Autor Thema: Die Todesspirale als Gamedesignelement  (Gelesen 4767 mal)

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Offline Blechpirat

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Die Todesspirale als Gamedesignelement
« am: 19.09.2017 | 11:36 »
In "259: All the cute girls are capulets" besprechen Robin D. Laws und Ken Hite die Todesspirale als wichtiges Designelement im Rollenspiel.

Sie nennen als besonders gelungenes Beispiel CoC: Der Sanityverlust sei eine solche Todesspirale, insbesondere wenn man Magie nutze, um Monster zu killen (was seinerseits wieder Sanity verbrennt). Umgekehrt gebe es das Beispiel 13th Age (kenne ich nicht), wo man eine Lebensspirale habe.

Todesspiralen gibt es z.B. auch in Splittermond: Je verwundeter eine Figur ist, desto härtere Abzüge muss sie auf ihre Handlungen hinnehmen. Hier bin ich mir nicht sicher, ob das eine Entscheidung aus Story- oder Simulationssicht war. Simulative Gedanken sind für mich nicht spannend und daher nicht Thema dieses Threads.

Ich verstehe, warum CoC von einer solchen Todesspirale profitiert. Das ist ein Horrorsystem, bei dem der Verlust von Sanity auch ein "Erfolg" ist... dabei zuzusehen, wie die Figur immer mehr den Kontakt zur Realität aufgeben muss, um mit dem Horror fertig zu werden, ist ... Horror. Der erwünschte Grusel eben. Das gilt auch für das ebenfalls im Podcast erwähnte Beispiel "Don't Rest Your Head". Aber auch hier reden wir eigentlich von Horror.

Persönlich bin ich kein Freund von Todesspiralen. Der Verlust von Handlungsoptionen ist für mich als Spieler kein Gewinn. Wenn ich etwa in dem sehr tödlichen System von Cyberpunk 2020 Wundstufen nehme, kann ich mich kaum noch wehren... meine Chance zu gewinnen sinken immer schneller, und dann bin ich tot - vielleicht wegen eines Patzers am Anfang des Kampfes, den ich "statistisch" hätte gewinnen sollen. Das ist etwas anderes, wenn ich dann noch andere Optionen habe, als "Kampf gewinnen" - etwa weglaufen, oder mich ergeben, oder die "Aufgeben"-Regel von Fate. Aber üblich erscheint mir, dass z.B. weglaufen oft auch keine Option ist, denn die Mali gelten ja auch hier.

Ich würde gerne von euch hören, welche Beispiele für gelungene Todesspiralen (oder Lebensspiralen!) euch einfallen, insbesondere für andere Genres als Horror.

Und welche Erfolge ihr damit verbindet.

Und wo und wie sich das auf die Erzählung / Spannung am Spieltisch positiv ausgewirkt hat.

Gibt es Beispiele für ein innerliches "Aufgeben" von Spielern? (Mit dem Malus habe ich doch 'eh keine Chance mehr?) Beispiele für ein bemerkenswertes "Aufbäumen"? Wie? Ein Beispiel für Kreativitätsentfaltung, um den Malus zu umgehen?
« Letzte Änderung: 19.09.2017 | 12:15 von Blechpirat »

Online tartex

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #1 am: 19.09.2017 | 11:58 »
Die Todesspirale in Savage Worlds macht einen Treffer gegen einen harten Gegner, auch wenn es ihn nicht ausschaltet, wegen der Todesspirale einen Unterschied weil es ihn zumindest schwächt.

Meine Folgerung: bei Systemen ohne Hitpoints, aber mit hohen Schwellwerten, die es zu übertreffen gilt, macht die Todesspirale Sinn.

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Offline Blechpirat

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #2 am: 19.09.2017 | 12:05 »
Weil die Alternative stumpfes Runterkloppen der Hitpoints ist?

Offline borkosh

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #3 am: 19.09.2017 | 12:08 »
Wenn ich mich nicht komplett vertue, dann ist das Gesundheitssystem in Numenera auch so angelegt. Schaden zieht aus einem Pool Punkte ab, den selben Pool verwendet man auch für das Kaufen von speziellen Aktionen. Ich hab bisher nur zwei Runden gespielt und die Kämpfe kamen nicht in einen Bereich, in dem wir uns Sorgen um die Charaktere machen mussten, deshalb kann ich nicht sagen, wie frustrierend es wird, wenn der Pool zu Ende geht. Aber bei recht vollem Pool haben wir auf jeden Fall etwas taktiert, welcher Einsatz sich jetzt lohnt.

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #4 am: 19.09.2017 | 12:12 »
Weil die Alternative stumpfes Runterkloppen der Hitpoints ist?

Ich diskutiere hier nicht Pro oder Contra Hitpoints.

Ich will nur sagen, dass in Systemen ohne Hitpoints Abzüge durch Treffer eine Alternative/ ein Erfolgserlebnis anbieten können. Ist wohl bei klassischen pbtA-Systemen ähnlich.

Außerdem: wenn es im System Symmetrie zwischen PCs and NPCs gibt, dann freut sich der Spieler auch, dass er den übermächtigen Gegner in die Todesspirale schleudert. Ein netter Pacing-Mechanismus, solange man nicht am Receiving End ist.  >;D
« Letzte Änderung: 19.09.2017 | 12:14 von tartex »
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Offline DaveInc

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #5 am: 19.09.2017 | 12:12 »
Wir spielen D&D5 mit einer recht gelungenen Homebrew Todesspiralen-Mechanik, da es uns sehr gestört hat, dass die Charaktere im Kampf die ganze Zeit umfallen und nach einem Healing-Word (1W4 Heilung über Distanz), wieder knackfrisch im Kampf stehen, nur um nach dem nächsten Anhüsteln wieder auf dem Boden liegen.

Bei uns ist es so, dass man nach Jeder "Wiederauferstehung" eine Stufe Exhaustion/Erschöpfung bekommt. In D&D5 gibt es 5 Quasi-Erschöpfungsstufen (Stufe 6 ist der Tod), zuerst fallen Ability Checks schwerer, danach wird man langsamer, um folgend auch im Kampf kaum etwas tuen zu können; Stufe 4 ist eher marginal, da man damit nur die Hälfte der HitPoints hat, was im Kampf nicht sonderlich ins Gewicht fällt - Der eigentliche Todeskampf beginnt auf Stufe 5, auf der man sich garnicht mehr bewegen kann.

Wir haben damit ganz gute Erfahrungen gemacht und mir persönlich macht es auch sehr viel Spaß, ein HP System so zu spielen, da die Gegner sich ohnehin erstmal durch die HP schlagen müssen.
Das Splittermond Beispiel finde ich - durch Erfahrung - auch nicht so prickelnd. Vom Baum fallen und dann schon krasse Abzüge bekommen, ist im Kampf nicht so schön ... außerdem finde ich die Todesspirale dort etwas zu steil, da man im Prinzip sich mit der 3. Stufe kaum mehr effektiv einbringen kann.
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Offline Blechpirat

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #6 am: 19.09.2017 | 12:21 »
Ich diskutiere hier nicht Pro oder Contra Hitpoints.

Da hatte ich dich missverstanden. Hier ersetzt die Todesspirale also die Hitpoints?

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #7 am: 19.09.2017 | 12:25 »
Da hatte ich dich missverstanden. Hier ersetzt die Todesspirale also die Hitpoints?

Nicht in dem Fall, aber generell: ja. Todesspirale kann man statt Hitpoints verwenden. Dann macht es Sinn IMO.
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Offline Grandala

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #8 am: 19.09.2017 | 12:25 »
Also an Todesspiralen fallen mir da ein:

L5R:
Da das Spiel ein System von Roll and Keep W10 gegen numerische Schwierigkeiten benutzt sind die Wundmali schnell so groß, dass ein erfolgreicher Wurf spätestens nach dem zweiten Treffer mehr als unrealistisch wird. Allein die explodierenden Würfel können einen da noch raus retten und die kommen leider nicht so regelmäßig. Das System hat auch den Ruf mega tödlich zu sein, besonders mit einem Startcharakter. Das ist neben dem Setting auch der große Selling-Point. Im Rollenspielerischen wird das damit ausgeglichen, dass der Tod eines Charakters in Rokugan (der Welt von Legend of the five Rings) in ehrenhafter Weise tatsächlich ein für den Charakter anstrebsames Ziel is, d.h. Überleben ist im Charakterspiel nicht zwingend eine Priorität.

Yggdrasill:
Ähnlich wie L5R gibt es ein Roll and Keep Pool system. Hier ist es allerdings bei den ersten Wundgruppen nicht so schlimm, da man im Allgemeinen auf seine Skills einen harten numerischen Bonus bekommt, der mit dem Wurf addiert wird. In den unteren Wundgruppen wird aber auch hier ein Erfolg unwahrscheinlich, besonders mit startcharakteren. Auch hier ist jedoch die Idee von Walhalla und der Norse-Kriegerehre im Rollenspiel als Zielsetzung für einen Charakter das, was einem das Ableben der Figur versüßen soll/kann. Sterben wird halt nicht als so schlimm angesehen.

Song of Ice and Fire RPG:
Wieder ein Roll and Keep System, diesmal mit Wundstufen, die man nimmt um Schaden wegzudrücken. Je mehr Schaden kommt, desto mehr Wundstufen muss man nehmen, desto kleiner wird der Keep-Anteil, desto geringer die Erfolgschancen. Der Prozess wird jedoch dadurch, dass aller Schaden in eine Wundstufe verrechnet wird um einiges langsamer vonstatten gehen wir bei L5R oder Yggdrasill. Dazu gibt es die Möglichkeit für eine Runde alle Mali zu ignorieren indem Man Erschöpfung aufbaut, welche wiederrum alle folgenden Aktionen schwerer macht. Die Todesspirale ist also da, sie dreht sich nur langsamer. Aufgeben ist tatsächlich in diesem System eine Kampfaktion. Wenn ein Kampf gewonnen wird entscheidet für gewöhnlich der Gegner, was passiert. Hier ist man jedoch in einer Welt (Game of Thrones) in dem Gefangennahme ect. oft mehr Sinn ergibt als das töten (vgl. Jaime Lannister, Edmure Tully ect.). Das hängt aber natürlich von dem Charakter den man spielt ab. Interessanter weise haben besonders mächtige Waffen hier den Nachteil, dass sie töten müssen, wenn sie einen Gegner auf 0HP bringen.

Midgard 5:
Bei Midgard gibt es eine Trennung zwischen Ausdauer- und Lebenspunkten. Ausdauer ist dabei vergleichbar mit HP in D&D. Sie sind eigentlich nur dann interessant wenn sie auf 0 Fallen. Lebenspunkte sind im kontrast viel rarer (eigentlich nur auf mittleren und hohen Graden) und an sie ist schwerer dran zu kommen. Allerdings kann man (ähnlich wie bei CoC) bei Direktschaden auf die LP krittische Treffer erziehlen, die bis zum instant Tod führen können und Charaktere an sich schon aus dem Kampf nehmen (können). Die Todesspirale bei Midgard beginnt dann, wenn die AP auf 0 oder der erste unglückliche kritische Treffer die Figur erwischt hat. Angemerkt sein sollte noch, dass es hier allerdings keine addierenden Mali gibt wie in den oben genannten Spielen, sondern nur der Unterschied zwischen "Hat AP/ist erschöpft" interessant ist. Eine erschöpfte Figur ist jedoch bei Eintritt in den Status für den Rest des Kampfes eigentlich nicht mehr zu gebrauchen.

Todesspiralen im Spiel meiner Erfahrung nach:
Meiner Erfahrung nach verändern sie das Spiel. Die Spieler sind viel eher geneigt die Waffen hin zu werfen und aufzugeben als das sie auf biegen und brechen bis zu letzt kämpfen möchten. Davon ab versuchen sie meistens Konflikte ohne direkten Kampf wenigstens als Lösungsansatz zu diskutieren. Nach ein paar Encountern ist meistens klar, dass bei jedem Kampf die echte Chance besteht, dass gestorben wird. Ob man das im Spiel möchte oder nicht ist glaube ich Geschmackssache. Ich mag alle Spiele, die ich oben benannt habe sehr gerne. Mein geliebtes Fate verzichtet jedoch total auf solche Dinge und geht nicht von einem Charaktertod nach einem Encounter per se aus. Je nachdem was ich für eine Geschichte erzählen möchte und wie sich das Spiel anfühlen soll bediene ich daher die Regelwerke. Ich mag beides.
« Letzte Änderung: 19.09.2017 | 12:30 von Grandala »
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Offline Arkam

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #9 am: 19.09.2017 | 12:47 »
Hallo zusammen,

ich sehe die Todesspirale in drei verschiedenen Funktionen.
Sie macht das Spiel einfach schwieriger weil man eben noch eine Ressource in sein Handeln miteinbeziehen muss. Gerade bei Spielen die auf den Aspekt Spieler vs. gegebene Aufgabe abzielen kommen da mit Charakteroptionen, Ausrüstung und Heilungsmöglichkeiten noch ein paar Sachen mehr ins Spiel. Hier macht eine Todesspirale Sinn denn sie liefert den Spielern, für die das Spiel entwickelt wurde, mehr von dem was sie haben wollen. Ganz wichtig aus meiner Sicht ist das man die Todesspirale nicht einfach so ans System schraubt sondern sie eben mit den anderen Optionen des Spiels, etwa Charakteroptionen siehe oben, verzahnt.
Ärgerlich werden für mich pädagogische Todesspiralen. Klassischer Weise soll eine solche Todesspirale den Kampf als "einfache" Lösung unattraktiver machen und "kreative" Lösungen fördern. Leider fehlt da aber häufig der Regelunterbau. Eingespielte Runden brauchen den wahrscheinlich nicht. Aber bei Runden die teilweise unterschiedliche Vorstellungen vom Spiel haben ist eine klare Regelbasis hilfreich. Der Klassiker ist ja die soziale Interaktion. Der eine verlässt sich auf seine Werte, der andere hat als Charakter keine Werte ist aber der Rhetoriker und auch die Vorstellungen darüber was man mit Interaktion erreichen kann sind sehr unterschiedlich. Für weitere Diskussionen zum Thema kreative Lösungen vs Regelnfinden sich sicherlich mehrere Threads im Forum da brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Teilweise stehen sich die Systeme aber auch selbst im Weg. Dann gibt es die eine Option die die Todesspirale aushebelt. Harnmaster etwa soll sehr sehr stark davon abhängig sein welchen Status der Charakter erwürfelt hat und auf welche weiteren Optionen sowohl was seine Rolle, etwa die Option einen magisch Begabten zu spielen oder seine Ausrüstung, etwa die gut schützende Ritterrüstung, er zurückgreifen kann.
Als letztes kenne ich die Todesspirale als Puffer. Bei Shadowrun etwa sorgen die Abzüge optimalerweise dafür das man eben eine Aktion abbricht bevor Charaktere sterben. Danach kann man dann mit den Charakteren und neuen Optionen oder angepasster Ausrüstung oder Manpower wieder an die Aufgabe gehen.

Gruß Jochen
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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #10 am: 19.09.2017 | 12:57 »
Aus meiner Sicht macht eine Todesspirale dann am meisten Sinn, wenn sich von vornherein abschätzen läßt, daß der Konflikt auch noch nach den ersten Wirkungstreffern wahrscheinlich eine Weile dauern wird. Das sollte nun, unter dem reinen Schadensaspekt halbwegs "realistisch" betrachtet, im klassischen Rollenspielkampfszenario Mann gegen Mann (oder Monster) im kleinen Maßstab eigentlich nicht der Fall sein -- denn so groß ist bei Menschen und den meisten anderen Lebewesen der Unterschied zwischen "nur ein Kratzer" und "außer Gefecht und möglicherweise schon tot/verkrüppelt" strenggenommen gar nicht, und kleine Gruppen sind auch schnell aufgerieben, sobald sie erst mal tatsächlich anfangen, Schaden einzustecken.

Heißt im Klartext: zumindest unter diesem Gesichtspunkt machen Todesspiralen für mich in erster Näherung nur für größere Konflikte Sinn, und dann auch nur für die beteiligten Einheiten als jeweils Ganzes -- also beispielsweise für Armeen, Schiffe oder dergleichen in einer regelrechten Schlacht. Für ein kleines Scharmützel nach dem Motto "jeder SC gegen zwei Orks" rechnet sich mMn schlicht der reine Verwaltungsaufwand nicht, denn wer da erst mal ernsthaft verwundet ist, sollte sowieso ausscheiden.

Natürlich kann ich die "Todesspirale" auch abstrakter sehen, indem ich außerhalb des reinen eingesteckten Schadens auch diverse Situationsvor- und -nachteile einrechne. Das wären dann aber auch Situationen, aus denen die ins Hintertreffen geratene Partei durch geeignetes Überwinden ihrer derzeitigen Probleme aus eigener Kraft wieder herauskommen können sollte, sich die "Spirale" also in beide Richtungen drehen können muß.

So, noch zwei Systembeispiele:

Fate wurde schon angesprochen. Da gibt's prinzipiell zumindest für die wichtigeren Figuren auch eine Art von Todesspirale, weil die Gegner eines Charakters jede Konsequenz, die er bereits eingesteckt hat, gegen ihn einsetzen dürfen und dadurch potentiell leichter und entsprechend schwerere weitere Treffer landen können. Die läuft aber gewissermaßen mit gebremstem Schaum, weil nur der erste solche Einsatz nach Erleiden der jeweiligen Konsequenz tatsächlich "gratis" ist -- alle weiteren kosten wie gewöhnlich Fate-Punkte (die nach dem Konflikt an den Spieler des Charakters gehen) oder müssen mit passenden Vorteil erschaffen-Aktionen erst mal vorbereitet werden, es gibt hier also keine regeltechnisch vorgeschriebenen Dauerabzüge. Dazu kommt dann die ebenfalls schon angesprochene Aufgeben-Regel, die es Spielern (und bei Nichtspielercharakteren der SL) erlaubt, ihre Charaktere kontrolliert verlieren zu lassen und damit vor weiterem Schaden zu bewahren; ein Konflikt läuft also ohnehin nur so lange, wie auf mindestens zwei Seiten noch jeweils mindestens einer steht, der unbedingt weitermachen will.

Und bei Tenra Bansho Zero läuft die Spirale in gewisser Hinsicht in die entgegengesetzte Richtung. Wenn ein Charakter Schaden einsteckt, kann sein Spieler frei entscheiden, wie er den zwischen den verschiedenen Verletzungsgraden verteilen möchte, und wenn er dabei hinreichend schwere Wunden in Kauf nimmt, kriegt er ab da einen Würfelbonus. Allerdings ist das durch die Hintertür auch wieder mit Problemen verbunden: schwere Verletzungen sind naturgemäß schwieriger zu heilen als leichte, kritische führen früher oder später zum KO, und wer den höchsten Bonus von allen anknabbern will, muß das "Dead"-Kästchen ankreuzen und sich damit dazu bereit erklären, seinen Charakter in diesem Kampf gegebenenfalls tatsächlich sterben zu lassen (normalerweise passiert das TBZ-Spielercharakteren ausdrücklich nicht).

Offline YY

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #11 am: 19.09.2017 | 13:35 »
Wenn ich etwa in dem sehr tödlichen System von Cyberpunk 2020 Wundstufen nehme, kann ich mich kaum noch wehren... meine Chance zu gewinnen sinken immer schneller, und dann bin ich tot - vielleicht wegen eines Patzers am Anfang des Kampfes, den ich "statistisch" hätte gewinnen sollen. Das ist etwas anderes, wenn ich dann noch andere Optionen habe, als "Kampf gewinnen" - etwa weglaufen, oder mich ergeben, oder die "Aufgeben"-Regel von Fate. Aber üblich erscheint mir, dass z.B. weglaufen oft auch keine Option ist, denn die Mali gelten ja auch hier.

Da war CP2020 auch in einer historisch recht unangenehmen Position.
Einerseits war damals Kampf im Rollenspiel in den meisten Köpfen noch ziemlich zwingend etwas, wo man sich gegenseitig die HP wegzieht und wer am Ende stehenbleibt, hat gewonnen. Andererseits fiel das über die Todesspirale nicht sonderlich spaßig aus und zum Dritten hatten weder Regelwerk noch Setting ausreichend Stellschrauben, um eine veränderte Perspektive zu unterstützen.

Ähnlich wie Grandala habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, dass (starke) Todesspiralen sowohl die Haltung zum Kämpfen an sich verändern als auch den Blick auf HP/Wundstufen als Ressource.
Die gehen dann nämlich für Kampfzwecke nicht mehr bis 0, sondern eigentlich nur z.B. bis zur Hälfte und der Rest ist meist nur noch Überlebenspuffer.
Das bedeutet dann aber im Umkehrschluss, dass mir das Regelwerk ordentliche taktische Optionen zur Verfügung stellen muss, die über ein Erreichen einer günstigen HP-Verlustrate der eigenen Seite im Vergleich zur Gegenseite hinausgehen, und zweitens müssen mir Regelwerk und Setting relevante Entscheidungsmöglichkeiten geben, was ich mache, wenn ich faktisch nicht mehr kampffähig, aber noch nicht tot bin.

Daran ist CP2020 damals weitgehend gescheitert.
Es gab in meinem Umfeld die Tendenz, das entsprechend zu spielen, aber dafür musste man einige Settingaspekte ändern und mit den dahingehenden Unzulänglichkeiten des Regelwerks leben lernen.


Richtig gut funktioniert das nur da, wo Regelwerk und Setting Hand in Hand passende Entscheidungsmöglichkeiten für rationale Akteure zur Verfügung stellen.
Ein verletzter Ritter kann sich seinem ehrenhaften Gegner ergeben und sich (medizinische Aspekte mal außen vor) des eigenen Überlebens ziemlich sicher sein. Genau so gilt das für den angeschossenen Verbrecher, der sich zunächst in der Wohnung verschanzt hat und sich im weiteren Verlauf aus reinem Eigeninteresse von rechtsstaatlicher Polizei festnehmen lässt*.

Das geht natürlich nicht mehr, wenn man gegen den blutrünstigen Bergtroll kämpft oder von einer südamerikanischen Todesschwadron eingekesselt wird.
Deswegen sind diese Konstellationen in Systemen mit starker Todesspirale hauptsächlich als selten eingesetzter Kontrast gut zu gebrauchen. Dann werden solche Situationen um so bedrohlicher und schwerwiegender.
Wenn das aber der Standardfall ist, bringt mir die Todesspirale spielerisch nichts, weil man ihre interessanten Auswirkungen auf die Entscheidungsprozesse weitgehend aushebelt und nur ihre negativen Effekte auf die Leistungsfähigkeit der betroffenen SCs beibehält.


*Kleine Randbemerkung:
Noch besser ist es in meinen Augen, wenn schon die Drohung mit dem Einsetzen der Todesspirale relevant ist, wenn das Regelwerk also bereits vor dem ersten Schaden Situationen erzeugen kann, wo der weitere Verlauf recht deutlich absehbar ist und die relevanten Entscheidungen dann schon getroffen werden können.
Wenn ein Regelwerk hier regelmäßig recht abstruse Verläufe produziert, kann man das vergessen.


Gibt es Beispiele für ein innerliches "Aufgeben" von Spielern? (Mit dem Malus habe ich doch 'eh keine Chance mehr?) Beispiele für ein bemerkenswertes "Aufbäumen"? Wie? Ein Beispiel für Kreativitätsentfaltung, um den Malus zu umgehen?

Das sind ja die drei Richtungen, in die man als Spieler als Reaktion auf eine Todesspirale geht, von daher kommen alle drei ständig vor.

Ersteres vor Allem dann, wenn wie oben beschrieben die gesamte HP-Menge als zentrale Ressource angesehen wird und man dann im Kampf merkt, dass man trotz noch vorhandener HP faktisch nichts mehr machen kann. Dann schalten viele Spieler ab und sind oft frustriert.
Wenn man diese Gegebenheiten von Anfang an auf dem Schirm hat, ist das Aufgeben "nur" eine rationale Entscheidung und nicht ganz so frustrierend. Dann hat man die Wahl, ob man bestimmte Ausstiegsmöglichkeiten nutzt (Flucht, Kapitulation etc. - die müssen dann natürlich auch zur Verfügung gestellt werden und gerade Flucht nicht in Form eines Lippenbekenntnisses, das aber nicht regelkonform umsetzbar ist) oder die von dir genannte Variante Drei versucht:
Weiter Einfluss auf das Geschehen nehmen, ohne irgendwas würfeln zu müssen.
Das führt zwar manchmal zu recht schönen Ideen, aber andersrum gibt es unter Spielleitern die Tendenz, so was nur durchgehen zu lassen, wenn der jeweilige SC wirklich schon schwer verletzt ist.
Warum geht das nicht auch, wenn noch keiner verletzt ist? ;)
Da wird oft mitten im Geschehen für einzelne Teilnehmer von "combat as sport" auf "combat as war" umgestellt, was ich ziemlich unschön finde.

Variante zwei, das Aufbäumen, gibt es dann natürlich auch in eher unbewusster oder bewusster Form.
Unbewusst oft aus dem gleichen, jetzt schon altbekannten Grund: HP sind meine Ressource und Kampf besteht in offenem Schlagabtausch bis zum bitteren Ende, deswegen kann ich ja gar nichts anderes machen und muss trotz heftiger Abzüge weitermachen wie gehabt.
Kann natürlich noch klappen, ist aber als Spielerlebnis auch eher frustbelastet.

Anders kann das sein, wenn man in vollem Bewusstsein des Umstandes, dass man eigentlich den Ausstieg suchen sollte, noch einmal alles auf eine Karte setzt.
Das sind dann die Momente, in denen die ganze Gruppe den Atem anhält und wo ein Erfolg lange im Gedächtnis bleibt.


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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #12 am: 19.09.2017 | 14:20 »
Zitat
Da wird oft mitten im Geschehen für einzelne Teilnehmer von "combat as sport" auf "combat as war" umgestellt, was ich ziemlich unschön finde.
+1
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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #13 am: 19.09.2017 | 14:50 »
Bei Todesspiralen spielen folgende Gründe eine entscheidende Rolle:
-- Können sie hinreichend rückgängig gemacht werden? (Splittermond ja über Regeneration; CoC eher nicht)
-- Sind sie berechenbar? (Splitttermond und CoC eher ja, DSA4 eher nein)
-- Wie kann ich mich ihnen entziehen?
-- Wie kann ich im Charakterdesign die Todesspirale beeinflussen?

Bei Splittermond sagen die Wundabzüge ja folgendes aus:
Ein Kampf in der ersten Kategorie ist kein Problem.
In der zweiten Kategorie ist es eine kleine Herausforderung.
In der dritten Verletzungskategorie ff zu kämpfen, ist nur was für Experten (relativ zum Gegner).

Klappt doch!
In hinreichend vielen Fällen kann ich mir aussuchen, ob ich fliehe. Zumindest ob ich in vorderster Reihe kämpfe.
Und ich kann im Charakterdesign die Todesspirale beeinflussen, indem ich eher auf Lebenspunkte gehe.
Kurz:
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Offline Blechpirat

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #14 am: 19.09.2017 | 14:57 »
(Ich bezahle die Schuld gerne!)

Mal zu Splittermond: Fühlt sich das irgendwie für dich an? "Erzählt" die Spirale etwas (DRAMA, BABY!)? Oder ist das mehr ein Warnhinweis? Oder ein taktisches Element, dass dem Heiler mehr Einfluss gibt? Verteilt es gar Spotlight, weil der Kämpfer ab einer gewissen Wundstufe die erste Reihe freimacht für jemand anderes?

Und: Welche Handlungsoptionen ergeben sich daraus, dass ein Charakter eine (hohe) Wundstufe hat? Ist er handlungsunfähig? Kann/muss er (von dritten) geheilt werden? Gibt es Dinge, die er noch gut tun kann, weil die Wundstufe nur das Kämpfen erschwert, aber z.B. nicht eine andere (im Kampf relevante) Handlung?

Offline rillenmanni

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #15 am: 19.09.2017 | 16:15 »
Ich habe Probleme, Sanity-Verlust bei CoC mit dem Begriff Todesspirale zu verbinden. Ah, Moment, doch, und zwar, weil man ja ggf gegen den aktuellen SAN-Wert würfeln muss, um einen weiteren Verlust zu verhinden bzw abzumildern. ...

Bleiben wir im Genre: Trail of Cthulhu
Hier gibt es ja eine Kombi aus Sanity und Stability. In die Todesspirale gerät man, wenn man nicht aufpasst (dh keinen "Heiler" mitnimmt :)) und bei Stability auf einen negativen Wert kommt. Denn erst dann - direkte Mythostraumata mal ausgenommen - verlierst du auch SAN. Und Sanity ist der eigtle Kernwert. Bei Stability negativ zu sein trotz bald bevorstehender Spannungsmomente, das ist der direkte Pfad in die Verdammnis.
Und hier gibt es auch zweistufige negative Auswirkungen, wenn die Health negativ wird (kann auf max -12 runter). Meine Erinnerung verschwimmt gerade, aber eine der Auswirkungen ist, dass man keine Spends auf Investigative Abilities mehr machen kann, dh man findet (als Einzelperson) nur noch die fürs Weiterkommen essentiellen Hinweise, kann das Informationsbild aber weder abrunden, noch sich spielpraktische Vorteile verschaffen. Das finde ich jetzt nicht so drastisch.
Während die Opfer sich umkrempeln und der Professor nicht zu erreichen ist, reißt Rillen-Manni voller Wut eine Waffe an sich ...

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #16 am: 19.09.2017 | 16:57 »
In unserer Ars-Magica-5-Runde führt die (sehr fiese) Todesspirale dazu, dass ein Kampf sehr selten wirklich bis zum Tode geführt wird. Wenn man mal ein paar Wunden eingesteckt hat und dementsprechend Abzüge erfährt, dann denkt man schon automatisch über Alternativen nach. "Greif ich den Gegner jetzt nochmal mit -11 an, was der sowieso abwehrt, oder mach ich vielleicht etwas anderes? Aufgeben, oder wegrennen vielleicht?"

Offline Blechpirat

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #17 am: 19.09.2017 | 17:33 »
In unserer Ars-Magica-5-Runde führt die (sehr fiese) Todesspirale dazu, dass ein Kampf sehr selten wirklich bis zum Tode geführt wird. Wenn man mal ein paar Wunden eingesteckt hat und dementsprechend Abzüge erfährt, dann denkt man schon automatisch über Alternativen nach. "Greif ich den Gegner jetzt nochmal mit -11 an, was der sowieso abwehrt, oder mach ich vielleicht etwas anderes? Aufgeben, oder wegrennen vielleicht?"

Wegrennen geht ohne die -11?

Offline JollyOrc

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #18 am: 19.09.2017 | 19:50 »
Gibt es Beispiele für ein innerliches "Aufgeben" von Spielern? (Mit dem Malus habe ich doch 'eh keine Chance mehr?)

Da bin ich ein Kandidat für - mich demotivieren Todesspiralen ungemein. Wenn sie dann auch noch an vermeintlichen Höhe- oder Wendepunkten auftreten, wo es gefühlt eigentlich keine weiteren Optionen gibt außer durchzuhalten, klinke ich mich schon mal innerlich aus der Runde aus.

Insofern bin ich wirklich kein Freund solcher Mechaniken, zumindest wenn sie keine Auswege erlauben.

Wenn die Spirale also nur den Kampf beeinflusst, man aber zumindest noch weglaufen kann, ist das nicht so demotivierend, wie Systeme, die einem auch für erfolgreich weglaufen noch eine (mittlerweile viel zu stark erschwerte) Probe abverlangen. Dann bleibt nämlich der Statistik nach nur noch die Parole "Durchhalten", mit der vagen Hoffnung irgendwann nochmal einen Krit zu würfeln.

Das ist langweilig und demotivierend.

Gute Todesspiralen legen einem nur nahe, die derzeitige Aktion nicht weiterzuverfolgen, erlauben aber andere Aktionen.

Fate hat ja eine Todesspirale light, da einem der Gegner bei den meisten schwereren Treffern immer auch einen Aspekt verpasst, der ihm dann nächste Runde günstig bis kostenlos als Vorteil gereicht. Hier erlaubt aber die Fiktion meist doch noch irgendeinen Rückzug, oder man gibt halt auf, bekommt einen Fatepunkt und schaut, wie es dann weitergeht.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Nick-Nack

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #19 am: 19.09.2017 | 20:09 »
Bei 7te See (2. Edition) bekommt man für die ersten Verletzungen noch Boni, dafür für spätere massive Abzüge. Dadurch entsteht ein Push-your-Luck-Mechanismus, der die Atmosphäre von wagemutigen Abenteurern gut transportiert.
Bei meinen DSA Erzählregeln verwende ich die Todesspirale als Creative Constraint und als Pacing Mittel: Schaden betrifft immer eine der acht Eigenschaften und wenn der Krieger nicht mehr kräftig ist, muss er sich Wege überlegen, das Problem stattdessen z. B. durch Mut zu lösen (was nur funktioniert, weil es eigentlich nie nur eine Eigenschaft gibt, die ein Problem lösen kann). Außerdem entsteht durch den Creative Constraint mehr Druck auf den Spieler, was hilft, die Atmosphäre rüberzubringen.
Bei meinem aktuellen System arbeite ich damit, dass man durch Wunden zwar einen dauerhaften Malus erhält, aber dafür temporär einen höheren, flexibleren Bonus. Dadurch ändert sich der Optionsspielraum, statt sich zu verkleinern. Allerdings habe ich noch nicht genug Erfahrungswerte um sagen zu können, ob das wirklich klappt.
Ansonsten gibt es Todesspiralen in den meisten Systemen auch dadurch, dass man immer mehr Mali kriegt, wenn man immer wieder die gleiche Aktion versucht und diese jedes Mal schiefgeht (z. B. beim Zaubern). Dadurch sagt das System: Wenn A nicht klappt, dann suche dir Weg B statt (langweiligerweise) immer weiter Weg A zu versuchen. Letztlich also auch eine Form von Creative Constraint.
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Offline Chiarina

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #20 am: 19.09.2017 | 23:22 »
Zitat von: Blechpirat
Wegrennen geht ohne die -11?

Ich denke doch. Normalerweise müssen Verwundete in Ars Magica bei stressigen Aktivitäten durch einen Wurf überprüfen, ob sich ihre Wunden verschlimmern (es wird ein "Recovery Roll" gemacht, der im Bestfall keine negativen Auswirkungen hat). Als Ausnahme gilt allerdings folgende Passage:

"Characters who are injured in a combat need not make Recovery rolls for further activities within that combat, but must make the rolls if they take excessive action afterwards."

Wir haben die Flucht aus einem Kampf immer noch zum Kampf dazugehörig gewertet. Argument: Adrenalin wirkt noch.
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Pyromancer

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #21 am: 19.09.2017 | 23:38 »
Wegrennen geht ohne die -11?

"Einfach so" wegrennen geht ohne Würfelwurf. Wenn ihn niemand daran hindert kann der Gegner natürlich einfach hinterher rennen.
Aus der umgekehrten Perspektive: Wenn der Gegner bei -11 steht und wegrennen will, dann steht die eigene Gruppe idR ja auch nicht unverletzt da, und ist dann ganz froh, wenn der Kampf vorbei ist. Klar, man könnte dann nachsetzen und eine Entscheidung erzwingen und den Kampf höchstwahrscheinlich gewinnen - aber mit dem Risiko, dabei selbst noch eine Wunde zu kassieren. Und Wunden sind bei Ars Magica halt tendenziell blöd. Mit einem "Heiler" in der Gruppe stirbt man da zwar nicht dran (außer man patzt extrem), aber man liegt ruck-zuck ein paar Monate flach.

Offline Chiarina

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #22 am: 19.09.2017 | 23:51 »
Alles ein bisschen Auslegungssache. Ab Wound penalties -3 heißt es unter anderem: "The character can walk, provided he is allowed to go slowly and take frequent rests". Ab Wound Penalties -6 heißt es unter anderem: "The character can [...] move himself short distances given time and assistance." Für uns funktioniert das Wegrennen, weil wir es noch zum Kampf dazuzählen.
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Pyromancer

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #23 am: 20.09.2017 | 00:01 »
Alles ein bisschen Auslegungssache. Ab Wound penalties -3 heißt es unter anderem: "The character can walk, provided he is allowed to go slowly and take frequent rests". Ab Wound Penalties -6 heißt es unter anderem: "The character can [...] move himself short distances given time and assistance." Für uns funktioniert das Wegrennen, weil wir es noch zum Kampf dazuzählen.

Wegrennen gehört noch zum Kampf, so handhaben wir das auch.

Offline Chiarina

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Re: Die Todesspirale als Gamedesignelement
« Antwort #24 am: 20.09.2017 | 00:38 »
Fazit also: Pyromancer hat Recht. Bei Ars Magica gibt´s ´ne ziemlich heftige Todesspirale (erlittene Wunden verschlechtern alle im Kampf maßgeblichen weiteren Würfe - und sie verschlechtern gleichzeitig die Fähigkeit, weiteren Schaden zu überleben). Man kann ihr aber immerhin entkommen, wenn man eine Fluchtmöglichkeit nutzt.
(Ich hatte auch schon einmal eine Situation, in der es keine Fluchtmöglichkeit gab. Die Folge: TPK. Da ist Ars Magica dann doch recht brutal.)
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