Autor Thema: Heart of Darkness: Manitoba  (Gelesen 1265 mal)

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Offline Talwyn

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Heart of Darkness: Manitoba
« am: 24.02.2017 | 10:10 »
Hallo Tanelorn,

ich habe eine Idee für ein Abenteuer/Szenario oder sogar eine kurze Kampagne. Momentan ist alles noch recht nebulös und ich brauche ein bisschen kreativen Input, da ich noch nichtmal weiß, mit welchem System ich das Ganze abfackeln möchte (hier bin ich grundsätzlich eigentlich für alles offen). Hier mal die Eckdaten:

Inspiration: Frontier (Netflix/Discovery Canada), Heart of Darkness (Joseph Conrad), Apocalypse Now (Francis Ford Coppola)
Settting: Rupert's Land, Canada, um 1770, das spätere Manitoba. Die Hudson Bay Company dominiert dank ihres von der englischen Krone gewährten Monopols den extrem lukrativen Fellhandel in dem als Rupert's Land bekannten Teil Nordamerikas. Die Handelsgesellschaft stellt de facto die einzige bewaffnete Schutzmacht in der Region dar und ihre Gouverneure walten nach Belieben.
Aufhänger: Jüngst haben andere Handelsgesellschaften versucht sich einen Teil des lukrativen Geschäfts anzueignen, was dazu führte, dass die Profite der Company gesunken sind. Die HBC hat deswegen den berühmt-berüchtigten Lord Harrington in die Neue Welt entsandt, um die Konkurrenz zu beseitigen und die Profitabilität der HBC wieder auf das ursprüngliche Niveau zu bringen. Harrington begann nach seiner Ankunft unmittelbar einen blutigen Krieg, in dem er die Soldaten der HBC einsetzte, um die unabhängigen Fellhändler gnadenlos niederzumetzeln. Dieser Krieg jedoch war äußerst verlustreich, wodurch Harrington das ursprüngliche Ziel der Operation, nämlich die Sicherstellung der wirtschaftlichen Erfolgs, nicht erreichen konnte. Die Company hat dementsprechend genug und schickt einen Ermittler an die Hudson Bay, der Harringtons Vorgehen überprüfen und in London Bericht erstatten soll. Als selbiger eintrifft, ist Harrington jedoch nicht mehr aufzufinden. Eine kurze Nachforschung ergibt, dass er mit einigen Soldaten der Company zu einer Flussreise ins Landesinnere auf dem Nelson River aufgebrochen ist. Dieser führt bekanntermaßen durch das Gebiet der Ureinwohner bis zum Lake Winnipeg. Die SC erhalten daher den Auftrag, Harrington zu folgen und herauszufinden was er plant.
Klimax: Harrington ist tief ins Landesinnere vorgedrungen und hat sich am noch hinter dem Lake Winnipeg gelegenen Lake Manitoba niedergelassen. Dort ist er - wie auch immer - zum Häuptling eines Stammes von Ureinwohnern ("Cree") aufgestiegen und hat eine grausame Schreckensherrschaft installiert. Von der HBC hat er sich vollständig losgesagt.

Soviel habe ich bisher. Meine Fragen zu diesem Zeitpunkt:

- Welches System würdet ihr für dieses Szenario verwenden. Atmosphärisch soll das ganze in Richtung grim & gritty gehen: Kämpfe werden stattfinden, sind aber etwas, was die Spieler zu vermeiden suchen sollten, das Verletzungen ernsthafte Konsequenzen haben. Was außerdem unbedingt ein Element sein sollte, wäre psychologischer Horror. Je weiter die SC dem Strom flussaufwärts folgen, desto extremer werden ihre Erlebnisse. Sie begegnen zunehmend mehr in die Barbarei verfallenen NSC und werden letztlich auch mit ihren eigenen dunklen Seiten konfrontiert. Ich bin mir momentan unsicher, ob sowas überhaupt von irgendeinem Regelwerk abgebildet wird, und ob man das braucht. Von den Systemen die ich kenne, passt keines so richtig, Ideen finde ich hingegen überall: Die Tagline von Fiasco passt grundsätzlich perfekt ("A game of great ambition and poor impulse control"), in Burning Wheel erscheinen mir die BITs gut geeignet um die Charaktere persönlich zu involvieren. Cthulhu hat immerhin Wahnsinns-Mechaniken, allerdings sind mir diese ein wenig zu plakativ. Mir geht es nicht darum, dass die Charaktere Phobien und andere Störungen sammeln wie Goldmünzen, sondern dass mit jeder Meile auf dem Fluss die auf dem dünnen Schleier der Zivilisation lastende Spannung zunimmt, bis er schließlich reißt und das Tier im Menschen zum Vorschein kommt.

- Welche Begegnungen, Ereignisse, Schauplätze und Orte könnte es unterwegs geben? Wie könnte eine Gewalt- und Eskalationsspirale aussehen, die im Lauf des Abenteuers immer wüstere Kapriolen schlägt?

- Was hat es mit Lord Harrington auf sich? Ich glaube ich will seine Reise und die Abkehr von der HBC gar nicht groß begründet haben, aber wie hat er es geschafft als weißer Europäer zum Oberhaupt eines Cree-Stammes zu werden? Meine erster Gedanke war es, an dieser Stelle cthulhoide Elemente einfließen zu lassen: In der Nähe des Cree-Lagers gibt es im Wald eine unheilige Stätte, die die Ureinwohner meiden und fürchten. Harrington hat über den Indianer-Hokuspokus nur gelacht und hat seine Männer genau an diese Stelle geführt. Am nächsten Morgen kehrte er allein zurück, getränkt im Blut seiner eigenen Soldaten und... merkwürdig verändert. Die Cree hatten von diesem Moment solche Angst vor ihm, dass sie sich ihm unterwarfen.

Soweit, so gut, würde mich freuen, wenn dieser Thread ein paar Ideen generiert.
« Letzte Änderung: 24.02.2017 | 10:12 von Talwyn »
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Offline Antariuk

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #1 am: 27.02.2017 | 00:11 »
Hui, das klingt nach einer spannenden Idee! :d

Was das Regelsystem angeht, denke ich spontan an Fate. Da kann man, je nach gespielter Version, unterwegs immer neue Aspekte reinbringen, vor allem über neu entdeckte Orte, die man gezielt anspielen kann (die müssen ja keineswegs positiver Natur sein). Bei Evil Hat kann man das Zeug ja auch kostenlos downloaden, und im Forum hier findet sich auch massig Stoff zu dem System. Der Einfachheit halber würde ich Fate Accelerated Edition nehmen und ein bißchen hacken, z.B. den Stress Track anpassen.

Für Begegnungen und Schauplatze ist es denke ich wichtig die Eskalation sowohl auf psychischer als auch physischer Ebene zu eskalieren. Physisch ist das ja relativ leicht, man fängt mit Vandalismus an (ein paar Hütten wo Türen und Fenster eingeschlagen wurden), geht weiter mit Brandstiftung und endet mit kompletter Zerstörung inkl. Schleifen von Mauern. Psychisch ist es denke ich wichtig, sein Pulver nicht zu früh zu verschießen. Anfangs wurden Leute an den Landungspunkten geschlagen, vielleicht mal einer getötet, dann wird Mord zum Hauptmotiv, dann irgendwann werden die Überlebenden mit Verstümmelungen mehr, und zuletzt findet man arme Schweine die lebend in Kisten genagelt und an Bäumen aufgehängt wurden und vielleicht noch gerade so atmen, oder mit Folter und Gewalt gezwungen wurden ihre Familie zu essen und jetzt total verstört vor sich hin vegetieren. Da man die Schraube nur so weit drehen kann bevor es absurd wird, ist Behutsamkeit zu Beginn mMn essentiell.

Was Lord Harrington selber angeht weiß ich nicht, ob man die wahren Motive wirklich ergründen können sollte. Was sich hier, vor allem aufgrund der Geografie und der Zeit aber total anbieten würde, ist der Mythos des Wendigo. Den werden die Einheimischen auch alle kennen, aber vielleicht hat es mit Lord Harrington ja eine neue Form angenommen die selbst die weisesten Ureinwohner nicht direkt erkennen.
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Offline Gwynplaine

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #2 am: 27.02.2017 | 00:34 »
Das klingt großartig *Abo*

Schau Dir eventuell mal "Ten Candles" an, das ließe sich eventuell in die gewünschte Richtung anpassen...

Offline Talwyn

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #3 am: 27.02.2017 | 07:19 »
Oh, super Ideen, besonders der Wendigo-Mythos erscheint mir tatsächlich perfekt zu passen. Fate müsste ich mal wieder ein bisschen lesen, ich habe ein paar Derivate im Schrank stehen (Spirit of the Century, Diaspora, Malmsturm 1ed, Legends of Anglerre). Mal schauen wie man das anpassen kann, um den gewünschten Spielstil zu bedienen.
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Offline LushWoods

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #4 am: 27.02.2017 | 10:03 »
Sehr cool Heart of Darkness wollte ich auch schon lang mal irgendwie und irgendwo einbauen.
Zu deinem Setting patt Colonial Gothic hervorragend. Da gibt's auch ein Mythos-Sourcebook dazu.

Guckst du hier:
https://www.drivethrurpg.com/browse.php?keywords=Colonial+Gothic&x=0&y=0&author=&artist=&pfrom=&pto=

Und hier:
http://www.tanelorn.net/index.php/topic,101425.0.html


Offline +12vsMentalDamage

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #5 am: 27.02.2017 | 14:39 »
Ziemlich großartige Idee. Herz der Finsternis ist da eine sehr schöne Vorlage. Zu Fate als Regeln (ich kenne es nur vom Lesen, man möge mir also eine falsche Interpretation verzeihen): mir kam Fate nicht so tödlich vor, was aber für die anvisierte Stimmung aber wichtig wäre - kann mich da aber auch irren.
Zu Lord Harrington würde mir spontan einfallen, dass es vielleicht gar keinen mythischen oder cthulhoiden Hintergrund bräuchte, sondern dass der Lord einfach durch sein dämonisches Charisma und seine Brutalität zum Anführer des Stammes wurde. Ganz ähnlich, wie es ja Conrad in seinem Buch beschreibt. Oder es ist kein Stamm, sondern eine große Gruppe Verstoßener oder ein Kriegerbund.
Die Ideen von Antariuk zur Eskalation, vor allem der Gewalt, finde och sehr passend. Dazu kam man sich auch wieder das Buch zur Vorlage nehmen: egal auf wen die SC treffen (Indianer, Fallensteller,Siedler);sie alle haben neue Geschichten von Harrington zu erzählen, neue Legenden dessen was ihn antreibt, sei es die Gier nach Fellen ergo Reichtum, die Besessenheit durch den Teufel, der Bund mit den "teuflischen" Indianern, etc.
Der Konflikt mit Harrington steht ja im Zentrum der Kampagne, aber er taucht als Person ja erst ganz zum Schluß auf, daher ist es sehr wichtig, dass er den SC überall als immer schrecklichere, geheimnisvollere und wahnsinnigere Person in diesen Erzählungen oder den Spuren seines Wirkens begegnet.
Mögliche Begegnungen könnten sein: ein Soldat, der mit dem Lord den Fluss hinaufgezogen ist und der zugleich aus Furcht vor diesem geflohen ist und doch immer noch so sehr fasziniert und von dieser Person beherrscht ist, dass er dessen wahnsinnige Taten verteidigt. (Ich denke da an diese Harlekin-Figur aus dem Buch).
Dies mal als gerade eingefallenen Ideen.
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Offline Talwyn

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #6 am: 27.02.2017 | 23:31 »
Vielen Dank für die Ideen!

Colonial Gothic sieht in der Tat ganz interessant aus, das werde ich mir Mal genauer ansehen.

Bezüglich Lord Harrington: Da muss ich mir noch Gedanken machen, ob das Monster Mensch nicht tatsächlich die gruseligste Variante wäre. Evtl. kann man den Wendigo-Mythos trotzdem einfließen lassen, weil die Cree ihn dafür halten. Vielleicht ist die Legende Harrington bekannt und er hat ganz bewusst einen ritualisierten Akt des Kannibalismus vollzogen, um die Cree davon zu überzeugen, dass er der Wendigo  ist. Vielleicht verlangt er selbiges auch von allen, die sich seinem Stamm anschließen wollen.


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Offline Talwyn

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #7 am: 1.03.2017 | 10:30 »
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, den Nelson River auf Google Maps auszumessen: Von York Factory - dem Hauptquartier der HBC an der Hudson Bay - bis nach Warren Landing - einer Siedlung am Abfluss der Nelson River aus dem Lake Manitoba ist man auf dem Fluss gut 675 km unterwegs. Von dort wären es nochmal gut 250 km einmal quer über den Lake Winnipeg nach Fisher River, wo die SC dann wieder an Land gehen würden, um dann nochmal um die 120 km auf Schusters Rappen in Richtung Lake Manitoba zurückzulegen.

Daher mal so eine ganz generelle Frage: Wie schnell kommt man denn auf so einem (vermutlich) langsam fließenden Fluss stromaufwärts voran, wenn man vermutlich stromaufwärts unterwegs ist? Nach dem was ich im Netz so lese würde ich mal so ca. 30-40 km ansetzen. Demnach würde die Flussreise bis zum Lake Winnipeg grob geschätzt um die drei Wochen dauern, wenn man davon ausgeht, dass unterwegs kein Tag verloren geht.

In Warren Landing ginge es dann mit einem kleinen Segelboot weiter, mit dem man die Distanz über den Lake Winnipeg in geschätzt 4-5 Tagen hinter sich bringen kann. Die letzten 120 km zu Fuß durch die Wildnis würde ich mal mit 10 Tagen ansetzen.

Die reine Reisezeit bis zu Harrington's Stamm betrüge dann also ungefähr einen guten Monat - wobei das Ganze durch Ereignisse und Begegnungen unterwegs sicher nochmal gestreckt wird.
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Offline Chiarina

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Re: Heart of Darkness: Manitoba
« Antwort #8 am: 5.06.2020 | 12:56 »
Hier muss ich nochmal nachfragen: Die Idee fand ich vielversprechend. Ist etwas daraus geworden, Talwyn?
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)