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Systemtausch

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JS:
Moin!
Ich habe i.d.R. gute Erfahrungen damit gemacht, meine Lieblingssysteme in anderen Settings gleicher oder ähnlicher Kategorie (z.B. Fantasy) zu verwenden, die im Original ein anderes System bieten. So nutzen wir z.B. das System für WFRS 2 auch für die DSA-Welt oder für die Pathfinder Königsmacher-Kampagne, die wir in den Vergessenen Reichen angesiedelt haben. Das klappt wunderbar und bedarf bitte keiner Diskussion.

Der Kern dieses Beitrages ist vielmehr die Frage, ob es spielerisch ergiebig ist, ein sehr komplexes System durch ein enorm vereinfachtes zu ersetzen. Geht dabei zuviel verloren und muß mit willkürlichem Handwedeln dahingeleitet werden? Verliert ein Setting dadurch einen Teil seines Reizes?
Wichtig: Es geht mir dabei weniger um die Basismechanismen (z.B. Fertigkeitsproben), sondern um den sonstigen Regelwust, der ja nicht per se unsinnig sein muß.

Zu diesen Fragen kam ich durch folgende Überlegung:
Ich spiele seit kurzem Einsamer Wolf Mehrspieler-Fantasy. Das ist trotz einiger Zusätze des SL (z.B. Fertigkeiten) ein sehr einfaches, flüssiges Regelsystem, das auf das Nötigste reduziert ist. Wir haben nicht nur mit der Spielwelt, sondern gerade auch mit diesem System ungewöhnlich viel Spaß und spielerische Freiheiten - und zwar ohne das Gefühl, daß es uns der Willkür des SL überläßt.
Nun ringe ich mit dem Gedanken, ob dieses einfache System z.B. zu einem regelkomplexen Setting wie Traveller passen könnte. Attribute und Fertigkeiten usw. wären problemlos zu übertragen, doch bliebe noch der Rattenschwanz an Regeln und Regelungen, der durch ein so einfaches System wie jenes von EW nicht abgedeckt werden könnte. Das würde (müßte?) also ein erhebliches Maß an Konvertierungsarbeit erfordern.
Einige meiner Spieler finden die Idee gut und erfolgsversprechend, andere wiederum sehen sie zum Scheitern verurteilt und finden diese Vereinfachung für das Setting unangemessen.
Ich schwanke noch...
:)

Waldgeist:
Ich persönlich finde, dass nicht die Menge der Regeln, sondern die Flexibilität der Regeln (insbes. der Charaktergestaltung) entscheidend ist.

Ein Beispiel aus meiner Erfahrung:
Ich mag Systeme, die mir ein Gefühl von Plausibilität geben. Deswegen zog ich schnell Traveller DSA und AD&D vor. Mit GURPS Traveller wurde ich dann zu GURPS konvertiert und vermisse seitdem wenig bis nichts. Einzig der Bücherwust ist manchmal recht nervig. Zwischenzeitlich habe ich dann mal Savage Worlds ausprobiert - das ist sehr eingedampft, hat gute Ideen, und ist prinzipiell mit nur einem Buch spielbar, dafür aber auch unflexibel in der Charaktergestaltung und -entwicklung. FATE hingegen ist sehr "simpel", bietet mir aber über den Mechanismus der Aspekte unendliche viele Möglichkeiten, einen Charakter (und die Welt) zu formen, auch wenn dem immer der gleiche Mechanismus zugrunde liegt. An GURPS mag ich die physikalische Plausibilität, an FATE die charakter- und weltgeschichtliche Plausibilität - im Spiel ist letztere in der Regel eh wichtiger. Bei anderen Systeme fehlt mir beides.

Entsprechend: Ja, du kannst Traveller prima mit einem anderen System spielen, wenn es DEINE Erwartungen (und die deiner Gruppe) an die zu erlebenden Abenteuer hinreichend erfüllen kann.

JS:
Sicher, das ist mir schon klar, die zentrale Frage bleibt aber, ob eine zu starke Vereinfachung einem komplexen Setting nicht wesentliche Bestandteile raubt. Viel Konvertierungsarbeit heißt ja automatisch, daß auch die geregelten Bestandteile wieder zunehmen, insofern wäre wenig gewonnen; wenig Konvertierungsarbeit wiederum führt zwangsläufig zu viel Handgewedele, um das Komplexe irgendwie abzubilden - die Spieler könnten sich in diesem Fall an keine "Normen" halten und müßten den SL ständig fragen, ob sie dies und das machen könnten und wie lange jenes und solches dauern würde usw. usf.

Selbstverständlich gibt das bei gruppeninterner Einigkeit und Umgänglichkeit keine Probleme, aber darum geht es hier ja nicht.

Waldgeist:
Es stellt sich doch die Frage, was genau vom komplexen System deine Gruppe braucht, um zufriedenstellende Abenteuer zu erleben. Wenn das alles ist, was dieses System bietet, dann macht ein Wechsel mit Nachbau der Komplexität wirklich wenig Sinn.

EDIT: Noch mal Beispiel Traveller.
Bei meinen Gruppen brauchte ich bislang eher nicht:
- Raumschiffbau
- Welt-/Systemgenerierung
Dagegen häufiger zum Einsatz kamen:
- Psionik
- Tierbegegnungen
- Soziale Interaktion
- Fahrzeugstunts

Eben diese Punkte kann ich mit diversen Systemen erreichen.

Wie sieht die Liste im Falle deiner Gruppe aus?

JS:
Eben das ist die Grundüberlegung. Das typische Wald-Wiesen-EZO-Fantasysetting kann ich problemlos und ohne großen Aufwand mit einem einfachen Fantasy-System wie EW abdecken; das funktioniert im Vorbeifahren. Ein enorm komplexes System dagegen, das mit SciFi auch noch einer ganz anderen Kategorie entstammt, verliert durch starke Vereinfachung wesentliche seiner Elemente (Raumreisen, Raumschiffe, SciFi-Technik, Astronomisches Zeugs).
Beim Bearbeiten dieses Themas stellte ich fest, daß Traveller-SC ziemlich gut mit dem EW-System erschaffen werden können und die Basismechanismen (Proben, Personenkampf usw.) leicht zu übernehmen waren. Nur bei den o.g. Elementen wurde dann deutlich, daß für eine sinnvolle Konvertierung viel mehr Arbeit und Testerei nötig wären, als ich zu leisten bereit war. All diese Elemente kann man freilich auch sehr willkürlich und/oder flexibel handhaben, aber das gerät dann zum Nachteil der Spieler, die gerne ein paar Normen im Spiel haben wollen. (Zu diesen Spielern zähle ich mich übrigens auch.)
Traveller (und jedes andere sehr komplexe System) verlöre durch eine solch enorme Vereinfachung zwar keine seiner Möglichkeiten, aber jede Menge seiner normativen Regelbestandteile.

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