Autor Thema: [Schreibübung] März 2017  (Gelesen 1367 mal)

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Offline taurussieben

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[Schreibübung] März 2017
« am: 1.03.2017 | 10:09 »
So, wie versprochen. Und sogar schon am Morgen, weil ich krank im Bett bin.

Regeln:
  • Der Thread wird circa zwei Wochen offen sein, in der Zeit kann jeder eine Szene, Dialog, Mini-Kurzgeschichte, die mit dem gezeigten Bild in Verbindung steht,  posten.
  • Die Länge sollte dabei 2 Word Seiten nicht überschreiten, sonst findet keiner die Zeit,  das auch zu lesen.
  • Alle Diskussionen, Kritiken und Reviews werden in einem extra Thread erfolgen, damit jede Story gefunden werden kann. Auch damit man als Leser nicht durch die Diskussionen abgelenkt wird. Den Review-Thread mache ich auf nach dem die ersten Geschichten gepostet sind
  • Wer merkt, das er dabei ist mehr als 2 Seiten zu schreiben, stellt einfach zwei Seiten rein, die Sinn machen oder auch eine Szene.
  • Und achtet auf das Altersrating.  :P

Wenn ich was wichtiges vergessen habe sagt Bescheid.
Bild: Hjalmar Whalin


Edit: Warum sagt mir niemand, das ich die falsche Jahreszahl die ganze Zeit verwendet habe xD

[gelöscht durch Administrator]
« Letzte Änderung: 11.03.2017 | 15:58 von taurussieben »

Offline KhornedBeef

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Re: [Schreibübung] März 2016
« Antwort #1 am: 8.03.2017 | 23:46 »
Fünfunddreißig Meter bis zum Grat. Boah..
Komm schon, die gehen jetzt auch noch.
Der Typ vom Bergwanderverein in München hatte gesagt, die Aussicht ist jeden Schritt wert. Leicht reden, wenn man aussieht, als würde man zur Entspannung Arktisexpeditionen leiten. Damals vor vier Monaten klangen die Etappen auch bei Weitem nicht so lang. Aber dafür immerhin genauso schön.
Dreißig Meter.
Die Idee mit Patagonien kam eigentlich von ganz alleine. Bertie und Andi waren schon zusammen in Bolivien und Chile gewesen, waren an den Hängen der Anden entlang den alten Inkapfaden gefolgt. Damals, kurz nach dem Abi. Bertie hatte schon immer etwas mehr Puste als er gehabt und unterwegs immer gesagt, sie sollten bis nach Feuerland weiterlaufen. Wenn schon denn schon!
Fünfundzwanzig Meter.
Bertie. Robert. Als er an die Schule kam, hatte es einfach geklickt. Seelenverwandtschaft, hatte Bertie mal gesagt, und Andi hatte nicht gelacht über das Wort. Er wusste das es ernst gemeint war, und irgendwie stimmte es ja auch. Wenn einer von Ihnen grinsend mit einem neuen Plan für irgendetwas Beknacktes um die Ecke kam, musste er kaum mehr als ein paar Worte sagen bevor der andere den Faden aufnahm, als hätten sie alles schon einmal besprochen. Bertie hatte ihn auch nie ausgelacht, wegen Blue.
Zwanzig Meter.
Alle anderen...die meisten lachten erst, dann kam der Blick. Verunsichtert, als hätte er einen geschmacklosen Witz gemacht. Dann ungläubiges Schauen, machmal mitleidig. Nicht dass er nicht schnell gelernt hätte, überhaupt niemandem mehr von Ihm zu erzählen. Nachdem seine Eltern ihn als Kind zu einem Psychologen gebracht hatten, hatte er auch irgendwann angefangen, ihnen zu erzählen, Blue hätte es nicht wirklich gegeben.
Fünfzehn Meter.
Aber es hatte ihn immer gegeben, er konnte ihn anfassen, mit seiner Hand über die glatte, glänzende Haut fahren. Zu Anfang war er klein wie ein Hundewelpe, hatte sich auch fast so benommen, ihn die ganze Zeit umkreist. Als Andi älter wurde, veränderte sich auch Blue. Seine Bewegungen nahmen etwas fließendes, majestätisches an, und er wuchs mit ihm.
Zehn Meter.
Das erste Mal fiel es ihm auf, nachdem er beim Sport als einziger bis an die Decke der Halle geklettert war. Klettern machte ihm Spaß, und wenn er genau genug hinsah, gab es immer einen nächsten Schritt, um noch ein Stück höher zu kommen. Als er Blue auf dem Heimweg sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Er erkannte ihn sofort, aber er war fast doppelt so lang wie am Tag davor. Von da an waren es immer solche plötzlichen Sprünge. Als er das Facharbeitsthema wählte, von dem ihm gleich mehrere Lehrer abgeraten hatten. Später, auch als er wenig Zeit hatte und Blue tagelang nicht sah, war er immer plötzlich wieder da. Als Andi sich mit dem Schüleraustausch durchsetzte, und, da war er schon so lang wie ein Van, als Andi und Bertie ihren ersten Fünftausender erklettert hatten.
Fünf Meter.
Bertie hätte hier bei ihm sein sollen, ihn antreiben sollen. Er wäre auf ihrer ersten Tour umgedreht wenn Bertie nicht gewesen wäre. Aber dann kam der blöde Sturz, und das Knie, und der Arzt mit dem Befund, als sie alles schon gebucht hatten. Andi hatte alles absagen wollen, aber Bertie wollte das nicht hören. Neun Monate Vorbereitung, hörte er sein Stimme jetzt noch. Das wäre alles für die Katz. Er solle gefälligst Photos für ihn machen. Nächstes Jahr ist das Knie wieder fit, hatte er gegrinst, genieß die Schonfrist, Schnecke.
Ein Meter.
Andi blickt hoch, und muss Lachen.
"Wo hast du dich die letzte Woche versteckt, hm?"


Edit: Doch noch Tippfehler
« Letzte Änderung: 9.03.2017 | 09:47 von KhornedBeef »
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
Firepower, B&C Forum

Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

El God

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Re: [Schreibübung] März 2016
« Antwort #2 am: 9.03.2017 | 09:44 »
Der Rand der Welt

Sohn: Mutter, warum ist die Welt so schwer?
Mutter: Weil wir über ihren Rand geschwommen sind.
Sohn: Aber wieso?
Mutter: Unterbrich mich nicht und lausche. Ich will es dir doch erklären. Es ist nur schwer, zu sprechen. Also sei still, damit ich mich nicht wiederholen muss.
Sohn: Ich bin still.
Mutter: Die Welt als Ganzes ist schwerelos. Sie hängt im Gleichgewicht, perfekt gewogen am Schnittpunkt von oben und unten. Unten ist die Welt leicht und freundlich. Sie liefert Nahrung, Raum und Zeitvertreib. Oben ist die Welt schwer und alles zieht uns zurück ins Nass. Doch wie alles seinen Platz hat, liefert uns nur das Oben den Atem.
Sohn: Ich verstehe nicht. Wir sind oben und das Atmen ist so schwer! Die Welt ist kaputt. Was ist nur geschehen?
Mutter: (nachsichtig tadelnd) Du sollst mich nicht unterbrechen. Unsere Zeit im Oben ist begrenzt. Sind wir ihm ausgesetzt, läuft unsere Uhr rückwärts. Entfliehen wir ihm, finden wir Sättigung, aber auch Sehnsucht – die Gier nach Luft und einem Sprung, dem klatschenden Schlagen unserer Fluke – das ist unser Verderben. In dem Oben ist ein schleichendes Gift, das unser Leben stiehlt.
Sohn: (schweigt)
Mutter: (schweigt)
Sohn: Mutter, sprich weiter.
Mutter: (seufzt) Es ist so schwer. Aber gut. Dieses Gift ist aber gleichzeitig das, was unser Leben erhält. Wenn du zu tief tauchst, dich zu lang vom oben entfernst, weil du denkst, du seist stark und unserer Sucht nach Luft entwachsen, fliehen die Geister dich, dein Fleisch färbt sich schwarz und du wirst nimmermehr springen. Und auch die Menschen …
Sohn: (wimmert) Sprich nicht von den Menschen, ich fürchte mich!
Mutter: (gnadenlos) Und auch die Menschen leben im Oben. Gnadenlose Todesfeen, Raubhaie mit einem einzelnen stechenden mordenden Zahn, Blutvergießer, Fettabreißer, Flossenbeißer, Beinmalmer, Walratschlürfer, gemeine, gierige. (holt tief und keuchend Atem) Sie haben die Welt aus dem Gleichgewicht gebracht. Seitdem ist das Oben schwerer als das Unten leicht ist. Und trotzdem zieht es uns an, drückt es uns zur Luft.
Sohn: Schau nur! Ich kann ein Riff sehen. Es ist ganz weit. Die Spitzen voller weißer Korallen, die Flanken voll Seegras. Überall Vögel.
Mutter: Die Menschen sind verkehrte Wesen. Sie taugen nicht für das Unten. Sogar ihre Riffe sind falsch. Stell dir nur vor, sie schwimmen nicht durch ihre Luft, sondern werden auch vom Oben zu Boden gedrückt. Tauchen sie ein, so schnellen sie schon bald zurück nach oben wie ein aufgedunsener Robbenkadaver.
Sohn: Ich würde gern mit ihnen tauschen. Ich will laufen können. Will weg hier.
Mutter: (träumerisch) Stell dir das nur vor. Oben und unten vertauscht. Wir im Oben lebend. Frei zu atmen, wann immer wir wollen. Nichts, was uns zurück ins Unten drückt, in Dämmer und Tiefe. Frei, zu fliegen. Über diese fernen Riffe da. Gebirge nennen sie die Menschen.
Sohn: Was würden wir fressen?
Mutter: Wir könnten unsere Kalmare über den Wolken jagen. Unsere Lieder tief in die Schluchten und Täler singen.
Sohn: Und der Mensch wäre verbannt an den Grund des Unten. Müsste dort laufen. Und um uns zu jagen, müsste er auf die höchsten Riffe steigen, damit sein Zahn uns fangen kann.
Mutter: Selbst wenn, wir flögen über die Gipfel und wären sicher!
Sohn: Wovon träumen die Menschen?
Mutter: (selbstsicher) Davon, so zu sein, wie wir. Frei, in jede Richtung zu schwimmen. Nicht an den Scheitelpunkt von Oben und Unten gekettet. Durch das Blau gleitend, in jeder der drei Dimensionen ungebunden. Weißt du, sie müssen ihre Kälber tragen. Schwimmen können die auch nicht.
Sohn: (erstaunt) Sie können nicht schwimmen?
Mutter: Nein. Sie müssen es erst lernen.
Sohn: Dann will ich nicht mit ihnen tauschen.
Die Mutter rutscht, so gut es geht, nah an ihn heran. Ihr Atem geht immer schwerer. Sie genießt seine Nähe, schweigt.
Der Sohn rollt ärgerlich mit den Augen. Seine Fluke zuckt gelegentlich, aber er ist längst zu schwach, um mit ihr noch zu schlagen. Sein Mund steht offen, auch er hat Schwierigkeiten, zu atmen.

Mutter: (schwach) Du konntest schon immer schwimmen. Selbst in mir bist du geschwommen. Wir tauchten gemeinsam in die tiefsten Tiefen, haben gemeinsam gejagt. Du warst in mir in deinem eigenen Ozean. Ohne Sucht nach dem Oben hast du deinen Atem aus meinem Blut gestillt. Erst deine Geburt … erst die hat dich dazu verdammt, nach Luft zu gieren.
Sohn: (abwesend nachdenklich) Tragen die Menschen ihre Kälber dann in einem Sack voll Luft? Und die Vögel? Fliegen deren Kälber schon im Ei? Ich glaube, mit den Menschen will ich nicht tauschen. Am Ende bin ich doch mit der Schwere und dem Horizont verstrickt. Mutter, ich glaube, ich will lieber ein Vogel sein.
Mutter: (kaum hörbar) Dann sei ein Vogel.
Sohn: Mutter, kannst du mir noch einmal von den Vögeln erzählen, die ins Wasser stürzen und dann dort ebenso fliegen? Die das Unten und das Oben beherrschen?
Mutter: (stirbt)
Sohn: (redet unbeirrt weiter) Wenn ich wählen könnte, wäre ich am liebsten eines dieser Wesen. Wie es wohl ist, so vollkommen frei? Ich glaube, dann fürchtete ich nicht einmal die Menschen und ihre seltsamen Zähne.
(schweigt eine Weile) Aber ich hörte sie noch nie singen. Vielleicht können sie es gar nicht?
(schweigt noch eine Weile) Ich bin müde, Mutter. Sing mir was vor.
(wartet) Mutter? Mutter? Schläfst du schon?
(eine Gruppe von Menschen in Strandkleidung tritt auf)
Menschen: (reden durcheinander) … habe ich ja noch nie gesehen. / Seht, da liegt noch einer. / Der ist ja noch ganz klein. / Schaut nur! Er lebt noch! / Was ist das für einer? Das sind ja richtige Zähne. / Mann, das ist ein echter Pottwal! Früher wären wir reich gewesen. Der ganze Waltran, das Ambra, das Fett und Fleisch. Jetzt guck doch nicht so, ich sag ja nur.
Sohn: Verschwindet! Mich bekommt ihr nicht! (mobilisiert letzte Kräfte und schlägt mit der Fluke)
Menschen: Passt auf, dass er euch nicht erwischt. / Er braucht Wasser. Nehmt die Eimer. (sie begießen ihn)
Sohn: (hustet) Nicht doch! Nicht alles ins Blasloch! Ich bekomme kaum noch Luft. (jämmerlich) Sie verstehen mich nicht.
Menschen: Warum sind die Wale gestrandet? / Wir müssen ihn zurück ins Meer schieben. / Ich hab mal gelesen, dass man nicht am Schwanz ziehen darf. (sie zerren und schieben an ihm) Er ist so schwer. Wir brauchen Hilfe. (einer telefoniert) Ja, wir haben hier ein Walbaby. Es ist gestrandet. Wir brauchen … keine Ahnung. Feuerwehr? Polizei? Woher soll ich das wissen? (er ist fertig) sie schicken Hilfe.
Sohn: Jetzt wollen sie mich fressen. Sie sind schon rings um mich.
Menschen: Wie der zappelt. Er freut sich!
Sohn: Lasst mich!
Menschen: Keine Angst, wir retten dich. (mehr Helfer kommen)
Sohn: Ich bin noch zu jung. Ich brauche meine Mutter.
Menschen: Packt mit an! Jetzt schaffen wir es. (sie schieben ihn ins Meer)
Sohn: Ich bin zu schwach, ich kann kaum schwimmen. Wäre ich ein gestürzter Vogel, hättet ihr mich dann zurück in die Luft geworfen? Was gewinnt der Mensch, wenn er ein Sandkorn rettet, die Wüste aber verliert?

Offline Edvard Elch

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Re: [Schreibübung] März 2016
« Antwort #3 am: 11.03.2017 | 15:03 »
Umwölkt erhebt sich der majästetische Körper über den Gebirgskamm, um die Natur der ihm fremden Öde zu betrachten. Erleichtert, den beschwerlichen Weg in die so weit von seinen angestammten Gefilden entfernten Hochebenen unbeschadet überstanden zu haben, rastet er im Angesicht der schieren Größe des Anblicks, der sich ihm bietet, bevor ihn der innerste Kern seines Wesen, die unendliche Gier nach dem Fremden und Unerforschten weiter treibt, immer weiter, dem letzten Gipfel entgegen. Denn nichts, absolute nichts ist in der Lage, den unruhigen, forschenden Geist länger als wenige Augenblicke zufrieden zu stellen. Neues wird mit dem Schlag eines Lids alt und schal und verdorrt ihm auf der Zunge zu Asche. Und so wendet er sich ab und zieht weiter, dem nächsten Grat entgegen, während wir hier bleiben, gemütlich um diesen Gipfel unsere Kreise ziehen, die Augen auf den Rücken des langsam in der Ferne mit dem Horizont eins werdenden Menschen gerichtet.
Kants kategorischer Imperativ, leicht modernisierte Fassung: „Sei kein Arschloch.“

Drømte mig - mein Rollenspielblog.

Offline Huhn

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Re: [Schreibübung] März 2017
« Antwort #4 am: 11.03.2017 | 22:10 »
Am dritten Tag seines Aufstieges dachte er über Größe nach.

Nicht, dass sie ihm im Leben besonders oft begegnet wäre. Die Wanderschuhe hatte er in der Kinderabteilung gekauft, die Hosenbeine umnähen lassen und die etwas über hüftlange, regenabweisende und Schweiß-nach-außen-leitende super-duper Jacke, die ihm die zähnebleckende Verkäuferin im Outdoorladen zu den Schuhen aufgeschwatzt hatte, hing schlabbernd über einem weiteren nicht-so groß-wie-gewünschten Körperteil.

Und es war ja beileibe nicht nur die Größe des Wuchses, die ihm fehlte. Schon während seiner Ausbildung zum Bäcker hatte er immer nur kleine Brötchen backen dürfen, ehe er den Job wegen einer Mehlstauballergie ganz hatte hinschmeißen müssen. Danach war es stetig bergab gegangen.

Er unterbrach seinen Gedankengang um einen spitzen Stein aus seinem Schuh zu schütteln. Eine kurze Verschnaufpause, dann stapfte er weiter über die felsige Bergwiese nach oben, der Weite entgegen.

Ja, damals war es nach unten gegangen mit ihm. So weit nach unten, dass die Ärzte ihn von oben herab hatten behandeln müssen. Der mietbare Fußabtreter mit der freundlichen Schlag-Mich-Fresse. Nun waren seine Hemden verschlissen und das Maul ohne Zähnchen. Immer weiter war er geschrumpft, bis er schließlich fast weg war. Er dachte daran, ganz zu verschwinden. Einfach so, mit diesem leisen *Schlürf!*, das ein Abfluss macht, der sich den letzten Rest fusseligen Badewassers einverleibt.

Wieder hielt er inne, um kurz Luft zu holen. Die abgehackte Schnappatmung beruhigte sich. Vorsichtig begann er, über einen kleinen Felsbrocken zu kraxeln.

Ja, das mit der Badewanne, das schien ihm zunächst eine ganz realistische Idee zu sein. Aber dann beschloss er, lieber im Wind zu verwehen, statt im Abwasser zu verrülpsen. Er fand das irgendwie romantischer. Und einmal im Leben, fand er außerdem, hatte er sich ein wenig Romantik auch verdient. Und Größe. Einmal im Leben groß sein, das wärs.

Als der das nächste Mal den Blick hob, war er so hoch oben wie niemals zuvor. Sein unsteter Blick  strich sanfter werdend über die Spielzeug-kleinen Häuser im Tal, die vereinzelten Krüppelkiefern am Hang, die drahtigen Bergwiesen und schließlich, gar nicht mehr so viel höher als er, die schroffen Felsen, die weit in den Himmel ragten.

Mit Ruhe sog er den Anblick mit der frischen Atemluft ein. Vor ihm ragten drei besonders große Felsen auf. Ihm war, als würde sie sich ihm zuwenden und wie gütige Alte auf ihn herabschauen. "Du schaffst es!", sprachen sie aufmunternd. Er hasste sie dafür.

Und dann war da plötzlich der Blauwal. Majestätisch und schön entschwamm er den wattigen Wolken, die sich weit, weit oben in den Bergen verhangen hatten. Ein voller Gesang aus gewaltiger Brust ließ die Berge erzittern und vermischte sich mit dem sehr kleinen, sehnsüchtigen Seufzer einer eng gewordenen Kehle. Der Meeresgigant glitt nun gänzlich aus der Wolkenburg. Kraftvoll schlug er mit der Schwanzflosse und rauschte am Hang hinab gen Tal.

Ein besonders kräftiger Schlag der Flosse traf etwas sehr Kleines. Der gewaltige Blauwal bemerkte es gar nicht, so winzig war es im Vergleich zu ihm. Aus dem dünnen Sehnsuchtsschrei wurde ein verzücktes Kreischen. Wie fusseliges Badewasser, das, in viele kleine Tropfen zerteilt, schallgeschwind gen Erde rauscht, unterwegs verdunstet und sich mit den wattigen Wolken vermengt, die bald wieder einen Walfisch in sich aufnehmen werden.

So ein Kreischen war das. Kennen Sie nicht? Dann haben Sie wohl noch nicht oft genug über Größe nachgedacht.

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Offline taurussieben

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Re: [Schreibübung] März 2017
« Antwort #5 am: 15.03.2017 | 13:31 »
"Und?" Tarek blinzelte in das grelle Licht des Labors.
"Ich- Wie lange war ich weg?" Seine Beine und Arme fühlten sich an wie Blei. Er begann sie zu lockern und brachte seine Beine aus dem Schneidersitz gestreckt nach vorne. Er reckte sich vorsichtig, er versuchte dabei die zahlreichen Kabel an seinem Körper nicht zu sehr zu reißen. Dark konsultierte seine Uhr. "Es waren wohl rund drei Stunden."
"Mir war als wären es nur wenige Minuten gewesen." Tarek schüttelte den Kopf.
"Also?" Tarek zuckte mit den Schultern.
"Ich kann nicht sagen, wo ich war."
"Dann beschreib es." Tareks Blick wanderte in die Ferne an Dark vorbei.
"Ich sah einen Ort, wie in den Bergen. Schroffer Fels, wenige Pflanzen, Moos und Gras wohl. Ich sah einen Wanderer?"
"War er es?"
"Ich weiß es nicht. Es war eine schlanke eingepackte Gestalt. Aber ich habe kein Gesicht gesehen, vielleicht, vielleicht könnte er es sein." Tarek schwieg und versuchte sich genauer zu erinnern, doch es war kein klares Bild gewesen und je mehr Zeit verging umso mehr begann es zu verblassen.
"Egal, mach weiter, die Vision destabilisiert sich."
"Ich sah Wolken, viele Wolken und dazwischen ein Monster."
"Monster?"
"Ich kenne diese Kreatur nicht."
"Beschreib sie."
"Sie war langgezogen, mit einem großen gewölbten Maul? Er hatte Flossen und schien zu singen. Er glitt langsam und ruhig an mir vorbei." Dark überlegte.
"Zeichne es." Tarek hob seine Hand und begann leuchtende Linien in die Luft zu zeichnen. Sie waren stabil und klar. Etwas was heutzutage nicht mehr jeder konnte.
"Ich erkenne, was du gesehen hast." Tarek ließ seine Hand sinken.
"Was ist es?" Dark studierte die langsam verblassende Figur noch einmal.
"Ich bin mir sicher, das ist ein Wal."
"Ein was?" Dark schrieb das Wort so in die Luft, das Tarek es lesen konnte. Seine Linien waren schmaler und weniger strahlend. Dark wiederholte das Wort und Tarek sprach es nach.
"Was ist es?"
"Eigentlich ein endemisches Wasserlebewesen auf einem kleinen weit entfernten Planeten, den man Erde nennt." Dark projizierte eine Sternenkarte zwischen sie. Er markierte wo sie sich befanden und wo die Erde ist.
"Das ist weit." Dark lächelte amüsiert über das schon fast kindliche Erstaunen in Tareks Stimme. Dieser zog die Augenbrauen zusammen.
"Aber ich war definitiv nicht im Wasser, und ich habe auch nicht auf Wasser geschaut." Dark tippte sich nachdenklich an die Lippen
"Ich glaube auch nicht, das es auf der Erde war, dass er auf der Erde war. Wie du richtig festgestellt hast, es ist weit, zu weit, selbst für ihn." Dark seufzte. "Nehmen wir erstmal die Kabel von dir ab. Dann überlegen wir weiter. In seinen Unterlagen muss es eine Verbindung geben." Doch sein Blick wanderte zu dem kleinen markierten Punkt in einem weit entfernten System.