Autor Thema: Einstufung von Verletzungen  (Gelesen 3198 mal)

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Offline Der Läuterer

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Einstufung von Verletzungen
« am: 10.09.2017 | 22:56 »
Es gibt Systeme, die Verletzungen in Stufen abwickeln, z.B. Kratzer - geringe Verletzung - ernste Verletzung - bedrohliche Verletzung - Tod.

Andere Systeme reduzieren Stück für Stück die Hit Punkte, bis sie auf Null bzw. unter Null gesunken sind.
Persönlich kenne ich nur diese zweite Variante.

Wo liegen die Vor- und Nachteile beider Ansätze?
« Letzte Änderung: 11.09.2017 | 00:37 von Der Läuterer »
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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #1 am: 11.09.2017 | 00:01 »
Es kommt jeweils ein bißchen auf die Nebenwirkungen an. Wenn Verletzungsstufen Abzüge mit sich bringen, dann startet mit der ersten ernsthafteren Verletzung schnell die "Todesspirale": der Charakter kann sich nicht mehr so gut verteidigen, wird also schneller wieder getroffen und verletzt, kriegt dadurch neue Abzüge obendrauf... -- Dasselbe kann man im Prinzip natürlich auch mit einem Trefferpunktsystem haben, indem man die Mali beispielsweise an das Unterschreiten bestimmter TP-Schwellenwerte koppelt; einige Systeme machen das und verwischen dadurch die Trennlinie entsprechend, andere lassen es bleiben.

Umgekehrt ist beim einfachen 08/15-Trefferpunktsystem der Unterschied oft rein binär: noch mindestens ein Trefferpunkt übrig => kann problemlos weitermachen, Trefferpunkte auf Null oder weniger => je nach System ausgeschaltet/KO/tot. Das hält Verletzungen eher abstrakt und ist recht eindeutig oft weniger "realistisch" (auch wenn im richtigen Leben Adrenalin sicher zumindest kurzfristig einiges abfedert), dafür aber einfacher zu handhaben und für viele Spieler wohl auch weniger frustanfällig.

Noch ein Detail: Trefferpunktsysteme können feinkörniger sein und/oder zähere Charaktere erlauben, weil es leichter ist, einen einfachen Zahlenwert den Anforderungen entsprechend höherzusetzen. Reine "Verletzungsstufensysteme" bieten dagegen erfahrungsgemäß oft nur eine recht kleine (in der Regel einstellige) Zahl dieser Stufen, wodurch schon die bloße Zahl der "Wirkungstreffer", die ein Charakter überhaupt jemals auf einmal einstecken und überstehen kann, entsprechend härter begrenzt ist.

(Und dann gibt's noch die diversen Mischformen mit Dingen wie mehreren Trefferzonen pro Charakter oder einer Mischung aus Trefferpunkten und separaten "kritischen Treffern" a la Rolemaster...aber da bin ich mir im Moment nicht sicher, wie weit wir das vertiefen wollen. :))

Offline Der Läuterer

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #2 am: 11.09.2017 | 00:35 »
Danke. Die Erklärungen leuchten ein.

Wenn es in einem Stufensystem erst nach dem Kampf zu Abzügen kommen würde - durch die Ausschüttung des Adrenalins, das während des Kampfes den Schmerz / die Abzüge neutralisiert - dann wäre dies doch ein relativ akzeptables und realitätsnahes System.

Welche Regelwerke sind Dir bekannt, die ein Stufensystem benutzen?
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Offline D. Athair

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #3 am: 11.09.2017 | 01:02 »
L5R benutzt ein kombiniertes System.
Das heißt: Wenn x Trefferpunkte weg sind gibts automatisch ne Wunde.

True20 benutzt ein Wundsystem. Auf nen gelungenen Angriff hin wird ein Rettungswurf fällig. Der ist umso schwieriger je höher der Schadenswert der Waffe, ... ist. Wenn der RW geschafft wird, dann war es ein Kratzer. Wenn er misslungen wurde hat ein Charakter eine Wunde - je nachdem wie sehr der Wurf verhauen wurde.

Fate Core verwendet sein Wundsystem.

Prince Valiant Storytelling und RISUS verwenden effektiv ein Wundsystem.
Schaden drückt sich in "Werteverminderung" aus und da jeder Wertepunkt einem Würfel entspricht, ist eine Figur handlungsunfähig wenn sie auf 0 ist.


Effektiv müssen sich Wund- und Trefferpunktesysteme gar nicht groß unterscheiden.
Der Unterschied zwischen WFRP 1 & 2 und True20 ist: Bei Ersterem werden zuerst HP weggeklopf (Ok, das geht oft mit einem Streich) und dann passieren schlimme Dinge - wieder und wieder bis ne Figur tot ist. Bei True20 kann es sein, dass nach ner Wunde die Figur nicht automatisch anfälliger ist für ne Weitere.


Im Wesentlichen unterscheiden sich TP- und Wundsysteme an der Stelle, an der sie binär sind.
Wunden: Wirkungstreffer ODER Kein Wirkungstreffer.
TP: Kampffähigkeit ODER Kampfunfähigkeit der Figur.

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Offline Selganor [n/a]

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #4 am: 11.09.2017 | 09:34 »
Ars Magica 5th Edition hat ein (zumindest fuer mich) einzigartiges System (auch wenn mir jemand den Sinn davon mal naeher erklaeren darf oder checken sollte, ob ich da was falsch verstanden habe):

Im Kampf z.B.:

Angriffswurf gegen Verteidigungswurf, was der Angriffswurf drueber ist wird noch auf den Schadenswert draufgerechnet. Davon wird der Soak-Wert des Getroffenen abgezogen.
Ist das Ergebnis <=0 macht der Angriff keinen Schaden. Pro "X" (hab das Regelwerk gerade nicht zum Nachschlagen griffbereit, daher so allgemein) steigt die Wundstufe von  -1 (bei 1-X) auf -3 (bei (X+1)-2X) bzw. -5 (bei (2X+1)-3X) sobald ein Schaden hoch genug ist dass 4X erreicht werden ist man incapacitated (und bei 5X auf einen Schlag tot? Muss ich nochmal nachschlagen)

Theoretisch gibt es kein Limit wie viele Wunden man haben kann, aber bestimmte Aktionen haben eine Chance, dass sich der Zustand verschlimmert wenn man diese mit einem bestimmten Wundabzug machen sollte (wobei bei der Aktion "kaempfen" nur einmal pro Kampf gecheckt wird ob es sich verschlimmert)
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Offline Chiarina

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #5 am: 11.09.2017 | 09:50 »
Zu Ars Magica 5th ed.:

Dein Wert "X" lautet 5, zumindest für Gegner die menschengroß sind. Ansonsten stimmt es, was du sagst.

Damage 1 - 5 verursacht also eine "light wound", Damage 6 - 10 eine "medium wound", Damage 11 - 15 eine "heavy wound", Damage 16-20 macht dich "incapacitated", ab Damage 21 bist du tot.

Was du als Wundstufe bezeichnest, ist letztlich der Abzug, den ein Charakter nach einer erlittenen Wunde auf stressige Situationen bekommt. Eine "light wound" macht -1, eine "medium wound" macht -3, eine "heavy wound" macht -5.
Ich kann also tatsächlich mit 3 "light wounds" und einer "medium wound" und einer "heavy wound" herumlaufen. Dann hätte ich -11 auf alle Aktivitäten. Es gibt aber einen kleinen Absatz, der einschränkt, was mit welchen Gesamtabzügen noch drin ist... und um genau zu sein: ab insgesamt -6 läuft nicht mehr viel. Das ist auch der Moment, wo es sowieso anzuraten ist, die Beine in die Hand zu nehmen, denn die Abzüge werden auch auf die Defense angerechnet. Damit werden zukünftige Treffer nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch deren Schaden erhöht sich.

Aktionen, die den Zustand verschlimmern, gibt es meines Wissens nur, wenn die Wunde unbehandelt oder noch nicht stabilisiert wurde... oder?
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Offline Greifenklause

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #6 am: 11.09.2017 | 09:52 »
Viele Systeme verwenden Mischsysteme, die sowohl LP-Verluste als auch Wunden bzw entsprechende Abzüge kennen.
Bei manchen läuft das recht gut : Splittermond = Abzüge bei LP-Verlust X
Bei anderen weniger gut: DSA 4.1 = Wunden bei SP> KON/2 (und diverse Ausnahmen)
Und bei anderen gar nicht: DSA4.0 = Wunden bei SP>KON (und diverse Ausnahmen)

Es ist wohl schwer, beides in Einklang zu bringen, ohne dass eine der beiden Bestandteile obsolet wird.
Bei DSA lag es aber auch daran, dass man zig Subsubsubsysteme hatte, die teilweise miteinander konkurrierten und das ganze extrem unüberblicklich machten. DSA4 kannt ja auch noch Erschöpfungspunkte, die man erhielt, wenn man auf bestimmte LP fiel.
Und die wirkten sich wiederum nur aus, wenn sie die KON überstiegen.
Minderten dann aber effektiv die KON, was wiederum zu schnelleren Wunden führte, arrgh.
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #7 am: 11.09.2017 | 10:00 »
Das ist auch der Moment, wo es sowieso anzuraten ist, die Beine in die Hand zu nehmen, denn die Abzüge werden auch auf die Defense angerechnet. Damit werden zukünftige Treffer nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch deren Schaden erhöht sich.
Und das ist ja das Problem... Weglaufen ist wohl kaum (weil man sowieso nicht mehr sinnvoll rennen kann) und je nach Gegner ist auch Aufgeben keine Option (oder welche wilden Tiere akzeptieren es wenn die Beute aufhoert zu kaempfen und lassen dann einfach ab?)

Andererseits hat man da ja auch oft das Problem, dass der Gegner evtl. genauso schwer verletzt ist, man so schwere Wunden also nicht mehr kriegen kann (da Angriff und Verteidigung ja halbwegs nahe beisammen bleiben), die 16+/21+ Wunden also gar nicht kommen koennen.

Aber das geht zu tief ins Detail und kann bei Bedarf ja im Ars Magica Board diskutiert werden (hatten wir da nicht schonmal einen Thread?)
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Offline Anro

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #8 am: 11.09.2017 | 10:25 »
Danke. Die Erklärungen leuchten ein.

Wenn es in einem Stufensystem erst nach dem Kampf zu Abzügen kommen würde - durch die Ausschüttung des Adrenalins, das während des Kampfes den Schmerz / die Abzüge neutralisiert - dann wäre dies doch ein relativ akzeptables und realitätsnahes System.

Welche Regelwerke sind Dir bekannt, die ein Stufensystem benutzen?
Ich spiele mit einem System, welches im Kampf keine Abzüge kennt, außer durch spezielle Manöver, die darauf ausgelegt sind zu schwächen/behindern.
Gleiche Begründung: Adrenalin hält zusammen und kompensiert.
Gleicher Grund: Todesspiralen sind in unseren Augen furchtbar deprimierend und langweilig.
Nach dem Kampf: pro 10 verlorener, nicht verbundener LP (Schmerz stufen)-10 auf alle körperlich anstrengenden Talente, -5 auf alle Talente wo man sich konzentrieren muss, -2 auf Wissenstalente (Ich würde mit einer blutenden Schulter meinen Mathetest definitiv schlechter machen. Bin da einfach unkonzentriert.)

In dem System ist die Glaubwürdigkeit Trumpf. Solange es sich gut und realistisch anfühlt, ist die Realität irrelevant. Sieht man hier glaube ich ganz gut.



Offline YY

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #9 am: 11.09.2017 | 16:41 »
Wo liegen die Vor- und Nachteile beider Ansätze?

Blöderweise kann man die "reinen" Vertreter des jeweiligen Ansatzes nur nach Anzahl, chronologisch oder auf ähnlich unzureichende Weise bestimmen.
Ein Vergleich verliert sich deswegen schnell in weit verbreiteten Unter- und Sonderformen, für die sich dann auch noch auf der "Gegenseite" ein Blutsverwandter finden lässt.

In manchen Fällen sind Wundstufen letztlich auch nur eine kleine, für alle pauschal festgelegte Zahl von HP.
Oft sind den Stufen Abzüge zugeteilt (dazu unten mehr), aber so richtig nützlich wird der Stufenansatz mMn erst dann, wenn man den Wunden eine Schwelle vorschaltet, sei das nun in Form einer festen Schadenszahl, unterhalb derer nichts passiert, oder in Form eines Rettungswurfes.
Damit hat man dann die angesprochene Unterscheidung nach Wirkungstreffern und allem anderen - aus meiner Perspektive ein Vorteil, weil man damit den aus Systemen mit hohen HP-Zahlen bekannten Tod der tausend Schnitte umgeht.

Andererseits ist es vielen Spielern lieber, einen Berg HP in kleinen Schritten abzutragen als x-mal wirkungslos anzugreifen, bis bei Versuch Nr. X+1 einer über die enorm hohe Wundschwelle kommt und endlich was passiert.
Je nach Genre ist das selten Thema, aber gerade wer öfter dicke Monster kloppen will/muss, hat damit wohl schon Bekanntschaft gemacht.
Da liegt es dann wieder nahe, die Wundschwelle eher niedrig zu halten und dem fiesen Bossmonster eben doch ein paar Wundstufen mehr zu geben als vom System vorgesehen...und schwupps, ist man schon wieder irgendwo im Schnittbereich beider Methoden unterwegs.


Wenn es in einem Stufensystem erst nach dem Kampf zu Abzügen kommen würde - durch die Ausschüttung des Adrenalins, das während des Kampfes den Schmerz / die Abzüge neutralisiert - dann wäre dies doch ein relativ akzeptables und realitätsnahes System.

Sonderlich realitätsnah ist das nicht. Schließlich gibt es jenseits von Schmerz genug Einflüsse/Schadensereignisse, die man auch mit noch so viel Adrenalin nicht ignorieren kann.
Kaputt ist kaputt ist eingeschränkt oder gar nicht mehr nutzbar...

Und ganz ehrlich: Wenn man sich das Gefummel mit Abzügen schon im Kampf nicht geben will, hat es erst recht keinen großen Mehrwert, wenn es nur nach bzw. zwischen den Kämpfen relevant ist.


In dem System ist die Glaubwürdigkeit Trumpf. Solange es sich gut und realistisch anfühlt, ist die Realität irrelevant.

Euer Grund ist doch die Abneigung gegen die Todesspirale, oder lese ich das falsch?
Mit Glaubwürdigkeit als Kernargument kommt man da mMn nicht sonderlich weit.


Todesspiralen wären vielleicht noch mal ein Thema für sich. Die könnten immerhin den Mehrwert liefern, dass "bewusster" und nicht immer bis zum bitteren Ende gekämpft wird. Weil davon meist aber auch die Fluchtfähigkeit mit in den Abfluss gespült wird (wenn sie denn überhaupt je gegeben war) und/oder settingseitige Zwänge bestehen, kommt das oft nicht zustande.

Klar, gerade wenn "klassisch" kampflastig mit recht geradlinigem Schlagabtausch gespielt wird und am Besten noch alle Nase lang Gegner auftauchen, die aus irgendwelchen Gründen im Gegensatz zu den SCs keine Wundabzüge kennen, ist man davon als Spieler ziemlich schnell genervt.
Oder auch dann, wenn das System zwar eine fiese Todesspirale hat, aber keine guten Möglichkeiten liefert, taktisch clever zu agieren.


Es ist wohl schwer, beides in Einklang zu bringen, ohne dass eine der beiden Bestandteile obsolet wird.

Wenn beides genau dem gleichen spielmechanischen Zweck dient, ist es natürlich nicht zielführend, beide Methoden parallel zu fahren.

Es kann aber dann funktionieren, wenn die eine Methode den blinden Fleck der anderen abdeckt.

Z.B. hat Deadlands Classic ein (lokalisiertes) Wundstufensystem mit Abzügen, in dem der Tod "nur" eintritt, wenn an bestimmten Lokationen eine bestimmte Gesamtwundstufe erreicht ist.
Parallel dazu gibt es aber noch Ausdauerpunkte, die nicht nur beim Erhalten einer Wunde um einen zufälligen Betrag reduziert werden, sondern auch noch pro Wunde ab einer bestimmten Stufe in regelmäßigen Abständen.
So kann man dann an mehreren mittelschweren Wunden eingehen, die alle für sich nicht tödlich wären.


Andersrum gibt es Systeme, in denen man einen Riesenhaufen HP hat, aber z.B. bei bestimmten Schadensmengen auf einen Schlag Wunden, kritische Treffer oder andere Sondereffekte hinnehmen muss.
Auf diese Weise lassen sich in passenden Situationen die HP umgehen und Vorgänge abbilden, denen man sonst absurd hohe HP-Verluste zuordnen müsste.


Da ist man aber meist auch gut beraten, sich zu überlegen, ob man nicht lieber gleich die gewollten Effekte verregelt anstatt den Umweg über die parallele Verwendung beider Methoden zu gehen.
Bei Deadlands Classic hat man z.B. immerhin schon mal erkannt, dass man dafür die aus anderen Gründen schon vorhandenen Ausdauerpunkte nutzen kann und nicht noch mal extra einen gesonderten HP-Pool braucht.
Man kann das aber auch gleich noch einen Schritt weiter denken und das Thema Blutverlust mit allen Folgen direkt(er) regeln, wie es z.B. Millennium´s End oder Twilight 2013 machen. Dann braucht man gar keine HP mit abgefeilten Seriennummern oder andere Punkte, denen man noch zusätzlich HP-Aufgaben zuteilt.
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Offline Anro

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #10 am: 11.09.2017 | 17:14 »
Und ganz ehrlich: Wenn man sich das Gefummel mit Abzügen schon im Kampf nicht geben will, hat es erst recht keinen großen Mehrwert, wenn es nur nach bzw. zwischen den Kämpfen relevant ist.
Verstehe ich nicht.
Während einer sehr konzentrierten meist bereits regelüberlasteten Zeit (Kampf), wo jeder drauf wartet, dass er wieder dran ist und man dennoch versucht alles fair nach den Regeln zu spielen auf die man sich geeinigt hat; da hat man Zeit um noch ein paar Faktoren mehr zu berücksichtigen, die zudem einen oft unschönen Aspekt haben?

Im ruhigen Spiel danach ist das nicht der Fall, weil man da keine Zeit hat um seine Verletzungen zu spüren, auszuspielen und regeltechnisch abzubilden?
Vielleicht kommt es noch auf das System an, aber irgendwie ist das nicht so eindeutig für mich nachzuvollziehen.
Euer Grund ist doch die Abneigung gegen die Todesspirale, oder lese ich das falsch?
Mit Glaubwürdigkeit als Kernargument kommt man da mMn nicht sonderlich weit.

Todesspiralen wären vielleicht noch mal ein Thema für sich. Die könnten immerhin den Mehrwert liefern, dass "bewusster" und nicht immer bis zum bitteren Ende gekämpft wird. Weil davon meist aber auch die Fluchtfähigkeit mit in den Abfluss gespült wird (wenn sie denn überhaupt je gegeben war) und/oder settingseitige Zwänge bestehen, kommt das oft nicht zustande.
Paradigma/Prämisse ist die Glaubwürdigkeit, vermeiden wollen wir die Todesspirale.
Ich argumentiere nicht gegen oder für Wunden mit der Glaubwürdigkeit, das hätte keinen Sinn, sondern nur dafür, dass so die Todesspirale umgangen werden kann. Ob realistisch oder nicht, es ist Glaubwürdig - und darauf kommt es bei uns an.

Klar, gerade wenn "klassisch" kampflastig mit recht geradlinigem Schlagabtausch gespielt wird und am Besten noch alle Nase lang Gegner auftauchen, die aus irgendwelchen Gründen im Gegensatz zu den SCs keine Wundabzüge kennen, ist man davon als Spieler ziemlich schnell genervt.
Oder auch dann, wenn das System zwar eine fiese Todesspirale hat, aber keine guten Möglichkeiten liefert, taktisch clever zu agieren.
Der Grund ist ja, dass die Helden alles töten, was verletzt ist. Als Held muss man halt öfter kämpfen und die Gegner sind halt nicht schon durch 5 Kämpfe in den letzten 24 Stunden durch. Ist schwer etwas Anderes glaubwürdig zu präsentieren, wenn die auftauchenden Gegner nicht immer wieder die selben sind, die aus einem komischen Grund verletzt flüchten und dann doch wieder angreifen - und dann ist es eigentlich auch nur ein einziger langer Kampf.
Oder es ist ein Szenario, wo eine Burg gestürmt ist und die Gegner sind daher unter Umständen schon durch ein paar Scharmützel oder Schrapneltreffer durch.

Offline ArneBab

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #11 am: 11.09.2017 | 19:13 »
Und das ist ja das Problem... Weglaufen ist wohl kaum (weil man sowieso nicht mehr sinnvoll rennen kann) und je nach Gegner ist auch Aufgeben keine Option (oder welche wilden Tiere akzeptieren es wenn die Beute aufhoert zu kaempfen und lassen dann einfach ab?)
Es gibt auch statt weglaufen die Möglichkeit, dass der betroffene Char sich zurückzieht und den anderen das Feld überlässt.

@Anro: Im EWS bewegen wir uns in die entgegengesetzte Richtung: Statt im Kampf keine Todespirale, danach aber Verletzungen, kommen wir mehr und mehr dazu, nach dem Kampf erstmal einen gewissen Grad an Wunden gleich durch erste Hilfe o.ä. kompensieren zu können (ähnlich wie wind in Deadlands), aber im Kampf schnell ausgeschaltet zu werden. Wir spielen allerdings inzwischen auch ohne klar geregelten Tod, deswegen gibt es eigentlich auch keine Todesspirale ☺
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Offline Derjayger

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #12 am: 11.09.2017 | 19:26 »
Für mich entscheidender Nachteil von simplen, "binären" Systemen (HP in D&D5!) ist, dass der Detailgrad, mit dem man Kämpfe ausspielt, nicht gerechtfertigt ist, weil es kaum Konsequenzen gibt, wie man sich im Kampf "so schlägt". Ob jemand 1 oder 100 HP hat, ist nämlich oft nicht wichtig.
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Eulenspiegel

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #13 am: 11.09.2017 | 19:56 »
Persönlich kenne ich nur diese zweite Variante.
Ich kenne dann noch zwei Varianten:
1. Du bekommst Abzüge auf Proben.

Es gibt keine Obergrenze. Theoretisch kannst du also beliebige lange auf jemanden einschlagen und es erhöhen sich immer weiter seine Probenabzüge. In der Praxis sind die Probenabzüge aber irgendwann so hoch, dass man eh nichts mehr schafft. Dann lohnt es sich auch nicht, diesem (N)SC noch mehr Probenabzüge zu geben.

2. Du bekommst Konsequenzen. Das heißt, irgendetwas an dir verändert sich. - Meistens zum Negativen.

Konsequenzen könnten sein: Vernarbt, Humpelt, Finger verloren, Arm verloren, Blind etc.

Offline YY

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #14 am: 11.09.2017 | 22:44 »
Während einer sehr konzentrierten meist bereits regelüberlasteten Zeit (Kampf), wo jeder drauf wartet, dass er wieder dran ist und man dennoch versucht alles fair nach den Regeln zu spielen auf die man sich geeinigt hat; da hat man Zeit um noch ein paar Faktoren mehr zu berücksichtigen, die zudem einen oft unschönen Aspekt haben?

Das verstehe ich wiederum nicht.

Wenn ich in der Todesspirale (oder sonst irgendwas) einen spielerischen Mehrwert* sehe, dann setze ich die um und wenn nicht, dann nicht.
Aber ich lasse das bestimmt nicht bleiben, weil es zu viel Aufwand ist, obwohl ich es eigentlich drin haben will.

*Die "beißen" ja auch erst mal in beide Richtungen, können also durchaus auch zum Vorteil der Spieler bzw. SCs ausfallen.


Im ruhigen Spiel danach ist das nicht der Fall, weil man da keine Zeit hat um seine Verletzungen zu spüren, auszuspielen und regeltechnisch abzubilden?

Wenn Verletzungen so viel Aufmerksamkeit bekommen sollen, dann auch und gerade im Kampf.
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Offline Anro

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #15 am: 12.09.2017 | 11:25 »
Das verstehe ich wiederum nicht.

Wenn ich in der Todesspirale (oder sonst irgendwas) einen spielerischen Mehrwert* sehe, dann setze ich die um und wenn nicht, dann nicht.
Aber ich lasse das bestimmt nicht bleiben, weil es zu viel Aufwand ist, obwohl ich es eigentlich drin haben will.
Wahrscheinlich ein Missverständnis.
Der gefühlte Mehrwert muss größer sein, als der gefühlte Aufwand, denke ich. Selbst die härtesten Simulationisten ziehen irgendwo eine Grenze, auch wenn Windböen nett wären zu berechnen und das genaue Schlagtiming zu messen (Mehrwert - check), ist die notwendige Bürokratie nahezu unmöglich zu gewährleisten.

"Es ist zu viel Aufwand zu realisieren"  wurde - so möchte ich mutmaßen - schon oft von Rollenspieldesignern gesagt.

So realitätsfern bist Du nicht, daher sehe ich nicht, wo ich dein Argumentationskette verloren habe, aber so wie es steht ist es seltsam.
Zudem ich ja die Todesspirale und Wunden während des Kampfes als negativ bezeichne und einen Minderwert sehe.
Den Mehrwert sehe ich in den geschundenen Helden, die dann blutend, geschwächt und kalt in dem Verließ stehen und sich was einfallen lassen müssen, bei den folgenden Fallen und nicht leichtfüßig als wäre nichts über die nächsten Bodenplatten springen.

*Die "beißen" ja auch erst mal in beide Richtungen, können also durchaus auch zum Vorteil der Spieler bzw. SCs ausfallen.

Wenn Verletzungen so viel Aufmerksamkeit bekommen sollen, dann auch und gerade im Kampf.
Meine Argumente dazu, warum es nur bedingt in beide Richtungen beißt hatte ich erwähnt...
Innerhalb eines Kampfes magst Du recht haben und wie ArneBab schrieb, bei Systemen, die Wunden einfach so schließen, weil der Kampf vorbei ist, da ist das schon korrekt - mein Kopf schmerzt etwas bei dem Grad der Realitätsstreckung, aber ok.
Helden müssen mehrere Kämpfe am Stück ausfechten, zumindest oft. Gegner sind eigentlich immer Neue, denn meist tötet man seine Widersacher.

Wenn Verletzungen so viel Aufmerksamkeit bekommen sollen, dann auch und gerade außerhalb des Kampfes. (Kein Argument, merkste...)

Man kann spielerisch (gamistisch) erklären, warum Wunden im Kampf nicht wünschenswert sind.
Man kann glaubwürdig (stretch of belief/suspension of disbelief) erklären, warum Wunden im Kampf ignoriert werden können. (Außer vielleicht bei Menschen, die schon mal mit Schwertern und anderen Waffen um Ihr Leben gekämpft haben.)

Tatsächlich ist es schwerer für meine Spieler zu glauben, dass Sie trotz dem 30 Schaden Treffer immer noch normal laufen und die Steinwand da locker hochklettern können. - Tatsächlich war das eine Situation, die wir hatten, wo ein Spieler einen Malus wollte, weil er nach dem Kampf doch sicher nur noch humpeln könnte.

Austauschen der Kämpfer ist Unsinn (dann war man vorher in einer Überzahl, ein Kämpfer weniger sichert auch nur wieder die Niederlage),
Flucht ist Unsinn (Wenn man verletzt ist, dann geht Flucht nur, wenn die Verfolger aufgehalten werden können, also opfert man wen oder hat einen Umgebungsvorteil, aber den hat man sicher nicht immer. (Wobei, vielleicht mit einem "Spontandunkelheit/Homeport"- Spruch.))
Aufgeben ist Semi-Sinnvoll, kommt sicher auf die Situation an. "Ich habe gerade deinen Lover und dein Kind umgebracht, aber ich gebe auf, wir sind quitt, ok?"

Aber wir wollten ja nicht wirklich über Todesspiralen sprechen.

@Arnebab:
Wie oben geschrieben, ist das ohne Genaues zu kennen eine gewisse Realitätsstreckung, die mir heikel vorkommt.
Vielleicht ist das in der Fiktion mit "Heilverbänden" geklärt. Ich bin immer der Meinung, dass Kampfabenteuer/-Pfade mit mehreren Begegnungen die Helden herunterwirtschaften sollten und eine Form von Ressource aufbrauchen. Ob Gesundheit, Ausdauer oder sonst etwas. Mir kommt die "Wir haben jede Stunde einen Kampf gegen die Hour-beasts. Es ist immer knapp, dauert etwa 30 Minuten, aber uns geht es die andere halbe Stunde echt gut, bis zum nächsten Kampf." - Realität etwas verschroben vor.
Vielleicht verstehe ich das auch falsch. Wie gesagt, ich mag Wunden, die Fähigkeiten einschränken während eines Kampfes nicht. Ich habe mal von einem System gehört (War glaube ich Indie-in development), wo es um Edges und Balance ging. Es wurde eigentlich nur getötet, alle anderen Aktionen sorgten dafür, den Gegner mehr in einen Zustand zu bringen, wo er dem Todesstoß nicht mehr ausweichen konnte.
Das klang eigentlich super, aber .. war etwas tödlich für die Spielercharaktere.

Offline YY

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #16 am: 12.09.2017 | 14:18 »
Meine Argumente dazu, warum es nur bedingt in beide Richtungen beißt hatte ich erwähnt...
Innerhalb eines Kampfes magst Du recht haben

Wenn man den Aspekt des langsamen Ressourcenverbrauchs drin haben und das in Form von Verletzungen u.Ä. darstellen will, ist ein modifiziertes HP-System vielleicht doch dankbarer als (wenige) Wundstufen.

Entscheidet man sich als Autor für Wundstufen, hat man im Grunde schon die ersten Schritte weg vom graduellen Ressourcenverbrauch gemacht und sollte diese Ressourcen dann entweder an anderer Stelle im System bereitstellen oder besser das Thema "angemessener Ressourcenverbrauch über mehrere Kämpfe" ganz sein lassen. Dann muss es aber auch ausreichende und sinnvolle Möglichkeiten geben, Kämpfe ohne eigene Verletzungen zu bestehen. Dafür darf dann jeder Kampf auch richtig gefährlich sein in dem Sinne, dass man an einem einzelnen Kampf scheitern kann. Das ist ja bei Spielen, die sich um längere Abfolgen von Kämpfen drehen, nicht gegeben.

"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Eulenspiegel

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #17 am: 13.09.2017 | 00:12 »
Das Wundstufen und HP ein fließender Übergang sind, sieht man, wenn man D&D 3.x auf Stufe 1 spielt:
Eine Stufe-1-Magier hat 1-4 HP. Eine SC bei Savage Worlds hat 3 Wundstufen.

Offline Der Nârr

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #18 am: 13.09.2017 | 00:58 »
Ich finde die Unterscheidung generell nicht hilfreich, also LP- und Wundensysteme. Da gibt es einfach zu viele Mischformen. Savage Worlds ist jetzt nicht mehr ein Wundsystem als DSA. In Savage Worlds ist man halt nur auf 4 Lebenspunkte beschränkt (oder 1 Lebenspunkt für Extras). Toughness findet man etwa in ähnlicher Form als Damage Reduction in D&D oder Rüstungsschutz in DSA.

Systeme ganz ohne Auswirkung von Lebenspunkt-Verlusten kenne ich eigentlich auch nur aus manchen D&D-Versionen. Bei Midgard bin ich mir gerade nicht sicher. Aber sonst kommt mir das kaum unter. Umgekehrt kenne ich eigentlich kein reines Wundsystem, das nicht gleichzeitig auch mit Ressourcen arbeitet. Nehmen wir etwa Cortex+ im Firefly RPG, da werden Wunden als Komplikationen gehandhabt, die eine Würfelstufe bekommen und die aufgebaut werden. Das ist letzten Endes auch nur ein Lebenspunkte-System (die Komplikation beginnt bei W6 und geht bis W12 bzw. bis man außer Gefecht genommen werden muss) mit Auswirkungen der Verletzung (die Komplikation kommt als negativer Faktor bei Proben zum Tragen). Fühlt sich aber total "anders" an, nur logisch ist da kein großer Unterschied.

Und oft geht man eben genau nach diesen Gefühl. Wenn das Rollenspiel seine Verletzungsregeln dann "Wunden" nennt statt "Lebenspunkte" trägt das natürlich auch dazu bei. Oder wenn die Verletzungen sehr individuell festgehalten werden, etwa im alten Shadowrun - das war für mich auch früher ganz klar ein "Wundensystem". Aber mathematisch/logisch gesehen war es auch nur ein Lebenspunktesystem.

Ich liebe ja das geradlinige Regeldesign von Classic Traveller, weil hier viele Regeln nicht dem entsprechen, was man gewohnt ist oder erwartet, in einem Rollenspiel zu finden, sondern Versuche sind, ein Problem aufzulösen. Dementsprechend sind viele Lösungen geradezu simpel in positivsten Sinne. Für Schaden gibt es dort keine Wunden und keine Lebenspunkte, Schaden wird einfach direkt von den Attributen abgezogen. Das ist geradezu genial einfach. Mehr braucht es im Grunde auch nicht.

Arcane Codex geht auch einen sehr interessanten Weg. Anstatt erst einen Lebenspunkte-Wert zu berechnen und dann davon wieder zu berechnen, wann es jeweils Wunden gibt, geht das einfach direkt Hand in Hand: Die Berechnung der Lebenspunkte enthält in sich schon die Schwellenwerte für Wundabzüge. Die Lebenspunkte sind nämlich ein Vielfaches des Konstitutionswertes - und der Konstitutionswert gibt somit die Abstände an, wieviel Schaden man ansammeln muss, damit es jeweils die nächste Schadensstufe gibt. Finde ich auch genial gelöst und viel eleganter als "berechne Lebenspunkte nach dieser Formel, bei 20% LP-Verlust gibt es dann diese Folgen und bei 50% diese Folgen usw.".

Ein Vorteil für Wundstufen ist übrigens auch, dass man dann Crunchy Bits ins System einbauen kann, die darauf eingehen - typisch etwa Vorteile die dann etwa Schmerzresistenz oder Zäher Hund heißen und Wundstufen negieren.

Naja. Insgesamt ist die Abwägung des Mehrwertes gegenüber des Anstiegs an Komplexität immer eine persönliche Sache und eine der Spielprämisse.
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Offline YY

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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #19 am: 13.09.2017 | 04:18 »
...Classic Traveller...
Für Schaden gibt es dort keine Wunden und keine Lebenspunkte, Schaden wird einfach direkt von den Attributen abgezogen. Das ist geradezu genial einfach. Mehr braucht es im Grunde auch nicht.

Und trotzdem hat man da locker aus dem Handgelenk Sachen wie Wundabzüge (es zählt der aktuelle Attributsbonus bzw. -malus...), Unterteilung in schwere und leichte Verletzungen, mittelfristiges Abkratzen bei fehlender medizinischer Versorgung und mit 2-3 Sätzen Optionalregeln auch schwere Wirkungstreffer, Meuchelangriffe u.Ä. abgedeckt :d

Da müssen sich viele andere Systeme echt fragen lassen, was sie auf zig Seiten Verletzungs- und Heilregeln besser machen.


Insgesamt ist die Abwägung des Mehrwertes gegenüber des Anstiegs an Komplexität immer eine persönliche Sache und eine der Spielprämisse.

Wobei man bei steigender "Leistungsfähigkeit" der Verletzungs- und Heilregeln ziemlich schnell so viel Drumherum hat, dass die Unterscheidung nach HP- oder Wundstufensystem sowieso bedeutungslos wird.
Und der Bereich, in dem man selbst bei guter Regelkonzeption wirklich was von der höheren Komplexität hat, ist bei dem Thema mMn sehr schmal.

Dafür gibt es jede Menge Beispiele, wie man es besser nicht macht, von nutzlosen Trefferzonen über ausufernde Verletzungstabellen...
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Re: Einstufung von Verletzungen
« Antwort #20 am: 13.09.2017 | 07:10 »
Oder Kuriosa wie bei DSA4.1 wo die Lebenspunkte längst voll waren, aber die Wunde eben noch nicht ausgeheilt...
Klar, lässt sich vielleicht auch für sowas eine Erklärung finden, aber es fühlt sich nicht intuitiv an.

DSA5 kennt automatische "Schmerzabzüge" bei bestimmten Lebensständen, Splittermond auch, das finde ich praktischer.
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