Autor Thema: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge  (Gelesen 11790 mal)

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Offline Settembrini

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #100 am: 1.05.2021 | 10:30 »
Ron Edwards ist ein verwirrter Mann, der allen Trad-WoD-Spielern einen Gehirnschaden attestiert. Und das, wo er weder von Telephonreiki, noch Psychologie noch von Rollenspielen Ahnung hat (D&D nicht zu verstehen sei da einfachster Beleg).

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Offline Ainor

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #101 am: 1.05.2021 | 13:03 »
Mal wieder eine - wenn auch verspätete - Tangente (Danke, lieber Rumpel!):

Das tolle an D&D ist für mich der sog. "Core Game Loop" - also Kämpfen, Plündern, Leveln. Der ist so großartig, dass er heute einen großen Teil aller Computerspiele antreibt, und zwar weit über (Computer-)Rollenspiele, Dungeoncrawler etc. hinaus.

Das ist eine wichtige Beobachtung. D&D (und ähnliche Spiele) "funktionieren". Wenn das nicht so wäre hätten sich Rollenspiele vielleicht auch nie wirklich entwickelt. Aber die spannende Frage ist: Warum spielt man immernoch D&D obwohl "Kämpfen, Plündern, Leveln" im Computerspiel viel praktischer geht. 

Ich glaube dass die Core Game Loop vor allem dazu dient das Spiel am laufen zu halten und damit sozusagen den Unterbau bietet auf dem sich die Story entwickeln kann. 

Zumal gerade diese dann die angestrebten Machtfantasien ja ohnehin mehr oder weniger gezielt aushebelt -- wenn ein "Super-SC" zu werden nur bedeutet, daß meinem Charakter jetzt eben standardmäßig Supermonster entgegengesetzt werden, damit der Herausforderungsgrad trotz aller theoretischen Machtzuwächse bloß ja nicht sinkt, dann reduzieren sich doch der ganze "Fortschritt" und die "belohnten Mühen" weitgehend auf Augenwischerei.

Wenn es nur Augenwischerei wäre, warum ist es dann über lange Zeit so motivierend? Auch ohne das Monsterhandbuch zu kennen weiss ich dass ein Drache etwas anders ist als ein Goblin. Der Drache hat einen völlig anderen Platz in der Spielwelt, und wenn mein SC den besiegen kann hat mein SC auch einen entsprechenden Platz. Augenwischerei wird es nur wenn die Goblins einfach mitleveln und stärker werden ohne dass sich ihr Platz in der Welt ändert. Als direkte Folge davon lässt sich das Aufstiegsprinzip nicht beliebig fortsetzen.

Nach meinen - zugegeben laienhaften - Gefühl hat D&D über die Editionen zunehmend den Core Game Loop betont.

Naja, zu 3E Zeiten hiess es "back to the Dungeon" nachdem 2E sich sehr auf Spielwelten etc konzentriert hat.
Allerdings hat 3E Namesstufen und das Auslaufen der Levelprogression abgeschafft und mit den Epic Levels behauptet man könne die Core Game Loop beliebig fortsetzen. Ersteres wurde beibehalten, letzteres abgeschafft. Insofern würde ich nicht sagen dass es eine kontinuierliche Zunahme ist.


 



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Offline nobody@home

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #102 am: 1.05.2021 | 13:58 »
Wenn es nur Augenwischerei wäre, warum ist es dann über lange Zeit so motivierend?

Dir einen Fachvortrag über kognitive Verzerrungen zu halten, überlasse ich mal den entsprechenden Experten. Für meinen Teil reicht die bloße Erkenntnis, daß die Spezies "Homo sapiens" so rational, wie's der zweite Namensteil gerne suggerieren möchte, nachweislich schlicht und ergreifend gar nicht ist, für den Alltag meist schon völlig aus. ;)

Zitat
Auch ohne das Monsterhandbuch zu kennen weiss ich dass ein Drache etwas anders ist als ein Goblin. Der Drache hat einen völlig anderen Platz in der Spielwelt, und wenn mein SC den besiegen kann hat mein SC auch einen entsprechenden Platz.

Und um zu wissen, daß ein König etwas anderes ist als ein leibeigener Bauer, muß ich auch nicht erst ihre Kampfwerte studieren... -- Interessant an diesem speziellen Beispiel ist vielleicht sogar, daß ich mir hier einen "entsprechenden Platz" meist nicht verdienen kann, indem ich einen König einfach nur umbringe, weil die meisten Gesellschaften so nicht funktionieren -- statt dessen muß ich mich, wenn ich das tatsächlich erreichen will, plötzlich auf eine ganz andere Art anstrengen, als nur weiter wie bisher "Schema F mit noch mehr Kabumm" einzusetzen.

Von daher halte ich die "rein vertikale" Charakterentwicklungskomponente (bessere Werte, mehr Plusse, mehr Powaaah!) generell für die langweiligere. Sicher, Platz ist auch dafür praktisch immer wenigstens ein Stück -- eine Methode, potentiell mehr Abwechslung ins Spiel zu bringen, stellt sie eben auch dar. Nur halt eine von den eher nachrangigen, weil ihr Beitrag dazu von vornherein eher indirekter Natur ist.

Offline ArneBab

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #103 am: 1.05.2021 | 17:04 »
Es ist, denke ich, ein Vorteil, sie nicht einfach nur deshalb zu brauchen, damit die "Mehr Power/Stärkere Gegner/Noch mehr Power/Noch stärkere Gegner"-Gebetsmühle sich bis in alle Ewigkeit weiterdrehen kann. Zumal gerade diese dann die angestrebten Machtfantasien ja ohnehin mehr oder weniger gezielt aushebelt -- wenn ein "Super-SC" zu werden nur bedeutet, daß meinem Charakter jetzt eben standardmäßig Supermonster entgegengesetzt werden, damit der Herausforderungsgrad trotz aller theoretischen Machtzuwächse bloß ja nicht sinkt, dann reduzieren sich doch der ganze "Fortschritt" und die "belohnten Mühen" weitgehend auf Augenwischerei.
Hier sind drei Punkte:

  • nicht zu brauchen: Solange du das brauchst, kann ein Verlag immer wieder Geld mit neuen Ideen auf dem nächsten Powerlevel verdienen.
  • aushebeln 1: Die Herausforderung bleibt gleich schwer, aber du siehst, wie du im Vergleich zum Rest der Spielwelt stärker wirsts. Irgendwann rufen dich Könige um Hilfe.
  • aushebeln 2: Das Bedeutet, dass die Grundmechanik (core game loop) immer weiter funktioniert. Du kannst das Spiel also beliebig lange spielen.
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Offline Ainor

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #104 am: 3.05.2021 | 17:57 »
Für meinen Teil reicht die bloße Erkenntnis, daß die Spezies "Homo sapiens" so rational, wie's der zweite Namensteil gerne suggerieren möchte, nachweislich schlicht und ergreifend gar nicht ist, für den Alltag meist schon völlig aus. ;)

Naja, ist ja nicht so dass wir viele Spezies zum Vergleich hätten. Es ist auch nicht wirklich hilfreich zu diskutieren was genau jetzt Augenwischerei bedeutet. 
Spannender ist die Frage: warum sollten Belohnungen eigentlich dazu führen das Aufgaben einfacher werden ? IRL bekommen die Leute die erfolgreich sind meistens mehr Ressourcen und schwierigere Aufgaben (z.B. Beförderung eines Offiziers mit Kommando über eine größere Einheit). Vielleicht funktioniert die Core Game Loop deshalb so gut weil die reale Welt oft auch nicht viel anders ist.

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #105 am: 3.05.2021 | 18:54 »
Spannender ist die Frage: warum sollten Belohnungen eigentlich dazu führen das Aufgaben einfacher werden ? IRL bekommen die Leute die erfolgreich sind meistens mehr Ressourcen und schwierigere Aufgaben (z.B. Beförderung eines Offiziers mit Kommando über eine größere Einheit). [...]

Und in der Regel verändert sich damit auch ihr Job nachhaltig, was die Sache halbwegs interessant hält. Ein Leutnant hat andere Aufgaben als ein Major, der wieder andere Sorgen hat als ein General...ein rein mechanischer Stufenaufstieg fängt diese Art von Weiterentwicklung aber oft genug (inzwischen ist seit Alt-(A)D&D genug Zeit vergangen, daß ich selbst das eher als historische Ausnahme betrachten würde) gar nicht erst ein. Ob ich auf Stufe 1 Kobolde schnetzle oder auf Stufe 20 Tarrasken, die "Monsterschnetzler Arsch"-Rolle bleibt grundlegend dieselbe.

Natürlich kann eine beliebige Kampagne neben den "rein mechanischen" Verbesserungen auch nahezu beliebige sonstige Änderungen an Position und Umständen der Charaktere beinhalten -- aber dabei laufen die beiden Ebenen meist ohnehin unabhängig voneinander nebeneinander her, für diese potentiell interessanteren Entwicklungen ist der mechanische Aufstieg also eigentlich eher Nebensache.

Offline ArneBab

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #106 am: 4.05.2021 | 09:06 »
Und in der Regel verändert sich damit auch ihr Job nachhaltig, was die Sache halbwegs interessant hält.
Oder eben total schief geht — also wie im Peter-Principle: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip
“In a hierarchy every employee tends to rise to his level of incompetence.”

Bzw.: „Nach einer gewissen Zeit wird jede Position von einem Mitarbeiter besetzt, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen.“

Übersetzt für Rollenspiel: Wenn wir die Fehler der Realität kopieren, spielen irgendwann alle Spieler eine Rolle, die ihnen keinen Spaß macht.

(gilt natürlich nicht überall, braucht aber bewusste Arbeit, um es zu vermeiden)
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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #107 am: 4.05.2021 | 09:42 »
Oder eben total schief geht — also wie im Peter-Principle: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip
“In a hierarchy every employee tends to rise to his level of incompetence.”

Ich sagte ja auch nur "interessant". Von automatischem Erfolg war nie die Rede. 8]

Offline Ainor

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #108 am: 4.05.2021 | 17:56 »
Und in der Regel verändert sich damit auch ihr Job nachhaltig, was die Sache halbwegs interessant hält. Ein Leutnant hat andere Aufgaben als ein Major, der wieder andere Sorgen hat als ein General...

Aber das ist bei D&D doch auch so. Einen Stufe 20 Magier effektiv zu spielen ist viel komplizierter als einen Stufe 1 Magier effektiv zu spielen.
Natürlich variiert das stark nach System und Klasse, aber die Komplexität steigt fast immer.

Oder eben total schief geht — also wie im Peter-Principle: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip
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Warum sollte das hier anwendbar sein ?
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Offline JollyOrc

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #109 am: 4.05.2021 | 18:03 »
Warum sollte das hier anwendbar sein ?

Wenn es mir Spaß macht, den Arschtreter-Monstertöter-Krieger zu spielen, und der dann irgendwann durch die Progression zum Herrscher eines kleinen Reiches geworden wird, und ich jetzt anstatt Monstertöten Hofintrigen als Probleme habe, dann hab ich plötzlich ein Spiel, dass ich a) ggfs. als Arschtreter-Monstertöter-Krieger gar nicht so gut kann, und b) als Spieler ggfs. auch gar nicht wollte.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline ArneBab

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #110 am: 6.05.2021 | 20:22 »
Wenn es mir Spaß macht, den Arschtreter-Monstertöter-Krieger zu spielen, und der dann irgendwann durch die Progression zum Herrscher eines kleinen Reiches geworden wird, und ich jetzt anstatt Monstertöten Hofintrigen als Probleme habe, dann hab ich plötzlich ein Spiel, dass ich a) ggfs. als Arschtreter-Monstertöter-Krieger gar nicht so gut kann, und b) als Spieler ggfs. auch gar nicht wollte.
Genau das meinte ich damit.
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