Autor Thema: [Offen - Info] Character Ownership / Kontrolle über Charaktere  (Gelesen 2069 mal)

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Offline Fredi der Elch

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Vincent "Lumpley" Baker hat auf seinem Blog anyway einen schönen Artikel zur Kontrolle über Charaktere bzw. "Wer darf bestimmen was ein Charakter tut" (Character Ownership) verfasst:

http://www.lumpley.com/comment.php?entry=211#1

Wollte ich einfach mal gesagt haben. Mir reicht es prinzipiell, wenn das ein Hinweis bleibt, aber wenn jemand Fragen haben sollte, bzw. das hier diskutieren möchte, dann soll mir das auch recht sein. :)
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Dr.Boomslang

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Das ist jetzt wirklich nichts überraschendes, oder?
Das Konzept des "Charakters" wird generell überschätzt  ;) (obwohl es natürlich technisch gesehen eine starke Tradition hat, die sicher auch irgendwie zu begründen ist)
Der Charakter hat z.B. auch in unserer Überarbeitung des Systembegriffs (PDF-Datei) keine besondere Rolle gespielt, weil es einfach nicht nötig war (wir haben da allerdings auch einen Moment drüber nachgedacht). Da die Überlegungen alle auf Lumpley basieren war es nicht überraschend, dass er zu den gleichen Ergebnissen kommt. Ich finde es eher erstaunlich, dass er sowas erst jetzt veröffentlicht. Vielleicht liegt es daran, dass es sich um eine sich ziemlich unmittlebar aus dem Lumpley-Prinzip ergebende Möglichkeit handelt und man deswegen vielleicht garnicht so viel drüber nachdenkt. Wir haben das schließlich auch nicht extra hervorgehoben.

Schaden kann es auf jeden Fall nicht das hervorzuheben, und wer sich noch nicht so richtig mit dem Lumpley-Prinzip auskennt, sollte sich auch die Auswirkungen auf den klassischen Umgang mit den Charakteren mal ansehen.
Es würde sich sicherlich auch lohnen das nochmal im einzelnen zu systhematisieren, also ein paar interessante Techniken im Umgang mit Charakteren prototypisch zu vergleichen.

Offline 1of3

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Um die These noch mal zu wiederholen:

Der Begriff des Besitzes von Charakteren ist eigentlich unpassend, da es viele verschiedene Bereiche gibt, in denen Charaktere kontrolliert werden können. Daher muss man das ganze differenziert betrachten und aus der Fülle der denkbaren Techniken was passendes auswählen.

Wer jetzt meint, dass er sowas Ähnliches schon mal gehört hat, dem sei ein gutes Gedächtnis bescheinigt.

Offline Purzel

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Netter Artikel von Lumpley.

Aber ich musste feststellen, dass sich viele traditionelle Spieler vehement an dem Besitz ihres Charakters klammern. Ich versuchte einst in einer AD&D-Runde die verschiedenen SCs und Schergen in einem Pool zusammenzufassen, aus dem (nach formalen Verhandlungen) sich Spieler einen Charakter hätte rausgreifen können (Ich war wohl etwas geistig betrunken, nachdem ich Universalis gelesen hatte  ;D). Eigentlich wollte ich damit das häufige Fehlen mancher Spieler ausgleichen, so dass wir immer die Fähigkeiten aller SCs dabei hatten. Doch selten bin ich für ne Idee so angefaucht worden.  ::)

Ich denke, bis Lumpleys Idee sich bei traditionellen Spielern durchsetzt, wird ne Menge Zeit vergehen. Halt eben netter Artikel, aber die Erkenntnisse daraus werden leider allerhöchstens in forgigen und wenig verbreiteten Rollenspielen Verwendung finden.  :(

   Purzel

Iceman

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... bis Lumpleys Idee sich bei traditionellen Spielern durchsetzt...

Was für eine Idee meinst Du? Dass alle Spieler den Input in den SIS akzeptieren müssen? Da haben die traditionellen Spieler doch gar keine andere Wahl, als damit zu leben.

Ob sie aber einen "Charakterpool" akzeptieren ist eine ganz andere Frage. Eine nach dem persönlichen Geschmack. Hier geht es doch darum, wer "Vorschläge" machen darf, was in den SIS gelangen könnte. Hier wollen es die meisten klassischen Spieler wohl so halten, dass sie z.B. über das Seelenleben "ihres" Charakters allein entscheiden.

Das widerspricht sich doch nirgends, oder übersehe ich etwas?

Offline Merlin Emrys

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Aber ich musste feststellen, dass sich viele traditionelle Spieler vehement an dem Besitz ihres Charakters klammern.
Jep. Ich zum Beispiel dürfte explizit dazugehören.

Ich denke, bis Lumpleys Idee sich bei traditionellen Spielern durchsetzt, wird ne Menge Zeit vergehen. Halt eben netter Artikel, aber die Erkenntnisse daraus werden leider allerhöchstens in forgigen und wenig verbreiteten Rollenspielen Verwendung finden.  :(
Wenn ersteres je der Fall sein dürfte. Ich beispielsweise würde aufhören zu spielen, wenn ich nicht mehr "meinen " Charakter "behalten" dürfte und gezwungen würde, einen anderen zu nehmen, über den ich trotzdem nicht frei verfügen dürfte.

Der Grund dafür, soweit ich im Moment überblicke: Es gibt Dinge, die möchte ich im Spiel in meiner Fiktion haben. Und es gibt andere Dinge, die möchte ich nicht. Und es gibt - was die überwiegende Masse sein dürfte - Dinge, die ich nicht kann. Auch nicht richtig in meine das Rollenspiel betreffende Fiktion einbauen. Ich habe es mal mit einer "komischen" Rolle versucht... keine Chance, kann ich nicht.
Meine Charaktere habe ich mit Leben gefüllt, mit einer Motivation, mit spezifischen kleinen Besonderheiten, Makeln, Schwächen, Reizen, inneren Konflikten und wirksamen Fähigkeiten. Was, wenn jetzt mein Nachbar diesen Charakter nimmt und spielt, wie er ihn denkt? Da das naturgemäß anders ist, "zerstört" er mein  - Kunstwerk.

Andererseits, was für ein Leben kann ich Charakteren geben, die ich so gut wie nicht kenne? Sie würden in meinen Händen sehr stereotyp werden, fürchte ich, weil ich eben immer, wenn ich nicht recht weiterkomme, ein Stereotyp zuhilfe nehme. Vielleicht nicht immer das, was andere nehmen würden. Aber es würde, zumindest für mich, eher langweiliger. Wenn kein Charakter zur Verfügung steht, den ich wählen könnte (und das kann schnell passieren, wenn die Charaktere vorgegeben sind), kann ich mithin nicht (recht) spielen.

Lumpley mag recht haben, dass der "Besitz" eines Charakters keine Notwendigkeit ist und beispielsweise ein mit hohen Kompetenzen ausgestatteter Spielleiter die Möglichkeit hat, sich "in den Besitz eines Charakters zu setzen" - aber schon die oft genug widerspenstigen Reaktionen, wenn ein Charakter beispielsweise unter die Beherrschung eines NSCs fällt, zeigt, dass viele Spieler das nicht recht mögen. Ihnen für diese Zeit einen NSC zu geben, wird allenfalls als "Beschäftigungstherapie" und "Trostpflästerchen" angenommen. Es ist zumeist, soweit ich es erlebe, doch der "eigene" Charakter, den der Spieler "zurückhaben" will...

Offline Purzel

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Was für eine Idee meinst Du?

Dass die Spieler nicht so sehr auf ihren SCs sitzen und auch SL und die anderen Spieler (und vielleicht auch die Mechanik des RPs) mitentscheiden, was ein SC im Spiel nun macht, wie es seinem inneren Seelenleben geht, welche Ziele er anstrebt etc.

In der erwähnten AD&D Runde kam es häufig vor, dass ein Spieler nicht konnte, wir aber trotzdem spielen wollten. Dann im Spiel merkten wir aber hier und da, dass z.B. der vierte Mann einfach fehlte. AD&D ist ein sehr ressourcenbetontes Spiel, und wenn da beispielsweise der einzige Priester der Gruppe nicht da ist, dann fallen schlicht nen Haufen Handlungsmöglichkeiten weg. Es ging ja nicht mal drum, dass die anderen Spieler dem Fehl-SC im Seelenleben herumpfuschen durften. Ich wollte nur ein System einführen, damit wir immer mit vollen Kräften jede Woche spielen konnten.

Doch statt sich darauf zu einigen, dass jeder Spieler eine aktuelle Kopie seines Charakters beim SL lässt, so dass bei Spielerausfall trotzdem der Charakter da ist, haben die anderen Spieler die Idee abgelehnt. Lieber nahmen sie es hin, dass eine Sitzung komplett flach fällt, anstatt einem anderen Spieler für nen Abend die Kontrolle über seinen SC zu geben.

(Und bei Gott, keiner der SCs, mein eigener eingeschlossen, hatte ein Seelenleben oder ein persönliches Ziel das mehr als zwei Zeilen füllte. Da gab's nichts, was ein Freund und Mitspieler auch unabsichtlich hätte kaputtmachen können.)

Schon damals fand ich diese feste Bindung Spieler-SC etwas befremdlich. In einer anderen (D&D 3.0) Runde waren Vertretungsspieler ganz normal.

Offline Merlin Emrys

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Da gab's nichts, was ein Freund und Mitspieler auch unabsichtlich hätte kaputtmachen können.
An und für sich habe ich natürlich nicht das recht, an dieser Stelle zu widersprechen - ich kenne Deine Runden ja nicht. Deshalb als Frage formuliert: Waren die Charaktere "unverletzlich" in dem Sinne, als eine Verletzung / dumme Situation / Würfelpech / Heldensituation / Herausforderung... keine bleibenden Veränderungen herbeiführen konnte (oder kann)? Andernfalls müsste ich ja letztlich schlimmstenfalls damit rechnen, dass mein Charakter in meiner Abwesenheit den Heldentod stirbt (eventuell unvermeidlicherweise und mit der ganzen Gruppe)... Nicht, dass sie das in meinen Händen nicht eventuell genau so tun würden, oder sie zumindest ein Hand oder ein Bein oder was auch immer opfern würden. Aber ich möchte doch bitte dabeisein dürfen...

Es ist nicht hundertprozent logisch, so zu reagieren - es ist eine Menge Angst dabei, und die ist selten logisch. Eventuell hilft es, nach solchen Ängsten zu fragen und Absprachen zu treffen, daß eben genau das nicht passiert, das also - beispielsweise - der Charakter eines nicht anwesenden Spielers in gewisser Weise "sakrosankt" ist und "so unversehrt wie beim Abgeben" "zurückgegeben" wird...

Offline Purzel

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Waren die Charaktere "unverletzlich" in dem Sinne, als eine Verletzung / dumme Situation / Würfelpech / Heldensituation / Herausforderung... keine bleibenden Veränderungen herbeiführen konnte (oder kann)?
[...]
und Absprachen zu treffen, daß eben genau das nicht passiert, das also - beispielsweise - der Charakter eines nicht anwesenden Spielers in gewisser Weise "sakrosankt" ist und "so unversehrt wie beim Abgeben" "zurückgegeben" wird...

In meinem Regelvorschlag wollte ich eigentlich berücksichtigen, dass fremdgeführte SCs in Abwesenheit des Stammspielers eine gewisse Immunität besitzen sollten, sprich: der Spieler bekam seinen Charakter spielbar und in einem Stück wieder, inklusive neuer XPs und Schätzen. Und davon abgesehen: wir haben AD&D gespielt, Wiederbelebungen sind Teil des Systems, und ein kompetenter Priester konnte ne Menge anderer Unbill einfach wegzaubern.

Die Gegenargumentation, die anderen Spieler wüssten ja nicht, wie man den eigenen richtigen Charakter richtig spielt, dass er ja ein so kompliziertes Innenleben hätte, kam mir damals etwas .. naja, verwunderlich vor: wir haben ziemlich gamistisch AD&D gespielt, Monster geplättet, Rätsel gelöst, Hindernisse überwunden, Schätze abgesahnt und ab und an einen coolen Spruch abgelassen. Wieso schoben die anderen Spieler plötzlich Dinge vor, um die es im Spiel garnicht ging?  ???