Es gibt drei Punkte. Einen davon will ich genauer beschreiben.
- Schlechte Vorbilder: Andere Spielleiter machen es auch so…
- Schlechte Anleitungen: In Rollenspielwerken wird es häufig nicht (anders) beschrieben…
- Schlechte Beispiele: Die meisten Kaufabenteuer sind keine dynamischen Situationen, die sich für eine gruppengerechte Adaption anbieten.
Oder sie werden so gelesen. Ich glaube, es hat etwas mit dem Glauben ans gedruckte Wort zu tun ("aber es steht so im Abenteuer!") und mit der Angst vor Spielleiterwillkür ("Aber es steht nicht so im Abenteuer!") – die ist nämlich, stumpf gesagt, an einigen Stellen
notwendig, um die Gruppe nicht auf dem Altar des Abenteuers zu opfern (herrliche Metapher, oder?).
Und es hat etwas mit
Push vs. Pull zu tun. Da habe ich diese ganzen Charaktere, die sich irgendwie auf ihre ganz eigene Weise in der Spielwelt darstellen, und diese damit formen, und dann kommt jemand daher und bringt eine Situation aufs Tapet, die einfach nicht dazu steht: Die Spieler bekommen keinen Grip mit ihren Charakteren, und man spielt "dem Plot zuliebe" mit, weil man zur Belohnung hinterher
die Szene im Badehaus bekommt – aber die Szene ist kein Angebot an die Spieler, sie ist eine Hürde, die es zu überwinden gilt.
Wenn es soweit ist, hat der Spielleiter aber schon zwei Dinge falsch gemacht: Zuerst hat er den Spielern nicht gesagt, wie das Spiel aussehen wird; also haben sie sich Charaktere gebaut, die mit dem Abenteuer an sich nur zufällig auf einer Linie liegen können. Und als zweites hat der Spielleiter sich die Charaktere nicht angeschaut und die verwertbaren Abenteuerbestandteile ermittelt und diese benutzt, um die organisch gewachsene Situation anzureichern.
In den seltensten Fällen sind diese Fehler böse Absicht. Ich will nochmal auf den "ersten" Fehler eingehen. Es heißt ja gerne, dass die Spieler ihre Charaktere mit Flags ausstatten müssen. Doch das ist nicht genug, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen: Der Spielleiter muß
seine Kampagne auch mit Flags ausstatten. Mein Lieblings-SL Raffa hat das mal so gemacht, dass er den Spielern eine Einladung zu einem Ereignis in der Spielwelt gegeben hat und dazu gesagt hat:
Baut Charaktere, die so eine Einladung bekommen würden, und erzählt, warum sie sie annehmen. Und schon hatte er einen ganzen Strauß persönlicher Bezugspunkte, die er in seine Kampagne einflechten konnte. Da das Spiel ein starkes Genre hatte, konnte er seine grob vorbereiteten NSCs nun mit dem Profil versehen, das die Spieler erwartet haben.
„Sowas kann man gar nicht in ein Abenteuer einbauen“ sagen die Zweifler jetzt. Ich glaube, dass das nicht stimmt. Schaut mal Savage Worlds und die Plot Point-Kampagnen an: Da gibt es einen Haufen kurzer Abenteuer-Versatzstücke, die einen breiten Umfang dessen zeigen, was in der jeweiligen Spielwelt möglich ist. Ein guter SL sucht sich da natürlich die aus, die zur Gruppe passen; sie sind auch kurz genug, dass man sie mit Leben füllen muß, um sie
spielenswert zu gestalten.
„Da müssen die Spieler aber viel machen“, heißt es vielleicht. Kann schon sein, aber mit ein bißchen Führung und Vertrauen bekommt man statt einer 8-Seiten-Teflonbilly-Rechtfertigung einen oder drei Absätze, die das Spiel ins Laufen bringen. Und vielleicht gibts auch Spieler (wie Skyrock), die "einfach nur spielen" wollen. Das ist auch kein Problem, solche Charaktere eignen sich ideal, um gewisse Lücken zu füllen, die bestehen bleiben, wenn jeder sofort ein voll ausgearbeitetes Gespinst von Problembeziehungen mitliefert.