Autor Thema: Sexismus in (pseudo-historischen) Rollenspiel-Settings (Für die Nicht-Frauen)  (Gelesen 5892 mal)

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Ucalegon

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Aus irgendeinem Grund bleiben so viele Leute dabei aber immer so Bier-ernst. Man kann sich z.B. auch mal die ganzen Warhammer Spiele anschauen, die nutzen all diese Themen gut aus und haben dabei sogar noch Humor.

Warhammer ist doch weit verbreitet oder nicht? Und alle Warhammer-Fans, die ich kenne, haben den Witz des Spiels auch verstanden. Ich glaube aber nicht, dass jemand ein bier-ernster, humorloser, politisch-korrekter Mensch ist, nur weil er mit Exploitation a la Warhammer, Barbaren! o.ä. nichts anfangen kann. Ich meine gerade als Fan, dem die Übertreibung und der Zynismus dahinter bewusst sind, muss man es sich dann eben auch gefallen lassen, wenn Leuten das übel aufstößt - insbesondere wenn es Leute sind, die wegen ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder sonstwas Opfer der Exploitation sind.  Ich denke nicht, dass diese Leute sich dafür rechtfertigen müssen, dass sie sowas nicht lustig finden.

Aber solche Settings sollte man nicht mit (pseudo)historischen in einen Topf werfen, weil die Zielsetzung eine ganz andere ist.

Offline Oh Gott sie sind Überall

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@Slayn:

1. Also ich gehe davon aus, dass man bei einem Konsens auch ernsthaft miteinander gesprochen hat und man bestmöglich auf einander eingeht.

2. Ich meine Abstraktion wie folgt: Ich finde zum Beispiel Kolonialsmus nicht gut und möchte das mal in meiner Runde thematisieren. Jetzt könnte ich ein Quasi Historisches Setting spielen, nehmen wir mal Englands Besetzung Indiens.
Der eine findet mich dann blöd, weil "nur Deutschland" in der Geschichte böses gemacht hat, dem anderen sind vielleicht meine Darstellung von Strafaktionen zu krass und dem dritten geht das ganze auf die nerven, weil er nicht meiner Meinung ist, bzw. das Gefühl hat ich würde ihm die meinige rein  zu drücken.

Ich könnte aber auch hingehen und das ganze abstrahieren. Nehmen wir zB Pathfinder, ich könnte zum Beispiel ein Abenteuer schreiben in dem Händler aus Cheliax ein Gebiet im Mwangi Becken besetzen und die Leute dort Ausbeuten. Ich habe das selbe Kernthema, aber in einer entschärften Variante, die es vllt. sogar eher ermöglicht nach der Runde eine Diskussion über das Thema führen zu können.

Darauf möchte ich hinaus. Nicht jeder möchte hochpolitische Inhalte im Rollenspiel haben. Das heisst nicht das das jetzt nicht sein darf. Aber es kommt halt nun mal auf den Geschmack der Gruppe an.
Robin D. Laws würde über mich folgendes sagen:
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Offline Slayn

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@Ucalegon:

Wirf mal einen Blick hier ins Warhammer Unterforum und schmöker da mal rum. Du wirst genügend Beiträge von Leuten finden die in der genutzten Darstellung eine dargestellte Realität sehen und nicht "ein Spiel mit derben Humor".
Habe ich zu oft erlebt, gerade bei Leuten denen "Immersion" a la DSA wichtig ist, das solche Inhalte gelebt und gefühlt werden wollen und eine reine Außenbetrachtung für sie das Spiel unmöglich macht.

@OGssü:

Was den Konsens angeht bin ich mittlerweile halt sehr vorsichtig geworden. Es gibt viele Leute die "Ja, ist kein Problem" sagen um mit zu spielen, dann aber doch ein Problem damit haben. Wenn ich vorhabe so etwas zu spielen, dann suche ich einzelne Leute dafür zusammen, spreche mit ihnen darüber und lade sie dann zu einer RSP-Gruppe ein, einfach um die Gewissheit zu haben dass es keine Probleme mit den Themen und Inhalten geben wird.

Ich finde deinen zweiten Punkt aber weitaus interessanter, geht er doch von einer wertenden Grundhaltung aus. DAS wird zu Problemen führen, gerade wenn diese wertende Grundhaltung sich mit den Ansichten der Spieler zu den Themen reibt.
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Ucalegon

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@Ucalegon:

2. Also sollte die RPG Runde immer/oft/was auch immer Bezug nehmen auf aktuelle Weltpolitik? Ich denke es wäre wichtiger wenn man selbst Konsequenzen zieht. Rollenspiele sind für mich erst mal Unterhaltung. Wenn es tiefgründiger wird auch recht, muss es aber nicht.

Was ich mit "nicht entkommen können" meine, ist, dass Rollenspielsettings nunmal von Menschen geschrieben und gespielt werden. D.h. absolut jedes Element/alle Tropes hängen mit realen Erfahrungswerten und Konzepten zusammen.

Simples Beispiel: Wenn in Fantasistan Elfen diskriminiert werden, dann kann jeder von uns mit dem Konzept "Diskriminierung" etwas anfangen. Und jeder von uns hat sogar eine ganz besondere (politische) Meinung dazu. Man stelle sich einen Spieler aus dem antiken Rom vor: Für ihn wäre die Tatsache, dass in Fantasistan Elfen als Sklaven gehalten werden etwas vollkommen Alltägliches. Für einen Spieler aus Deutschland im Jahr 2014 ist Sklaverei als Konzept dagegen vollkommen anders besetzt, in Normalfall nämlich äußerst negativ.

Du kannst also der Realität und ihren Problemen auch in Fantasistan nicht entkommen.


2. Ich meine Abstraktion wie folgt: Ich finde zum Beispiel Kolonialsmus nicht gut und möchte das mal in meiner Runde thematisieren. Jetzt könnte ich ein Quasi Historisches Setting spielen, nehmen wir mal Englands Besetzung Indiens.
Der eine findet mich dann blöd, weil "nur Deutschland" in der Geschichte böses gemacht hat, dem anderen sind vielleicht meine Darstellung von Strafaktionen zu krass und dem dritten geht das ganze auf die nerven, weil er nicht meiner Meinung ist, bzw. das Gefühl hat ich würde ihm die meinige rein  zu drücken.

Ich könnte aber auch hingehen und das ganze abstrahieren. Nehmen wir zB Pathfinder, ich könnte zum Beispiel ein Abenteuer schreiben in dem Händler aus Cheliax ein Gebiet im Mwangi Becken besetzen und die Leute dort Ausbeuten. Ich habe das selbe Kernthema, aber in einer entschärften Variante, die es vllt. sogar eher ermöglicht nach der Runde eine Diskussion über das Thema führen zu können.

Darauf möchte ich hinaus. Nicht jeder möchte hochpolitische Inhalte im Rollenspiel haben. Das heisst nicht das das jetzt nicht sein darf. Aber es kommt halt nun mal auf den Geschmack der Gruppe an.

Meine These ist, wie ich oben beschrieben habe, dass "hochpolitische Inhalte" immer im Rollenspiel enthalten sind. Das ist keine Frage des "drin haben-Wollens". Ob du das bewusst thematisierst oder nicht ist deine Entscheidung.

Für das Threadthema (zu dem wir zurückkommen sollten, glaube ich) bedeutet das:

Als Mann ist Sexismus gegenüber Frauen für mich auch dann ein Thema, wenn ich ihn eigentlich aus meinem Setting ausgeschlossen habe oder z.B. zur Jetztzeit spiele. Denn jede Frau, die dann z.B. als Generalin oder Special-Forces Soldatin auftaucht, wird für alle Mitspieler (wegen deren kulturellen Hintergrunds) eine deutlich Gender-fixiertere Bedeutung haben als ein Mann in derselben Rolle.

Auch wenn sich der Widerspruch letztlich nicht auflösen lässt, fährt man denke ich sehr gut, wenn man sich bemüht, über solche Figuren nicht in erster Linie als "starke Frau" nachzudenken, sondern als eigene Persönlichkeit mit eigener Motivation.

Offline Oh Gott sie sind Überall

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@Slayn:
1. Kann ich verstehen, ich gestalte Abenteuer eher "harmlos"wenn ich meine Mitspieler nicht gut kenne. Ich suche aber auch den Dialog, weil ich auch hin und wieder mal gerne etwas "kontroverses Thema" bespielenspielen möchte. Ich habe da die Erfahrung gemacht, dass da meine Mitspieler schon offen gesagt haben was sie wollen und was nicht und ich im Notfall nicht das einzelne Gespräch suche.

Für mich ist halt eben auch wichtig das sich alle Wohlfühlen können und wir GEMEINSAM Spass am Spielen haben.
Aber Menschen sind natürlich verschieden.

2. Ich habe eben die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen zu wertenden Grundhaltungen neigen. Aus Respekt halte ich das dann meist eher mit sowas zurück oder verpacke Themen die mir wichtig werden in einen Fantasy/SF Kontext.

@Ucalegon:
Es kann sein, dass du mich missverstanden hast. Es geht mir nicht darum vor der Welt zu flüchten (salopp gesagt), sondern auch mal Abschalten zu können. Ich beschäftige mich viel mit dem Weltgeschehen und sehe zwangsläufig viele schlimme Sachen und dann ist es auch mal nett als Ausgleich dazu einen Dungeon Crawl zu haben.
Zu dem werden Dinge in der Realen Welt immer meine Fantasie beeinflussen.
Das Elfen Beispiel das du nennst ist ja gerade ein Beispiel, wie ich bewusst das das Thema Rassismus im Spiel behandeln würde.
Ich finde es aber eher wichtiger das Menschen im Realen leben Konsequenzen ziehen, anstatt das man das jetzt unbedingt im RPG thematisieren "muss". Womit ich dir aber nicht unterstellen möchte das du das so gemeint hast.

Zum Thema zurück:

Sexismus fände ich dann interessant, wenn es als Thema im Abenteuer vorkommt. Als Beispiel einer Person helfen etwas zu erreichen/zu tun worin diese aufgrund ihres Geschlechts eingeschränkt ist. Bzw. was dem Geschlecht dieser Person aufgrund des Geschlechts untersagt ist. Und damit es PC bleibt ( ;) ) Mit helfen ist altruistische Unterstützung gemeint, bei der man davon ausgeht das diese Person das schon alleine schaffen kann, aber die Hilfe dient dem Gesellschaftlichen Status Quo entgegen zu wirken.
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Offline Chiarina

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Zitat von: Ucalegon
Als Mann ist Sexismus gegenüber Frauen für mich auch dann ein Thema, wenn ich ihn eigentlich aus meinem Setting ausgeschlossen habe oder z.B. zur Jetztzeit spiele. Denn jede Frau, die dann z.B. als Generalin oder Special-Forces Soldatin auftaucht, wird für alle Mitspieler (wegen deren kulturellen Hintergrunds) eine deutlich Gender-fixiertere Bedeutung haben als ein Mann in derselben Rolle.

Das ist wahr (und ein wertvoller Gedanke, wie ich finde).

Gender-fixierte Zuordnungen können wir in unseren Rollenspielen nicht mal eben abschütteln (ich sehe allerdings auch in gemäßigten Genderpolarisierungen zumindest nicht zwangsläufig ein Problem). Wir können uns diesen Zuordnungen aber bewusst werden und unterschiedlich damit umgehen. Spielen wir die Genderfixierung aus männlicher Sicht? (dann werden weibliche Charaktere zum Objekt, tendenziell also nebensächlich oder zu Charakteren, die durch andere Charaktere exploitet werden können.) Oder aus weiblicher Sicht? (dann werden weibliche Charaktere zum Subjekt, tendenziell also zu Figuren, die in einer Männerwelt auf der beschwerlichen Suche nach ihrer Identität sind, weibliche Nichtspielercharaktere können so auch zu einer Art Symbol für Missstände werden, letztlich also: Heldinnen).

Chiarina.
« Letzte Änderung: 11.12.2014 | 00:28 von Chiarina »
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Offline Ludovico

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Threadnekromantie:

Bei mir hat sich eine neue Gruppe geformt, die Space 1889 spielen wird.
Bei der Besprechung was und wie, kam auch das Thema auf.
Ich muss gestehen, dass es sich richtig befreiend anfuehlt, dass alle einhellig der Meinung waren, dass der Nachteil "Frau" und Sexismus im Allgemeinen genutzt werden darf entsprechend der Settingvorgaben.
Zudem kamen wir ueberein die damals gaengige Wortwahl fuer Farbige nutzen.

Alles in allem angenehm, wenn so offen mit der Thematik umgegangen wird.

Offline Conan der Barbier

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Na, das ist doch wunderbar  :) Die Hauptsache ist, dass das Spiel seinen Zweck erfüllt, und der ist doch, dass es allen Beteiligten Spaß macht. Wenn sich also alle auch bei solchen Reizthemen einig sind, wie sie es gern hätten, ist das meiner Meinung nach ein Anhaltspunkt dafür, dass die Chemie in eurer Gruppe stimmt.

Eigentlich sollte es auch kein Drama sein, wenn da unterschiedliche Meinungen existieren - unter erwachsenen Menschen stellt man fest, dass die Präferenzen sich unterscheiden, und überlegt gemeinsam, ob man trotzdem ein Spiel hinbekommt, mit dem alle glücklich sind, oder eben nicht. Leider habe ich dahingehend (zum Glück nicht oft) die Erfahrung machen müssen, dass bei manchen Themen (insbesondere Chauvinismus aller Couleur.) manche keinen Unterschied zwischen Spiel und Realität machen können/wollen. Das führt dann mitunter zu äußerst unschönen Streitereien auf Spielerebene, ganz egal, ob die "Gleichsetzer" nun als Befürworter oder als Gegner des "XYZ in unserem Setting thematisieren" auftreten.
Furztrocken!

Mein neuer Favorit der Reihe "Freud im Rollenspiel": "Nur ein toter Zombie ist ein guter Zombie!" - "...wart mal. ALLE Zombies sind tot..."