Autor Thema: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen  (Gelesen 2869 mal)

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Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« am: 9.04.2004 | 18:12 »
Tag wohl,

Ich leite im Moment eine kleinere MERS-Kampagne um die versuchte Thronübernahme in Pelargir. Das Wesentliche dabei ist, dass ich mir erstmals nur Charaktere und Orte ausdenke und die noch nicht unbedingt logisch verknüpfe. In einer knappen Stunde beginnt ein Spiel und ich weiss nicht, wie es ausgehen wird.

Das ganze hat den enormen Vorteil der Flexibilität, jetzt ist wirklich alles möglich. Andererseits habe ich nicht geringe Schwierigkeiten, sowas zu leiten. Meine SL-Erfahrung ist noch nicht allzugross, aber es dürfte nicht nur daran liegen.

Habt ihr Tipps, wie man ganze Szenen und Nebenplots improvisieren kann bzw. dann ev. doch noch mit der Hauptgeschichte verknüpfen kann? Oder wie man generell die Spielercharaktere in eine vorkonstruierte Situation reinschlittern lässt und beobachtet, wies weitergeht? Klar, diese Frage klingt blöd, aber was würdet ihr mir empfehlen? Ich halte diese Leit-Art nämlich für der 'traditionellen' weitaus überlegen und möchte mich ihr in Zukunft fast ausschliesslich bedienen. Ich habe auch Mühe mit dem gleichzeitigen Denken an verschiedene Sachen, zB. wenn NSC 1 nun das tut und NSC 2 Wind davon kriegt, wie dann die restliche Spielwelt reagiert usw. Ich versuche jetzt ja, einige solche nicht-lineare Abenteuer zu leiten, um auch ein wenig das Flair zu bekommen, aber ob das reicht? Ich wäre um theoretische Anleitungen sehr dankbar.

Gruss

Offline Dash Bannon

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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #1 am: 10.04.2004 | 01:05 »
Nebenplots improvisieren...mmh ich denke wenn du deinen Spielern da einfach zuhörst, kommst du schon auf eine Menge Ideen.
Ein Beispiel..ein Char möchte den örtlichen Käuterhändler aufsuchen...der ist weg (also wo ist er? unterwegs Vorräte auffüllen/Nachbardorf Freund besuchen/liegt verletzt in Wildnis).
so und um wieder in den Hauptplot zurückzukommen, lässt der entsprechende NSC (hier: der Händler) einen Hinweis fallen, dass eine bestimmte Person etwas wichtiges sucht/zu besprechen hat/Sorgen hat
oder an einem bestimmten Ort irgendetwas passieren soll.

Es hängt halt auch viel von deinen Spielern ab, wie sehr sie diesen Stil annehmen,,wenn sie nur auf Input von Deiner Seite aus sind, wird das nix, wenn sie von sich heraus agieren, wird es einfacher, da sie ja selbst Ideen einbringen (die Handlung oder einfach nur den Tagesablauf betrefend)
Es gibt drei Arten etwas zu tun. Die richtige Art, die falsche Art und die Dash Bannon Art.

Offline Bitpicker

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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #2 am: 10.04.2004 | 09:49 »
Es ist sehr wichtig, dass deine Spieler vorab erfahren, dass du auch Eigeninitiative erwartest; je mehr deine Spieler es gewohnt sind, von NSCs und anderen Mitteln in Richtung Abenteuer geschubst zu werden, umso schwieriger wird die Umstellung. Wenn das nicht klappen sollte, solltest du versuchen, einen Mittelweg zu finden.

Wenn du selbst nicht problemlos 'in Echtzeit' auf plötzliche Schwenks in der Handlung reagieren kannst oder die Verflechtungen zu schwierig zu durchschauen sind, um ohne Logikpatzer die Kontinuität aufrecht zu erhalten, solltest du dir frühzeitig Ereignisse, Situationen etc. zurecht legen, die die Handlung an solchen Stellen abbremsen, um dir mehr Zeit zu geben. Es hilft auch, sich vorab mehrere mögliche Variationen zu überlegen, auch wenn die Spieler eigentlich nie etwas tun, was man sich vorher überlegt hat. Man hat dann aber einen besseren Überblick und kann besser abschätzen, welche Folgen eine unerwartete Wendung hat.

Ich mache mir meist ein Gemisch aus 'harten' und 'weichen' Szenen; die harten Szenen sind Ereignisse, die nach einem mehr oder weniger festen Zeitplan stattfinden, die weichen Szenen sind beweglich oder finden nur statt, wenn die Spieler z. B. einen Schubs brauchen. Weiche Szenen eignen sich natürlich auch zum Ausbremsen.

Robin
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Offline Dash Bannon

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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #3 am: 10.04.2004 | 11:06 »
...Ich mache mir meist ein Gemisch aus 'harten' und 'weichen' Szenen; die harten Szenen sind Ereignisse, die nach einem mehr oder weniger festen Zeitplan stattfinden, die weichen Szenen sind beweglich oder finden nur statt, wenn die Spieler z. B. einen Schubs brauchen. Weiche Szenen eignen sich natürlich auch zum Ausbremsen.

Robin

yeah!
diese Herangehensweise gefällt mir. Sozusagen ein Fundus aus dem du schöpfen kannst aber nicht musst (weiche Szenen) und die um Eckpunkte (harte Szenen) herum aufegbaut sind.
das lässt den Spielern eine Menge Freiraum, führt aber doch durch die Handlung.

Ich denke das jede Gruppe lernen kann auch von sich selbst etwas zu unternehmen, man muss sie nur erstmal daran 'gewöhnen', dass nicht alles vom SL kommt.
Die Logik der Spielwelt sollte imho nur soweit wichtig sein, als das es nicht unglaubwürdig wird. Bei kleinere 'Logikpatzer' musst du halt improvisieren (warum ist das passiert/wer hats ausgelöst).

Was im Übrigen ziemlich schwierig ist, wenn jeder Char für sich alleine loszieht, alle entstehenden Handlungsstränge zu überblicken und eventuell aufeinander zu beziehen...ist echt hart.
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wjassula

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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #4 am: 10.04.2004 | 20:47 »
Ich mache das aehnlich wie Bitpicker, nur nenne ich das immer "Inseln".

Ich ueberlege mir ein Thema fuer das Abenteuer: eine Herausforderung, ein Raetsel, eine Entdeckung usw.  Ich versuche soweit wie moeglich, die in einem Satz zu formulieren.

Dann lege ich noch einen Eroeffnungsszene fest, und ueberlege mir grob, wie der Hoehpunkt des Szenarios aussehen soll. Das sind Punkt A und B.

Zwischen A und B lege ich noch verschiedene Inseln fest (was Bitpicker "harte Szenen" nennt). Das koennen Begegnungen sein, Kaempfe, Szenen, bestimmte Infos, die die Charaktere unbedingt bekommen muessen, Orte, die auf jeden Fall besucht werden usw.
Meistens hab ich noch eine ein paar NSC, die ich genauer ausgearbeitet habe.  Zu denen ueberlege ich mir ein paar grundlegende Charakterzuege und Motivationen, so dass ich flexibel festlegen kann, wie sie auf Handlungen der Gruppe reagieren.

Wie dann die Gruppe von A nach B und von Insel zu Insel kommt, das klaert sich erst im Spiel. Wie Bitpicker schon sagte, hilft es sehr, vorher im Kopf ein paar moegliche Aktionen der Gruppe durchzuspielen, und zu pruefen, wie man darauf reagieren wuerde. Auch wenn die Gruppe im Endeffekt was komplett anderes macht, uebt man so, das Material das man hat flexibel einzusetzen.

Ein gutes Szenarion, an dem man lernen kann, wie man fuer diese Technik vorarbeiten kann ist "Pinfeathers" fuer Unknown Armies. Das gibt es allerdings im Moment leider nur auf Englisch:

http://www.atlas-games.com/pdf_storage/pinfeathers.pdf

Offline Lord Verminaard

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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #5 am: 12.04.2004 | 21:43 »
Mein Abenteuer für Jestos Halloween-Grusel-Contest (Kurklinik Kopersand) war auch nicht-linear aufgebaut, ich habe dort nur den Hintergrund beschrieben und ein paar Ideen zum weiteren Ablauf sowie ein paar "Samples" (was bitpicker "weiche Szenen" nennt) beigefügt.

Man kann das schon so machen, es muss aber nicht unbedingt besser sein als ein eher linearer Plot. Kommt ganz auf die Gruppe und auch den Spielleiter an. Wenn du dich unsicher dabei fühlst, würde ich vielleicht doch wieder etwas mehr im Voraus planen. Denn eins sollte klar sein: das nicht-lineare Spiel sollte nicht darin enden, dass jeglicher Spannungsbogen und jegliche Dramatik flöten gehen.
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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #6 am: 13.04.2004 | 17:17 »
Ich habe festgestellt, daß es wichtig sein kann, einige Orte und Begegnungen im Vorraus vorbereitet zu haben. Die lassen dir´dann Zeit aufzuatmen und nachzudenken. Außerdem finde ich es schwierig einen kohärenten Dungeon zu improvisieren (eigentlich nur bei D&D wichtig). Für solche Fälle habe ich eben vorbereitetes Material. Der Rest ergibt sich so. Bei nicht - linearen Kampagnen sind Notizen im Nachhinein von großem Vorteil. Setz' dich nach dem Treffen 30' hin und schreib auf, was passiert ist. Oder lass einen Spieler Tagebuch führen.
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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #7 am: 13.04.2004 | 17:59 »
Mein letztes Abenteuer war ähnlich aufgebaut: Ich kannte den Hintergrund, wußte, welche Gruppen in der Stadt unterwegs waren und was sie wollten. Es ging um einen wahnsinnigen Seher, der irgendwie der Meinung war, die Römer wollten die Welt vernichten, und der jetzt alle Römer töten wollte. Ich hatte eine feste Szene, die ich brauchte, um einen NSC aus der Gruppe zu bauen, und der Rest hing dann eigentlich von den Spielern ab. Das war nicht immer ganz einfach, weil ich mir häufig sehr schnell überlegen mußte, was jetzt NSC X macht, und warum der jetzt nicht bei der Gruppe bleibt, aber es ging schon. Notfalls muß man halt mal eine kleine Pause einlegen.
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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #8 am: 14.04.2004 | 10:49 »
Wesentliche Ressourcen für einen nichtlinearen Plot ist eine gute Vorbereitung in Sachen NSCs und Information sowie dem Setting. Wenn Du genug Material hast, kannst Du auch flexibel und kompetent damit arbeiten. Kenne Dein Setting, dann kannst Du die Spieler auch dahin laufen lassen, wo sie wollen, ohne ins Schwimmen zu geraten. Kenne Deine NSCs, denn so kannst Du mit ihnen angemessen reagieren, wenn sich die Handlung unvorhergesehen entfaltet. Sei flexibel bei dem Erlangen von Informationen, so können Spieler die Infos an den Punkten erarbeiten, mit denen sie sich befassen (muss natürlich schon passen).

Offline Edalon

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Re: Nichtlineare Abenteuer / Kampagnen
« Antwort #9 am: 20.04.2004 | 19:51 »
Sehr interessante Taktik "harte" und "weiche Szenen" oder "Inseln" oder wie man es auch immer nennen mag. Ich denke, diese Art des Vorbereitens ermöglicht wirklich komplexe Kampagnen. Teilweise mache ich das zwar schon so, aber ich werde mich zukünftig noch mehr auf diese Weise vorbereiten...
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