Das Tanelorn spielt > Albtraum in Norwegen
Irgendwo in IRLAND
Der Läuterer:
"Cliiiveee? CLIIIVEEE?" Ein schrilles, fast unmenschliches Lachen folgt. Dann splittert das restliche Glas des Küchenfensters und die Flinte fliegt heraus und landet auf dem Gras des Hinterhofs, gefolgt von einem kindlichen Kichern.
Joran:
Clive
Ein Seufzer der Erleichterung entweicht meiner Brust.
"Danke, Meabh! ... Danke!
Ich komme jetzt zu Dir herein und Du erzählst mir alles ... Und dann überlegen wir gemeinsam, was zu tun ist", sage ich so laut, dass es auch Braddock hören sollte.
"Hoffentlich ist Braddock nicht verletzt", denke ich und stelle mir den Ärger vor, den sein Tod nach sich ziehen würde. Braddock ist mir zwar noch immer suspekt, aber lieber wüsste ich ihn zurück in London als im Leichenschauhaus. Andererseits halte ich es auch weiterhin nicht für ausgeschlossen, dass Braddock etwas mit dem Mord an Kayleigh zu tun hat.
"Ove hat die beiden Schüsse überlebt ... warum sollte es bei Braddock anders sein? Er war vorgewarnt und wird mit mehr Vorsicht vorgegangen sein."
Dann gebe ich mir einen Ruck und werfe vorsichtig einen Blick durch das Fenster.
Der Läuterer:
In der Küche der O'Brians ist ein höllisches Durcheinander. Manches erscheint neu, doch vieles ist altes Chaos. Reinlichkeit und Ordnungsliebe scheint der Witwe bereits vor langer Zeit abhanden gekommen zu sein. Umgestürzte Küchenmöbel, zerbrochenes Geschirr und die Frau mittendrin.
Sie steht da, dreht sich im Kreis und rauft sich ihr graues Haar, während viele Schmeissfliegen in kleinen Wolken sie umkreisen und ein unwirtliches, brummendes Surren von sich geben.
Joran:
Clive
Bestürzt betrachte ich die Verwandlung, die schon äußerlich mit der Witwe Ó Brian von statten gegangen ist. Gestern noch habe ich sie mit ihrer Tabakspfeife die Straße kehren sehen. Gut, sie war schon gestern unfreundlich und angriffslustig ... aber das war angesichts der Nachricht vom Tod ihrer Tochter nachvollziehbar. Jetzt wirkt sie desorientiert und vernachlässigt. Die Haare zerrauft, die Kleidung kraus und verdreckt, wirkt Meabh Ó Brian, als sei sie gerade einer Nervenheilanstalt für Minderbemittelte entsprungen.
Es erscheint mir nicht ratsam, Meabh jetzt auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Ich setze einen Fuß auf die grün getünchte Bank unter dem Fenster, die mit kleinen roten Sprenkeln übersäht ist.
"Meabh ... öffne mir das Fenster. Aber sei vorsichtig, dass Du Dich nicht schneidest", bitte ich sie freundlich, als sei es das normalste der Welt. "Ich komme zu Dir und wir überlegen gemeinsam, was wir unternehmen können."
Schmerzlich wird mir bewusst, dass Ove gleichermaßen meiner Hilfe bedarf und mir die Zeit davonläuft ... wieder einmal.
"Wo steckt nur dieser Braddock?", überlege ich in der Hoffnung, ihn zu Ove schicken zu können.
Der Läuterer:
Witwe O'Brian zieht sich an den Haaren und stösst markerschütternde Schreie aus. Hohe, schrille Schreie, die lang anhaltend durch das Haus gellen.
Unmenschlich erscheinende Schreie, weinend und wehklagend, eine Totenklage, die Dich unweigerlich an das Geheul des Banshee denken lassen. Nur eine Legende. Nur eine Legende. Eine Legende, weiter nichts.
Ein Geist aus der anderen Welt, der Welt der Feen, der den nahen Tod ankündigt. Die Frau sieht bleich und ausgezehrt aus. Ihr geblümtes Kleid scheint aschfahl, fast weiss, zu sein. Sie reisst sich büschelweise ihr ergrautes Haar vom Kopf, während sie sich dreht. Sich dreht wie eine uralte Primaballerina zu Pjotr Iljitsch Tschaikowski's Schwanensee, während grüne und schwarze Schmeissfliegen voller Melancholie 'le lac des cygnes' dazu surren.
https://m.youtube.com/watch?v=IkiAiDrXGfg
Dann... inmitten der Drehungen und völlig unvermittelt greift sie einen Kochtopf und wirft ihn krachend durch das Fenster, dass das Glas splittert.
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