Autor Thema: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen  (Gelesen 6244 mal)

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Offline korknadel

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Re: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen
« Antwort #25 am: 4.06.2013 | 08:18 »
Zu dem von Hawkeye zitierten Wiki-Text:
Das Entscheidende in der Romantik sind nicht die Motive, sondern der Umgang mit diesen Motiven. Natur spielt in allen Epochen vor und auch nach der Romantik eine wichtige Rolle, genauso wie Übernatürliches. Mythos und "Zauberhaftes" findet sich in mittelalterlichen Versepen genauso wie in den Volksbüchern der Renaissance (die die Romantiker weidlich ausgeschlachtet haben), den Zauberopern des Barock und -- wie man an der Zauberflöte und dem Faust sieht -- sogar in der aufklärerischen Klassik.

Romantisch ist an der Romantik, wie sie mit diesen Motiven umgeht. Sicher haben wir da zum einen die Sehnsucht nach dem Goldenen Zeitalter, nach einem fiktiven Mittelalter. Die Rückkehr dahin wurde aber als eine Synthese von Rationalem und Irrationalem gesehen. Was als "Innerlichkeit" rüberkommen mag, ist deshalb Reflexion. Romantische Texte sind in den meisten Fällen auch krude Kopfgeburten, die ganz disparate Elemente vereinigen wollen (dazu auch das Stichwort Gesamtkunstwerk auf der einen und Fragment auf der anderen Seite). So recht eigentlich gefühlt wie im Sturm und Drang wird in weiten Teilen der Romantik nicht (weshalb der Wahnsinn auch an jeder Ecke lauert), und die Naturbeschreibungen bei Stifter sind "natürlicher" als die abstrakten Chiffrelandschaften der Romantik. Der Romantiker setzt sich nicht auf Berges Spitze, um Natur zu erleben, sondern um sentimental zu werden, zu reflektieren, um sich zu fragen, ob es ihm denn entgangen, dass er geweinet hat ...

Die Suche nach dem "Zauberwort", um die als mangelhaft empfundene Gegenwart in ein neues Goldenes Zeitalter zu führen, war keine reine Gefühlssache, sondern eben auch durchaus intellektuelle Arbeit. Deshalb wurde mit der Begeisterung für germanische Altertümer und Märchen auch gleich die Germanistik als wissenschaftliche Disziplin ins Leben gerufen (und übrigens ist die Begeisterung für Volkstümliches ebenfalls nicht alleine etwas Romantisches, denn auch bereits in der Aufklärung wurden Märchen und Volkslieder gesammelt, siehe Herder etc.).

Und freilich blühten auf Grundlage dieser diffusen Sehnsucht dann auch Nationalismus und Katholizismus, und die Spätromantik bekam dann ein anderes Gepräge.

Abseits von direkten Zitaten wie dem oben genannten Zwerg Nase sehe ich deshalb nicht sonderlich viel in Aventurien, was spezifisch romantisch und dazu noch spezifisch deutsch wäre (denn die Romantik hatte ja unterschiedliche nationale Ausprägungen). Bei CoC sieht das anders aus. Da wird Natur und "Volkstum" schon zu etwas Ambivalentem umgedeutet, was jederzeit die Gefahr des Wahnsinns in sich birgt, und das ist durchaus eine romantische Herangehensweise. Aber nur weil es Burgen, Ruinen, Natur, Feen und Wünschelruten gibt, muss es sich noch lange nicht um "deutsche Romantik" handeln. Denn all diese Dinge kommen zuhauf auch woanders vor.

Was die Tatzelwürmer und Kobolde angeht: Dass man spezifisch deutsche Ungeheuer und Namen benutzt, halte ich lediglich für ein deutsches, nicht aber ein romantisches Element.
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Offline carthinius

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Re: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen
« Antwort #26 am: 4.06.2013 | 11:50 »
Abseits von direkten Zitaten wie dem oben genannten Zwerg Nase sehe ich deshalb nicht sonderlich viel in Aventurien, was spezifisch romantisch und dazu noch spezifisch deutsch wäre (denn die Romantik hatte ja unterschiedliche nationale Ausprägungen). Bei CoC sieht das anders aus. Da wird Natur und "Volkstum" schon zu etwas Ambivalentem umgedeutet, was jederzeit die Gefahr des Wahnsinns in sich birgt, und das ist durchaus eine romantische Herangehensweise. Aber nur weil es Burgen, Ruinen, Natur, Feen und Wünschelruten gibt, muss es sich noch lange nicht um "deutsche Romantik" handeln. Denn all diese Dinge kommen zuhauf auch woanders vor.

Was die Tatzelwürmer und Kobolde angeht: Dass man spezifisch deutsche Ungeheuer und Namen benutzt, halte ich lediglich für ein deutsches, nicht aber ein romantisches Element.
Lovecraft hat ja auch viele Inspirationen aus den Werken von Autoren des 19. Jahrhunderts gezogen, mag sein, dass da auch solche Motive ihren Ursprung haben.

Ich behaupte auch nicht, dass Aventurien explizit romantisch ist. Aber romantische Elemente und ihre deutschen Vertreter werden dennoch explizit bemüht. Wenn man sich z.B. die Rätselhinweise im alten Werkzeuge des Meisters ansieht, werden dort neben Goethe und Schiller eben auch Eichendorff und Brentano bemüht. Im ersten Gruppenabenteuer "Silvanas Befreiung" ist der Hauptgegner ein Kobold, der mächtiger ist als die Piraten und die Orks im selben Dungeon, auf den Namen Karabustel (oder so) hört und trotzdem klassisch zu besiegen ist, indem man diesen Namen herausfindet. Es wird direkt auf Rumpelstilzchen verwiesen. Klar, eher ein Verweis auf Märchen als Romantik, aber eben die Grimmsche Ausführung. Das ist auch nicht so, als hätte man im ersten Abenteuer gleich das Augenmotiv von Hoffmann aufgegriffen und  gegen einen mordenden Goldschmied vorgehen müssen; dann wäre der Rückgriff auf die Romantik ziemlich offensichtlich.

Dennoch sehe ich Verweise, auch wenn ich zugebe, dass sich romantische Elemente in einer gewissen Ausführlichkeit nur in den ersten Produkten finden, als DSA noch jung war und es sich noch nicht eindeutig in Richtung klassisches Fäntelalter aufmachte.
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Offline Grubentroll

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Re: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen
« Antwort #27 am: 5.06.2013 | 14:47 »
Ich finde es nicht unbedingt typisch deutsch (siehe die bereits weiter oben erwähnten keltischen Sachen, usw), aber sehr sympathisch.

Und ich finde, dass DSA das mit der Zeit ja eher etwas verloren hat, so zumindest mein Eindruck "von außen".

Offline Auribiel

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Re: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen
« Antwort #28 am: 5.06.2013 | 15:55 »
Dennoch sehe ich Verweise, auch wenn ich zugebe, dass sich romantische Elemente in einer gewissen Ausführlichkeit nur in den ersten Produkten finden, als DSA noch jung war und es sich noch nicht eindeutig in Richtung klassisches Fäntelalter aufmachte.

Und die beiden Märchenbände können da nicht Abhilfe schaffen? ;)

Ich finde es nach wie vor schade, dass die Zauber ihre Reime verloren haben. Einige davon waren doof, aber sie sind massiv im Gedächtnis geblieben, besser als die X.te Variante irgend eines Schadenszaubers bei D&D oder SR.

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Offline Sülman Ibn Rashid

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Re: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen
« Antwort #29 am: 5.06.2013 | 16:02 »

Ich finde es nach wie vor schade, dass die Zauber ihre Reime verloren haben. Einige davon waren doof, aber sie sind massiv im Gedächtnis geblieben, besser als die X.te Variante irgend eines Schadenszaubers bei D&D oder SR.



Ja, die sind genial. Sehr schade drum.
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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Deutsche Romantik in Rollenspielwelten/Kampagnen
« Antwort #30 am: 5.06.2013 | 16:12 »
Nunja, das paßt wieder ins märchenhaft-romantische und ist sogar regelseitig verankert gewesen. In der Tat ist Romantik beim frühen DSA ("meinem" DSA) sehr ausgeprägt und wohl verlorengegangen, zumindest teilweise. Die Märchenbände kenne ich allerdings nicht, da wären Details nett. (Es wird niemand dran gehindert, Reimzauberei zu betreiben (und neue Reime zu verfassen) ;)).

BT: Nachdem wir halbwegs geklärt haben, was Romantik in einem Setting sein könnte, wie sieht es den mit den anderen in D populären Settings aus? Midgard? Da kenn ich mich gar nicht aus, erinnere mich nur an ein paar Sachen von Dr. Nagel. Midgard 1880? Deutsches Cthulhu (da hatte ich ja schon was zu, ging aber irgendwie unter)? Shadowrun?
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.