Autor Thema: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?  (Gelesen 8637 mal)

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Offline Seraph

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Hi zusammen,

ich habe mich kürzlich gefragt, ob ein Rollenspiel (mit den passenden Spielern selbstverständlich!) funktionieren würde, das

a) in unserer normalen Welt spielt
b) den Alltag von vorzugsweise Teenagern behandelt
c) keine übernatürlichen Elemente, keine Mordfälle, Serienkiller und sonstigen "unglaubwürdigen" Kram beinhaltet

Auf den Trichter gekommen bin ich durch das Videospiel "Life is Strange". Ja, das hat natürlich übernatürliche Elemente (Zeitreisen), viel interessanter fand ich dabei aber das normale Leben in Arcadia Bay, die Freundschaftsbeziehungen, die Schule etc. Das hat einfach unfassbar viel in mir getriggert!

Lange Rede, kurzer Gin - hat schon mal jemand ein "stinknormales" Roleplay ausprobiert, in dem man alltägliche Dinge ausspielt?

Viele Grüße,

Seraph
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Pyromancer

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #1 am: 17.01.2019 | 19:01 »
Wenn man alles "interessante" (jaja) weglässt, dann bleibt ja nur die Soap-Drama-Schiene übrig, oder? Das kann man machen, hab ich auch schon gemacht, als One-Shot mit Fiasco. Als Kampagne spräche ich das aber nicht an.
Es gibt für das Thema aber tatsächlich Spezial-Rollenspiele, "Nicotine Girls" fällt mir da spontan ein (hab ich aber nie gespielt).

Offline Teylen

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #2 am: 17.01.2019 | 19:11 »
Es gibt da Pasión de las Pasiones von Magpie Games, wird aber noch entwickelt.
Neben dem uralten Dallas Rollenspiel, das mittlerweile out-of-print ist.
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Offline Seraph

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #3 am: 17.01.2019 | 19:20 »
Danke für eure System-Tipps.
Wisst ihr denn, ob diese Systeme spezielle Merkmale für "unspektakuläres Rollenspiel" aufweisen oder ist es einfach ein generisches System?
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Offline Jiba

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #4 am: 17.01.2019 | 19:21 »
Lange Rede, kurzer Gin - hat schon mal jemand ein "stinknormales" Roleplay ausprobiert, in dem man alltägliche Dinge ausspielt?

Sei mit so einer Formulierung vorsichtig. Denn das willst du eigentlich nicht. Du willst nichts Alltägliches. Du willst etwas Dramatisiertes.

Das kann auch eine Menge sein, wenn es um Teenage Life geht. Sowas wie in "Skins". Sowas wie "Gossip Girl". Sowas wie "Degrassi". Sowas wie "Club der roten Bänder". Du willst also eigentlich eine gewisse dramaturgische Fallhöhe, die es ja bei "Life Is Strange" auch ohne dieses Zeitreisezeugs gegeben.

Und da hast du diverse Möglichkeiten. Man kann "Monsterhearts" hacken und die Skins zu Highschool-Cliquen (Nerds, Jocks, etc.) umbauen (steht irgendwo bei mir auf To-Do). Du kannst "Bubblegumshoe" nehmen, etc.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Der Läuterer

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #5 am: 17.01.2019 | 19:24 »
Das wäre dann eine Art Soziodrama, in welchem sich Kinder und Jugendliche in vorgegebenen Situationen (z.B. Konflikten) ausprobieren können, um das Gelernte später auf die reale Welt zu übertragen.
Das läuft nach dem Motto teste unterschiedliche Vorgehensweisen aus, ohne dass Du dafür die Konsequenzen tragen musst.
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Online Maarzan

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #6 am: 17.01.2019 | 19:30 »
Du wirst noch viel öfter am Spieltisch Verweise auf "die Realität" und die spielerspezifische Wahrnehmung dazu erleben , wenn es darum geht, was funktioniert und was nicht.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Urias

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #7 am: 17.01.2019 | 19:59 »
Danke für eure System-Tipps.
Wisst ihr denn, ob diese Systeme spezielle Merkmale für "unspektakuläres Rollenspiel" aufweisen oder ist es einfach ein generisches System?

Ich meine mich zu erinnern, dass das von Feuersänger erwähnte "Nicotine Girls" so ne spezielle Mechanik hatte um Zigarettenpausen darzustellen, also Szenen in denen die Mädels so klischeemäßig an der Schulmauer rumhängen und eine Rauchen während sie über ihre Probleme reden. Ist aber schon ewig her, dass ich es gelesen habe aber es ging so ein wenig in Richtung Ghost Girls (der Film mit Scarlett Johansson und Thora Birch) als Rollenspiel. Könnte also so ziemlich das sein was du suchst.

Auch wenns jetzt weniger Alltag ist sei hier noch "Grey Ranks" von Jason Morningstar in den Raum geworfen, das auch ohne irgendwelche fantastischen Elemente das Thema Jugendliche während des Aufstands im Warschauer Ghetto behandelt und soweit ich mich erinnere auch einiges an Platz für Themen wie aufkeimende Sexualität, Beziehung usw. einräumt.
Ohne Gott ging es nicht weiter, und so hab ich mich entschieden, / meiner ist jetzt der Alkohol. / Ich trank ein paar Schlücke und ich fand meinen Frieden / und ich fühlte mich kurzfristig wohl. - Joint Venture, Der trinkende Philosoph

Offline AlucartDante

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #8 am: 17.01.2019 | 20:17 »
Wir haben das meistens mit Gurps, Chtulhu oder World of Darkness gemacht. Die beiden letzten eben ohne übernatürlichen Kram. Hat aber beides keinen Teenyschwerpunkt

Zum Teenyschwerpunkt könnte man auch mal in Buffy oder Harry Potter reingucken, aber da ist wahrscheinlich der übernatürliche Anteil zu groß, als das man ihn rausstreichen kann.

Offline Settembrini

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #9 am: 17.01.2019 | 20:27 »
Ich weiß, es ist nicht hilfreich, zumindest nicht unmittelbar. Jedoch:

Zitat
Lange Rede, kurzer Gin - hat schon mal jemand ein "stinknormales" Roleplay ausprobiert, in dem man alltägliche Dinge ausspielt?

Ja, ich nenne es "Arbeiten".


caveat lusor, sie befinden sich in einer Gelben Zone - Der PESA RHD warnt!

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Offline AlucartDante

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #10 am: 17.01.2019 | 20:34 »
Ja, ich nenne es "Arbeiten".

Made my day!  >;D

Entspricht auch meinem Alltag.

Offline Lord Verminaard

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #11 am: 17.01.2019 | 20:42 »
Bei einer der besten Runden, die ich je gespielt hatte, ging es um eine Gruppe von Menschen, die aus einem Seniorenheim im Bundesstaat Washington ausbüchsten und auf einen Road Trip nach San Francisco gingen. Das war insofern "alltäglich", als es keinen Mord und Totschlag, keine Vampire oder Monster oder Magie, keine Spionage oder sonstige Action gab. Es war das, was man im Kino ein Road Movie nennen würde. Aber es war natürlich, wie Jiba schon sagt, dramatisiert. Jeder Charakter hatte seinen definierenden Konflikt, der während des Spiels behandelt wurde, einige haben ihn aufgelöst, andere nicht. Es gab starke Bilder, symbolträchtige Situationen, die Konfrontation mit der Vergangenheit. Es gab Leitmotive und Pacing und ein sehr ergreifendes Finale. Das alles nahezu in Freiform verhandelt, auch wenn das nominelle System Fate2Go war. Der Schlüssel war eine akribische Vorbereitung, nicht nur der Spielleiterin sondern auch der Spieler in Form der Charaktere und deren Beziehungen zueinander, ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis zwischen allen Mitspielern, eine hohe kreative Synergie und ein kooperativer, erzählerischer Spielstil. Am Ende liefen drei von fünf Leuten die Tränen offen das Gesicht runter. Insofern: Alltäglich und aber auch nicht, und ja, es funktioniert. Ist aber wirklich eher was für einen One Shot, als für eine Kampagne.

Eine andere Art von Alltäglichkeit hatten wir früher in unserer Vampire-Kampagne, wo sich viele Sitzungen wirklich um den Alltag unserer Charaktere drehten, einfach darum, wie wir unsere Nahrungsbeschaffung organisieren, wie wir unsere Zufluchten und Ressourcen und unser Netzwerk ausbauen, wie sich unsere Beziehungen zueinander und wichtigen NSCs entwickeln, usw. Aber das wäre ohne den "Vampir"-Aspekt glaube ich weniger spannend gewesen. ;)
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Offline Issi

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #12 am: 17.01.2019 | 20:50 »
Zitat
Lange Rede, kurzer Gin - hat schon mal jemand ein "stinknormales" Roleplay ausprobiert, in dem man alltägliche Dinge ausspielt?
Ja ein rein historisches Rollenspiel, ohne Magie, könnte evtl. interessant sein.
(Halt nur mit Kriegern, Dieben, Gelehrten, Kräuterkundigen  etc.)

Dennoch hoffe ich inständig, dass diese Anfrage nix mir einem gewissen "Feen-Verboten-Flyer" zu tun hat.
Das würde mir echt Leid tun.

Offline kamica

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #13 am: 17.01.2019 | 20:55 »
Ich habe es nicht gespielt, aber Bubblegumshoe könnte das sein, was du suchst:
https://www.evilhat.com/home/bubblegumshoe/

Offline Teylen

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #14 am: 17.01.2019 | 21:03 »
Ja, ich nenne es "Arbeiten".
Du arbeitest in einer Schule mit Mädels und deren Probleme im Teenager Alter? :o
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Offline KhornedBeef

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #15 am: 17.01.2019 | 21:03 »
Lord Verminaard hat den Knackpunkt erwähnt: Vorbereitung. Serien um Teenager die rauchend an der Wand lehnen und reden sind nur deshalb dramatisch und interessant statt "oh Gott dieses Dummvolk ist unsere Zukunft..." Weil hochkompetente Drehbuchautoren wochenlang schwitzen um ihnen geschliffene Dialoge in den Mund zu legen.
Und    genau das    passiert am Spieltisch nicht so ohne weiteres. Das solltest du also nicht erwarten. Drama erzeugen durch "ich hau dem auf'n Kopp weil ich hab zwölf Talente dafür" ist Größenordnungen einfacher :)
Also entweder steckst du auch Größenordnungen mehr Arbeit rein als "ich nehme mal das System das der da empfohlen hat" oder es geht mit etwas Pechhalt so:
"Ja, hm. Ich geh Mal Rasen mähen"
"ich auch!"
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Offline Megan

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #16 am: 17.01.2019 | 21:16 »
Ja, hab ich.
Da geht es halt um zwischenmenschliche Beziehungen, Fehlentscheidungen, die das Leben in die falsche Richtung gebracht haben und vielleicht auch andere Menschen betroffen haben. Liebe, Verantwortung, Pflicht, Trauer, Verlust, die Bereitschaft sich/etwas zu ändern.

Eigentlich nichts anderes, als bei Geschichten in nicht alltäglichen Settings mit charakterlichem Tiefgang.
Ich finde Setups mit einem übernatürlichen Touch oft einfacher, weil man ein Vehikel hat, um diese Themen aufzugreifen und in eine interessante Geschichte zu packen.
Tatsächlich habe ich noch nichts gespielt, was wirklich so alltäglich war, dass ich darin hätte vorkommen können (außer vielleicht mal in einem Jeepformszenario), sprich hier in meiner Stadt, in einem Umfeld, das meinem entspricht.

Der Kunstgriff, ist dann eben den Ort des Geschehens wenigstens in ein anderes meist dennoch westlich geprägtes Land zu verlegen (z.B. Amerika), eine andere Gesellschaftsschicht zu verkörpern, mit der Erzählform zu spielen/zu experimentieren (wie z.B. bei Jeepform) oder die Art der Story anders zu gestalten (z.B. Roadtrip oder sowas).

Zu nah an meinem eigenen Leben mag ich Rollenspiel aber auch einfach nicht haben, außer gespickt mit experimentellen Stilmitteln.

Offline Jiba

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #17 am: 17.01.2019 | 21:25 »
Ich kann dem, was Vermi sagt, nur zustimmen. Vorbereitung oder zumindest eine kooperative, erzählerische Grundhaltung ist das A und O. Ich meine... wer will denn bei High-School-Encountern die Coolnesspunkte mit Beleidigungsattacken runterwürfeln? ;)

Ich erinnere mich auch an eine sehr denkwürdige "Alltags"-Runde, die ich hatte, mit einer zerstrittenen Familie, die sich beim Begräbnis der Oma wieder zusammenfindet. Da wurde aber auch im Vorfeld ziemlich viel gedarftet und ausdefiniert und dann am Tisch auf Würfel verzichtet.

Spiele, die übrigens zumindest aus "Alltagssituationen" ihre Konflikte und Herausforderungen ziehen, wären noch:
- Poutine (finde ich grade keinen Link zu, hilft mir wer aus?)
- Golden Sky Stories (hat zugegebenermaßen eine übernatürliche Note, aber es gibt eine Erweiterung für rein-menschliche Charaktere)
- Misspent Youth (spielt eigentlich in einer "F***ed-Up Future", kann man aber auch sehr gut in der "F***ed-Up Gegenwart" spielen, denke ich)
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Offline Seraph

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #18 am: 17.01.2019 | 21:35 »
Ja, hab ich.
Da geht es halt um zwischenmenschliche Beziehungen, Fehlentscheidungen, die das Leben in die falsche Richtung gebracht haben und vielleicht auch andere Menschen betroffen haben. Liebe, Verantwortung, Pflicht, Trauer, Verlust, die Bereitschaft sich/etwas zu ändern.

Eigentlich nichts anderes, als bei Geschichten in nicht alltäglichen Settings mit charakterlichem Tiefgang.
Ich finde Setups mit einem übernatürlichen Touch oft einfacher, weil man ein Vehikel hat, um diese Themen aufzugreifen und in eine interessante Geschichte zu packen.
Tatsächlich habe ich noch nichts gespielt, was wirklich so alltäglich war, dass ich darin hätte vorkommen können (außer vielleicht mal in einem Jeepformszenario), sprich hier in meiner Stadt, in einem Umfeld, das meinem entspricht.

Der Kunstgriff, ist dann eben den Ort des Geschehens wenigstens in ein anderes meist dennoch westlich geprägtes Land zu verlegen (z.B. Amerika), eine andere Gesellschaftsschicht zu verkörpern, mit der Erzählform zu spielen/zu experimentieren (wie z.B. bei Jeepform) oder die Art der Story anders zu gestalten (z.B. Roadtrip oder sowas).

Zu nah an meinem eigenen Leben mag ich Rollenspiel aber auch einfach nicht haben, außer gespickt mit experimentellen Stilmitteln.

Hui, ich bin überrascht von den ganzen Rückmeldungen und sage erst mal "Danke schön" :)
Stellvertretend möchte ich mal auf diesen Post hier konkret eingehen, da ich den Gedanken des "Ventils" sehr interessant finde. Ich sollte auch noch einmal deutlich, dass es mir nicht ausschließlich um Teenager-Dramen geht. In meinem konkreten Beispiel "Life is Strange" war es nur das, was mich am stärksten getriggert hat - eben weil wir alle vermutlich dass noch aus früheren Jahren kennen.
Auch suche ich nicht zwangsläufig nach einem neuen System. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, das mit dem regelarmen Cthulhu oder Vampire-Gerüst zu stemmen.

Und ja - Dramatisierung ist vermutlich da. Kaum einer möchte monotonen Alltag ausspielen, d.h. 5 Ingame-Tage lang arbeiten, essen, Hausarbeit machen und schlafen gehen. Aber dramatisiertes Rollenspiel ohne jegliches übernatürliches Zeug fasziniert mich einfach.

Ein Beispiel: in einem selbst geschriebenen Cthulhu-Abenteuer spielten beide Spieler Detectives, die den Fall eines Serienkillers aufklären sollten. Als Hintergrund hatte sich einer Spieler überlegt, dass er geschieden war und seinen Sohn am Wochenende sehen konnte. Spontan beschlossen war, dass zu Beginn des Abenteuers der Sohn bei eben jenem Spieler für eine Woche blieb, da die Ex-Frau verreiste. Die Spieler begann, herzerwärmend immersives und tolles Rollenspiel als Vater und als "Onkel in Spé" aufzuziehen.
Nach etwa 2 Sitzungen hatte ich deutlich mehr Spaß an dem improvisierten "Freizeit"-Spiel, als an dem eigentlichen Plot voller Tatorte, übernatürlichem Mythos und sonstigen übernatürlichen Scheiß. Wir spielten eine halbe Stunde lang aus, wie die beiden Cops mittags mit dem kleinen Jungen Hotdogs kaufen gingen, auf ihrem Stamm-Basketballplatz Körbe warfen und über das Leben sinnierten.
Mir ist bewusst, dass man da definitiv die richtigen Spieler zu braucht (und vermutlich auch eine gewisse Intimität, um sich vollständig fallen lassen zu können), nichtsdestotrotz ist das trotz aller Drachenhorte, Geisterhäuser, Serienkiller, Magiertürme usw. der Moment gewissen, der mir am meisten am Herzen liegt.
Ich grübele immer noch, warum genau.
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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #19 am: 17.01.2019 | 21:50 »
Ich grübele immer noch, warum genau.

Vielleicht, weil es da nachvollziehbar um etwas ging, was den Charakteren wirklich wichtig war?
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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #20 am: 17.01.2019 | 21:52 »
Was mir spontan vielleicht noch einfiele, auch wenn man sich über den "Alltags"-Anteil sicher gerne streiten kann, wäre "1W6 Freunde". Regeltechnisch recht einfach gehaltenes kleines deutschsprachiges System zum Spielen klassischer "Schülerdetektive" a la 3 Fragezeichen und dergleichen, sollte sich aber eigentlich auch recht gut für ähnlich tatendurstige junge Leute mit anderen Hobbies eignen.

Offline Megan

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #21 am: 17.01.2019 | 21:52 »
Mir ist bewusst, dass man da definitiv die richtigen Spieler zu braucht (und vermutlich auch eine gewisse Intimität, um sich vollständig fallen lassen zu können), nichtsdestotrotz ist das trotz aller Drachenhorte, Geisterhäuser, Serienkiller, Magiertürme usw. der Moment gewissen, der mir am meisten am Herzen liegt.
Ich grübele immer noch, warum genau.

Weil es einen stärker ergreift. Ich würde nicht ohne solche charakterlichen Hintergründe, ohne solche Szenen spielen wollen. Wie geschrieben: In meinen Lieblingsgeschichten ist das Besondere des Settings nur ein gutes Werkzeug um grundmenschliche Themen zu beleuchten, oder sich ihnen zu nähern.

Offline Seraph

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #22 am: 17.01.2019 | 21:53 »
Vielleicht, weil es da nachvollziehbar um etwas ging, was den Charakteren wirklich wichtig war?

Ja, vielleicht. Vermutlich hatten wir einen sehr empathischen Moment. Und die Immersion (Hinterhof, Hotdogstand, Stadtgeräusche, heiße Sonne auf Asphalt) war sehr hoch in dem Moment.

Weil es einen stärker ergreift. Ich würde nicht ohne solche charakterlichen Hintergründe, ohne solche Szenen spielen wollen. Wie geschrieben: In meinen Lieblingsgeschichten ist das Besondere des Settings nur ein gutes Werkzeug um grundmenschliche Themen zu beleuchten, oder sich ihnen zu nähern.

Das hast du wirklich schön auf den Punkt gebracht! :)
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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #23 am: 17.01.2019 | 21:55 »
Weil es einen stärker ergreift. Ich würde nicht ohne solche charakterlichen Hintergründe, ohne solche Szenen spielen wollen. Wie geschrieben: In meinen Lieblingsgeschichten ist das Besondere des Settings nur ein gutes Werkzeug um grundmenschliche Themen zu beleuchten, oder sich ihnen zu nähern.

Das ist für mich auch das Salz in der Suppe. Ohne ist es fad. Aber eine Mahlzeit nur aus Salz - das ist halt auch nix.  8)

Offline KhornedBeef

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Re: Alltags-Rollenspiel ohne übernatürliche Elemente?
« Antwort #24 am: 17.01.2019 | 22:11 »
Das würde sich gut als Schlusswort machen. ;)
Mein Ziel ist, nicht immer, aber immer öfter (#only90skidswillgetthis) das eine Runde, oder wenigstens mein Charakter, die Anlagen zu solchen Momenten haben, wie oben beschrieben. Ich sehe bis jetzt lediglich keinen Hinweis darauf, dass die von einem Ausschluss nicht-alltäglicher Elemente abhängen, oder auch nur profitieren.
Dafür würde aber der berühmte Sense of Wonder fehlen, sowie die Freiheit sich, in abenteuerlichen Handlungen auszutoben ... Und manchmal auch nur das Amüsement, nach einem anstrengenden Tag einen Haufen Skelettkrieger eine Treppe hinunterzuschmeißen und 30 Sekunden "kleppkleppkllirrrrkloppkleeppklepp" nachzumachen.
Also theoretisch geht das auch mit Hausmeister Krause im Mietshauskeller, aber irgendwas ist daran...falsch ;)
Edit: Ich muss mir direkt Mal selbst ein schwaches Argument um die Ohren hauen. Es dehnt den Begriff "alltäglich" etwas aber es gibt auf der Erde selbst heute noch genug Orte, die einen Sense of Wonder hervorrufen. Allerdings nicht in Essen-Kray, es sei denn man buddelt sehr sehr tief.
« Letzte Änderung: 17.01.2019 | 22:19 von KhornedBeef »
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