Autor Thema: Das Problem von Rollenspieltheorie  (Gelesen 39355 mal)

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Offline D. Athair

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Das Problem von Rollenspieltheorie
« am: 29.12.2016 | 10:24 »
... und warum sie oft so wenig nützlich erscheint.

MMn ist das Hauptproblem, dass dabei versucht werden bestimmte real existierende Spielweisen, Präferenzen und Erwartungen in Modelle zu packen. Unklar ist aber deren Hierarchie.

Ich glaube, dass man Spiel- und Erzählparadigma recht weit "oben" ansetzen muss. Es gibt aber weiter Differenzierungen, die beide Paradigmen betreffen. Das sind einerseits Prozessorientierung vs. Effektorientierung bei der Gestaltung des Spielens und außerdem die Bedeutung von Dramaturgie, Plausibilität und Regeln, die situativ immer in Konkurrenz stehen.

Das sind schon mal mindestens drei Ebenen, die eigentlich zu differenzieren wären, die aber auch miteinander in Wechselwirkung stehen. Die Creative Agenda der Forge war mMn nicht falsch und hat auch bestimmte Phänomene beschreiben können. Als "geschlossenes Modell" aber blendet es einige Schwierigkeiten und Phänomene (wie "den Taktikerkonflikt") aus.

Ein weiteres Problem ist, dass sich verschiedene Spielweisen oberflächlich sehr ähneln können - unter der Oberfläche aber Unterschiedliches wichtig ist. Außerdem: Ein und dasselbe Regelwerk lässt sich auf verschiedene Weisen erschließen, sodass aus den Regeln nur ein Strauß an unterstützten Spielstilen erkennbar ist. Mehr nicht.

Die modellhafte Darstellung von Spielgeschehen und Zusammenhängen, die RSP-Theorie betreibt ist, also gleichzeitig ihre Stärke und ihr blinder Fleck. Je nachdem welche Verbindungen von Präferenzen, Spielweisen, Design-Elementen, ... miteinander in Beziehung gesetzt werden, werden andere Verbindungen und Abhängigkeiten abgeschnitten. Das bedeutet: Theoretische Modellierungen können immer nur "Schnappschüsse" sein, deren Anspruch die Realität abzubilden und zu erklären sich immer auf "Teilrealitäten" bezieht. Das Ganze in den Blick zu nehmen halte ich dennoch nicht grundsätzlich für unmöglich, aber für schwierig und in seiner Komplexität letztlich für eher praxisfern. (Anders gesagt: Hätte man ein ausreichend komplexes Theoriegebilde, dann bräuchte es wiederum eine gelingende Übertragung in die Praxis, die auch nicht ganz ohne ist.)


Kurz: Brauchbare Theorie-Modelle zu erstellen ist schwierig. Die Rückübertragung in die Praxis auch.
Erkenntnisgewinn ist möglich und kann dabei hoch sein. (Ob man für aber funktionierende Praxis aufs Spiel setzen soll - was mMn automatisch passiert - muss eine offene Frage bleiben.)
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vlyrr

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #1 am: 29.12.2016 | 11:11 »
Hey Clausustus,

Zitat
Das sind schon mal mindestens drei Ebenen, die eigentlich zu differenzieren wären, die aber auch miteinander in Wechselwirkung stehen.

Du musst außerdem noch mitbedenken, dass Spielgruppen inhomogen sind.
Sie sind a) heterogen in den Spielertypen* (vor allem in bezug auf die Theorie!) und daraus b) in der Wechselbeziehung zwischen SL und eben diesen individuellen Spielern.
Die jeweiligen Reziprozitäten differenzieren die Spielergruppe selbst also noch weiter aus.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich als SL aufgrund der unterschiedlichen Spielertypen in meinen Runden quasi zeitgleich mehrere RPG-Modelle spielte. Da die Spieler alle unterschiedliche Anforderungen an das Game und den SL hatten war jede der Relationen "SL-Spieler" dementsprechend anders.

Natürlich kann man das alles nivellieren und sagen "im Durchschnitt ist die Spielgruppe so und so", aber das reduziert die gruppendynamische Komplexität (die gerade für eine Theorie des Rollenspiels sehr wichtig ist!) und geht steil an der Empirie vorbei.

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* ich meine gar nicht die Typologie der Theorie sondern den Phänotyp "Spieler".
« Letzte Änderung: 29.12.2016 | 11:19 von vlyrr »

Offline Edvard Elch

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #2 am: 29.12.2016 | 11:14 »
Ein weiteres großes Problem ist, dass der Diskurs um Rollenspielthorie in der Regel ein esoterischer ist: Fachbegriffe, die verwendet werden, werden nur selten definiert, und bei Übernahme von Begriffen und Konzepten anderer Autoren wird nur sehr selten ein Link auf die ursprünglichen Texte gesetzt. Man geht davon aus, dass, wer sich mit Rollenspieltheorie beschäftigt, diese Begriffe kennt, weshalb selbst wenn fünf Leute innerhalb des gleichen Modells diskutieren, diese fünf bis sieben unterschiedliche Vorstellungen von diesem Modell haben. Außerdem legt fast niemand die Prämissen offen, die den Ausführungen zugrunde liegen.

Du gehst zum Beispiel davon aus, dass es ein "Spiel-" und ein "Erzählparadigma" gibt, ich weiß aber nicht, was du damit meinst, und warum du deren Existenz annimmst. Damit ist letztendlich kein gewinnbringender theoretischer Diskurs möglich.
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vlyrr

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #3 am: 29.12.2016 | 11:25 »
Zitat
Ein weiteres großes Problem ist, dass der Diskurs um Rollenspielthorie in der Regel ein esoterischer ist: Fachbegriffe, die verwendet werden, werden nur selten definiert, und bei Übernahme von Begriffen und Konzepten anderer Autoren wird nur sehr selten ein Link auf die ursprünglichen Texte gesetzt.


Naja, das ist doch üblich in Theoriediskursen. Exakte Begriffe gibt es nicht vor dem Diskurs, denn sonst bräuchte man keinen. Und nach dem Diskurs sind die Begriffe möglicherweise exakt aber irrelevant, da der Diskurs beendet ist.

Zitat
Du gehst zum Beispiel davon aus, dass es ein "Spiel-" und ein "Erzählparadigma" gibt, ich weiß aber nicht, was du damit meinst, und warum du deren Existenz annimmst. Damit ist letztendlich kein gewinnbringender theoretischer Diskurs möglich.

Der Begriff des Paradigmas ist ein zentraler in den (Gesellschafts-)Wissenschaften des 20. Jhs. Ggf. mal bei dem bekanntesten Schreiber T. Kuhn nachschlagen.
Ansonsten kurz im Duden.

Die Existenz eines Paradigmas wiederum zu postulieren ist einerseits natürlich eine scharfe These (spannend), aber andererseits banal, denn ohne ein solches Paradigma wäre ein theoretischer Diskurs sinnlos.
Ich würde hier gar nicht ontologisch denken sondern schlicht heuristisch.

Offline aikar

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #4 am: 29.12.2016 | 11:27 »
Kurz: Brauchbare Theorie-Modelle zu erstellen ist schwierig. Die Rückübertragung in die Praxis auch.
Erkenntnisgewinn ist möglich und kann dabei hoch sein.
Das fasst es für mich ganz gut zusammen. Ich plane zwar keine Runden basierend auf Rollenspieltheorie aber die Beschäftigung mit der Theorie hat mir geholfen, gewisse Probleme und Schwachstellen zu erkennen und zu verstehen.
So seltsam es für einen Profi klingen mag, aber allein die Erkenntnis, dass es unterschiedliche Vorstellungen von Rollenspiel gibt (ob man jetzt mit den Spielertypen nach Laws übereinstimmen mag oder nicht) hat mir damals wirklich die Augen geöffnet und gewisse Probleme in unserer Gruppe erklärt, die ich vorher einfach nicht nachvollziehen konnte.

Ich hab mal eine Zeitlang versucht, bei den Forge- und anderen Theorie-Diskussionen durchzublicken, habe es dann aber irgendwann als für mich unnütz abgetan.
Aber einzelne Brocken, die dabei abfallen, sind immer wieder Gold wert. Sei es indem sie mit dem Finger auf mögliche Konfliktquellen zeigen oder neue Spielkonzepte hervorbringen.
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline dunklerschatten

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #5 am: 29.12.2016 | 11:36 »
Imho sind die RPG Theorien zum Großteil einfach nur Theorien, die zumindest bei uns in der Runde kaum praktischen Wiederklang finden.

Ganz davon ab, das ich oft den Eindruck habe das die Hauptakteure der RPG-Theorie Szene zu viel Zeit mit rumtheoretisieren verbringen, wirkt seltsam oft wie eine Substitution für das "echte, praktische RPG".
"Stellt Euch den Tatsachen, dann handelt danach!"
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vlyrr

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #6 am: 29.12.2016 | 11:39 »
Zitat
Ganz davon ab, das ich oft den Eindruck habe das die Hauptakteure der RPG-Theorie Szene zu viel Zeit mit rumtheoretisieren verbringen, wirkt seltsam oft wie eine Substitution für das "echte, praktische RPG".

Erinnert an die thrakische Magd am Brunnen, die Thales ausgelacht hat.

ErikErikson

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #7 am: 29.12.2016 | 11:42 »
Ich finde, viel Theoriengeschwafel ist Geschmackssache.

Es gibt aber auch ein paar grundlegende Sachen, die in jedem Stil scheisse sind. Die mal zu sammeln würde Sinn machen. Ich denke da an Sachen wie SC mitten im Abenteuer killen und Spieler langweilt sich den Rest des Abends weil er keinen Ersatz bekommt. 

Offline Edvard Elch

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #8 am: 29.12.2016 | 11:43 »
Naja, das ist doch üblich in Theoriediskursen. Exakte Begriffe gibt es nicht vor dem Diskurs, denn sonst bräuchte man keinen. Und nach dem Diskurs sind die Begriffe möglicherweise exakt aber irrelevant, da der Diskurs beendet ist.

Der Begriff des Paradigmas ist ein zentraler in den (Gesellschafts-)Wissenschaften des 20. Jhs. Ggf. mal bei dem bekanntesten Schreiber T. Kuhn nachschlagen.
Ansonsten kurz im Duden.

Die Existenz eines Paradigmas wiederum zu postulieren ist einerseits natürlich eine scharfe These (spannend), aber andererseits banal, denn ohne ein solches Paradigma wäre ein theoretischer Diskurs sinnlos.
Ich würde hier gar nicht ontologisch denken sondern schlicht heuristisch.

Um einen gewinnbringenden Diskurs beginnen zu können, müsste man erstmal wissen, was der andere jetzt genau meint, wenn er Begriffe in den Raum wirft. Mein Problem ist nicht der Begriff "Paradigma" an sich, sondern "Spielparadigma" und "Erzählparadigma" im speziellen. Ich kann mir natürlich was ausdenken, was Clausustus damit gemeint gemeint haben könnte und was die beiden Paradigmata trennt, das wird sich aber von dem unterscheiden, was Clausustus gemeint hat, als er sie postuliert hat, weshalb wir wahrscheinlich fünf Seiten aneinander vorbei diskutieren werden.
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Offline Maarzan

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #9 am: 29.12.2016 | 11:44 »
Ich sehe das Kernproblem von Rollenspieltheorie darin, dass es eben auch imme reine "politische" Diskussion ist, wo die Seiten um Einfluss und Marktanteile schachern. Ungefähr wie wenn sich die Schweinezüchter und die Tofuformer über Sinn und Unsinn von Fleischverzehr auslassen.

Mir hat damals jedenfalls die Erkenntnis über das Threefold (Dramatism, Simulation, Gamism) erheblich geholfen mit der Mehrheit meiner Runde Kompromisse zufinden, die sich so vorher nicht ergeben haben.
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Offline Alex

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #10 am: 29.12.2016 | 11:45 »
Imho sind die RPG Theorien zum Großteil einfach nur Theorien, die zumindest bei uns in der Runde kaum praktischen Wiederklang finden.
Das ist ein Aspekt, den ich auch nicht verstehe, aber was ich irre finde, ist die fast religiös anmutende Verteidigung von Spielstilen und oft dem damit verbundenen Niedermachen von Leuten, die anders spielen.
Es gibt keinen allgemein gültigen guten (oder schlechten) Spielstil!
Macht es mir Spaß: gut.
Macht es mir keinen Spaß: schlecht.

Auf die heterogenen Spieler und Spielfiguren wurde ja bereits hingewiesen, daher empfinde ich diese ganze Diskussion als Zeitverschwendung und beteilige mich auch nicht daran, gönne aber jeden seinen Spaß, der sich damit in diesem Forum auseinandersetzen will.

Offline Maarzan

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #11 am: 29.12.2016 | 11:48 »
Das ist ein Aspekt, den ich auch nicht verstehe, aber was ich irre finde, ist die fast religiös anmutende Verteidigung von Spielstilen und oft dem damit verbundenen Niedermachen von Leuten, die anders spielen.
Es gibt keinen allgemein gültigen guten (oder schlechten) Spielstil!
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Auf die heterogenen Spieler und Spielfiguren wurde ja bereits hingewiesen, daher empfinde ich diese ganze Diskussion als Zeitverschwendung und beteilige mich auch nicht daran, gönne aber jeden seinen Spaß, der sich damit in diesem Forum auseinandersetzen will.

Ich sehe das Problem darin, das verschiedene (meines Erachtens unanständige)  Arten von "Umgang mit anderen" dann als nicht zu kritisierender Geschmack/Spielstil gelabelt werden. 
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vlyrr

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #12 am: 29.12.2016 | 11:49 »
Zitat
Um einen gewinnbringenden Diskurs beginnen zu können, müsste man erstmal wissen, was der andere jetzt genau meint, wenn er Begriffe in den Raum wirft.

Anfängerfehler (s.o.) oder illegales, d.h. intellektuell nicht rechtschaffenes Mittel, um in einem Theoriediskurs Macht zu erringen oder diesen zu verunmöglichen.

Prinzipiell führt jede unterstellte Notwendigkeit einer exakten, abschließenden und klaren Definition eines Begriffes in einen infiniten Regress. Denn immer ist mindestens ein Element in der Definition wiederum unbestimmt und muss definiert werden etc.

Jeder Begriff verweist auf das Nicht-Begriffliche (Adorno & andere) und ist daher immer unterbestimmt. Dies macht witzigerweise den Nutzen von Begriffen innerhalb eines Diskurses aus.

Was Du wünschst, also exakte Begriffe, ist nicht mehr Diskurs. Das Gespräch wäre einfach nur ein Austausch von Referenzen. "Lies dort nach" oder "Das steht in jenem Buch auf S." usw.


Offline Alex

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #13 am: 29.12.2016 | 11:54 »
Ich sehe das Problem darin, das verschiedene (meines Erachtens unanständige)  Arten von "Umgang mit anderen" dann als nicht zu kritisierender Geschmack/Spielstil gelabelt werden.
Ich musste mich schon (in einem anderen Zusammenhang) als Jünger des Kiesowschen Spielstil bezeichnen lassen, was damals als Beleidigung gemeint war und mich ab dann für alles weitere in der Runde disqualifiziert hat.
Nicht dass mich das irgendwie interessiert hat, aber die damit verbundene Inkompetenz, die mir unter dem Label "Kiesow" entgegengebracht wurde, hat mich doch sehr geärgert, nicht wegen mir, sondern, dass DSA spielen quasi als NoGo gewertet wurde (auch wenn ich es selbst nicht spiele).

Offline Wandler

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #14 am: 29.12.2016 | 11:54 »
Das größte Problem, dass ich mit der Rollenspieltheorie habe ist folgendes Paradoxon:

Das Ziel der Rollenspieltheorie ist es in meinen Augen das Rollenspiel am Tisch in seinen Facetten und Varianten formell zu beschreiben und zu klassifizieren. Um die unterschiedlichen Teile der verschiedenen Modelle aber zu klassifizieren müssen sie immer weiter voneinander getrennt werden, denn in jeder Diskussion hat sich für mich bisher herausgestellt, dass die Grenzen in der Rollenspieltheorie zwischen zwei Klassifikationen unscharf sind - was für den einen gerade noch ins Modell A fällt ist für den anderen gerade noch im Modell B. Im Idealfall für die Rollenspieltheorie gäbe es keine Schnittmenge zwischen den einzelnen Elementen oder die reellen Spielgruppen würden den Extremen entsprechen und eine Klassifikation wäre trivial. In der Realität bestehen in meinen Augen aber alle Spielrunden aus einem Wechsel zwischen und Mix mehrerer Stile/Modelle/Techniken. Je weiter diese Elemente nun aber voneinander getrennt werden um so weniger praxisnah sind sie und um so seltener und unwahrscheinlicher beschreiben sie noch das Rollenspiel, wie es am Tisch vorkommt. Eine Rollenspielrunde wie aus dem Lehrbuch kann ich mir höchstens als Theateraufführung, nicht aber aus der natürlichen Interaktion mehrerer Personen entstehend vorstellen.

Den einzigen Mehrwert den ich bisher aus der Rollenspieltheorie übertragen in die Praxis gesehen habe sind einzelne Techniken. Ganz egal welches Modell man sich ansieht, die verwendeten Methoden um diese unterschiedlichen Ziele/Stile/Modelle zu erreichen, sind die einzigen Elemente die ich auch an echten Spieltischen wiederfinden konnte, aber auch hier, nie in ihrer extremen, formellen Form aus der Theorie. Damit hat die Rollenspieltheorie aber für mich ihre Existenzbegründung und einen Mehrwert für das Hobby.

Aber mit einem leicht nostalgischen Blick auf Gothic 1:"Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird"

Offline KhornedBeef

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #15 am: 29.12.2016 | 11:59 »
Imho sind die RPG Theorien zum Großteil einfach nur Theorien, die zumindest bei uns in der Runde kaum praktischen Wiederklang finden.

Ganz davon ab, das ich oft den Eindruck habe das die Hauptakteure der RPG-Theorie Szene zu viel Zeit mit rumtheoretisieren verbringen, wirkt seltsam oft wie eine Substitution für das "echte, praktische RPG".
Ein Einschätzung die man wohl in Handwerksbetrieben, Armeecamps, Kirchenchören und Elternversammlungen auf der ganzen Welt regelmäßig antrifft. Allein dadurch ist sie aber nicht immer richtig :)
Das mit der Substitution glaube ich auch manchmal, aber andererseits geht es mir meistens doch um das "echte" Rollenspiel, und ich nehme auch immer mal wieder aus einer Diskussion etwas dafür mit. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass man Stunden um Stunden damit zubringt und doch keine Konsequenz für das eigene Spiel daraus zieht. Was ist wahrscheinlicher, dass man den für alle Zeiten perfekten Spielstil für sich und die Gruppe schon gefunden hat, oder dass man einige Dinge einfach dünkelhaft ablehnt, weil alles gut funktioniert?
Edit: +1 Zu dem was Wandler über Mehrwert sagt
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Offline Maarzan

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #16 am: 29.12.2016 | 12:01 »
Man könnte fast zwischen Rollenspiel"Physik" und Rollenspiel"Ingenieurstum" unterteilen. Letzteres braucht zwar einen gewissen Werkzeugsatz aus ersterem, aber danach zählt für letzteres Lösungen für bestehende Probleme (primär auslösend der große Knatsch am Spieltisch)  bzw. das finden von neuen, praxisgefragten Produkten oder Varianten davon.

Den einzigen Mehrwert den ich bisher aus der Rollenspieltheorie übertragen in die Praxis gesehen habe sind einzelne Techniken. Ganz egal welches Modell man sich ansieht, die verwendeten Methoden um diese unterschiedlichen Ziele/Stile/Modelle zu erreichen, sind die einzigen Elemente die ich auch an echten Spieltischen wiederfinden konnte, aber auch hier, nie in ihrer extremen, formellen Form aus der Theorie. Damit hat die Rollenspieltheorie aber für mich ihre Existenzbegründung und einen Mehrwert für das Hobby.

Der erste Mehrwert war die Erkenntnis, dass der andere nicht einfach grundsätzlich "falsch" spielte - aka anders als man es selbst gelernt hat und gewohnt war - sondern, dass es verschiedene Geschmäcker und damit Ziele gibt.
« Letzte Änderung: 29.12.2016 | 12:04 von Maarzan »
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vlyrr

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #17 am: 29.12.2016 | 12:05 »
Zitat
Man könnte fast zwischen Rollenspiel"Physik" und Rollenspiel"Ingenieurstum" unterteilen. Letzteres braucht zwar einen gewissen Werkzeugsatz aus ersterem, aber danach zählt für letzteres Lösungen für bestehende Probleme (primär auslösend der große Knatsch am Spieltisch)  bzw. das finden von neuen, praxisgefragten Produkten oder Varianten davon.

Da die Physik als Wissenschaft ihre eigenen Begriffe und Methoden nicht auf einer Metaebene (die wäre Wissenschaftstheorie also Philosophie) reflektiert sondern nur postuliert und verwendet, würde ich eher sagen: Mathematik und Ingenieurstum.  :D

Offline vanadium

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #18 am: 29.12.2016 | 12:08 »
Jeder kann und darf sich zu seinen Erfahrungen äußern, sei es zu Gruppendynamik, Spieltheorie, mathematischen Modellen.
Jeder, der keinen wissenschaftlichen Hintergrund hat (Soziologie, math.-naturwissenschaftl. etc.), verlässt das Feld der eigenen subjektiven Meinung damit nicht mal einen Millimeter.

mMn ist das Problem, dass Leute, die sich für ein Thema stark interessieren und RSP als Hobby betreiben - also Laien -, meinen, sie können theoretisieren.
Ohne entsprechenden fachlichen Hintergrund ist das alles (im besten Fall) nur pseudowissenschaftlicher Firlefanz.

Ist ja nicht umsonst so geregelt, dass Wissenschaft und Forschung an entsprechenden Institutionen von spezialisierten Leuten mit akademischen Hochschulabschluss betrieben wird.

Da könnte ja sonst jeder kommen... was 99,9% der "Theorie"-Threads in RSP-Foren nach wiss. Maßstäben auch beweisen.
« Letzte Änderung: 29.12.2016 | 12:11 von vanadium »
"Ohne Heu kann das beste Pferd nicht furzen."

"Meister, was darf’s sein?"
"Ein kleines Omelett, bitte!"
"Mit einem oder zwei Eiern?"
"Mit Zwanzig!"

Offline Maarzan

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #19 am: 29.12.2016 | 12:12 »
Ist ja nicht umsonst so geregelt, dass Wissenschaft und Forschung an entsprechenden Institutionen von spezialisierten Leuten mit akademischen Hochschulabschluss betrieben wird.
Da könnte ja sonst jeder kommen...

Klar, dann kommen Bildungsreformen, Integrationskonzepte, politische Studien etc. zu Stande ... .

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Offline Wandler

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #20 am: 29.12.2016 | 12:16 »
@Marzaan, der Mehrwert, dass andere andere Ansichten haben, ist nichts, das die Rollenspieltheorie für sich vereinnahmen kann. Denke ich zumindest. Das ist eine Frage von zwischenmenschlichen Beziehungen und kein direkter Gewinn durch die Rollenspieltheorie selbst.

Offline Antariuk

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #21 am: 29.12.2016 | 12:25 »
Für mich waren alle Theoriediskussionen die ich gelesen oder aktiv mitbetrieben habe immer zu 100% "Hit or Miss", egal um was es ging oder mit welchen Modellen da argumentiert wurde. Es gibt halt Dinge, die betreffen mich einfach persönlich nicht, entweder weil ich ein anderes Spiel spiele oder weil ich den betreffenden Aspekt in meinen Runden einfach nicht zum Thema mache (wahrscheinlich weil in der Hinsicht alles für die Beteiligten rund läuft). Das GNS-Modell hat mMn schon immer mehr Probleme verursacht als gelöst und ich bin heilfroh dass es in theoretischen Diskussionen mehr und mehr in den Hintergrund gerückt ist. Das Ding ist wie einer der RPG-Texte von Robin D. Laws: liest sich gut, man nickt mehrmals zustimmend, um am Ende hat man keine Ahnung wie man den Kram umsetzen/anwenden soll.
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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #22 am: 29.12.2016 | 12:26 »
@Clausustus

Was Du noch in Deine Überlegungen einbeziehen könntest wäre ganz grundsätzlich eine Leitdifferenz in deskriptive und präskriptive Rollenspieltheorien.

Ist die jeweilige Theorie nur beschreibend oder vorschreibend?


Offline Maarzan

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #23 am: 29.12.2016 | 12:27 »
@Marzaan, der Mehrwert, dass andere andere Ansichten haben, ist nichts, das die Rollenspieltheorie für sich vereinnahmen kann. Denke ich zumindest. Das ist eine Frage von zwischenmenschlichen Beziehungen und kein direkter Gewinn durch die Rollenspieltheorie selbst.

Sehe ich anders. Ohne die BVorarbeiten vom Threefold haben all die Diskussionen am Spieltisch zu nichts geführt.
Erst mit dem Threefold kam das Verständnis, was der andere da haben wollte (und das Vokabular/das Bewußtsein, was es war, was man selbst da genau gesucht hat) und somit die Basis fü eine gezielte Diskussion und dann für Kompromisse zumindest zwischen einigen Beteiligten.
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Offline Deep One

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Re: Das Problem von Rollenspieltheorie
« Antwort #24 am: 29.12.2016 | 12:31 »
Das Problem von Rollenspieltheorie in drei Sätzen zusammengefasst:

Der Begriff des Paradigmas ist ein zentraler in den (Gesellschafts-)Wissenschaften des 20. Jhs. Ggf. mal bei dem bekanntesten Schreiber T. Kuhn nachschlagen.
Ansonsten kurz im Duden.

Natürlich hätte man in diesen drei Sätzen den Begriff "Paradigma" definieren können, aber warum dieses tun, wenn man seine Zeit darauf verwenden kann, den proles ihren bedauerlichen und unverzeihlichen Mangel an gesellschaftswissenschaftlicher Bildung vor Augen zu halten?