz, oder wegen, der Ablenkung gelang das Unterfangen, und Edward sagte, er habe Edies Geruch fest in der Nase.
Wir, oder besser Edward, folgte der Witterung, die schließlich hinunter zum See führte. Hier, abseits vom Pfad, bemerkte dann auch ich Spuren: die Abdrücke von bloßen Füßen. Da wurde die vage Sorge um Edie zum ersten Mal zu einem richtig, richtig schlechten Gefühl.
Und dann, am Ufer angekommen, sahen wir sie: Edie trieb ausgebreitet im See, von ihrem Haar umweht wie von einer Wolke. Malerisch. Zu malerisch. Wir stürzten uns sofort ins Wasser, holten sie ans Ufer, begannen mit Beatmung, aber es war zu spät. Wir konnten sie nicht mehr retten. Edies Leichnam sah ruhig aus, ernst und gefasst, wie eine Lady in einer mittelalterlichen Ballade. Oder in einem Gemälde.
Natürlich wurde sofort die Polizei verständigt. Alles stand unter Schock – stehen noch, um ehrlich zu sein. Jeder wurde verhört, natürlich. Und alle spekulierten, was denn wohl da geschehen sein mochte. Ein Unfall, dass Edie spazieren gegangen und am Abhang gestürzt war, immerhin gibt es da überall sehr steile Stellen? Selbstmord vielleicht, als Nachwirkung des Rituals, dass Edie das nicht verkraften konnte, was sie am Abend zuvor in der „Sight“ gesehen hatte?
Wobei diese letztere Überlegung nur unsere eigene war, bzw. wir diese Theorie nur mit Vanessa Gruber besprachen. Die hatte ja gestern noch mit Edie gesprochen, aber diese hatte alles verleugnet, was irgendwie nach Magie und Übernatürlichem klang, hatte das alles auf einen Drogentrip geschoben, und zwar sehr vehement, ebenso wie der Vorfall den anderen Gästen als fehlgeschlagenes Drogenexperiment verkauft worden war. Und so war ein verbleibender Drogeneinfluss tatsächlich auch für die Polizei und die übrigen Lodge-Besucher die wahrscheinlichste Todesursache. Mit diesem Urteil zogen die Beamten dann auch erst einmal wieder ab. Colby nahmen sie allerdings mit, da der, noch vom Ritual verstört, sich so seltsam benahm. Immerhin scheint der Vorfall Danny aus seiner „Ich bin ein Baum“-Phase gerissen zu haben, was nur ein schwacher Trost ist, aber wenigstens etwas. Ich bin selbst auch noch ziemlich aufgerüttelt, deswegen habe ich mich zum Schreiben zurückgezogen. Vielleicht beruhigt mich das ein bisschen.
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Eben hat Roberto uns alle – bis auf Totilas, der noch unterwegs ist – zusammengetrommelt, mit einer üblen Nachricht.
Maggie und Hattie, Margos ältere Freundinnen, kamen von ihrer Wanderung zurück, gerade als die Polizei uns alle vernahm.
Und Roberto hatte plötzlich einen Einfall, eine Art Intuition, die ihn dazu brachte, sich die beiden rüstigen alten Damen einmal in der „Sight“ anzusehen. Wir waren ja dabei, und für uns sah es in dem Moment so aus, als lege Hattie ihm tröstend die Hand auf den Arm. Aber für Roberto, in der „Sight“, waren es Klauen, die nach ihm griffen, und die alten Damen Hexen, Baba Yagas, wie Roberto sagte.
Von diesem neuen, erschreckenden Wissen ausgehend, untersuchten wir die Baumgebilde im Wald noch einmal, und Alex stellte fest, dass tatsächlich die beiden Rentnerinnen die Dinger aufgestellt hatten. Auch waren sie es wohl, die das Wolfsgeheul imitierten, vermutlich, um eine gruselige Stimmung zu verbreiten.
Oh Mann. Sollten die beiden etwas mit Edies Tod zu tun haben? Oder doch Elena? Immerhin vermuten wir ja schon seit gestern, dass sie irgendwie die Dinge, die sie zeichnet, wahr werden lassen kann. Wie schwer wäre es ihr gewesen, ein Bild von Edie tot im See zu malen, das dann irgendwie in Erfüllung gegangen ist? Und sie sah nicht sehr glücklich aus, dass ich gestern Abend nach dem Ritual so viel Zeit mit Edie verbrachte, um sie nach ihrem Schock zu beruhigen...
Aber – ¡Dios no lo quiera! – wenn es Elena war, weiß sie dann, was sie tut? Sie steht ja selbst auch bereits unter dem Einfluss ihres Malblocks...
Ich muss mit Elena reden. Vielleicht kann ich etwas herausfinden. Oder wenigstens mir ihre Bilder mal ansehen. Wir hatten ja ausgemacht, dass sie mir ihre Entwürfe für Indian Summer zeigen will, also wird es noch nicht einmal auffallen, wenn ich das Thema auf ihre Zeichnungen bringe. Roberto will den Aufpasser spielen – sprich, er geht unabhängig von mir in den Salon, um dort zu lesen, und für Elena und mich ist das auch der natürliche Ort, um sich ihre Bilder anzusehen. Ich hoffe ja, Robertos Vorsicht ist unnötig. Aber selbst wenn ich bisweilen ein bisschen naiv sein mag: So naiv, dass ich sein Angebot ablehnen würde, bin ich nicht.
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Ich habe die Bilder gesehen. Und ja, Elena kann unglaublich gut zeichnen. Aber es war irgendwie schon ein bisschen beunruhigend, dass auf allen Bildern Eric Albarn so aussah wie ich. Während ich so durch die Zeichnungen blätterte – ihren Malblock hatte Elena natürlich auch dabei, sie scheint ja nirgendwo ohne den hinzugehen, aber den gab sie nicht aus der Hand, sondern zeigte mir nur ihre Mappe – kam ich auf einmal an einige Blätter, von denen Elena anscheinend gar nicht mehr gewusst hatte, dass sie ebenfalls in der Mappe lagen. Es waren Zeichnungen von Eric Albarn, also von mir im Prinzip, und von dem Schauspieler Orlando Bloom, genauer gesagt, von dem von ihm im Herrn der Ringe gespielten Charakter Legolas. Und die beiden Charaktere auf den Bildern ... ähm. Bei von Fans geschriebenen Kurzgeschichten nennt man das wohl "Slash-Fiction", dann muss das hier "Slash-Art" gewesen sein.
Madre de Dios, es war ja sogar mir ein bisschen peinlich, diese höchst privaten Bilder gesehen zu haben. Aber Elena erst! Als sie merkte, was ich mir da ansah, quiekte sie wie ein Teenager, lief blutrot an und rannte davon. Die Mappe vergaß sie in ihrer Bestürzung.
Es hätte keinen Sinn gehabt, ihr in diesem Moment nachzulaufen, glaube ich, und ich wollte ja ohnehin in den Zeichnungen nach einem Anhaltspunkt suchen. Also habe ich mir den Rest der Mappe auch noch angesehen. Irgendwelche Motive, die mit dem zu tun hatten, was Edie geschehen ist, habe ich nicht gesehen, was für die Theorie spricht, dass Elena – wenn sie diejenige ist – diese Zeichnungen nur in ihrem Malblock hat.
Aber etwas anderes habe ich gesehen. Unter den Entwürfen für Indian Summer war auch ein Bild vom Showdown in der Westernstadt. Und die Zeichnung war haargenau eine Abbildung des Filmsets vom letzten Frühjahr. Nun war das Filmset ja relativ genau nach dem Buch erstellt worden, aber es waren einige Elemente im Buch nicht explizit beschrieben, die aber beim Dreh zu sehen waren, und auch die hatte Elena auf ihrer Zeichnung verewigt. Allen voran das Totem, hinter dem die Bucas her waren, und dessen Aussehen ich im Buch nie genau ausformuliert hatte. Aber Elena hatte genau das Totem aus dem Film gezeichnet, und davon konnte sie nichts wissen. Mierda.
Während ich Roberto noch davon erzählte und ihm die Zeichnung vom Filmset zeigte, kamen Hattie und Maggie herein und brachten selbstgebackenen Apfelkuchen. „Zum Trost nach dem tragischen Vorfall“, wie sie sagten. In unserem Wissen um die beiden nahmen wir uns zwar ein Stück, taten aber nur so, als würden wir davon essen, und nahmen den Rest „für später“ mit. Alle anderen jedoch schlugen mit Begeisterung zu, und die beiden alten Damen wirkten glücklich, dass ihr Kuchen solchen Anklang fand.
Sobald wir konnten, zogen Roberto und ich uns zurück, um die anderen zu suchen und ihnen Bericht zu erstatten. Alex hatte inzwischen aus Robertos Aftershave einen Brandbeschleuniger gebastelt, als „Plan B“, falls Elenas Malblock schnell Feuer fangen müsse. Den Feuerlöscher hatte er auch gleich aus dem Bus geholt und bereit gemacht. Sicher ist sicher.
Roberto und Edward untersuchten den Kuchen, allerdings nicht über Robertos „Sight“, sondern per magisch-chemischer Analyse. Der Kuchen ist nicht giftig, stellten sie fest, aber er macht den Essenden empfänglicher für Einflüsterungen und Beeinflussung aller Art.
Über diesen Fund, und über die Tatsache, dass die beiden Rentnerinnen Hexen sind, informierten wir umgehend Ms. Gruber. Vanessa reinigte sich magisch von dem Kuchen und beteiligte sich dann an unserem Rätselraten. Planen die Hexen etwa ein Ritual auf Wizard Island? Weiß Elena, was sie tut, oder steht sie unter dem Einfluss der beiden alten Damen, oder ihres Malblocks, oder beider? Wir wissen es nicht, wir können es nur vermuten.
Irgendwann kam dann auch Margo zurück aus der Stadt, wo sie ja beim Arzt gewesen war, und wurde über die neuesten Entwicklungen informiert. Über Edies Tod war sie natürlich völlig geschockt. Ich sprach kurz mit ihr, fragte sie nach ihrer Beziehung zu Maggie und Hattie. Die beiden hätten ihr die Lodge empfohlen, sagte sie. Und „Die sind echt lieb.“ Aber wie sie das sagte, klang heruntergeleiert. Auswendig gelernt. Ein Automatismus.
Das Abendessen kochte übrigens Alex, ein Chili con Carne – oder, in seinen Worten, ein Chili con Durchfall. Wir selbst haben natürlich nichts davon gegessen, sondern wieder nur getan, als ob, aber so hoffen wir, den magischen Apfelkuchen aus den anderen herauszubekommen. Nicht dass die Hexen in der Nacht die ganze Belegschaft auf Wizard Island locken wollen.
Totilas ist noch nicht wieder da, aber wenn der bis Eugene gefahren sein sollte statt nur bis Klamath Falls, ist das auch kein Wunder.
Timberwere:
16. März, morgens.
Ich habe schon wieder so seltsam geträumt. Diesmal war George, der kleine burro, nicht involviert, stattdessen hatte ich das Gefühl, irgendetwas greift nach mir. Muss wohl eine Folge der Ereignisse gestern und der ganzen Gruselstimmung hier sein. Erstmal frühstücken gehen und einen Kaffee trinken, dann wird es bestimmt besser.
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BOAH!!!
Dieser elende Besserwisser! Das geht mir so auf die Nerven! Ernsthaft jetzt!
Nicht mal in Ruhe sein Frühstück essen kann man. Ich wollte doch nichts weiter als einfach nur meinen Kaffee trinken. Aber nein, Roberto muss ankommen, mit diesem bescheuerten näselnden und überheblichen Tonfall, den er immer draufhat, wenn er denkt, er weiß alles, und wir anderen sind kleine Hosenscheißer: „Und was machen wir jeeeetzt?“ Mit diesem oberlehrerhaften Frageton am Ende, als wisse er es natürlich schon ganz genau, wolle es aber von seinen minderbemittelten Schülern nochmal hören. Boah, dieser bescheuerte sabelotodo!
Und als ich mich wehrte, hauten Alex und Edward natürlich voll in dieselbe Kerbe. Na klasse. Gerade von Edward hätte ich das nicht gedacht. Aber der war heute morgen eh so grummelig, noch viel grummeliger als sonst. Gah! Das hab ich grad noch gebraucht. ¡De verdad, eso me pone los nervios de punta!
Ich brauche jetzt erstmal frische Luft. GAH!
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Ich habe einen Spaziergang gemacht. Mit Elena. Dass die anderen so bescheuert drauf sind, muss mich ja nicht daran hindern, der Sache weiter nachzugehen und versuchen, mehr über sie und ihre magischen Zeichenkünste herauszufinden.
Wobei es eher Zufall war, ich habe sie nicht absichtlich gesucht. Aber sie saß da auf einem Felsen und zeichnete, und da habe ich die Gelegenheit genutzt und bin zu ihr hin. Dummerweise konnte ich nicht sehen, was genau sie da malte, aber bei einem Spaziergang, dachte ich, würde sich ja vielleicht die Gelegenheit ergeben, etwas aus ihr rauszubekommen.
Der Spaziergang war eigentlich ziemlich nett. Wir unterhielten uns über alles Mögliche: über die Lesereise diese und nächste Woche, über die Gegend hier, die Wanderung, die ich gestern unternommen habe, die Tiere, die ich dabei sah. Elena meinte, es solle hier einen Adler geben, und ich antwortete, ich hätte aus der Ferne einen großen Vogel gesehen, aber ich wisse nicht, ob es der Adler gewesen sei oder etwas anderes.
Da fragte sie mich, ob ich den Adler gerne aus der Nähe sehen würde, und ich meinte, klar, das wäre schon toll. Da lächelte sie mich an und setzte sich auf einen Baumstumpf, holte ihren Malblock heraus und fing an zu zeichnen. Und diesmal konnte ich ihr über die Schulter sehen, was sie da machte: Mit schnellen, geschickten Strichen erweckte sie den See zum Leben, den Weg, ihre sitzende Gestalt auf dem Baumstumpf und meine stehende daneben – und dann zeichnete sie im Himmel über uns einen Adler hin, der majestätisch über dem See in unsere Richtung schwebte.
Und kaum hatte sie den letzten Strich gesetzt, hörten wir ein heiseres Kreischen, und aus der Ferne kam der Adler herangeflogen, kreiste mehrmals über unseren Köpfen, dass man ihn richtig gut sehen konnte. Da hatte ich also meinen Beweis: Elena kann Dinge wahr-zeichnen.
Ich fragte sie dazu ein paar Sachen, vorsichtig, um sie nicht zu alarmieren, aber dass sie das konnte, war ja nun offensichtlich. Elena meinte, sie könne das schon eine Weile, und sie würde das irgendwie in sich spüren.
Ich wollte sie noch detaillierter dazu befragen, aber das klappte nicht. Denn ich hatte gerade die nächste Frage auf der Zunge, da hörten wir Stimmen, und auf dem Weg erschienen... wer sonst als die Jungs.
Boah, nerv! Ausgerechnet! Gerade, wo ich Elena soweit hatte, dass sie ein bisschen am Auftauen war und mal den Mund aufmachte! Schlechter hätte deren Timing echt nicht sein können, und wenn sie es darauf angelegt hätten! Und überhaupt, wie hatten die uns hier gefunden? Hatten die mich etwa verfolgt?! Was fällt denen ein!
Roberto bekam diesen komischen Blick, den er immer hat, wenn er seine „Sight“ aufmacht. Und mit diesem Blick sah er mich an. Betrachtete der mich etwa in der „Sight“?! Wollte der etwa irgendwelche Geheimnisse über mich herausfinden oder was? Das wurde ja immer besser!
Elena hatte natürlich sofort dichtgemacht und bekam keinen Ton mehr heraus. Also wimmelte ich die Jungs schleunigst ab – meine Meinung sagte ich ihnen dabei auch gleich mit – und zog mit Elena weiter. Mann, was war ich erleichtert, als die anderen endlich außer Sicht waren!
Ich wollte das Gespräch wieder auf Elenas Zeichenkünste bringen, aber der Moment war vorüber. Mierda.
Statt dessen schaute sie über den See, kein Nebel heute, und machte eine Bemerkung wegen des unglaublich blauen Wassers – ein Ablenkungsmanöver, ganz klar.
Während wir so den See betrachteten, sahen wir Danny, der in einem Ruderboot zum Phantom Ship unterwegs war, dieser anderen Insel im See. Elena lächelte mich an und meinte, dort sei es total spannend, und ob wir nicht auch hin wollten. Warum nicht – dorthin würden die anderen mir wenigstens nicht nachkommen!
Ja denkste. Auf dem Weg zum Anlegesteg, wo das zweite Boot vertäut war, sahen wir prompt die Jungs ebenfalls in dieselbe Richtung stiefeln. Können die mich nicht mal eine Minute in Ruhe lassen?! Ich beschleunigte meine Schritte, Elena tat es mir gleich, und so kamen wir vor den Nervensägen am Boot an. Hah. Wenn sie partout auch auf den See hinaus wollten, sollten sie doch schwimmen! Aber sie drehten ab, als sie sahen, dass wir das Boot zuerst erreichten. Ich wiederhole mich, aber: Hah.
Als wir am Phantom Ship anlegten, lag Dannys Boot bereits in einer der kleinen Buchten. Wir jedoch fuhren einmal um das Inselchen herum auf die andere Seite, wo es einen besseren Landeplatz gab, wie Elena sagte. Während wir um die Spitze ruderten, sahen wir, dass die Jungs sich irgendwo ein drittes Boot besorgt haben mussten – es sah verdächtig nach einem Gummiboot aus. Mann, ernsthaft jetzt!? Wollen die mir jetzt wirklich auf Schritt und Tritt auf der Pelle hängen? Langsam macht mich das echt wütend.
Aber von dem anderen Landeplatz aus waren weder das Gummiboot noch Dannys Jolle zu sehen, und Elena führte mich auf einem kleinen Pfad die Felsen hoch, wo wir eine perfekte Aussicht über den See hatten, ohne von irgendwem gestört zu werden. Elena setzte sich auf einen abgeflachten Felsen und klopfte mit der flachen Hand auf den Stein neben sich, seufzte zufrieden. Ich jedoch hatte irgendwie ein richtig ungutes Gefühl bei der Sache, als würden sich all meine Nackenhaare aufstellen oder so.
Elena merkte das. Sie lächelte mich an und meinte, ich solle mich für die Insel öffnen, das sei eine tolle Erfahrung, die ihr echt geholfen habe. Aber... nein. Nein, danke. Ich tat, was ich konnte, um mich gegen jegliche Art geistiger Öffnung zu wehren, auch wenn Elena mit einem „entspann dich doch, alles ist gut!“ anfing, mir die Schultern und die Schläfen zu massieren. Irgendwas gefiel mir an der Insel ganz und gar nicht.
Als Elena erkannte, dass ihre Massage nichts brachte, schlug sie vor, mir doch ein Bild aus dieser Perspektive zu zeichnen, ein Bild vom See mit dem Phantom Ship darauf, damit ich einen anderen Eindruck davon bekäme. Aber nein, auch das wollte ich nicht, denn ich wusste ja jetzt, dass Elena Dinge herbeizeichnen kann, die dann wahr werden, und ich hatte den übermächtigen Drang, das auf keinen Fall zuzulassen, mein ungutes Gefühl von der Insel nicht zu verlieren.
Glücklicherweise gelang es mir, sie umzustimmen und vorzuschlagen, dass sie doch besser diese eine Szene aus dem Buch zeichnen solle, über die wir uns vorgestern abend noch unterhalten hatten. Dazu sollten wir aber besser von der Insel runter, erklärte ich, denn hier auf dem Felsen zu sitzen zum Zeichnen sei doch arg unbequem. Und puh, was war ich erleichtert, als wir das Phantom Ship verließen und zum Ufer zurückruderten.
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BOAH!!! Das schlägt wirklich und wahrhaftig dem Fass den Boden aus. Was bin ich wütend!!!
Eben war Margo bei mir. Sie hatte einen ganz seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht, als sie zu mir kam und mich ansprach. Und dann meinte sie, meine Freunde wollten mich auf die Insel lotsen, und sie hätten sie eigentlich gebeten, nichts zu sagen, aber immerhin sei ja ich ihr Gast und die anderen nur meine Begleiter, und deswegen sei es nur fair, mir die Wahrheit zu sagen.
Einen Moment lang starrte ich sie nur an, wort- und verständnislos. Was hatten diese payasos jetzt wieder vor?
Also holte Margo etwas weiter aus. Roberto war zu ihr gekommen und hatte etwas von einem „Zwist mit unserem Freund“ gesagt (Zwist? Hah, dass ich nicht lache! Die benehmen sich schon den ganzen Tag vollkommen unmöglich! Soll man da etwa nicht aus der Haut fahren?) und dass Margo ihn doch bitte unter einem Vorwand auf Wizard Island bringen solle zwecks Versöhnung.
Margo – die bei Robertos Worten davon ausging, dass dieser Edward meinte – ging zu dem und bat ihn, ihr zu helfen, weil sie auf der Insel ein Abschieds-Grillfest veranstalten wolle und jemanden brauche, der mit ihr zusammen die Sachen hinbringe. Edward habe sie daraufhin gebeten, auch mich zu dem Grillfest mitzubringen, ich „sei so seltsam drauf“. Hah.
Sie verabredeten sich dann für den frühen Abend, um die Sachen für das „Grillfest“ hinüberzurudern, aber kurze Zeit später kam Roberto nochmal zu Margo und erklärte ihr, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe, dass ich es sei, der das Problem darstelle. HAH!
Und das war dann eben der Moment, in dem Margo zu mir kam und mir alles erzählte. Sie fragte auch, ob sie die Jungs ausladen solle, denn, wie gesagt, immerhin sei ich der Gast hier, und wenn meine Freunde mir Schwierigkeiten machten, könne sie ohne weiteres von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und sie der Lodge verweisen.
Einen Moment lang war ich auch echt in Versuchung, von dem Angebot Gebrauch zu machen, aber, so schwer es mir fiel, schüttelte ich dann doch den Kopf. Es war ja nur noch für heute, dachte ich, morgen früh ist die Abreise, und so lange würde ich denen einfach aus dem Weg gehen.
Aber ich bat Margo, mir einen Mietwagen zu besorgen. Kommt nicht infrage, dass ich morgen mit den anderen im Bus fahre. Und ich fragte, ob ich vielleicht für die letzte Nacht in eine andere Hütte umziehen könne, da ich auf gar keinen Fall noch eine weitere Nacht mit diesen Deppen unter einem Dach verbringen will. Vielleicht lassen mich Leyla und Danny zu sich. In deren Blockhaus ist ja jetzt Platz.
Margo sagte, sie werde alles einrichten, und zog wieder ab. Ich hingegen ging in unsere Hütte, um meine Sachen zu holen – und stellte fest, dass mein Tagebuch weg ist, ebenso wie die Mappe mit Elenas Zeichnungen! Diese Mistkerle haben mein Tagebuch gestohlen!! Dazu haben sie kein Recht!! Ich bin so wütend!!! Das hier schreibe ich jetzt gerade auf loses Papier, ich musste es einfach loswerden. Aber BOAH!! Wie können sie es wagen!!! Und ich dachte wirklich mal, das seien meine Freunde!
Ich gehe jetzt und hole mir mein Tagebuch wieder.
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O madre mia. Was für eine verfahrene mierda.
Bei meiner Suche fand ich zunächst nur Roberto, den ich voller gerechtem Zorn anschrie, wo mein Tagebuch und Elenas Mappe seien. Er jedoch, was mich nur noch viel mehr auf die Palme brachte, blieb ganz ruhig und meinte, ich solle halt mitkommen, dann würde ich meine Sachen wiederbekommen.
Ich kochte förmlich vor Wut, folgte ihm aber zum Boot, und wir ruderten zum Wizard Island hinüber, wo ich gar nicht groß wartete, sondern aufgebracht den Pfad hinaufstapfte, Roberto dicht hinter mir.
Edward und Alex waren an dem versteckten, unverbrauchten Ritualplatz, den die drei bei ihrem ersten Besuch auf der Insel entdeckt hatten. Irgendwie wunderte es mich gar nicht, dass sie da irgendein Ritual vorbereiteten. Sie hatten einen Kreis gezogen, und darin lagen, das sah ich auf den ersten Blick, neben ein paar anderen Sachen mein Tagebuch und Elenas Zeichenmappe.
Ich stürmte natürlich sofort auf meine Sachen zu – da lag noch ein Foto von uns allen, stellte ich im Näherkommen fest, außerdem ein Donut. Und in dem Moment, als ich den Kreis betrat, fing Roberto an zu singen – da erkannte ich noch nicht, was es war; erst vorhin fiel mir dann wieder ein, woher ich das Stück kenne. Es war die Titelmelodie der Zeichentrickserie „My Little Pony – Friendship is Magic“, die Alejandra so gerne sieht. Alex hatte ein Feuerzeug in der Hand und verbrannte sich gerade den Unterarm, und auch Edward war gerade dabei, sich selbst einen Schnitt zu versetzen, während er seine magische Ritualformel sprach. Was zum...?
Und dann, plötzlich, war es, als mache es 'Plopp' in meinem Kopf, so ähnlich, wie wenn einem im Flugzeug die Ohren verstopfen und man schlucken muss und erst dann plötzlich wieder alles hört. Und ich erkannte, dass meine Abneigung gegen die Jungs künstlich herbeigeführt worden war, dass Elena irgendwas mit mir gemacht hatte, um mir diesen Hass auf meine Freunde einzupflanzen.
Die drei erzählten mir, dass ihnen irgendwann im Laufe des Vormittags der Verdacht gekommen sei, dass Elena mich beeinflusst haben könne. Daraufhin hatten sie dann zunächst mit Vanessa geredet und der Elenas Aussehen in der „Sight“ beschrieben, was diese zu großer Sorge veranlasste, dann gingen sie mich suchen. Als wir während des Spaziergangs aufeinandertrafen, hat Roberto mich tatsächlich in der „Sight“ betrachtet und festgestellt, dass ich ein Stirnband aus Dornen trug, das irgendwie mit einem Bild der Jungs verbunden war, dass Elenas Hände klauenartig nach mir griffen und ihr Stift an mir klebte, ja schon beinahe in mir steckte. Daraufhin planten sie dann eben das Ritual, um mich von der Beeinflussung zu befreien.
Das Fiese ist nur... obwohl ich jetzt weiß, dass die Abneigung künstlich ist, ist sie nicht verschwunden. Ich sehe die Jungs an und verspüre noch immer nichts als Widerwillen und Antipathie, und das einzige, was ich tun kann, ist mit meinem Verstand dagegen anzukämpfen, weil ich weiß, dass es nicht echt ist.
Mit dem Phantom Ship stimmt tatsächlich etwas nicht, erzählten die Jungs noch. Alex hat gespürt, dass die Grenze zum Nevernever dort dünner ist und etwas dahinter lauert, das nicht gut ist. Als sei ein schlafendes Monster gerade dabei, sich zu regen, als sei etwas Böses gerade am Erwachen. Und die Düsternis, die Edward gestern gespürt hat, kam, kommt, von dort.
Alex gab mir noch seinen Brandbeschleuniger für den Fall, dass Elenas Block schnell brennen müsse. Der gegenüber darf ich mir natürlich nichts anmerken lassen; sie muss denken, dass ich weiterhin voll unter ihrem Einfluss stehe, sonst kommt sie noch auf die Idee, etwas Neues, Schlimmeres, für mich zu zeichnen.
Wieder an Land habe mich erst einmal abgesetzt, und zwar tatsächlich in Leylas und Dannys Hütte. Und auch den Mietwagen werde ich nicht abbestellen. Denn wie gesagt, die Antipathie gegenüber den Jungs ist noch immer vorhanden, obwohl ich weiß, dass sie nicht echt ist, und ich muss denen jetzt einfach eine Weile aus dem Weg gehen.
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Eben beim Abendessen habe ich mich zu Kirsty McGregor und Michael Stackpole gesetzt und hatte endlich mal die Gelegenheit, ein bisschen ausführlicher mit denen zu reden. Das war fein, das hätte ich während des Wochenendes mal schon viel eher machen sollen.
Das Seltsame war nur: Kirstys Arm war wieder völlig in Ordnung, und sie hatte auch keinerlei Erinnerung daran, dass etwas damit nicht gestimmt hatte. Muy curioso.
Ich gab dann Barry noch ein Autogramm für dessen Frau und Tochter, und Edward ließ sich zu meiner Überraschung ein Autogramm von Kirsty McGregor geben. Erst dann fiel mir ein, dass Edward bei der ersten Erwähnung ihres Namens in der Vorbereitung auf diese Reise mal gesagt hatte, den Namen kenne er, Cherie lese ihre Bücher recht gerne. Ob er mit dem Autogramm versuchen will, Cherie zurückzugewinnen?
Außerdem sah ich von weitem, wie Edward und Vanessa jeder etwas aufschrieben und die Zettel dann austauschten. Adressen? Telefonnummern? Die Warden zum Kontakt zu haben, kann sicherlich nicht schaden.
Elena war nicht so glücklich darüber, dass ich mich anderen Leuten widmete als ihr selbst, aber sie sagte nichts deswegen. Und ich hütete mich, ihr zu zeigen, dass sich etwas geändert hat; ich ging den Jungs weiterhin nach Kräften aus dem Weg. Was mir, wie bereits erwähnt, nicht sonderlich schwer fiel.
Den Abend werde ich wohl einfach mit Kirsty und Mike im Salon verbringen und Autorengespräche führen.
Da! Eben kamen Maggie und Hattie zu Elena und redeten mir ihr. Sie sahen verstohlen zu mir hinüber und tätschelten ihr die Hand, und dann gingen alle drei.
Warte, Alcazár, warte... gib ihnen einen kleinen Vorsprung und dann hinterher!
Timberwere:
Oh Mann. Wo anfangen. Am besten einfach der Reihe nach; vielleicht... vielleicht hilft das, die Gedanken etwas klar zu bekommen. Aber ich glaube nicht so recht daran.
Ich folgte den drei Hexen bis zur Lodge der beiden alten Damen. (Die Jungs hatten mir übrigens auf der Insel noch erzählt, dass sich Vanessa Gruber die beiden Rentnerinnen in der „Sight“ angesehen und als echte Warlocks identifiziert hat, die definitiv etwas planten.) Aus der Hütte kam deren Stiefschwiegersohn – dessen Namen ich nie erfahren habe, glaube ich – und gingen in Richtung See.
Die anderen, die Vanessa suchen gegangen waren, als die drei Hexen den Salon verließen, hatten diese inzwischen gefunden, denn auf dem Weg zum See stießen sie zu mir, und wir verfolgten die drei weiter. Erst waren wir relativ unauffällig, aber je näher wir dem See kamen, um so unruhiger wurde Ms. Gruber. „Wir sollten sie keinesfalls auf die Insel lassen“, erklärte sie und hob ihren mit Muscheln besetzten Magierstab.
Dass Vanessa sich auf Wassermagie spezialisiert hat, das war uns ja schon vorher aufgefallen, und auch jetzt wirkte sie wieder einen entsprechenden Zauber: Mit einer Wasserhose zerstörte sie das Boot.
Als die beiden alten Damen sahen, dass ihr Transportmittel unbrauchbar geworden war, fauchten sie wütend auf und fletschten die Zähne, und wir konnten sehen, dass es ganz eigenartige, tierhafte Reißzähne waren.
Elena riss ihren Malblock hoch und begann im Stehen zu zeichnen. Wir durften keinesfalls zulassen, dass das, was sie da malte, Wirklichkeit wurde, also übergoss ich den Block schnell mit dem Brandbeschleuniger, den Alex mir gegeben hatte, und Roberto, direkt neben mir, zündete die Seiten an.
Indessen rannte der Schwiegersohn zu Vanessa, wurde aber von dieser verletzt. Auch Edward stürmte zu dem großen Kerl hin, zog ihn von Vanessa weg und begann, ihn zu verprügeln.
Die beiden alten Hexen lachten böse und pusteten irgendetwas in Vanessas Richtung, ein gelbes Pulver, das die Magierin einhüllte. Sie schrie laut auf vor Schmerzen: Offensichtlich hatte der Staub eine giftige oder ätzende Wirkung. Alex fackelte nicht lange, sondern warf sie in den See, um das Pulver von ihr abzuwaschen. Dann sprang er hinterher, um Vanessa aus der Gefahrenzone zu bringen, denn aus eigener Kraft bewegte die Österreicherin sich nicht.
Elena warf ihren brennenden Zeichenblock nach mir, ich konnte aber gerade noch beiseite springen, so dass der Block mich nur streifte und ich kein Feuer fing. Roberto, der näher bei Elena war als ich, nahm sie in den Schwitzkasten und machte den beiden älteren Hexen gegenüber Drohgebärden, als wolle er Elena töten. Dies veranlasste Hattie, eine Puppe herauszuziehen, die Roberto vage ähnelte, während ihre Schwester der Puppe den Arm brach. In diesem Moment schrie Roberto auf und hielt sich den Arm – offensichtlich war da irgendein, wie hat Ximena das mal genannt, Sympathie-Zauber zwischen Puppe und Mensch am Werk. Die Gelegenheit nutzte Elena, um ihren Stift in Roberto zu bohren.
Ich hatte noch immer die Flasche mit dem leicht brennbaren Aftershave in der Hand, und ein bisschen was war noch darin, also sprühte ich diesen Rest Maggie ins Gesicht. Die schrie auf und rieb sich die Augen, aber davon schien die Flüssigkeit ihr nur tiefer in die Augen zu geraten, denn sie fauchte, und ihre Augen tränten, und sie tastete blind umher.
Ihre Schwester Hattie stürmte auf mich zu und griff mit ihren Krallen nach mir, aber es gelang mir, ihren Arm hart zur Seite zu schlagen – deutlich härter, als ich das wohl unter anderen Umständen getan hätte.
Edward und der Stiefschwiegersohn prügelten sich noch immer, waren inzwischen beide zu Boden gegangen und rollten da ringend herum, bis Edward schließlich die Oberhand gewann und den Kerl mit einem gezielten Schlag ins Reich der Träume schickte. Roberto hingegen, gebrochener Arm oder nicht, legte den unverletzten Arm um Elena und küsste sie hingebungsvoll.
Inzwischen hatte Alex Vanessa Gruber aus dem Wasser gezogen und sie irgendwo außer Reichweite hingelegt. Jetzt kam er zu uns zurück und griff in das Kampfgeschehen ein, indem er die noch immer blind herumtastende Maggie ergriff, ihr das Feuerzeug an den Kopf hielt und ein lautes „HALT!“ in Richtung ihrer Schwester rief. Hattie allerdings war nicht sonderlich beeindruckt von der Drohgebärde, sondern fauchte wütend und schien einen Zauber vorzubereiten.
Ich warf die jetzt leere Aftershave-Flasche nach der Hexe, um sie abzulenken. Das gab Edward die Gelegenheit, zu Hattie hinzukommen und ihr die Faust in die Rippen zu rammen. Mit einem Schmerzenskrächzer ging die Hexe zu Boden und begann zu röcheln.
Roberto küsste Elena noch immer. Die war völlig überfordert von der Situation, wand sich ein wenig in Robertos Armen; doch eigentlich gefiel ihr der Kuss, soviel war offensichtlich, denn inzwischen erwiderte sie diesen leidenschaftlich.
Maggie rief etwas. Fremdartige, gutturale Worte: ein Zauber. Ihre Stimme wurde tiefer, und ihre Haut schien sich zu verschieben. Sie hob die Arme gen Himmel, wie einladend, und dann ging ein Ruck durch sie, und sie lachte und war nicht mehr sie selbst, sondern wir sahen uns dem Dämon gegenüber, den sie gerufen und der von ihr Besitz ergriffen hatte.
Alex fackelte nicht lange, sondern aktivierte sein Feuerzeug, das er Maggie ja noch immer an den Kopf hielt. Und weil die Hexe das Brandbeschleuniger-Aftershave im Gesicht hatte, fing sie umgehend Feuer. Alex ließ sein Feuerzeug sinken und machte die Handbewegungen, die ich inzwischen damit assoziiere, dass er ein Tor ins Nevernever öffnen will.
Der Dämon indessen kümmerte sich gar nicht darum, dass er brannte, sondern ging mit seinen flammenden Fäusten auf Edward los, der aber ausweichen konnte. Dass Edward nicht da war, wo der Dämon ihn vermutete, schien diesen zu verwirren, und ich versuchte, ihn zu verspotten, um ihn noch weiter abzulenken – nur so verwirrt war er dann leider doch nicht, dass er sich davon hätte ablenken lassen.
Edward versetze dem Dämon Hieb um Hieb, aber ich war mir nicht sicher, ob er damit überhaupt etwas ausrichtete.
Während der Dämon aber mit Edward beschäftigt war, gelang es Alex, sein Tor zu öffnen, und er zwang den Dämon hindurch.
Nur den Dämon, wohlgemerkt. Seine sterbliche Hülle, die Hexe Maggie, fiel leblos zu Boden.
Roberto hatte inzwischen Elena den Stift weggenommen, den diese, völlig gebannt von seinem Kuss, nur noch locker in der Hand hielt. Noch immer küsste er sie. Und dann...
Que Dios tenga misericordia.
Dann hob Roberto den Zeichenstift, den er Elena eben weggenommen hatte, und rammte ihr diesen in den Hals. Elenas Augen weiteten sich, dann sackte sie in seinen Armen zusammen.
Und dann war es vorbei. Da lagen die drei toten Frauen – Roberto hatte Elena sanft, beinahe ehrfürchtig, zu Boden gleiten lassen, und es war nicht zu übersehen, dass sie tot war. Maggie hatte es nicht überlebt, dass der Dämon sie verließ, und auch Hattie war nicht mehr am Leben: Anscheinend war Edwards Hieb so heftig gewesen, dass eine gebrochene Rippe die Lunge der Hexe durchbohrt hatte.
Vanessa Gruber, schwer verletzt, lag reglos, wo Alex sie hingebracht hatte. Der Stiefschwiegersohn war verschwunden. Da, wo er zu Boden gegangen war, lagen nur noch seine Kleider und einige Stöcke. Als hätten die Hexen ein Konstrukt herbeigezaubert und animiert.
Alex bugsierte die drei Leichen durch das Tor ins Nevernever. Und ich? Ich konnte Roberto nur anstarren. Wie konnte er das tun? Ja, Elena hatte mich beeinflusst, aber sie stand doch selbst unter dem Einfluss ihres Malblocks, das hatte Roberto selbst in der „Sight“ gesehen. Vielleicht hätte es doch eine Möglichkeit gegeben, Elena von diesem Einfluss zu befreien und sie zu retten...
Ich weiß nicht mehr, ob ich Roberto anschrie oder so schockiert war, dass ich ruhig sprach. Meine Erinnerungen an den Moment sind vage. Aber ob laut oder leise, ich konfrontierte ihn mit seiner Tat, machte ihm Vorwürfe. Roberto sah mich nur an, murmelte kühl etwas von wegen „Es ging nicht anders, es gab keine Rettung für sie“ und „Du bist zu weich, Cardo.“
Ich musste da weg. Die ganze von Elena mir gegen die Jungs eingepflanzte Antipathie kochte wieder hoch, und diesmal gelang es mir nicht, mit meinem Kopf dagegen anzugehen. Auf die Idee kam ich nicht einmal. Ich konnte nur eines denken: weg hier.
Also hob ich Vanessa hoch und trug sie zur Lodge. Innerlich war ich wie gelähmt, vor den Kopf geschlagen. Wie ein Automat rief ich die Nummer des Notrufs an, bat um einen Rettungshubschrauber. Wie ein Automat sagte ich zu Margo und den Gästen, die aufgeregt angelaufen kamen, etwas von einer Fehlfunktion des Bootes, von einem explodierten Motor, von ausgetretener und versprühter Batteriesäure, die Vanessa verätzt habe. Dieselbe Erklärung für die Rettungssanitäter, die einige Zeit später eintrafen.
Aber sie konnten Vanessa nicht mit dem Hubschrauber ausfliegen. Sie wollten sie an ein Beatmungsgerät anschließen und in einer Röhre transportieren, und das ging nicht im Helikopter.
Alex war, nicht ganz so schwer wie Vanessa, aber ebenfalls von dem Pulver der Hexen verätzt worden und musste ebenfalls ins Krankenhaus. Ebenso Roberto mit seinem gebrochenen Arm. Also brachte man die beiden durch die Luft weg, während Vanessa über den Landweg weggebracht wurde. Nach Portland wollten sie sie wohl bringen, entnahm ich dem Gespräch. „Komisch, dass sie mit diesen Verletzungen überhaupt noch am Leben ist“, hörte ich außerdem einen der Rettungssanitäter sagen. Ich machte ihn nicht darauf aufmerksam, dass Magier anscheinend häufiger über besondere Heilkräfte verfügen. Wie hätte ich das auch erklären sollen? Besser, die Ärzte glauben an ein Wunder.
Edward packte eilig Vanessas Sachen zusammen und fuhr dann damit hinter dem Krankenwagen her.
Normalerweise wäre ich vermutlich auch mitgefahren, aber nicht so. Nicht da. Ich stand immer noch ein wenig unter Schock, glaube ich, als ich die Leute in der Lodge zu beruhigen versuchte.
Roberto kam abends noch wieder. Sein Arm war anscheinend gar nicht wirklich gebrochen gewesen; die Hexen hatten ihm wohl nur die Illusion davon untergejubelt. Aber ich ging ihm aus dem Weg, ich wollte nicht mit ihm reden, ihn nicht sehen.
Natürlich wurden auch die beiden alten Damen und ihr Schwiegersohn irgendwann vermisst, ebenso Elena. Suchaktion. Polizei. Weitere Befragungen. Glück insofern, als die Beamten das Ganze in Zusammenhang mit dem explodierten Boot brachten und von einem tragischen Unfall ausgingen.
Totilas kam aus Eugene zurück, und es war seltsam, aber auf ihn erstreckte sich meine Antipathie nicht. Wobei, gar nicht so seltsam, denn er war ja nicht da gewesen, als Elena den Zauber auf mich wirkte, also war er davon auch nicht betroffen. Er wollte mit mir reden, aber ich habe so gut wie keine Erinnerung mehr daran, was er eigentlich sagte.
Ich habe auch kaum mehr Erinnerungen an den Rest des Abends. Irgendwann fiel ich ins Bett, in dem freien Zimmer in Dannys und Lilas Hütte. Und am nächsten Tag blieb ich nicht mehr lange, sondern brach, als der von Margo für mich georderte Mietwagen angeliefert wurde, ziemlich bald auf. Die meisten Gäste taten das nach dem gestrigen Schock, glaube ich.
Das Autofahren tat mir gut. Ich fuhr langsam, beinahe wie in Trance, aber doch aufmerksam genug, um keinen Unfall zu bauen, und dass ich mich auf die Straße konzentrieren musste, war gerade die richtige Ablenkung. Die Fahrt nach Portland dauerte fünf Stunden, so dass es auch schon wieder auf den Abend zuging, als ich ankam. Zum Glück fand ich das Hotel ohne Probleme: hurra für moderne Navigationsgeräte.
Im Auto habe ich meinen iPod an das Radio gehängt und habe ihn, nach Interpreten sortiert, einfach ab irgendwo mittendrin laufen lassen. Und irgendwann kam dann das erste Album von Mumford & Sons. Ich weiß, dass diese Songs eigentlich ganz andere Dinge zum Thema haben, völlig anders zu interpretieren sind, aber etliche Zeilen daraus sprangen mir förmlich entgegen. Zeilen, die mir vorkamen, als handelten sie von mir, oder als spreche der Sänger mich direkt an.
Cold is the water
It freezes your already cold mind
And death is at your doorstep
And it will steal your innocence
But it will not steal your substance
But you are not alone in this
You are not alone in this
As brothers we will stand
and we'll hold your hand
Hold your hand
Mierda. Wie Hohn klang das.
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Ich habe mich gezwungen, eine Kleinigkeit zu essen, aber Hunger habe ich keinen. Wenn ich gewusst hätte, in welches Krankenhaus sie Ms. Gruber gebracht haben, hätte ich sie vermutlich besucht, aber ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Und Alex wird da auch sein. Den sollte ich wohl ebenfalls besuchen, aber ... ich kann nicht. Nicht, solange dieser Zauber anhält.
Vielleicht mache ich noch einen Spaziergang. Vielleicht aber auch nicht. Das Hotelzimmer ist ziemlich bequem; ich glaube, ich gehe einfach ins Bett. Habe bei Dee angerufen, aber es geht niemand dran. Zuhause in Miami ist es ja auch schon drei Stunden später, das ist mir aber auch eben erst eingefallen. Ich hoffe, sie war einfach nicht da. Es wäre mir peinlich, wenn ich sie aufgeweckt hätte.
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18. März. Vancouver, Kanada.
Zurück im Hotel. Die erste Lesung lief eigentlich recht gut, muss ich sagen. Zumindest war der Tag gut für die Ablenkung: die Fahrt zum Flughafen, Abgeben des Mietwagens, der Flug nach Vancouver, die Sicherheitsmaßnahmen beim Einchecken, die Einreiseformalitäten in Kanada. Taxifahrt zum Hotel, Vorbereiten auf die Lesung.
Der Raum war recht gut gefüllt, die kanadischen Zuhörer aufmerksam und höflich. Und tatsächlich schienen die meisten zumindest Indian Summer gelesen zu haben, und etliche sogar die ganze Reihe. Natürlich gab es Fragen wegen des Films und wegen des Todesfalls am Set letztes Jahr, aber darin habe ich ja inzwischen Übung und konnte ganz routiniert über Roselyn Sanchez' tragischen Unfall sprechen. Ich bin nur froh, dass offensichtlich noch keinerlei Gerüchte über die Vorfälle am Crater Lake an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Denn das wäre absolutes Gift: erst Roselyn Sanchez' Tod beim Filmdreh, jetzt der Todesfall einer jungen Autorin und das Verschwinden dreier – vierer! – weiterer Personen, alles in meiner Gegenwart... die Medien würden sich die Lefzen lecken danach. Ich bete, dass diese Verbindungen nie der Presse zugespielt werden...
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19. März. Seattle, Washington.
Kein Flug diesmal, sondern mit dem Auto gefahren. Ist ja kein langer Weg. Und ich hatte, wie gestern auch schon, noch immer den ganzen Tag diese Song-Texte im Kopf.
Die Lesung selbst war sehr erfreulich – Seattle scheint ein kleines Dorado für Genre-Liebhaber zu sein.
Nur... eben habe ich bei Dee angerufen – heute früher, habe an die Zeitverschiebung gedacht – aber das war ein ganz seltsames Telefonat. Ich hatte so ein dringendes Bedürfnis, mit ihr zu sprechen, und ich habe ihr alles erzählt, aber ihre Reaktion war... eigenartig. Beinahe steif. Sie meinte, nach dem, was sie von Warlocks wisse, seien die ziemlich rettungslos verloren, und wie es denn Roberto gehe? Wie der mit dem Trauma fertig werde? Und dass sie wohl mal nach ihm sehen gehen müsse.
Nicht das, was ich mir von dem Gespräch mit Dee erhofft hatte. Eindeutig nicht.
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20. März. Zurück in Portland.
Selbes Spiel wie gestern. Mit dem Auto nach Portland, Lesung diesmal direkt hier im Hotel. Ebenso genre-affines Publikum.
Ich habe lange über Dees Aussage nachgedacht. Dass es für Roberto ein Trauma sei. Sie hat recht, natürlich hat sie recht, das konnte ich nur vor lauter Abneigung nicht sehen.
Ich muss ihn anrufen, heute noch, so schwer es mir fällt, weil Elenas Zauber noch immer auf mir liegt.
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Keiner zuhause. Vielleicht besser so. Ich habe ständig Robertos Vorwurf im Ohr, seine herablassende Stimme. „Du bist zu weich, Cardo.“ Bin ich das? Vielleicht bin ich das tatsächlich.
Spare me your judgements and spare me your dreams
Cause recently mine have been tearing my seams
I sit alone in this winter clarity which clouds my mind
Sei ehrlich, Alcazár. Es ist nicht herablassend. Das kommt dir in deinem momentanen Zustand nur so vor. Wenn du rational darüber nachdenkst, wirst du zugeben, dass es nicht herablassend ist.
Naja. Ein bisschen vielleicht.
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21. März. San Francisco, Kalifornien.
Die Hotelzimmer beginnen sich zu gleichen. Die Tagesabläufe auch. Heute war es wieder mal ein Flug.
Die Lesung war gut, der Raum etwas kleiner, weniger Leute, aber interessiert.
Habe wieder versucht, bei Roberto anzurufen, aber es geht niemand dran. Mit Dee hätte ich auch gerne gesprochen, aber auch sie ist nicht zuhause. Verdammt.
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22. März. Immer noch San Francisco.
Heute mal weder Reise noch Lesung. Einfach nur ein Tag zur freien Verfügung. Also auch weniger Ablenkung. Mierda. Ich habe mir die Stadt angesehen. War, weil Sonntag, in der Messe. Hatte immer noch erschreckend viel Zeit und erschreckend viele Gedanken im Kopf, also ein Museum. Comic-Kunst oder Walt Disney? So viel Zeit, es wurden beide.
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Ich habe Roberto erreicht. Und, tío, war das ein ungemütliches Telefonat.
Vorher hatte ich mit Macht meinen Kopf arbeiten lassen. Mir wieder und wieder und wieder vorgesagt, dass meine Antipathie Roberto gegenüber nicht echt ist. Auch wenn er bisweilen nervt: Er ist mein Freund.
Aber am Telefon war es dann trotzdem unendlich schwer, nicht wieder ausfällig gegen ihn zu werden. Ich entschuldigte mich für meine Vorwürfe an der Lodge, gab zu, dass ich ein Idiot gewesen sei, bat ihn um Verzeihung. Erklärte, dass ich schon die Tage angerufen, aber ihn nicht erreicht hätte.
Roberto klang kühl, unbeteiligt. Schon gut, meinte er leichthin, und nein, er sei nicht zuhause gewesen. Dee hätte ihm da zwei Clubs empfohlen, die sie sich angesehen hätten.
Ähm. Da war es aus mit meiner ganzen so sorgfältig vorbereiteten Kopfarbeit. Es gelang mir, Roberto nicht anzublaffen, immerhin ist es Dees Sache, mit wem sie ausgeht, und sie und ich haben nie wirklich ausgesprochen, was es denn nun eigentlich ist, was wir haben. Oder nicht haben. Aber ich legte sehr schnell und sehr kurz angebunden auf.
A white blank page and a swelling rage...
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23. März. Los Angeles, Kalifornien.
Flug. Lesung. Hotel. Eigentlich muss ich gar nichts mehr groß dazu schreiben. Nur dass hier in L.A. die Fragen wegen der Premiere morgen natürlich noch viel mehr auf den Film konzentriert waren als bisher schon. Wenig Fragen zu Roselyn Sanchez, dem Himmel sei Dank, mehr auf den Film allgemein bezogen.
Ich hoffe, die Kritiken fallen positiv aus.
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24. März. Los Angeles.
Puh. Das war... anstrengend.
Der Film ist gut geworden, kein Zweifel, spannend und alles – aber für mich kam beim Sehen doch alles wieder hoch.
Habe bei Dee angerufen, aber wieder niemanden erreicht.
Ich wünschte, ich könnte Edward davon erzählen. Mit Edward darüber reden. Oder mit Alex. Sogar mit Roberto. Mit Totilas könnte ich reden, aber der war nicht da. Ich will meine Freunde zurück, verdammt.
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25. März. San Diego, Kalifornien.
Der letzte Abend. Die letzte Lesung. War gut. Viele Studenten, und ein paar Besucher ließen durchklingen, dass sie gestern in L.A. bei der Premiere waren.
Ich bin froh, dass es vorbei ist. Morgen geht es nachhause. Ich vermisse Alejandra und Yolanda. Und ja, ich vermisse Dee. Ich will sie in die Arme nehmen, aber ich weiß, das würde sie ablehnen. Denken, ich klammere. Und die Jungs. Cólera, ich vermisse die Jungs.
But you are not alone in this
You are not alone in this
As brothers we will stand
and we'll hold your hand
Hold your hand
Padre en el cielo, ich bitte dich. Nimm diese Feindseligkeit von mir...
Bad Horse:
Armer Cardo.
Das ist aber ein wirklich schönes Beispiel dafür, warum es so ein schwerwiegender Verstoß gegen die Laws of Magic ist, wenn man Leuten im Kopf herumschraubt (an die Leser: Cardo hat in dem Fall tatsächlich nicht nur einen Aspekt abgekriegt, sondern einen geistigen Angriff - die Feindseligkeit gegenüber seinen Freunden war eine Konsequenz, deswegen geht die auch nicht so einfach weg).
Für Edward und Roberto: Elenas Malblock war ihr Fokus. Das war kein magisches Dings, das sie kontrolliert hat. Natürlich könnt ihr die Verbindung interpretieren, wie ihr wollt, aber da ihr selbst Practitioner seid, wisst ihr auf jeden Fall, wie so ein Fokus funktioniert. :)
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