Autor Thema: Die Mär von der Zielerreichung  (Gelesen 6496 mal)

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killedcat

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #25 am: 9.10.2011 | 08:51 »
Und die meisten haben keine Zeit, alle möglichen Rollenspiele anzutesten, sondern sind darauf angewiesen, was Klappentexte zu dem Spiel sagen.
Natürlich kann man auch andere Qualitätskriterien anlegen, aber die lassen sich genauso kritisieren wie die von Dir kritisierte.
Dann kritisiert aber das Marketing und nicht das Produkt. Darum geht es mir doch. Es geht mir nicht darum zu sagen, die Zielerreichung sei unwichtig. Es geht mir darum, dass sie nichts über das eigentliche Produkt aussagt.
« Letzte Änderung: 9.10.2011 | 08:53 von killedcat »

Ein

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #26 am: 9.10.2011 | 09:26 »
Die Trennung von Produktbeschreibung und Produkt ist weltfremd. Menschen geben ihr knappes Geld für ein Produkt aus und sollten sich daher zumindest zu großen Teilen auf die Beschreibung des Herstellers verlassen können.

Offline carthinius

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #27 am: 9.10.2011 | 09:30 »
Doch. Ein Hammer ist scheiße zum Schrauben-in-die-Metallplatte-drehen. Wenn der Hammer unter dem Gesichtspunkt entwickelt wurde, dies zu tun, ist es ein Scheißprodukt. Klar, wenn man damit auf einmal was anderes Tolles machen kann, nämlich Nägel in die Wand zu kloppen, dann ist das zwar toll, aber verfehlt immer noch das Designziel. Wenn dir der Hammer verkauft wird für Schraubenbearbeitung, bleibt er ein Produkt, dass seine Bestimmung nicht erfüllt.

Dein Vampire-Beispiel zeigt es doch auch: Der versprochene Drama-Selbstmitleid-Menschlichkeitskonflikt wird damit eben nicht dargestellt. Wenn ich ein Spiel haben will, dass das explizit leistet, bin ich da falsch.  Klar, es bildet dann - wenn es keine spezifischen Regeln dafür besitzt - die Sache genau so gut oder schlecht ab wie viele andere Spiele, und vielleicht kann man damit auch total toll Over-the-top-Vampir-Action spielen. Nur ist das halt nicht das, was ich will, wenn mir Anne Rice versprochen wird und ich stattdessen Blade kriege.

Da  kann man auch dem Marketing nicht anlasten, dass es doof sei. Der Designer wird ja vermutlich eigentlich Anne Rice im Sinn gehabt haben - das atmen die Texte. Also kann man ganz bewusst sagen, der Designer hat an seiner eigenen Vorstellung vorbeientwickelt. Anne Rice kann man damit nicht spielen - jedenfalls nicht besser als mit D&D. Vielmehr noch: Es gibt ja sogar Regelelemente, die in die Richtung deuten (Menschlichkeit, das Tier, blablabla), aber nichts davon setzt um, was es umsetzen soll. Du kennst Vermis "Vampire stripped"? Das zeigt dir, wie man die Designziele von Vampire erfüllen kann, jedenfalls besser als die eigentlichen Regeln.

Die vom Designer verkündete Zielsetzung definiert die Erwartungshaltung des Konsumenten. Das ist es, was mich zum Produkt bringt. Wenn der Designer seine eigene verkündete Agenda nicht umsetzen kann, dann ist es ein schlechtes Spiel, weil ich es unter diesem Gesichtspunkt gekauft habe.
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killedcat

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #28 am: 9.10.2011 | 09:43 »
Okay, wir drehen uns im Kreis. Ich bin der Meinung, dass hier einem Produkt Dinge angelastet werden, die mit dem Produkt nicht das Geringste zu tun haben.

Wie ich bereits am Anfang schrieb:
Zitat
An alle, die Rollenspiele am Zielerreichungsgrad bemessen: ihr seid komisch. Ihr findet Spiele gut, wenn eine dämliche Idee gut umgesetzt wird und ihr findet Spiele schlecht, wenn das Spiel gut läuft, aber der Designer eine dämliche Idee lieber wollte. Ich verstehe euch nicht.

Ich denke, dabei wird es bleiben. Es wird sich mir nie erschließen, warum ein Produkt besser oder schlechter wird, obwohl man überhaupt nichts daran ändert, einfach weil man ins Hirn des Schöpfers schaut.

Ich werde damit leben müssen.
« Letzte Änderung: 9.10.2011 | 09:45 von killedcat »

Offline carthinius

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #29 am: 9.10.2011 | 09:55 »
Okay, wir drehen uns im Kreis. Ich bin der Meinung, dass hier einem Produkt Dinge angelastet werden, die mit dem Produkt nicht das Geringste zu tun haben.
Oh doch. Wenn ich ein Produkt erstelle, sollte ich mir überlegen, was es kann und für wen es ist. Das ist einfach die Basis, ohne die Produktentwicklung nichts bringt, zumindest wenn man es verkaufen will.
Wenn ich jetzt in beiden Bereichen zwar weiß, was ich will und wen ich damit ansprechen will, dann kann ich durchaus mit dem fertigen Produkt den Abgleich machen, ob es das auch tut. Und wenn es das nicht tut, ist es ein schlechtes Produkt. So einfach ist das.

Natürlich kannst du jetzt aufs Zeugnis schreiben "hat sich immer bemüht", aber wenn du nach Leistungsvorgaben bewerten willst, bringt das gar nichts. Ich hab auch unter einem Deutsch-Aufsatz in der 11. Klasse eine 4 stehen gehabt, obwohl der Text toll war, sagte selbst mein Lehrer. Er sagte aber auch: "Hat leider kaum was mit der Aufgabenstellung zu tun...".
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El God

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #30 am: 9.10.2011 | 10:01 »
Lustig. Ich habe in der Deutsch-Abi- Klausur das Thema krass verfehlt. Das kam im Nachgespräch mit meiner Deutschlehrerin heraus. Allerdings meinte sie, sie hätte selten so einen guten Aufsatz gelesen und mir 13 Punkte gegeben. Aber für Aufsätze gibt es ja auch neben dem inhaltlichen Anspruch auch andere äußere Ansprüche, die gelten. Das könnte man *ungefähr* aufs Rollenspiel übertragen. Wenn es das Ziel nicht erfüllt, sonst aber ein super Produkt ist, bleibt mindestens ein gutes Produkt. Wenn es das Ziel erfüllt, sonst aber in Form und Ausführung schwächelt, wird es auch nicht automatisch super...

Dumm nur, dass es mittlerweile meine Überzeugung ist, dass es keinerlei objektive Möglichkeit gibt, Rollenspiele in ihrer Qualität zu beurteilen.

Offline Roland

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #31 am: 9.10.2011 | 10:01 »
Ich denke, dabei wird es bleiben. Es wird sich mir nie erschließen, warum ein Produkt besser oder schlechter wird, obwohl man überhaupt nichts daran ändert, einfach weil man ins Hirn des Schöpfers schaut.

Ich werde damit leben müssen.

Um mal etwas Ausklärungsarbeit zu leisten ... mich freut das Erreichen von Designzielen in der Nachbetrachtung aus ästhetischen Gründen. Es ist eine Leistung, die ich respektiere und womit auch ein Spiel, dass mir nicht so liegt, Punkte sammeln kann. Ich respektiere z.B. auch die gute Arbeit, die in Autos von Ferrari steckt, obwohl ich selbst einen Ferrari nicht als gutes Auto für mich betrachte.
Umso besser wenn ein Designer Ziele entwickelt und umgesetzt hat, die mit meinen Vorlieben übereinstimmen. Das gibt noch den "great minds think alike" Bonus.

In der Vorabbetrachtung halte ich Spiele, deren Designziele formuliert sind, für tendenziell bessere Spiele, weil sich zumindest jemand mal darüber Gedanken gemacht hat. Das gilt um so mehr Spiele, bei denen Der Designer gut zeigen kann, wie er diese Ziele umgesetzt hat, das spricht für klare Strukturen und Abläufe im Spiel und dafür dass jemand planvoll mit dem Blick auf diese Ziele gestaltet hat. Designziele, deren Kommunikation und Umsetzung sind zwar keine hinreichende Bedigungen für ein gutes Spiel, aber schon Belege dafür.
 
« Letzte Änderung: 9.10.2011 | 10:04 von Roland »
Who knows what evil lurks in the hearts of men? The Shadow knows!

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killedcat

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #32 am: 9.10.2011 | 10:04 »
Oh doch. Wenn ich ein Produkt erstelle, sollte ich mir überlegen, was es kann und für wen es ist. Das ist einfach die Basis, ohne die Produktentwicklung nichts bringt, zumindest wenn man es verkaufen will.
Wenn ich jetzt in beiden Bereichen zwar weiß, was ich will und wen ich damit ansprechen will, dann kann ich durchaus mit dem fertigen Produkt den Abgleich machen, ob es das auch tut. Und wenn es das nicht tut, ist es ein schlechtes Produkt. So einfach ist das.
Jep. Klar. Penicilin ist ein schlechtes Produkt weil es eine schlechte Probe ist. Dass es ein supertolles Produkt sein kann, nur halt anders als geplant, das kommt nicht in Frage?

Natürlich kannst du jetzt aufs Zeugnis schreiben "hat sich immer bemüht", aber wenn du nach Leistungsvorgaben bewerten willst, bringt das gar nichts. Ich hab auch unter einem Deutsch-Aufsatz in der 11. Klasse eine 4 stehen gehabt, obwohl der Text toll war, sagte selbst mein Lehrer. Er sagte aber auch: "Hat leider kaum was mit der Aufgabenstellung zu tun...".
Nur leider bewertet dein Lehrer auch nicht das Produkt, sondern dich. Wenn du den Murks veröffentlichst und einen Pulitzer rausbekommst, dann liegt das daran, dass hierbei das Produkt bewertet wurde und nicht du. Thema verfehlt, aber geiles Produkt. Das ist problemlos möglich. Und das Produkt wird weder besser noch schlechter, wenn das Endergebnis beabsichtig war oder nicht. Es sagt nur etwas über DICH aus.

Aber das habe ich jetzt alles schon so oft geschrieben.




Um mal etwas Ausklärungsarbeit zu leisten ... mich freut das Erreichen von Designzielen in der Nachbetrachtung aus ästhetischen Gründen. Es ist eine Leistung, die ich respektiere und womit auch ein Spiel, dass mir nicht so liegt, Punkte sammeln kann. Ich respektiere z.B. auch die gute Arbeit, die in Autos von Ferrari steckt, obwohl ich selbst einen Ferrari nicht als gutes Auto für mich betrachte.
Umso besser wenn ein Designer Ziele entwickelt und umgesetzt hat, die mit meinen Vorlieben übereinstimmen. Das gibt noch den "great minds think alike" Bonus.

In der Vorabbetrachtung halte ich Spiele, deren Designziele formuliert sind, für tendenziell bessere Spiele, weil sich zumindest jemand mal darüber Gedanken gemacht hat. Das gilt um so mehr Spiele, bei denen Der Designer gut zeigen kann, wie er diese Ziele umgesetzt hat, das spricht für klare Strukturen und Abläufe im Spiel und dafür dass jemand planvoll mit dem Blick auf diese Ziele gestaltet hat. Designziele, deren Kommunikation und Umsetzung sind zwar keine hinreichende Bedigungen für ein gutes Spiel, aber schon Belege dafür.
Volle Zustimmung zu jedem einzelnen Satz mit einer Ausnahme: es sind keine Belege, sondern Hinweise. Jemand kann planvoll Murks machen.
« Letzte Änderung: 9.10.2011 | 10:07 von killedcat »

killedcat

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #33 am: 9.10.2011 | 10:15 »
Dumm nur, dass es mittlerweile meine Überzeugung ist, dass es keinerlei objektive Möglichkeit gibt, Rollenspiele in ihrer Qualität zu beurteilen.
:d
Es gibt objektive Kriterien, aber keine objektiven Maßstäbe, um sie auf die Kriterien anzuwenden. Aber diese Geschichte soll ein andermal erzählt werden... ;)

Offline Lord Verminaard

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #34 am: 9.10.2011 | 10:21 »
Zitat
dann hätte aber jeder Autor automatisch seine Ziele erreicht.

Das ist doch Quatsch. Ich kann dir eine ganze Latte von Rollenspielen aufzählen, bei denen aus dem Text oder aus bestimmten Regeln eine Zielsetzung zu erkennen ist, die aber schlicht und einfach durch das Spiel nicht erreicht wird. Genau darum geht's doch. Objektive Maßstäbe, nein, die gibt's dafür nicht. Aber wenn ich als subjektives Werturteil über ein Rollenspiel schreibe, es ist Murks, weil es das, was es offenbar erreichen will, nicht erreicht, dann ist das substantiell und nicht irrelevant. Jemand anders mag es anders beurteilen, aber das liegt dann an den Maßstäben und nicht daran, dass das Kriterium schon falsch ist.
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Offline carthinius

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #35 am: 9.10.2011 | 10:24 »
Jep. Klar. Penicilin ist ein schlechtes Produkt weil es eine schlechte Probe ist. Dass es ein supertolles Produkt sein kann, nur halt anders als geplant, das kommt nicht in Frage?
Ja, Moment. Penicilin ist durch Zufall entstanden, ja, aber als Produkt wurde es als das veröffentlicht, was es leisten sollte. Du setzt jetzt grad die Produktwerdung viel zu früh an. Ein Produkt wurde Penicilin erst, als man erkannte, was es kann und dass es das gut kann, schlechte Probe hin oder her. Es wäre dann ein schlechtes Produkt geworden, wenn man gesagt hätte, es kann total toll gegen Haarausfall angehen. Kann es nämlich nicht. Es wäre also ein beschissenes Produkt gegen Haarausfall. Wenn man es als solches produziert und entwickelt hätte, würdest auch du sagen "Scheißprodukt".

Nur leider bewertet dein Lehrer auch nicht das Produkt, sondern dich. Wenn du den Murks veröffentlichst und einen Pulitzer rausbekommst, dann liegt das daran, dass hierbei das Produkt bewertet wurde und nicht du. Thema verfehlt, aber geiles Produkt. Das ist problemlos möglich. Und das Produkt wird weder besser noch schlechter, wenn das Endergebnis beabsichtig war oder nicht.
Naja, eben doch. Niemand würde "Krieg und Frieden" einen Preis geben, wenn es sagt: "ich bin ein Handbuch für Klempner".

Das ist halt das Seltsame an deiner Aussage: Du meinst, es sei wichtiger, ob man mit dem Produkt letztlich Spaß haben kann, egal, was seine eigentliche Intention ist. Vielmehr sagst du doch sogar, dass die Intention eines Produkts letztlich sogar egal sei unter dem Gesichtspunkt. Nur: Damit hebelst du die Grundlage der Produktgestaltung aus, und zwar nur, weil dir in deinem Hobbybereich auf einmal die objektiven Kriterien der Produktbewertung egal sind, die du im Rest deines Lebens sehr wohl an Produkte anlegen wirst. Schmeckt die Pizza scheiße, ist dir egal, ob man damit im gefrorenen Zustand toll Frisbee spielen kann. Du wolltest eine Pizza, keine Frisbee. Du kaufst dir einen Flügel und stellst nur eine Vase drauf - toller Dekogegenstand, aber nicht, was du mit dem Produkt machen sollst. Du hast einen Flügel gekauft, keinen Tisch.
Und das soll alles egal sein, weil man damit eben noch andere, eventuell für dich grad tolle Dinge tun kann, die aber nicht in der Absicht des Produkts liegen?!

Aber das habe ich jetzt alles schon so oft geschrieben.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #36 am: 9.10.2011 | 10:26 »
Ich denke, dabei wird es bleiben. Es wird sich mir nie erschließen, warum ein Produkt besser oder schlechter wird, obwohl man überhaupt nichts daran ändert, einfach weil man ins Hirn des Schöpfers schaut.

Nein, und darüber redet hier auch keiner außer dir. Es ist jedenfalls nicht das, was ich und die meisten anderen meinen, wenn sie über Zielerreichung reden. Bei einer Aussage kann ich dir allerdings vollstens zustimmen: Wir drehen uns im Kreis. ;)
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killedcat

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #37 am: 9.10.2011 | 10:30 »
Na also, dann sind wir ja einer Meinung.  ;D

Offline Beral

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #38 am: 9.10.2011 | 10:52 »
Das wird dann deutlich, wenn man das Endprodukt und das gewünschte Produkt vergleicht und evtl. feststellt, dass die Wünsche dämlich waren und durch das Nichterreichen der Ziele das Produkt spielbarer wurde. Ja, das ist ein konstruiertes Beispiel. Aber glaubt ihr denn im Ernst, dass Euer Lieblingsrollenspiel ohne Zufälle und Fehler zu diesem Produkt wurde? Glaubt ihr nicht, dass die Ziele sich im Laufe des Prozesses gewandelt haben? Und glaubt ihr im Ernst, dass über die Ziele nicht gelogen wurde?
Das sagt uns eine Menge über die Unprofessionalität des Rollenspieldesigns. Man wurschtelt sich irgendwie durch. Mit Glück und zufällig treffsicherer Intuition entsteht sogar ein Spiel, das zufällig ein paar relevante Interessen bedient.

Was sagt uns das über die Zielerreichung als Qualitätskriterium aus? Gar nichts.
Du wirst dich viel weniger aufregen müssen, wenn du dir bewusst wirst, dass Zielerreichung nicht das einzige Qualitätskriterium ist. Verkaufserfolg ist ein weiteres Kriterium. Übrigens auch eines von der Sorte, das vielsagend oder nichtssagend sein kann! Spielspaß ist auch ein Kriterium. Die Größe der Fangemeinde ist ein Kriterium. Die Bewertung von Rezensenten ist ein Kriterium. Die Liste lässt sich erweitern und die Punkte sind alle unabhängig voneinander. Mag sein, dass in der ein oder anderen Situation das ein oder andere Kriterium nicht viel aussagt. Deswegen kannst du es aber nicht grundsätzlich von der Liste streichen.

Eine Analogie gegen deine Sichtweise: Wenn du Eier und Mehl kaufst, weil du deiner Freundin ein Kuchen zum Geburtstag machen willst, wird es dich wenig freuen, in der Eierpackung Schokolade und in der Mehlpackung Reis zu finden. Mag sein, dass das gute Schokolade und guter Reis sind. Wenn dein Ärger abgebaut ist, wirst du die Produkte vielleicht zu schätzen wissen und sie vielleicht sogar weiter empfehlen. "Hey Leute, wenn ihr leckere Schokolade wollt, kauft euch die Eier aus dem Laden dort!" Du wirst aber wohl zustimmen müssen, dass unabhängig vom Geschmack der Produkte ein anderes Qualitätskriterium voll versemmelt wurde. Du bist deinem Ziel, einen Kuchen für die Freundin zu backen, trotz Zeit- und Geldinvestitionen nicht nähergekommen. Und du bist garantiert nicht scharf darauf, unendlich viele falsch gekennzeichnete Produkte zu kaufen, um darunter endlich und zufällig Eier und Mehl für deinen Kuchen zu finden.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Offline Boba Fett

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #39 am: 9.10.2011 | 11:00 »
Ich gebe Dir Recht.
Zielsetzung ist kein unmittelbares Qualitätskriterium.
Es ist aber eine Orientierungshilfe und wird damit indirekt dazu.

Zielerfüllung (bzw. Die Bewertung derer) kann ohnehin nur von aussen geschehen.
Denn kein Autor, kein Verlag wird ehrlich kritisch sein eigenes Produkt besprechen.
In den meisten Fällen wird so eine Bewertung ohnehin nur individuell erfolgen können.

Wenn Audi versucht, den PKW mit 3 Liter Verbrauch herzustellen,
sagt das wenig über die Eignung als mein persönliches Auto aus.
Denn ich weiss dann immer noch nicht, ob es zu klein, nicht Familien- oder langsteckentauglich oder ohne Kofferaum ausgestattet ist.
Aber es hilft mir zu entscheiden, ob ich vielleicht einen zweiten Blick wage.
Dann lese ich Testberichte in den einschlägigen Zeitschriften und wage vielleicht irgendwann eine Testfahrt.
Vielleicht sagen mir aber auch schon die Tests, dass das nichts wird.
Dann schaue ich mich nach etwas anderem um.
Wenn ich einen SUV wollte, würde ich dem Audi keinen zweiten Blick gönnen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Ingenieure am Schluß mit der Aussage "Wir wollten zwar ein sparsames Auto bauen, aber es ist ein wunderbarer Geländewagen geworden..." kommen, ist klein.
Natürlich kann es sein, dass Toyota einen zwei-Liter Wagen versehentlich entwickelt haben, der für mich wie Faust aufs Auge passt und geeignet ist. Es kommen aber jedes Jahr so viele PKW raus, dass ich nicht pauschal alle testen kann, um auf einen Glückstreffer zu hoffen.
Das konnte ich damals als Student, wo ich ganze Tage im Autohaus verbrachte und die Verkäufer mit Probefahrten nervte...

Deswegen ist für mich diese Orientierungshilfe Gold wert.
Ich bin froh, dass es Unterscheidungsmerkmale gibt und dass man vorher weiss, welche Produkte für welche Ansprüche entwickelt werden.
Ich möchte nicht, dass alle "wir möchten ein gutes Produkt entwickeln" schreiben, denn dann müsste ich alle Produkte testen oder zumindestens alle Tests lesen. Und für beides fehlt mir die Zeit.
Ich kann es gar nicht erwarten bis jemand sich vornimmt, das Elektroauto mit 800 km Reichweite zu entwickeln und wenn es rauskommt will ich es testen.
Mit etwas Glück liegen sogar ein paar Würfel im Handschuhfach... ;)
« Letzte Änderung: 9.10.2011 | 11:26 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline ArneBab

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #40 am: 9.10.2011 | 11:54 »
In besagtem Beispiel wollte der Autor angeblich aber so ein Spiel mit innerem Konflikt produzieren. Erzählerisch betont. Das wurde von den Regeln aber nur leidlich unterstützt, finde ich. Nur war mir das recht. Wäre das Spiel so geworden wie angeblich beabsichtigt, hätte ich es nie gekauft. Es wurde für mich besser, WEIL die Autoren ihre Ziele nicht erreicht haben.

Und vielleicht hatte es eher Erfolg, weil die Regeln Leute angesprochen haben, die sich um Regeln scheren (Powergamer) und der Fluff Leute, die persönliches Drama wollen (Schauspieler). Dann hätten Regeldesigner und Texter andere Ziele im Kopf gehabt.

Ergebnis: Viel Stress am Spieltisch, aber eine viel größere Zielgruppe.
« Letzte Änderung: 9.10.2011 | 11:58 von ArneBab »
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Flyerbücher — Steampunk trifft Fantasy — auf einem Handzettel.
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Offline Der Fuchs

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #41 am: 9.10.2011 | 15:36 »
Fazit: Ein Spiel ist GELUNGEN im Sinne des Wortes gelungen, wenn die Designziele erfüllt werden, ein Spiel ist GUT, wenn es mir persönlich und ganz subjektiv ("gut" ist zu großem Anteil eine Frage des Geschmacks) auch noch Spaß macht?

Wie auch immer, ich möchte tendenziell doch sagen, ich würde immer lieber ein GELUNGENES Spiel spielen, als eines, das NICHT gelungen ist, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein gelungenes Spiel für den bestimmten Spielstil, für das es geschaffen wurde, auch geeignet ist, ist wesentlich größer (bzw. fast 100%), als dass ein nicht gelungenes Spiel geeignet ist für den/einen bestimmten anderen Spielstil, für das es nicht geschaffen wurde.
Und das ist jetzt ganz objektiv.  ;)
Ah, humans, always thinking there must be some sort of 'reason' they were 'put' on this planet.
How mind-numbingly selfish of them. It's as if they think they own the place!


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Offline Dark_Tigger

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #42 am: 9.10.2011 | 17:15 »
Natürlich wird Krieg und Frieden kein schlechtes Buch, aber...


Wenn ich ein Buch zum Rohr verlegen möchte, mir dann wegen des Klappentextes Krieg und Frieden kaufe, finde ich das Buch gar nicht so dolle. Und die meisten haben keine Zeit, alle möglichen Rollenspiele anzutesten, sondern sind darauf angewiesen, was Klappentexte zu dem Spiel sagen.
Natürlich kann man auch andere Qualitätskriterien anlegen, aber die lassen sich genauso kritisieren wie die von Dir kritisierte.
+1 GENAU das wollte ich in dem Moment auch schreiben.

Zitat
Designzielpaket 2:
- philosophisch
- Aus der Box heraus ohne Würfel spielbar
- Feingranular mit detallierter, mehrseitiger Charakterausarbeitung
- Settingbezogen für Hard-Sci-Fi

Das ist aber eine sehr theoretische Möglichkeit das DA SW:GE raus kommt. Sein wir doch ehrlich wie viele echte Perlen die eigentlich was ganz anderes erreichen wollten gibt es denn?
Normalerweiße ist es doch so. Ich möchte ein Spiel für X Schreiben (X ist dabei ein Setting, ein Spielstil, was weiß ich was). Daran versuche ich mich anzunähern.
Es ist wie wenn ich einen Buch schreibe. Wenn ich ein Handbuch für Klempner schreibe, werde ich NICHT über das Leben russischer Hochadliger Recherchieren. Also wird da auch sicher nie nie nie, Krieg und Frieden bei raus kommen. Wenn ich trotzdem andauernd russische Adlige in diesem Buch erwähne naja dann wird das höchstwahrscheinlich kein gutes Buch sein.
Außer ich möchte ein Klempner Handbuchschreiben in dem es eine Geschichte gibt wo ein russischer Adliger alle seine Angestellten feuern musste und jetzt seinen tropfenden Wasserhahn selbst reparieren muss. Das ist aber auch nicht Krieg und Frieden. (und vll erfüllt es dann die Desingziele ein witzig verfasstes Handbuch mit Storry zu sein)


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Zitat
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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #43 am: 9.10.2011 | 17:20 »
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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #44 am: 9.10.2011 | 19:31 »
Ich persönlich gehe auf ein neues Rollenspiel relativ zielgerichtet zu - normalerweise sagt mir ein Rollenspiel ja schon, was für eine Art Spiel ich damit spielen kann.

Wenn es jetzt zu mir sagt "Mit mir kannst du Film-noir-artige Science Fiction spielen", dann probiere ich das auch mit einem entsprechenden Abenteuer oder Szenario aus. Wenn es dafür nicht taugt, dann ist das schade und ich pfeffere es vermutlich in die Ecke - ich probiere jedenfalls nicht aus, ob es sich nicht vielleicht ganz großartig für Superhelden-Fantasy eignet.

D&D 4.0 hat sein Designziel nach allem, was ich davon höre, richtig gut erreicht - mich interessiert das Designziel nicht, aber wenn mich jemand fragt, ob ich ein stufenbasiertes Spiel mit vielen taktischen Optionen, haufenweise Support und einem klassischen Ansatz kenne, dann empfehle ich ihm das trotzdem.

Und noch ein hinkender Vergleich: Wenn der Typ, der mein Auto reparieren soll, pfuscht, dann ist mir egal, ob er ein begnadeter Konzertpianist, hervorragender Fußballspieler und liebender Familienvater ist - ich will einen kompetenten Automechaniker, und wenn er das nicht ist, dann taugt er für mich nicht.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

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Re: Die Mär von der Zielerreichung
« Antwort #45 am: 9.10.2011 | 20:11 »
Designer, die an ihren Zielen vorbeischreiben entwickeln mitunter eine Diskrepanz zwischen Regeln und Setting oder zwischen Regeln und SL-Tipps, ...

Kurz: Wenn Desginer nicht wissen was sie tun, finde ich in einem RSP-Produkt Widersprüchliches und Unnützes.

Damit trifft Athair meiner Meinung nach den richtigen Punkt.
Also grundsätzlich ist es ja schon richtig, dass die Zielerreichung kein besonderes Qualitätsmerkmal ist, wenn zufällig etwas anderes herauskommt, was in einem anderen Bereich hervorragende Arbeit leistet.

Problematisch wird es ab dem Augenblick, wo man versucht, das ungeeignete Werkzeug mit schwachsinnigen Begleittexten und falschen Versprechungen (bei RPGs unter den SL-Empfehlungen) trotzdem für die ursprüngliche Zielsetzung schönzureden. Das führt zu den Widersprüchen zwischen der Leistung des Produkts und der Selbstbeschreibung des Produkts.

Bei den Beispielen (Klemptnerbuch vs. Krieg u. Frieden) liegt der Unterschied bereits auf der Hand. Im Rollenspielbereich muss er aber oft erst festgestellt werden und wird nicht selten von eigenartigen Wahrnehmungsverzerrungen begleitet. Gerade bei genrebezogenen RPGs, die vom Regelwerk her eigentlich für ein ganz anderes Genre geeignet wären, ist eine nachgereichte Erklärung, wie die Regeln dann doch so zu nutzen seien, dass das angestrebte Genre spielbar wird, meist inhaltslos und wenig hilfreich - dafür aber oft sehr lang(weilig).

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« Letzte Änderung: 10.10.2011 | 09:10 von youth nabbed as sniper »
Dans un quartier qui est triste à tuer
Prends des bombes de peinture et bombe tout
Ecris se que tu penses sur les murs!
Couleurs sur Paris...nanana...
Il est temps de changer... na nana na