Autor Thema: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch  (Gelesen 6899 mal)

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #25 am: 16.05.2017 | 14:33 »
@ Vermi: Die Motivation würde ja bereits in der Definition von Fairness selbst stecken, wenn man sowas wählen würde wie skizziert: "Fairness ist die klare und zeitstabile Absicht, den Beteiligten ihr Recht zuzuteilen." Das Vorgehen hingegen ist dabei nur eine Dimension der Fairness, nämlich die Verfahrensfairness bzw. prozedurale Fairness. Die beschreibt das Verfahren und das ist die kritische Frage, wenn man über dramaturgisch motivierte Spielleitereingriffe spricht. Aber es gibt auch ne ganze Menge zu sagen zur Fairness, beispielsweise zur Beurteilung des Ergebnisses der Verteilung und der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Das wäre dann die Verteilungsfairness bzw. distributive Fairness. Riesenthema, auch im Rollenspiel.

EDIT: Noch kurz zum Vertrauen. "umgangssprachlich ist Vertrauen ja eher das Ergebnis, was sich dann irgendwann einstellt". Hm, echt? Ich sehe das eher als Skala. Das "Zulassen von Verletzlichkeit gegenüber Dritten" ist für mich ziemlich nah dran am umgangssprachlichen Verständnis. Aber ich denke da auf alle Fälle in einer Skala. Wenn ich mich mit Leuten zum Rollenspiel zusammensetze, dann opfere ich zunächst mal meine Zeit. Die kann ich verlieren, wenn die Runde scheiße läuft. Da ein solcher Verlust nicht so wahnsinnig groß wäre, macht man das schon mal und spielt auf Cons mit Fremden. Geringes Vertrauen. Außerdem gewährt man jedem der Beteiligten erst mal einen Vertrauensvorschuss. Damit es losgehen kann. Das ist aber flüchtig und muss über die Zeit unterfüttert werden. Wenn Du aber in einer Runde anfängst richtig zu schauspielern und aus Dir raus zu gehen und faxen zu machen und Gefühle zulässt und all das tust, was das Hobby schön machst: dann gewährst Du den Leuten viel Vertrauen, denn die können Dich natürlich verarschen damit, wie miserabel Du dieses oder jenes gemacht hast. Die können das in großer Runde herumerzählen und Dich in den Boden stampfen. Damit missbrauchen sie Dein Vertrauen und verletzen Dich. Je mehr Verletzlichkeit Du also gegenüber Dritten zulässt und je schmerzhafter der Missbrauch für Dich ist, desto ist das Vertrauen. Hm. Oder?


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« Letzte Änderung: 16.05.2017 | 14:45 von Wellentänzer »

Hellstorm

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #26 am: 16.05.2017 | 15:04 »
Persönlich halte das Andocken von "wissenschaftlichen" Begrifflichkeiten hoch gefährlich. Dadurch wird eine Diskusion sehr verkopft und Neulinge finden schwerer in die Diskusionen. Außerdem können Personen diese Begriffe ausversehen verwenden, ohne die "fachliche" Definiton zu kennen.

Beispielsweise ist der Begriff Vertrauen zwar relativ klar in der Bedeutung, so muss aber der Anwendungsbereich klar unterschieden werden. Vertrauen in Institutionen und Vertrauen in Personen funktioniert unterschiedlich und wird anders beeinflusst. Soll heißen, wenn man über "Vertrauen zum Spielleiter" reden möchte, müssen verschiedene Aspekte der Interpersonellen Verbindung betrachtet werden. Das kann dann auch auf das Verhältnis zur Gruppe erweitert werden.

Ein Rollenspielneuling der nun mit einer Frage zu so einem Thema kommt, wird sich diese Vorgedanken kaum machen. Will man also eine wissenschaftliche Diskusion haben, so muss der Kreis der Personen stark beschränkt werden und das Level der beteiligten Personen anhand einer Baseline (Wissen über Fachbegriffe, Formulierungsmethoden etc.) festgelegt werden. Aka ein Forum ist vorraussichtlich nicht der richtige Ort.

Jedoch kann man sicher Themen öffenen die genau diesen "elitären" (Mir viel kein besserer Begriff ein) Diskusionen haben. Dies kann man dann mit einem extra Kürzel versehen. Das kann in etwa funktionieren wie die "Schreibübungen" hier im Forum. Beispielsweise könnte Wellentänzer das Thema: "Fairness am Spielleitertisch" ausrufen. Danach werden Essasy gesammelt und in einem extra Thread diskutiert.


@Back to Topic
Fairness und Aufrichtigkeit am Spielleitertisch sind zu weit gefasst als das es einfache Überthematik dazu geben könnte. Die Diskusion braucht hier eine bessere Situation um sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Vieles lässt sich kurz in einem Satz zusammenfassen: "Dont be a dick!"
Wenn man unbedingt mehr zu diesem Thema wissen wollen, dann bleibt nur der Griff zu einem Sozialpsychologischen Buch und einem Buch über Gruppendynamik/Kommunikation.
« Letzte Änderung: 16.05.2017 | 15:17 von Hellstorm »

Offline Issi

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #27 am: 16.05.2017 | 15:36 »
Die Frage ist finde ich auch welchen Wert Fairness und vor Allem gegenseitigen Respekt für alle Teilnehmer hat und ob sie etwas ähnliches darunter verstehen.(Beispiel -behandle andere so, wie du selbst auch gerne behandelt werden würdest)
Wenn das der Fall ist bedarf es mMn. auch seltenst eines Appells.Vor Allem dann nicht,  wenn ähnliche Erwartungshaltungen bzgl. der Spielweise existieren.
Eine solche Ermahnung brauche ich mMn.  vor Allem dann wenn Uneinigkeit besteht, was denn IT und OT fair ist.
Wenn zum Beispiel einzelne diesen Wert im Reallife nicht pflegen, oder im Spiel abweichende Erwartungen haben.
Oder ums mal salopp zu formulieren.
Was mit bestimmten Mitspielern kein Problem ist, kann mit anderen ein großes sein.
Oder - es kann auch nur ein Problem geben, wenn eines da ist.
Was also mache ich, wenn eines da Ist? Finde ich den wirklich wichtigen Punkt.
"Sei kein Dick" ist zwar ein netter Ratschlag, Doch was hilft der, wenn du merkst,  dass gewisse Mitspieler kein Problem damit haben einer zu sein?
Wie geht ein Spieler mit solchen Leuten um, und macht das Sinn sich das anzutun? Aus welchen Gründen könnte es trotzdem Sinn machen? Aus welchen macht es keinen Sinn?
« Letzte Änderung: 16.05.2017 | 15:49 von Issi »

Ucalegon

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #28 am: 16.05.2017 | 15:41 »
Noch kurz zum Vertrauen. "umgangssprachlich ist Vertrauen ja eher das Ergebnis, was sich dann irgendwann einstellt". Hm, echt? Ich sehe das eher als Skala. Das "Zulassen von Verletzlichkeit gegenüber Dritten" ist für mich ziemlich nah dran am umgangssprachlichen Verständnis. Aber ich denke da auf alle Fälle in einer Skala. Wenn ich mich mit Leuten zum Rollenspiel zusammensetze, dann opfere ich zunächst mal meine Zeit. Die kann ich verlieren, wenn die Runde scheiße läuft. Da ein solcher Verlust nicht so wahnsinnig groß wäre, macht man das schon mal und spielt auf Cons mit Fremden. Geringes Vertrauen. Außerdem gewährt man jedem der Beteiligten erst mal einen Vertrauensvorschuss. Damit es losgehen kann. Das ist aber flüchtig und muss über die Zeit unterfüttert werden. Wenn Du aber in einer Runde anfängst richtig zu schauspielern und aus Dir raus zu gehen und faxen zu machen und Gefühle zulässt und all das tust, was das Hobby schön machst: dann gewährst Du den Leuten viel Vertrauen, denn die können Dich natürlich verarschen damit, wie miserabel Du dieses oder jenes gemacht hast. Die können das in großer Runde herumerzählen und Dich in den Boden stampfen. Damit missbrauchen sie Dein Vertrauen und verletzen Dich. Je mehr Verletzlichkeit Du also gegenüber Dritten zulässt und je schmerzhafter der Missbrauch für Dich ist, desto ist das Vertrauen. Hm. Oder?

Klingt überzeugend. Das bedeutet übrigens auch, dass mir uU jemand in einer Con-Runde deutlich mehr Vertrauen entgegenbringt als ein langjähriges Mitglied meiner Hausrunde, das aus welchen Gründen auch immer grds. nur ein bestimmtes Maß an Verletzlichkeit zulassen will/kann. Das beeinflusst auch stark, welche Rollenspiele/Themen/Stile man mit Leuten spielen kann und welche nicht. [Auch wenn natürlich jedes Rollenspiel, zu dem man irgendwie kreativ beiträgt, auf diesem Vertrauen baut].
« Letzte Änderung: 16.05.2017 | 15:43 von Ucalegon »

Pyromancer

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #29 am: 16.05.2017 | 15:42 »
Was neben Fairness und Aufrichtigkeit in meinen Augen auch extrem wichtig ist, ist Respekt. Die Spielteilnehmer sollen sich gegenseitig ernst nehmen, und sich ernst genommen fühlen.

Offline Wandler

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #30 am: 16.05.2017 | 17:28 »
Mir gefällt sowohl der Eingangspost, sowie auch Wellentänzers Anliegen. Eine gemeinsame double-blind-peer-reviewed Basis hätte sicher schon viele Diskussionen und Probleme unterstützt. Allerdings sehe ich die Umsetzbarkeit als kaum gegeben, selbst wenn es ein Wunschtraum wäre. So etwas lebt ja von einem Web of Trust, also die Authorität des Journals hängt vom Vertrauen in des Journal ab. Mir ist es meist sogar egal welche gemeinsame Basis man nutzt, Hauptsache es ist eine gemeinsame.

Trotzdem: Schöner Thread, bitte mehr davon.

Hellstorm, ist die Forge mit ihren Theorien nicht ein wenig ein Versuch so einen kleinen Kreis von Experten umzusetzen? Es wäre zu fragen warum konnte sie sich nicht durchsetzen/weiter verbreiten/zum de facto Standard werden, schließlich ist es sicher eines der größeren Projekte in die viel Lebenszeit und Motivation und Energie floss.
« Letzte Änderung: 16.05.2017 | 17:31 von Wandler »

Offline Huhn

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #31 am: 16.05.2017 | 17:38 »
Das war nicht als Witz gemeint. Nichts für ungut: mit einer Qualitätskontrolle entfallen rein destruktive Beiträge wie Deiner - und das wäre in meinen Augen ein Gewinn. Wer keinen Bock auf theoretische Debatten hat, der soll es halt lassen. Ansonsten hätte Dir Google geholen bei der Suche nach dem International Journal of Roleplaying. Seufz.
Die Tatsache, dass es das Magazin wirklich gibt, muss ja noch lange nicht heißen, dass du deinen Vorschlag, den ich einfach für weder umsetzbar noch sinnvoll halte, ernst meintest.

Ansonsten unterstütze ich Hellstorms Vorschlag - wenn dir wirklich an gut recherchierten Beiträgen gelegen ist, dann ist ein Forum, in dem es auch auf die Schnelle der Antworten ankommt, wenn der Anschluss ans Gespräch gewahrt werden soll, vielleicht nicht die richtige Form. Mach deinen eigenen Thread auf, sammle Beiträge, unterziehe sie deiner Qualitätskontrolle und veröffentliche sie dann. Aber ich glaube, dass ein solches Anliegen in Blogs besser umsetzbar wäre.

Dass die Forge mittlerweile tot ist, hat sicher auch seine Gründe... Humorlosigkeit mag einer davon gewesen sein.

Offline Lord Verminaard

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #32 am: 16.05.2017 | 21:14 »
Okay, ich denke, damit können wir den Exkurs zur Wissenschaftlichkeit bzw. Methodologie abschließen, ja?
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Offline Der Nârr

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #33 am: 16.05.2017 | 23:08 »
Fairness hat immer auch etwas mit der Interpretation der Fiktion zu tun, man kann sie nie davon losgelöst betrachten. Eine Gruppe, die kein gemeinsames Verständnis dafür hat, was in der Fiktion gerade passiert und welche Dinge möglich, welche wahrscheinlich, welche unmöglich sind, wird nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen, was Fairness angeht. Das eine ist von dem anderen nicht zu trennen.
Und die Fiktion kann nur gebildet werden in ständiger Rücksprache mit den Regeln. Regeln und Fiktion sind hier kaum voneinander zu trennen. Die Fiktion ist zwar auch das, was ich beschreibe und ausspiele und sage und mache und was in meiner "Vorstellung" die Spielfiguren tun und erleben. Aber die Fiktion wird eben auch durch die Regeln geformt (System Matters!). Die Interpretation der Regeln und ihre Anwendung (alle lesen dieselben Regel, verstehen ihre Anwendung aber unterschiedlich) haben Einfluss auf die Fiktion. Zwei Rollenspieler können dieselbe Regel lesen und daraus verschiedene Dinge ableiten, was nun möglich ist. Das fließt ja sofort in die Fiktion zurück. Die Fairness schließt also ein, hinsichtlich der Interpretation der Regeln auf einen Nenner zu kommen und das ist gleichbedeutend damit, hinsichtlich der Interpretation der Fiktion auf einen Nenner zu kommen.
Und mit einem Nenner bei den Regeln meine ich nicht etwas wie "hier ist etwas uneindeutig formuliert, welche Auslegung wählen wir", sondern eher die allgemeinen Dinge, die nach dem Verständnis des Wortlauts der Regeln stattfinden und sich dann in der Debatte um RAW und RAI abzeichnen oder darin, welche Konsequenzen aus den Regeln folgen oder wie und wann man eine Regel benutzt oder welche Rolle eigentlich Rulings sind und was diese für das Spiel bedeuten. Oder auch so grundlegende Dinge wie etwa das Old-School-New-School-Schisma, das völlig unterschiedliche Herangehensweisen an Regeln propagiert und damit auch die Fiktion steuert.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #34 am: 17.05.2017 | 10:51 »
Klar, wenn man sich nicht darüber einigen kann, welche Regeln gelten, hat man ebenso ein Problem. Ich hatte die Fiktion hervorgehoben, weil das ein Thema ist, das nach meinem Empfinden in den Debatten oft vernachlässigt wird. Da wird dann so getan, als ob jede Interpretation der Fiktion gleichermaßen ihre Berechtigung hätte und gleichermaßen nebeneinander stünde. Obwohl es oft angezeigt wäre, statt dessen die Fiktion erst einmal zu betrachten, und dann ggf. auch zu konstatieren, dass einer der Beteiligten einfach mal daneben liegt. Das gilt natürlich für Regeln ganz genau so, den Punkt habe ich aber nicht hervorgehoben, weil es meiner Erfahrung das Problem ("meine Regelauslegung ist genauso gut wie deine") seltener gibt. YMMV.
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Offline Boba Fett

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #35 am: 17.05.2017 | 11:42 »
Also zunächst einmal: Zustimmung, kein Widerspruch!
ergänzend:
All das gilt wohlgemerkt für jeden Mitspieler, nicht nur für den SL, auch wenn der SL es natürlich am Leichtesten hat, den anderen die Runde zu versauen. Aber jeder andere Mitspieler schafft das auch, wenn er sich etwas anstrengt...

Ich glaube, dass schafft ein Mitspieler auch ohne Anstrengung. Und auch ohne Vorsatz.

Ein wichtiger Punkt, den ich bei all meinen Spielrunden immer beobachtet habe (auch an mir selbst), ist, dass es sehr schnell und einfach schief läuft, wenn man nicht unvoreingenommen sondern mit Mißtrauen an die Aktionen der anderen herangeht.
Anstelle eine grundsätzlichen "Unschuldsvermutung", oder der Einstellung, dass der Gegenüber grundsätzlich fair agiert, vermutet man zunächst einmal entweder eine Fehlentscheidung oder sogar vorsätzliches Benachteiligen. Und das prägt natürlich massiv das Rollenspielerlebnis und auch die Reaktion auf das erlebte.
Sitzen mehrere Leute am Tisch, die es nicht hinbekommen, vorurteilsfrei Entscheidungen anzunehmen, wird es sehr schwierig, das Spiel in positive Erlebnisse Bahnen zu bringen...

Ich denke, das gehört zu der Fairness, die Spieler unbedingt mit ins Spiel bringen müssen - und vielleicht auch zu dem, wo es am häufigsten schiefgeht.
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Offline Nørdmännchen

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #36 am: 17.05.2017 | 12:49 »
Danke für den sorgfältigen Versuch einer zielführenden Diskussion.

Ich möchte den von Vermi hervorgehobenen Bezug auf die Fiktion gerne nochmal unterstreichen (als die RSP-spezifische Ebene, auf der Fairness  und Aufrichtigkeit von Bedeutung sind). Denn ich glaube, hier entstehen viele der Wahrnehmungen und Verstimmungen, die das Thema so heiß hochkochen lassen, wo immer es auf auftaucht. Hier ein Vorschlag zur weiteren Differenzierung:

Wenn wir (böser Weise) die Forge-Definition von System hernehmen, als die Mittel und Methoden mit denen wir uns über die Inhalte der gemeinsamen Fiktion einigen, finden wir in den meisten Fällen:
Setting - als die bereits festgeschriebenen Inhalte der Fiktion. (Damit auch Ergebnisse bereits gespielter Runden, der Charaktererschaffung und des kooperativen Weltenbaus.)
Erzählfunktionen - Hoheit bzw. Aufgaben der Spielenden bezüglich der Gestaltung der Fiktion (Traditionell Spieler = treffen alle Entscheidungen für die SC, SL = spielt den ganzen Rest. Die Vergabe dieser Hoheiten sind dann auch schon Regeln.)
Mechaniken - Abstrakte oft physisch repräsentierte Komponenten außerhalb der Spielenden, die eingesetzt werden, um Entscheidungen über den Fortlauf der Fiktion von ihnen (mit-)bestimmen zu lassen. (Z.B. Würfelwürfe, Rundenstruktur usw.)

Das Spannende sind dann die Übergange zwischen diesen System-Komponenten:
Wie wird zum Beispiel über den Einsatz von Mechaniken entschieden? Wie bindend ist eine gedruckte Setting-Beschreibung für die SL-Funktion? Sind Charakterattribute und Zufallstabellen Setting oder Mechanik?

Insbesondere kann es auch innerhalb einer Kategorie zu Übergängen kommen:
Wenn traditionell die Spieler nur die SC-"Agency" (gibt's da ein gutes deutsches Wort für?) innehaben und die SL den Rest steuert, bleibt alles so lange einfach, bis die SC versuchen (Spieler-Agency) ihre Welt zu beeinflussen (SL-Agency). Ein simpler Vorgang, der wahrscheinlich den Löwenanteil des Rollenspiels ausmacht.
Die Spieler versuchen also ständig mittelbar Einfluss auf die SL-Agency zu nehmen (und vice versa). Meistens ohne, manchmal mit Mechanik - aber selbst die Mechanik wird oft genug "von SL-Gnaden" eingesetzt.

Genau in diesen Prozessen entsteht mMn der Eindruck von fehlender Fairness und Aufrichtigkeit - der die Szene dann in Angst und Schrecken versetzt.*

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aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #37 am: 17.05.2017 | 12:59 »
Wo ist da der Anlass für Ironie?

Im Prinzip diese traditionelle Unschärfe wird ja auch als impossible-thing-before-breakfeast beschrieben.

Wobei meines Erachtens bei den "Gestaltungsrechen" das große Problem ist, dass das Recht auf das Ausführen einer Aktion zu oft auch als Recht auf die Realisierung der damit verbundenen Absicht genomemn wird als nur das Rechta uf eine faire Abhandlung dieser Aktion nach den für alle gültigen und damit allen auch bei konkurrierenden Vorstellungen einen solchen Beitrag erlaubenden Mechaniken/Regeln.

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Offline Nørdmännchen

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Re: Fairness und Aufrichtigkeit am Spieltisch
« Antwort #38 am: 17.05.2017 | 20:18 »
Der Anlass zur Ironie betrifft nur die Wortwahl: "In Angst und Schrecken versetzen." Da ich den Eindruck nicht loswerde, das Problem führt dort zu mehr Zerwürfnissen, wo es nur thematisiert wird - als dort wo es erlebt wird (ich nehme mich da selbst nicht aus). Es ging mir also nur darum, dies als rhetorische Übertreibung kenntlich zu machen - aber das * fällt vermutlich zu unauffällig aus.

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