Autor Thema: Kampagnen mit "Fokus auf Characterarc" oder mit "Fokus auf Plot"  (Gelesen 569 mal)

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Offline Zed

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Ich finde dieses Thema so spannend, dass ich es von der Frage, ob "schlanke Systeme gut für lange, progressive Kampagnen geeignet" sind, abtrennen möchte.

Kurze Antwort - ein klares: Jain;D

Lange Antwort: Wie immer kommt es auf Erwartungen, Vorlieben und Spielfokus an. Grundsätzlich hast du ja mit "progressiv" eine naheliegende Antwort vorweggenommen, denn natürlich eignet sich dafür ganz explizit nur ein System, welches Progression anbietet. Zugrunde liegt für so eine Spielweise u.a. das Motiv der Heldenreise - allerdings meist reduziert auf den Aspekt der "Verbesserung" des Charakters, während eigentlich (wenn wir mal ehrlich sind) bei Dauerkampagnen kein echtes, innerliches Wachstum stattfindet in dem Sinne, das Motivation, Überzeugung, Ziele und Umfeld der Figuren sich selten relevant ändern: Man hat seine Gruppe (manchmal wird einer ersetzt) und reist durch die Abenteuer-Weltgeschichte. Innerhalb gewisser Grenzen kann sich ein Charakter zwar entwickeln, wird sich aber bspw. kaum irgendwo länger niederlassen - einfach weil er dadurch die Kernmotivation des Spielenden "Ich will beim nächsten Abenteuer dabei sein!" unterlaufen würde.

Jetzt kann man natürlich den Spielfokus mehr auf diese inneren Werte legen und ableitend von persönlichen Motivation der SC (gemeinsam) überhaupt erst Abenteuer entwickeln, die diese Art der Charakterveränderung möglich machen und sogar fördern. In so einer Spielweise verliert die Werteprogression an Bedeutung, kann in Grenzfällen sogar hinderlich sein: Wenn ich zum Beispiel recht detailliert Charakterdramen ausspiele mit viel wörtlicher Rede, findet das quasi in Echtzeit statt. Gemessen an typischen Szenarien, wo auch mal Tage in wenigen Minuten vergehen, tun SC in der Spielzeit verhältnismäßig wenig - und doch will man ja (in einem entsprechenden System) vielleicht Erfahrungspunkte? Gibt ja auch Systeme, die für jede Sitzung pauschal Punkte vergeben. Im schlimmsten Fall habe ich dann einen SC, der 2 Stufen aufgestiegen ist und ein Dutzend Fertigkeiten verbessert hat, während man ingame nur eine Hochzeit durchgespielt hat  ;D *

Zugegeben ist das ein sehr konstruierter Fall, soll aber verdeutlichen, dass Ingame-Zeit und Progression idealerweise zusammen passen sollten. Verändere ich die Spielweise also, dass ich weniger Ingame-Zeit habe, spielt Werteprogression eine immer untergeordnete Rolle bis hin zu einem sehr konkreten Spielfokus oder sogar einem definierten Spielziel. In Honeyheist geht es darum, den Honig zu klauen - in einer Sitzung. In Ten Candles geht es um das Scheitern der SC - in einer Sitzung. In Wanderhome kann man schonmal mehrere Sitzungen damit zubringen, bis alle am Ende irgendwo ein Zuhause gefunden haben. Fate und PbtA sind dagegen durchaus auf längerfristige Charakterentwicklung eingestellt, ohne dass man spürbar "besser" wird und sich ggf. sogar voneinander entfernt - vielmehr verändern sich über die Zeit und Erlebnisse die Figuren und erhalten teilweise nur mehr bzw. andere Optionen, mit Situationen umzugehen.

Darüber hinaus brauchen simplere Systeme weniger Aufmerksamkeit von Beteiligten, es müssen seltener Regeln nachgeschlagen oder diskutiert werden und man bleibt mehr im Spielgeschehen involviert. Das sind Vorteile, die einem auf "innere Progression" fokussierte Kampagnen begünstigen können. Sie stehen dem auf jeden Fall nicht mehr im Wege, als komplexere Systeme.

Am Ende ist aber die Frage, ob sie gut geeignet sind, mit der Gegenfrage zu beantworten: Welche Art von Progression ist denn gemeint?

Einige der genannten Systeme können gut oder besser geeignet sein, als große Systeme. Andere dagegen sind gar nicht geeignet. Umgekehrt verlieren große Systeme mit langfristiger Progression ihre Stärke, wenn sie für kurze, schnelle Runden, Oneshots oder Minikampagnen genutzt werden.
Danke für Deinen sorgfältig abwägenden Beitrag!

Wenn ich Dich richtig verstehe: Du stellst eine für mich bislang noch nicht in Worte gefasste, spannende Kategorie von Kampagnen auf: Charakterprogression als eher "echtes, innerliches Wachstum" oder Charakterprogression als eher schlichter Machtzuwachs. Als Verkürzung passt vielleicht "Fokus auf Characterarc" oder "Fokus auf Plot" Man lese dies auf einer "Bandbreite der Möglichkeiten", nicht als Gegensätze im Sinn "entweder oder".

Meine Gruppe und ich fokussieren uns deutlich auf den Plot, und niemand aus meiner Gruppe hat sich einen Characterarc vorgenommen. Du beschreibst uns also absolut treffend:
Zitat
meist reduziert auf den Aspekt der "Verbesserung" des Charakters, während eigentlich (wenn wir mal ehrlich sind) bei Dauerkampagnen kein echtes, innerliches Wachstum stattfindet in dem Sinne, das Motivation, Überzeugung, Ziele und Umfeld der Figuren sich selten relevant ändern: Man hat seine Gruppe (manchmal wird einer ersetzt) und reist durch die Abenteuer-Weltgeschichte.

Für uns sind die Spielsessions Wiederbegegnungen mit altbekannten Figuren, auf die wir uns jedesmal freuen. Unser Gnom ist seit fast 30 die gierige, manchmal grausame Seele, und unsere Elbin ist seitdem das moralische Leuchtfeuer der Gruppe. Uns macht es große Freude, dass diese Rollen immer wieder aufgegriffen werden - allerdings spielen wir auch nur etwa vier Mal im Jahr, da nervt uns diese Wiederbegegnung auch nicht. Natürlich gibt es auch bei uns große Charaktermomente und hier und da eine ganz langsame Charakterentwicklung, aber die passieren eher als dass sie geplant werden.

Als Fernsehserie sind wir eher Star Trek TNG, würde ich sagen.

In Critical Role sehe ich das von Dir beschriebene andere Konzept: Figuren müssen lernen, ihr Schicksal anzunehmen, oder auch, ihr Schicksal zu überwinden. Verletzungen vernarben über die gespielte Zeit hinweg, und Seelen werden gerettet oder gehen verloren. Das halte ich auch für ein spannendes Konzept.

Als Fernsehserie wäre das wohl eher Game of Thrones, würde ich sagen.

Das zweite Konzept könnte ich, glaube ich, auch spielen/spielleitern, aber es bräuchte dafür sehr viel Vertrauen untereinander und/oder auch Selbstvertrauen in die eigene Schauspielkunst, zu der ja gehört, "leicht" in eine Rolle zu schlüpfen und auch wieder herauszugehen. Ich meine, dass dieser Ansatz viel Intimität miteinander erfordert (und die ist mir manches Mal auch bei Critical Role schon zuviel) - und für mich vielleicht dann doch zuviel Intimität.

Ich denke nicht, dass viele Gruppen es (verletzungsfrei) schaffen, ihren Fokus auf Charakterarcs zu halten. Vielleicht eher bei Few-Shots, aber über 30 Jahre hinweg???
« Letzte Änderung: 5.04.2024 | 11:50 von Zed »

Offline Arldwulf

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Ehrlich gesagt sehe ich Plot und Characterarc gar nicht als Gegensätze, sondern eher als sich ergänzende Ausprägungen der gleichen Herangehensweise "es entwickelt sich" welcher man eher statische Geschichten/Settings etc. gegenüberstellen kann.

Welcher Aspekt sich gerade entwickelt, sei es nun die Spielwelt, die Pläne der Bösen, die Charaktere oder etwas ganz anderes ist dabei von Situation zu Situation verschieden und nicht gegenseitig ausschließend.

Offline Zed

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"Fokus auf X" und "Fokus auf Y" soll eigentlich verdeutlichen, dass es sich eher um die Beschreibung einer Bandbreite handelt. Insofern ist mein genutzter Begriff "Kategorie" irreführend: Die beiden Möglichkeiten sollen sich  n i c h t  ausschließen, ich werde meinen Text editieren.
« Letzte Änderung: 4.04.2024 | 16:10 von Zed »

Offline Philipp.Baas

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In der epischsten und längsten Kampagne, die ich bisher gespielt habe, war auch beides vorhanden:

- Der Schwertgeselle, der als einziger von Anfang bis Ende dabei war, hat sich vom durchschnittlichen Haudrauf zum größten Kämpfer in der Welt entwickelt. Das war sein Ziel gewesen, aber die ständigen Herausforderungen durch Möchtegerns, die vielen Verletzungen und ein Wutanfall, in dessen Raserei er einen sehr schwachen Möchtegern tötete, haben aus ihm einen gebrochenen Mann gemacht, der nur seine finale Quest erfüllen wollte, um sich dann zur Ruhe zu setzen.

- Die Skaldin hatte sich in einen anderen Charakter verliebt, der aber starb. Aus der lebenslustigen Skaldin, die sich für keinen Spaß zu schade war, wurde eine von Rachedurst zerfressene Seele.

- Der misstrauische Elementarist, der immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht war und jeden übervorteilte, erlebte in der Gruppe Freundschaft und opferte sich am Ende. Er wurde so mächtig, dass er einen Lehrstuhls an einer Magierakademie angeboten bekam, aber er zog lieber weiter auf Abenteuer

Die drei sind nur die Highlights. Bei uns wurden alle Charaktere unheimlich mächtig und durchliefen charakterliche Veränderungen. Allerdings war das auch die längste und regelmäßigste Kampagne, die ich je spielte. Also war das keinesfalls Maßstab, aber es zeigte sich bei uns dieser "Spider-Man-Effekt": "Aus großer Macht..."


Offline Zed

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Das klingt nach einer Kampagne nach meinem Geschmack.  :d Wie lang in etwa lief sie und mit welchem System?

Würden wir häufiger spielen, dann würde sich auf der Characterarc-Ebene auch mehr tun, denke ich.

Offline CK

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Es geht doch auch beides (auch wenn das nicht genau die Frage ist).
Ich spiele immer plotfokussiert, aber ich garniere alle paar Sessions mit einzelnen SC-Problemen. Erst neulich hat unsere monkhafte Rabennonne ihr Elternhaus unfreiwillig aufsuchen müssen, wo dann der ganze Konflikt mit ihrem Bruder kam, den sie als Kind beim Fliegenspielen aus dem Fenster schubste, um dann endlich die ganze Wahrheit zu erfahren und daraufhin seelische "Befreiung" zu erleben, so dass sie ihre (von spielerseite selbstaufgebürdeten) Operationsbestecksortierzwänge endlich ablegen konnte.
Will sagen: Das eine schließt das andere nicht aus, ganz im Gegenteil - es ergänzt sich. Es nur auf A oder B abzuzielen ist nicht nötig.

Noch etwas topic vielleicht mal: Klar hat die Nonne dabei gut EP gesammelt (da wären sonst für mehrere Kämpfe nötig gewesen), aber die konnte sie danach nicht in "Charakter" steigern, sondern nur auf die bekannten Regelwerte. Trotzdem wurde der "Charakter" gesteigert: Am Tisch. Im Spiel. Für die Spielerin. Für uns. Für die Story.
Wenn man das so kombiniert, geht das mit der EP-Ausschüttung (Hochzeitsbeispiel s.o.) imho trotzdem klar und zeigt dem Spieler: Jup - da ist was passiert.



Offline Philipp.Baas

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Das klingt nach einer Kampagne nach meinem Geschmack.  :d Wie lang in etwa lief sie und mit welchem System?

Würden wir häufiger spielen, dann würde sich auf der Characterarc-Ebene auch mehr tun, denke ich.

DSA und zwar Jahr des Greifen, Rabe und Löwe die Gezeichneten und die lief 11 Jahre z.T. jede Woche, alle zwei Wochen 8 Stunden. Ja, das war episch, aber ging auch nur weil wir Schüler und Studenten waren. Heute...keine Chance!

Offline Zed

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die lief 11 Jahre z.T. jede Woche, alle zwei Wochen 8 Stunden.
Respekt!

Und habt Ihr zwischendurch die Edition(en) gewechselt?

Offline Philipp.Baas

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Respekt!

Und habt Ihr zwischendurch die Edition(en) gewechselt?

Nein, wir haben die 3. von Anfang bis Ende gespielt, auch wenn das würfeln beim Steigern meine Spieler in den Wahnsinn getrieben hat. Der Schwertgeselle hat ewig gebraucht, um über 15 in Schwerter zu kommen und linkshändig vernünftig benutzen zu können.

Offline Namo

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Ich sehe da tatsächlich auch die Trennung nicht so ganz. Tatsächlich ergibt sich doch gerade bei längeren Kampagnen normalerweise automatisch Charakterhandlung.

Natürlich kann diese durch einen entsprechend entwickelten Background bei Charaktererstellung forciert werden. Aber das ist ja nur der Anfang oder Ausgangspunkt zur Charakterentwicklung im wortwörtlichen Sinne. Der Charakter betritt die Bühne mit eine speziellen Charakter, der aber durch die ja realistisch betrachtet extremen Erlebnisse im Abenteurerleben sich verändert bzw wächst.

Und so entwickelt zwar der Hauptplot die Geschichte der Welt und der Charaktere weiter. Aber dadurch beeinflusst ist auch die Entwicklung des eigenen Charakters.

Ich denke da an eine Runde die ich mit Spielern hatte die noch nie RPGs gespielt hatten und insofern keine wirkliche Vorgeschichte hatten. Sie waren halt Abenteurer die auf eben jene ausziehen wollten. Im Laufe dieser Abenteurer wuchs aber ein jeder als "Mensch bzw Elb". Sie trafen gute und schlechte NSCs, wurden durch ihre Handlungen immer mehr in der Welt verwurzelt und hatte ein Vielfaches an Charakter entwickelt.

Fand das total spannend. Trotz Hauptplot entwickelte sich daneben eben auch von jedem Charakter eine eigener Plot. Das eine hat insofern das andere befruchtet und zu tollen Abenden geführt. Insbesondere da es dadurch je weiter die Entwicklung der Charaktere ging eben zu immer mehr Diskussionen innerhalb der Gruppe kam. Die waren plötzlich nicht mehr die drei Junge die sich in der Taverne vorm schwarzen Brett getroffen haben und einfach zusammen los zogen. Jeder hat über die Zeit eigene Agendas und daraus Ansichten zu Themen entwickelt, die eben auch mal kollidiert sind. Was wiederum die Kampagnenstory bunter gemacht hat.
spielt: mit den Gedanken

Offline Issi

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Ehrlich gesagt sehe ich Plot und Characterarc gar nicht als Gegensätze, sondern eher als sich ergänzende Ausprägungen der gleichen Herangehensweise "es entwickelt sich" welcher man eher statische Geschichten/Settings etc. gegenüberstellen kann.

Welcher Aspekt sich gerade entwickelt, sei es nun die Spielwelt, die Pläne der Bösen, die Charaktere oder etwas ganz anderes ist dabei von Situation zu Situation verschieden und nicht gegenseitig ausschließend.
Würde ja behaupten: Ein guter Plot, macht auch immer was mit den Charakteren.
Fordert die Spieler und/oder SC in irgendeiner Weise heraus.

Deshalb sind bei denkwürdigen Plots die SC darin auch irgendwie persönlich eingewoben.
(Was bei Kaufabenteuern allerdings nicht von Haus aus der Fall ist. Meist muss man sie Nach- personalisieren)

@
First Orko

Man kann auch zum Beispiel in Ner riesigen Sandbox spielen. Da kann es durchaus sein, dass Figuren persönliche Verbindungen knüpfen, zeitweise sesshaft werden, oder immer mal wieder zu einem Stützpunkt zurückkehren.
So wird es zumindest bei uns gehandhabt


Würde sogar behaupten - Charakter Entwicklungen(im weitesten Sinne) sind ein unabdingbarer Motor von längeren Kampagnen.
Ohne emotionales Interesse an einer Figur hat niemand Bock sie auch längerfristig zu spielen.
« Letzte Änderung: 4.04.2024 | 17:17 von Issi »

Offline First Orko

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Ich habe ja auch eine langjährige G7-Kampagne hinter mir und selbstverständlich hat der Charakter eine Entwicklung durchlaufen, so dass ich rückblickend sagen würde: Er ist gewachsen, hat sich verändert über die reinen Werte hinaus!

Der Fokus der Kampagne lag aber ganz offensichtlich nicht darauf, ob die SC mit den Problemen der Welt interagieren werden - denn das geben die Abenteuer vor: Es gibt Orte, wo die Gruppe hin muss, Bündnisse, die geschmiedet werden müssen, NSC die überzeugt werden müssen. Offen ist da nur (mehr oder weniger) das WIE - nicht das OB. Und innerhalb dieses WIE gibt es natürlich Potential für inneres Wachstum. Wenn ich jetzt ganz selbstkritisch zurückblicke, dann haben doch meisten Veränderungen des SC zBsp in seiner Weltanschauung, seiner Position zu seiner Kirche usw. aber tendenziell extrinsische Gründe gehabt: Dinge, die IHM passieren und auf die ER reagieren musste.

Bei einem charakterzentrierten Spiel, wo der Plot aufgrund der Entscheidungen der SC überhaupt erst entsteht, gibt es natürlich auch extrinsische Faktoren, aber Zwänge (wie zBsp "Wir spielen jetzt Alptraum ohne Ende, und das findet in Weiden statt!") sind weniger bindend und die Reaktion des SC kann auch sein: Ignoriere ich, meine Hochzeit ist mir wichtiger! Wenn dann in Weiden schlimme Dinge passieren, weil man nicht da war, hat das schlechte Gewissen ein ganz anderes Gewicht als "Hm Weidener sind doch anders, als ich dachte. Ich muss mein Vorurteil überwinden, da ich ja jetzt in Weiden war weil.. ich da hin musste... weil.. wir da halt spielen wollten".

Im Endeffekt kann man charakterzentriertes Spiel auch als eine Art "soziale Sandbox" verstanden werden, wobei man da den Begriff ggf. sehr weit dehnen muss, je mehr man improvisiert - weil dann ad hoc NSC erstellt werden und sich Plots ergeben und man da eigentlich keine vorher existierende Box hat.

Mit der Charaktererschaffung über Phasen aus Fate Core erschafft man ja beispielweise eine Gruppe, die schon eine Vorgeschichte hat und darüber so wie über die entstehenden Aspekte NSC mitbringt, die damit Teil der sozialen Sandbox werden (können). Greift die SL das konsequent auf und fordert die Aspekte, indem die NSC "antagonistische Dinge" tun, müssen sich die Spielenden mit ihren SC dazu positionieren. Damit nimmt jede Reaktion direkt Einfluss auf ihren Charakter und kann zBsp Überzeugungen wie "Ich bin der beste Schwertkämpfer der Ostküste!" grundsätzlich in Frage gestellt werden, wenn die Gruppe sich aufgrund eines noch besseren Kämpfers zurückziehen muss. Dey Spielery kann sich dann vielleicht sogar überlegen, den Aspekt umzuschreiben und den Charakter damit zu verändern. Ein Plothook könnte sein: "Ich muss den Meister meines Gegner treffen und von ihm lernen!" => eine persönlichere Motivation kann man durch ein Fertigszenario kaum bekommen. Die Herausforderung in dieser Spielweise ist dann nur, die Motivationen der Gruppe aufeinander abzustimmen, das erfordert an der Stelle eine stärkere Aufmerksamkeit durch die Spielenden.

Ich habe im Gegenzug in einer ebenfalls langjährige Kampagne gespielt, wo die SL zwar einen groben Metaplot hatte, die Motivationen der SC aber darin eingeflochten und mit diversen NSC verbunden hat. Damit war (fast) jede unser Entscheidungen in dem Sinne frei, dass wir wussten: Egal was wir tun, es werden sich spannende Entwicklungen, Gefahren und Herausforderungen ergeben! Ich kann das grad nicht genauer beschreiben als oben - aber die Spielweise war irgendwann einfach ganz fundamental anders, als bei einer fertigen Kampagne.

@
First Orko
Man kann auch zum Beispiel in Ner riesigen Sandbox spielen. Da kann es durchaus sein, dass Figuren persönliche Verbindungen knüpfen, zeitweise sesshaft werden, oder immer mal wieder zu einem Stützpunkt zurückkehren.
So wird es zumindest bei uns gehandhabt

Im klassischen Sinne ist eine Sandbox, egal wie riesig, natürlich auch nur ein Angebot der SL, welche bereits vorher definierten Plotorte plaziert hat und damit gibt es natürlich eine Art "soziale Verantwortung" der Gruppe, diese Orte grundsätzlich auch bereisen zu wollen. Das grundsätzliche Problem an herumreisenden SC und ihren Verbindungen ist meiner Ansicht nach, dass die NSC ja nicht alle mitreisen - deshalb würde ich sagen, dass zBsp eine West Marches-Style-Sandbox um einen zentralen Handlungsort sich sehr gut dafür eignen würde, Plots und SC-Motivationen zu verbinden.
« Letzte Änderung: 5.04.2024 | 11:03 von First Orko »
It's repetitive.
And redundant.

Discord: maniacator#1270

Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.