Autor Thema: Wie meta darf's denn sein? - Oder: Ist Fate ein Theorie-Schwafel-Spiel?  (Gelesen 51264 mal)

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Offline Caranthir

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Ich höre immer wieder von Leuten, dass ihnen Fate zu "meta" ist. Es stört sie, dass man in den Szenen aktiv auf die einzelnen Aspekte hinweist. Ich habe auch schon gehört, dass die Fatepunkte-Ökonomie nur dazu führt, dass man jedes Reizen annimmt, nur um im "Endkampf" genügend Fatepunkte zu haben. Schlussendlich redet man in Fate auch deutlicher über Charaktereigenschaften, die in den Aspekten schlummern und neben dem Rollenspiel eben auch für bessere Wurfergebnisse genutzt werden.

Die Frage wäre hier, wie meta ist denn Fate tatsächlich und stört euch das?

Ich drösele das mal auf:

Szenenaspekte

Bei den Szenenaspekten könnte der SL sagen: "In dieser Szene haben wir die Szenenaspekte Pechschwarze Nacht, Steile Gebirgspfade, und Aufziehendes Gewitter." Bei dieser Beschreibung geht der SL recht mechanisch vor. Er wirft den Spielern schlicht Aspekte hin und lässt sie machen. Man könnte aber auch eine Beschreibung der Umgebung vornehmen und die entsprechenden Aspekte kommentarlos als Kärtchen auf den Tisch legen

Fatepunkte-Ökonomie

Auch das Reizen scheint manchen Spielern Probleme zu bereiten. Sie fassen es als Niederlagen auf, die man hinnehmen muss, um später in Kämpfen ordentlich austeilen zu können. Das Reizen anzunehmen ist für mich aber mitnichten eine Niederlage. Es ist schlicht eine Möglichkeit, den SC in Schwierigkeiten zu bringen und gibt eine weitere Chance für einen Spotlightmoment.

Charakteraspekte

Auch hier ist die Frage, wie "meta" es denn sein soll. Ich kann als Spieler sagen: "Ich habe den Aspekt "Bärenstark, aber ungestüm", da bekomme ich +2 auf mein Wurfergebnis". Oder ich beschreibe: "Zuerst sah es so aus, als ob ich den Zementbrocken nicht wegbekomme, aber weil ich bärenstark bin, bekomme ich ihn weggewuchtet." (Der Spieler schiebt kommentarlos einen Fatepunkt in Richtung SL und tippt auf sein Charakterblatt.)

Wie "meta" geht's denn in euren Runden zu und welchen Stil bevorzugt ihr? Ich für meinen Teil finde es manchmal supi, Aspekte klar beim Namen zu nennen. Oft braucht man das aber gar nicht. Wenn der SL eine Umgebung beschreibt, kann im Prinzip alles ein Szenenaspekt sein und ich würde den Spielern erlauben, das auch so frei zu nutzen.
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Offline Rollenspielotter

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Ich habe Fate immer als sehr spielerfreundliches System mit hoher Immersion wahrgenommen. Bei bisherigen Mitspielern scheint es nur zwei Lager zu geben: Sie mögen die Zugänglichkeit/Einfachheit des Systems, das player-empowerment und die tollen Welten, oder (häufig bei langjährigen Spielern anderer Systeme) wird es im negativen Sinn als zu vereinfachtes storytelling Gelaber abgetan.
Meta oder nicht ist meiner Meinung nach eine Kombination aus (1) persönlicher Einstellung und (2) Umsetzung. Was meine ich damit?
(1) Ich empfinde den Verweis auf Charakter-Aspekte, das einführen von Gegenständen,... als Teil meines Spielgefühls. Das zieht sich durch alle Möglichkeiten, sei es nun das nutzen von Aspekten:"Der Geruch ist schwach, aber weil ich ein Katzenbeta bin, habe ich einen guten Geruchssinn." das Reizen: "Weil ich neugierig bin, liegt es in meiner Natur den Schalter zu drücken, auch wenn ich nicht weiß was passiert" oder der Erfolg mit Haken: "Als Held von Umdaar stürze ich eine Klippe runter. Wie He-Man ramme ich mein magisches Schwert in den Fels. Zwar bremst es meinen Fall, kurz vor Ende verlässt mich aber die Kraft und ich verliere meine Waffe."
Unabhängig vom System sollte man, meiner Ansicht nach, das Würfelergebnis und dessen Beschreibung trennen. "Ich möchte die Mauer raufkletter - 3, ok! Ich möchte die Tür öffnen- 20, schade,..." klingt nicht nur witzlos, ist es auch. Das detaillierte beschreiben hilft nicht nur mir bei der Vorstellung, sonder lädt auch andere dazu ein, MEIN Bild der Situation zu teilen und andersrum, ich kann den Vorstellungen der anderen besser folgen. Was heißt es in eine Bar zu kommen, da müsste jeder Spieler seine eigene Vorstellung haben. Das führt zu
(2) einer guten, gemeinsamen Umsetzung. Der SL muss den Spielern Raum geben sich einzubringen und Teil der Geschichte zu werden. "Ihr kommt in eine Bar, was seht ihr" Aus den Beschreibungen der Spieler lassen sich Aspekte zur Situation, den NSC, etc machen, die anschließend nur als Gedächtnisstütze auf Karteikarten auf dem Tisch liegen.
Für mich ist es dieses Zusammenspiel, die regelmechanische Seite auf der einen Seite und die gemeinsame Geschichte auf der anderen. Beides funktioniert nicht ohne das Andere, die Aspekte und deren Nutzung sind nur ein notwendiger Teil und eine Gedächtnisstütze, um gemeinsam ein imposantes Abenteuer zu erleben.
Ich finde es super und das aufschreiben von Aspekten, das gemeinsame beschreiben,... hilft mir tiefer in MEIN persönliches Abenteuer einzutauchen.

Offline schneeland

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Ich muss vorweg schicken, dass mir bei FATE die praktischer Erfahrung fehlt - mein Urteil speist sich also allein aus Lektüre und einem Let's Play (Geek&Sundry/Tabletop). In der Tat ist dieser Wechsel auf die Meta-Ebene für mich problematisch, weil im Zweifelsfall da auch noch ein Verhandlungsprozess dran hängt (kann ich diesen Aspekt hier einsetzen, ist diese Aktion von einem Szenenaspekt betroffen) - dass da auch noch eine Meta-Währung (FATE-Punkte) dranhängt, macht es auch nicht gerade besser. Hier tue ich mich mit PbtA ein ganzes Stück gedanklich und auch praktisch ein ganzes Stück leichter, das Spiel zu einer Konversation zu machen, bei der Erzählung und Spielzüge fließend ineinander übergehen. Das mag ein Stück weit allerdings auch daran liegen, dass meine Spieler bisher nicht versucht haben, während des Spiels neue Charakteraspekte zu etablieren, die ihnen das Leben in irgendeiner Situation leichter (oder schwerer) machen. Ich will aber nicht ausschließen, dass es auch bei FATE mit zunehmender Praxiserfahrung besser möglich ist, hier nicht zwei separate Ebenen zu haben, sondern einen fließenden Übergang zwischen Erzählebene und Meta-Ebene zu schaffen.
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Offline Vasant

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Ich habe gerade gemerkt, dass ich anfing, einen Roman kilometerweit an deiner Frage vorbei zu schreiben, daher – etwas verkürzt – der Hinweis:

"Zu Meta" höre ich oft für Fate, aber eigentlich nie so, wie du es gerade ausrollst. Die Leute, mit denen ich mal Fate ausprobiert habe und die das System gar nicht mögen, finden es auch "zu meta" – allerdings wegen des regelbedingten ständigen Ausflugs in die Autorenebene, wo dann entschieden und gegen Bezahlung von Fate-Punkten ausgehandelt wird, ob "pechschwarze Nacht" mich nun interessiert oder nicht, und auf der Spielleiter, Mitspieler und eine zusammengerufene Jury eine Viertelstunde herumdiskutieren, ob ich "bärenstark, aber ungestüm" jetzt verwenden darf, um herbeizufabulieren, dass ich beim Flirten ein +2 bekomme, weil ich ja ungestüm bin und folglich gar nicht schüchtern.

Offline 1of3

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Fate ist mir nichts halbes und nichts ganzes. Spiele mit ganz viel Diskussion und Karteikärtchen find ich ja super. Aber dann richtig. Capes, Kingdom, Conquer the Horizon.

Fate 2 war auch OK. Klassischer Rollenspiel-Baukasten, halt mit Charakter-Aspekten. Kann man gut benutzen, wenn man grad nix Maßgeschneidertes zur Hand hat. Fate 3+ ist dagegen so eine nicht wohlgeratene Mischung.

Online nobody@home

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Man merkt halt speziell bei Fate schnell, daß "meta" unter Rollenspielern in erster Linie zum Schimpfwort verkommen ist. :P In der Praxis habe ich bei Fate ja eigentlich auch nur ein Regelsystem wie viele andere (Aspekte und Fate-Punkte sind eben ganz genauso Teil der "gewöhnlichen" Fate-Spielregeln wie Stunts und Würfelwürfe auch -- auf der Ebene ist also erst mal gar noch nichts großartig "meta", obwohl gerade das gerne als Argument hochgehalten wird), nur daß es die Schwerpunkte und ggf. Spielperspektive etwas anders setzt als diverse Klassiker und tatsächlich eher mal zum Reden über das Spiel auffordert. Wirklich "meta" im Wortsinne der Vorsilbe ist dabei eigentlich nur letzteres...und das könnte ich prinzipiell in so ziemlich jedes Rollenspielsystem mit einbauen, ohne überhaupt groß an dessen Regeln drehen zu müssen.

Offline Rollenspielotter

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Ich hätte auch noch einmal aufwerfen wollen, wie "meta" Fate eigentlich ist. Für mich wenn überhaupt in Bezug auf die Fatepunkte. Im Vergleich zu einem "klassischen pen&paper"  hat Fate einen narrativen Ansatz gewählt, das ist aber auch schon alles.
Ob ich einen Aspekte ZWERG habe, den ich positiv für z.B. Schmieden, Saufen, Zähigkeit o.ä. nutzen kann, bzw. der gegen mich beim Schwimmen, Einsichtigkeit, Etikette gereizt werden kann, oder ob ich den Fertigkeiten Boni/Malusse zuweise wie in anderen Systemen macht für mich keinen Unterschied. Wenn ein Raum IN FLAMMEN steht, kriegt man bei Shadowrun, DSA +/-x und bei Fate kann das auch jede Seite für sich beanspruchen....
Ob die Fatepunkte großartig "meta" sind, oder nicht ist für mich auch schon fast egal. Sie sind ein Instrument um den Spieler da glänzen zu lassen, wo es ihm besonders wichtig ist. Fate (Schicksals)punkte helfen dort wo es knapp wird. "Ich hätte die Tür beihnahe nicht aufbekommen, aber weil ich bärenstark bin..." Selbst Cthulhu hat einen Glückswert und -wurf der einen in brezligen Situationen ggf retten kann (ggf. optional).
Ich finde folgendes Zitat von E. Gary Gygax sehr passend: "Knowledge, logic, reason and common sense serve better than a dozen rulebooks" Für mich die Werbung für Turbo Fate. Als SL ist es mir egal, ob der Spieler flink oder tollkühn angreift, soll er doch glänzen. Solange er nicht kraftvoll an den Wachen vorbeischleicht und alle Spaß haben ist doch alles gut. Kurz Fate ist für mich ein narratives System, dass die (logische) Handlung mehr akzentuiert, als eine Verkettung von regeltechnischen Wertepaaren aus diversen Tabellen.

snoopie

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Viel Lärm um nichts. Fate spielt sich super und ist mindestens so "meta" wie die D&D, DSA und haste nicht gesehen, mit denen man sich damals so rumgeschlagen hatte.

Offline Caranthir

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Nur um das nochmal klarzustellen: Mir ging es weder darum, Fate als System in die Kritik zu stellen, noch ein Urteil darüber zu fällen, ob meta nun gut oder schlecht ist. Ich sehe nur, dass man Fate unterschiedlich stark ins meta abgleiten lassen kann. Ich will hier auch keine Diskussion, was Fate als System insgesamt gut macht, und was nicht. Mir geht es hier explizit nur um "Meta, ja oder nein und wie".

Bei der Fate-Punkte-Ökonomie sehe ich zum Beispiel relativ wenig Meta-Geschwurble. Als SL würde ich im Zweifel eh immer ja sagen, wenn mir ein Spieler erklärt, warum ein Aspekt ihm jetzt +2 gibt. Das kann der betreffende Spieler gerne in seine Handlungsbeschreibung einbauen (wie im obigen Beispiel). Wenn da was nicht passt, würde das die ganz Gruppe schnell merken.

Und auch sonst sehe ich auch keine großen Unterschiede zu anderen Rollenspielen. In Shawdowrun  heißt es eben: "Die Nacht ist pechschwarz, du bekommst ohn Infrarot -4 auf den Schuss." In Fate: "Die Nacht ist pechschwarz, du brauchst eine 6, um zu treffen."
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Offline Nodens Sohn

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Es gab verschiedene engagierte Spielleiter, die mir FATE nahe bringen wollten. Und ich muss vorneweg sagen, es reizen mich wirklich einige Settings, die ich wirklich großartig finde. Doch genau dieses „Meta“ macht es für mich unmöglich FATE zu spielen. Ich komme damit nicht klar, auch wenn ich auf einigen Cons sehe, dass Gruppen an den Spieltischen großartige Abenteuer damit erleben können. Aber zurück zu „Meta“:

Es wird eine Szene beschrieben, Spannung aufgebaut, die Charaktere sind in der Geschichte drin, der Höhepunkt nähert sich, es ist vor Spannung kaum noch auszuhalten ... und dann wird die spannende Szene in Aspekte filetiert, ein Konstrukt aufgebaut und ausgehandelt, bis feststeht, was alles nun in welchem Bereich wirkt ... und die ganze Atmosphäre ist für mich vorbei. Das wirkt auf mich wie Skat oder vielleicht noch Schach.

In anderen Rollenspielen kann ich mehr in meiner Geschichte bleiben und dennoch auf die Szene Einfluss nehmen. Aber ich muss die Szene nicht konstruieren und aushandeln. Das ist das was der Meta-Begriff bei FATE für mich bedeutet. Für mich ist das zu viel und komme damit nicht klar.

Offline Caranthir

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Es wird eine Szene beschrieben, Spannung aufgebaut, die Charaktere sind in der Geschichte drin, der Höhepunkt nähert sich, es ist vor Spannung kaum noch auszuhalten ... und dann wird die spannende Szene in Aspekte filetiert, ein Konstrukt aufgebaut und ausgehandelt, bis feststeht, was alles nun in welchem Bereich wirkt ... und die ganze Atmosphäre ist für mich vorbei. Das wirkt auf mich wie Skat oder vielleicht noch Schach.

Danke dafür, genau darum ging's mir. Mal unabhängig davon, dass meta Geschmackssache ist und dass dir da niemand reinreden kann, ob dir das Spaß macht oder eben nicht, ist meine These: Fate muss gar nicht so meta sein. Stell dir die obige Szene doch einfach mal mit der Beschreibung deines SLs vor und lass die Aspekt erstmal weg. Jetzt versucht sich deine Spielfigur vielleicht in Deckung zu werfen und du erinnerst dich, dass der SL etwas von schweren Maschinen gesagt hat.

Du sagst: "Ich werfe mich hinter den schweren Maschinen in Deckung", würfelst auf Athletik und der SL schiebt dir ein Kärtchen rüber, auf dem steht "hinter schweren Maschinen in Deckung", dahinter sind zwei leere Kästchen.

So viel anders als bei anderen Rollenspielen ist das auch nicht. Wobei ich hier nicht in eine Verteidigungshaltung für Fate gehen will (Vorteil erschaffen, Verteidigungshaltung für Fate mit zwei freien Einsätzen  ;)). Mich interessiert nur, warum alle Welt denkt, dass man die Aspekte so genau ausdefinieren, aufschreiben und aushandeln muss. An der Stelle wird Fate nämlich genau so mechanisch wie die großen Regelmonster. Und das will es ja eigentlich nicht.
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Online Maarzan

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Szenenaspekte, bzw. all das, was sich automatisch und aus Ingameperspektive ergibt ist unkritisch.

Probleme habe ich mit der Fatepointökonomie, wo ich gegen die Charakterintention oder aus anderer Ursache auf der Autorenebene agieren muss - da will ich nicht hin.

Dazu stört mich auch die meinem (zugegeben beschränkten) Erfahrungsschatz nach regelmäßig anfallende Diskussion darüber, was denn nun wie an Aspekten in welcher Interpretation anwendbar ist oder nicht. Das was als Rulemunchkin in anderen Spielen auch mal vorkommt, aber eben zu Recht verpönt ist, wird da zum Prinzip.
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Online Sgirra

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Hi!

Ich kann die generelle Frage verstehne. Bis ich Fate wirklich und häufiger gespielt habe, kam es mir auch sehr ›meta‹ vor. Mittlerweile empfinde ich es genau anders herum. ;) ›Klassische‹ System wie D&D, DSA und Splittermond, die viele Regeln mit sich bringen, heben das Spiel für mich viel eher auf die Metaebene – denn anstatt im Augenblick zu bleiben, diskutiert man plötzlich Zusatzregeln, schlägt in Tabellen nach oder verwandelt den Kampfablauf in ein Brettspiel (SpliMo). Es wird vielmehr das Regelkonstrukt verhandelt als die eigentliche Szene.

Gerade da erfordert Fate etwas an Umdenken und das kommt durch Übung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Rollenspielfrischlinge viel intuitiver in Fate eintauchen, während Spieler, die an ›klassische Systeme‹ gewöhnt sind, einige Zeit brauchen, um ihre antrainierte Komfortzone zu verlassen. Wenn man sich aber darauf einlässt und etwas eingespielt hat, ist das festlegen einer Konsequenz nicht mehr (und gefühl weniger) ›meta‹ als das Auswürfeln eines kritischen Treffers in der zur Waffe passenden Tabelle.
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Online Maarzan

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Wenn man sich aber darauf einlässt und etwas eingespielt hat, ist das festlegen einer Konsequenz nicht mehr (und gefühl weniger) ›meta‹ als das Auswürfeln eines kritischen Treffers in der zur Waffe passenden Tabelle.

Wenn man sich etwas eingespielt hat und die regeln beherrscht, dann entfällt auch die Regelhürde in den klassischen Systemen.

Die Regelverarbeitung in den klasssichen Systemen erfolgt immer noch auf der Spielwelt/Charakterebene. Ich brauche ggf. einen "Coprozessor", um die dazu notwendige Rechen-/Transferleistung zu erbringen, aber es tritt kein Perspektivwechsel auf.

Das was da ermittelt wird ist nur die "Physik" hinter dem, was meine Figur selber macht und ist üblicherweise auch genau genug verregelt, dass ich diese Physik im Rahmen der Figurinformationen spätestens nach etwas Übung in jeder Runde auch selbst antizipieren kann.
Das wäre also aus meiner Sicht letztlich gerade nicht meta.

Meta wird es, wenn ich auf die Spieler-/Autorenebene muss um Sachen betrachten, bewerten und immer wieder aushandeln muss.

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Offline Isegrim

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ME sind es weniger die Aspekte, die bei meiner Gruppe im Weg standen, sondern die Aktionen. Fate teilt alles, was ein Charakter machen kann, in ein paar wenige, recht abstrakte Kategorien ein. Das ist eine recht hohe Abstraktionsstufe, die mE (bzw bei meinen beiden Gruppen) nur dann wirklich funktioniert, wenn die Spieler sich darauf einlassen, diese Systematik aktiv nutzen und selbst in diesen Kategorien denken. Das wollten die Mehrheit meiner Spieler nicht.
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Offline KhornedBeef

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ME sind es weniger die Aspekte, die bei meiner Gruppe im Weg standen, sondern die Aktionen. Fate teilt alles, was ein Charakter machen kann, in ein paar wenige, recht abstrakte Kategorien ein. Das ist eine recht hohe Abstraktionsstufe, die mE (bzw bei meinen beiden Gruppen) nur dann wirklich funktioniert, wenn die Spieler sich darauf einlassen, diese Systematik aktiv nutzen und selbst in diesen Kategorien denken. Das wollten die Mehrheit meiner Spieler nicht.
Das ist korrekt. Die Kehrseite ist das Phänomen, das ein Spieler seinen Charakter etwas machen lassen will, was in der Fiktion ginge, aber wofür es dann keine Handlung in den Regeln gibt bzw. der Spieler hat sie noch nicht mit XP "gekauft"
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Online Maarzan

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Das ist korrekt. Die Kehrseite ist das Phänomen, das ein Spieler seinen Charakter etwas machen lassen will, was in der Fiktion ginge, aber wofür es dann keine Handlung in den Regeln gibt bzw. der Spieler hat sie noch nicht mit XP "gekauft"
Ersteres passiert um so öfter um so weniger Optionen das System hat bzw. passiert die Diskussion um so öfter, umso abstrakter diese Optionen sind. Und dann ist der Übergang zum ergänzenden Ruling eh fließend, welches dann auch wieder die Chance bietet passgenauer zu helfen als die Verschubladung in eines der offiziell zugelassenen Manöver.

"Hast du nicht gekauft" ist tatsächlich ein leider nicht so unübliches Designmanko - zumindest soweit es Dinge betrifft, welche nicht tatsächlich gelernt werden müssten bzw. wo das Systen so abstrakt ist, die Lernphase zwischen "kann ich nicht,will ich als Noob aber mal (mit entsprechendem Risiko) versuchen" zu "kann ich jetzt" irgendwann nicht abbilden kann.
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Offline Slokmig

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Also noch einmal zum Mitschreiben: "Meta" ist alles, was außerhalb des Erzählflusses, sozusagen "Off-Game" diskutiert wird?
Weil ich bin mir nicht sicher, wie dieser Begriff wirklich klar definiert ist im Rollenspiel..

WENN die Definition so stimmt, dann hat jedes Rollenspiel das ich bisher gespielt habe zu viel Meta-Geschwafel. ;D Da wird diskutiert ob die Sonderregel XY greift oder ob ich meine 3 Manöver miteinander kombinieren kann oder nicht. Aus diesen Standpunkt sind klassische Systeme (DSA, Splittermond) viel mehr "meta" wie Fate. In meinen Fate-Runden haben wir schon 1-2 Stunden non stop als Charaktere interagiert ohne eine Diskussion oder Off-Topic Geschwafel.

Wie sagen es ich und viele meine Spieler immer? "Fate geht runter wie Öl." ...und das Gefühl habe ich bisher nur bei Fate gefunden, weil die Mechanik des Spiels (Aspekte, Reizen, Fate-Punkte) nicht im Weg stehen sondern sich gut in das Geschehen einbinden.

Diskussionen, ob ein Aspekt genutzt werden kann gibt es bei uns nicht. Wenn der Spieler zweifelt, entscheidet der Spielleiter mit einen Ja oder Nein. Bei Zweifel (was circa 2% der Fälle betrifft) fragt man mal kurz in die Runde nach Meinungen, und dann ist die Sache in 3 Minuten vom Tisch. Aber wie schon davor ein paar Mal erwähnt: Die Spieler müssen sich wirklich auf das System einlassen, sonst endet das Ganze in riesigen Diskussionen. Anfänger haben überhaupt keine Probleme beim Einstieg, aber erfahrene Rollenspieler ecken hier und da immer wieder mal an.


Sqirra hat das sehr schön formuliert:

Gerade da erfordert Fate etwas an Umdenken und das kommt durch Übung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Rollenspielfrischlinge viel intuitiver in Fate eintauchen, während Spieler, die an ›klassische Systeme‹ gewöhnt sind, einige Zeit brauchen, um ihre antrainierte Komfortzone zu verlassen. Wenn man sich aber darauf einlässt und etwas eingespielt hat, ist das festlegen einer Konsequenz nicht mehr (und gefühl weniger) ›meta‹ als das Auswürfeln eines kritischen Treffers in der zur Waffe passenden Tabelle.
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Offline Xemides

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Ich komme bei Fate  genau wie bei allen anderen erzählerischen Systemen nicht mit eben diesem Ansatz klar. Und meine Erfahrung ist tatsächlich, das Fate einen viel zu leicht auf die Meta-Ebene holt und man eben nicht erzählt sondern nur die Mechanik einsetzt.

Klassische Systeme lassen mich würfeln und sagen mir was passiert. Und so bevorzuge ich es.

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Also noch einmal zum Mitschreiben: "Meta" ist alles, was außerhalb des Erzählflusses, sozusagen "Off-Game" diskutiert wird?
...

Wie sagen es ich und viele meine Spieler immer? "Fate geht runter wie Öl." ...und das Gefühl habe ich bisher nur bei Fate gefunden, weil die Mechanik des Spiels (Aspekte, Reizen, Fate-Punkte) nicht im Weg stehen sondern sich gut in das Geschehen einbinden.


Sehe ich beides deutlich anders. 

Ich denke es kommt auf die abverlangte Perspektive/Spielebene an und von den Vorlieben dabei sowie der Systembeherrschung an sich (soweit diese autonom möglich ist, was ohne erhebliche zusätzliche gruppenspezifische Erfahrungsbildung bei freier interpretativen Spielen nicht autonom erlernbar ist) hängt es ab, was als "nicht im Weg stehend" empfunden wird.

Die Spieler müssen sich wirklich auf das System einlassen, sonst endet das Ganze in riesigen Diskussionen.
Hört sich eher nach "Wenn alle Spieler einen gemeinsamen Spielstil/Interpretation des Spiels praktizieren".
Und dann gilt das für alle Spiele.
Es wird aber einfacher, wenn die Regeln da entsprechend deutlich sind und weniger oft Interpretationsprobleme aufwerfen.
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Offline Slokmig

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Sehe ich beides deutlich anders. 

Verstehe ich  ;). Und ich kenne und verstehe auch deine Argumentation, aber das sind meine Erfahrungen, die meinen persönlichen Geschmack und meine Erwartungshaltung vom Rollenspiel widerspiegeln. Der Thread ist aber nicht dafür da, Leute von Fate zu überzeugen, sondern Caranthir wollte von Fate-Spielern wissen, ob Fate zu viel Theorie-Geschwafel ist. Das kann ich aus MEINER Sicht verneinen aus den vorher genannten Punkten.

Eine Kleinigkeit finde ich nur ein bisschen schwierig:
Es wird aber einfacher, wenn die Regeln da entsprechend deutlich sind und weniger oft Interpretationsprobleme aufwerfen.

Natürlich, aber dann müsste mal ALLES und JEDE AKTION, die man in einen Rollenspiel machen kann mit einer Regel versehen. Und das wird man nicht schaffen und es wird immer irgendwo Diskussionspotenzial geben.

Aber jetzt lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster: Was ist denn eigentlich so schlimm daran, wenn mal kurz über eine Regel/ein Aspekt/eine Mechanik am Tisch geredet wird? Längere Diskussionen sollten vom SL vermieden werden und im Zweifel auch einfach mal entschieden werden. Und wenn nur solche Diskussionen aufkommen dann haben die Leute am Tisch einfach zu verschiedene Erwartungen von dem Spiel, und ob da dann die Runde überhaupt Sinn macht?
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Verstehe ich  ;). Und ich kenne und verstehe auch deine Argumentation, aber das sind meine Erfahrungen, die meinen persönlichen Geschmack und meine Erwartungshaltung vom Rollenspiel widerspiegeln. Der Thread ist aber nicht dafür da, Leute von Fate zu überzeugen, sondern Caranthir wollte von Fate-Spielern wissen, ob Fate zu viel Theorie-Geschwafel ist. Das kann ich aus MEINER Sicht verneinen aus den vorher genannten Punkten.

Eine Kleinigkeit finde ich nur ein bisschen schwierig:
Natürlich, aber dann müsste mal ALLES und JEDE AKTION, die man in einen Rollenspiel machen kann mit einer Regel versehen. Und das wird man nicht schaffen und es wird immer irgendwo Diskussionspotenzial geben.

Aber jetzt lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster: Was ist denn eigentlich so schlimm daran, wenn mal kurz über eine Regel/ein Aspekt/eine Mechanik am Tisch geredet wird? Längere Diskussionen sollten vom SL vermieden werden und im Zweifel auch einfach mal entschieden werden. Und wenn nur solche Diskussionen aufkommen dann haben die Leute am Tisch einfach zu verschiedene Erwartungen von dem Spiel, und ob da dann die Runde überhaupt Sinn macht?

OK, wenn das nur an Fatespieler ging, dann bin ich wohl eh fehl am Platz. Ich dachte aber das ginge generell, um zu sehen, wo da gerade für Externe die Hürden liegen. Dann ginge es zwar um Fate aber eigentlich gar nicht an die Fate-Spieler selber - die sind schon überzeugt.

Nein, nicht für alles und jede Aktion - ich habe ja auch "weniger oft" geschrieben.
Es ist ein Unterschied, ob die entsprechende Diskussion als Ausnahmefall Notebene bei einem ansonsten strukturiert und nach Möglcihkeit umfassenden Regelgerüst anliegt, oder ob die Interpretation zum Alltagsgeschäft gehört, welches nur dann reibungsfrei funktioniert, wenn die Spielrunde die üblicherweise einiges an Erkundungsarbiet erforderliche Abstimmungs- oder gar Auslesearbeit an jeweiligen Spieltisch schon erledigt hat.

An dem mal kurz: stört mich, dass es eben immer wieder anfällt und neu zur Verhandlung ansteht, also eine Planung kaum möglich ist und dass es meiner Erfahrung nach zu einem Metawettlauf um das Ausreizen der Möglichkeiten frei oder aber in Form des Spielleiterabschätzens kommt.


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Klassische Systeme lassen mich würfeln und sagen mir was passiert. Und so bevorzuge ich es.
Interessanterweise – und das als jemand, der auch erst ein paar Hürden in seinem Kopf nehmen musste – macht Fate das sogar noch mehr als klassische Systeme. 8) Ich will dich übrigens gar nicht überzeugen, es spiegelt sich darin bloß etwas, was mir ganz am Anfang eine schwere Zeit mit Fate bereitet hat.

Klassische Systeme lassen dich in der Regel würfeln und das Ergebnis sagt dir: Du schafft es oder du schaffst es nicht. So zu sehen an der klassischen Mauer, die überwunden, oder das Schloss, das geknackt werden möchte. Aber da fängt dann manchmal schon die Misere an, weil das Nicht-Schaffen nicht gleich definiert, was passiert. Würfelt man einfach so lange, bis man es schafft? Erleidet man Schaden, weil man abrutscht? Muss man es jetzt komplett sein lassen? Und schon fangen Diskussionen an. Hand auf’s Herz, so haben wir es alle schon erlebt. ;)

Fate sagt dir sehr viel genauer, was passiert. Du hast nur vier mögliche Würfelergebnisse (Fehlschlag, Gleichstand, Erfolg und voller Erfolg) und für jedes ist die Folge klar definiert. Der wichtige Unterschied ist, dass der Spieler auch einen Vorschlag machen darf (z.B. in Form eines großen Hakens, um einen Fehlschlag doch noch in einen Erfolg zu verwandeln) – aber das muss weder in keiner Diskussion ausarten noch musst du den Vorschlag machen, sondern kannst es einfach der SL überlassen (wie es in klassischen System üblich ist).

Wenn man das erst einmal verinnerlicht hat, geht es wirklich runter wie Öl. Bis man es verinnerlicht hat, kann es aber etwas dauern, weil es auf dem Papier abstrakter klingt, als es im Spiel ist.

Aber letztlich ist alles eine Frage des Stils. Theorie-Geschwafel kenne ich schlicht verstärkt aus klassischen Systemen, weil ein komplexeres System einfach dazu einlädt, mehr über eine Möglichkeiten zu reden. Fate liest sich theoretischer, als es sich spiel (was übrigens auch für manche PbtA-Spiele gilt).

Ein anderer Aspekt (pun intended), den ich interessant finde:
Meine andere Erfahrung ist, dass ›klassisch‹ geprägte Spieler dazu neigen, auf Sicherheit spielen. Werteoptimierung, Ausrüstungsoptimierung – das sind Dinge, die Fate selten bietet und die manchen Spielern ein Gefühl der Kontrolle nehmen. Dazu kommt die Prägung, dass Scheitern bestraft wird (was dann wieder das Sicherheitsbedürfnis stärkt). Das führt manchmal zu einer anfänglichen Hilflosigkeit bei Fate. Dabei ist dieses Gefühl eher unbegründet, denn Fate hebelt als dies aus –
• Charaktere sind von Anfang an fähig und kompetent.
• Man darf die Konsequenzen mitgestalten und hat dadurch mehr Kontrolle.
• Scheitern wird belohnt.
Aber auch das will erst verstanden werden. Und obwohl ich immer ein eher risikofreudiger Spieler war, hatte ich doch durch DSA eine Prägung, die ich erst einmal ablegen musste, um Fate zu genießen. Seitdem ist mir aber kein System mehr begegnet, bei dem so wenig verhandelt und soviel eifnach gespielt wird.
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Offline ArneBab

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Gerade da erfordert Fate etwas an Umdenken und das kommt durch Übung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Rollenspielfrischlinge viel intuitiver in Fate eintauchen, während Spieler, die an ›klassische Systeme‹ gewöhnt sind, einige Zeit brauchen, um ihre antrainierte Komfortzone zu verlassen.
Komfortzone ist hier meinem Verständnis nach das falsche Wort. Erlernte Regeln der Interaktion bzw. Entscheidungsfindung würden eher passen.

In FATE sind Charakterfähigkeiten abhängig von einer Spieltisch-Resource, und das widerspricht der Aufteilung, dass Charakterhandlungen sich aus den Wahrnehmungen des Charakters ergeben. Aber darauf ihre Entscheidungen aufzubauen ist gerade, was Rollenspieler in anderen Systemen über viele Jahre gelernt haben — und als guten Stil gelernt haben.

Ob das Meta ist, hängt von der Definition ab.

Falls es Meta ist, wenn Taktiker sagen "meine pingelige Adelige legt sich da mit dem Gewehr in den Schlamm, dann haben wir größere Siegchancen", dann ist FATE ganz schön Meta, denn in beiden Fällen wird eine Entscheidung aus Perspektive von Spieler oder Spielerin heraus getroffen und nicht aus der Perspektive des Chars (der bei FATE ja keine Ahnung davon hat, wie viele FATE-Punkte gerade zur Verfügung stehen).

Ob es Theorie-Schwafel ist, hängt eher vom entsprechenden Regelbuch ab :-) — ich habe FATE-Bücher gelesen, die ewig von Author-Stance gesprochen haben und andere, die direkt auf die Anwendung kommen.

EDIT: Was ich seltsam finde ist, dass sich FATE-Punkte so anders anfühlen als z.B. Karma in Shadowrun 3. Wobei das daran liegen könnte, dass sie häufiger verwendet werden und begrenzen, was gemacht werden kann, während Karma in SR seltener genutzt wird und gefühlt keine Zusatzmöglichkeiten bietet, sondern nur Erfolgschancen erhöht. "Dafür brauchst du einen FATE-Punkt, sonst kann dieser Wert auf deinem Charblatt nichts bewirken" ist ein Killersatz.
« Letzte Änderung: 10.06.2019 | 11:59 von ArneBab »
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Klassische Systeme lassen dich in der Regel würfeln und das Ergebnis sagt dir: Du schafft es oder du schaffst es nicht. So zu sehen an der klassischen Mauer, die überwunden, oder das Schloss, das geknackt werden möchte. Aber da fängt dann manchmal schon die Misere an, weil das Nicht-Schaffen nicht gleich definiert, was passiert. Würfelt man einfach so lange, bis man es schafft? Erleidet man Schaden, weil man abrutscht? Muss man es jetzt komplett sein lassen? Und schon fangen Diskussionen an. Hand auf’s Herz, so haben wir es alle schon erlebt. ;)
Fate sagt dir sehr viel genauer, was passiert. Du hast nur vier mögliche Würfelergebnisse (Fehlschlag, Gleichstand, Erfolg und voller Erfolg) und für jedes ist die Folge klar definiert.

Erfolgsstufen gibt es auch in klassischen Spielsystemen. Und die Folgen sind dann situationsabhängig. Da sehe ich jetzt keinen Unterschied.
Oder was heißt hier "klar definiert"?


Der wichtige Unterschied ist, dass der Spieler auch einen Vorschlag machen darf (z.B. in Form eines großen Hakens, um einen Fehlschlag doch noch in einen Erfolg zu verwandeln) – aber das muss weder in keiner Diskussion ausarten noch musst du den Vorschlag machen, sondern kannst es einfach der SL überlassen (wie es in klassischen System üblich ist).
Vorschläge kann immer jeder machen. Wenn geht es um die Autorität auf Umsetzung pochen zu können.
Ich habe im Übrigen kein Interesse daran so etwas dann nach zu verhandeln und den Fehlschlag durch Metaeffekte schön zu reden. 


Ein anderer Aspekt (pun intended), den ich interessant finde:
Meine andere Erfahrung ist, dass ›klassisch‹ geprägte Spieler dazu neigen, auf Sicherheit spielen. Werteoptimierung, Ausrüstungsoptimierung – das sind Dinge, die Fate selten bietet und die manchen Spielern ein Gefühl der Kontrolle nehmen. Dazu kommt die Prägung, dass Scheitern bestraft wird (was dann wieder das Sicherheitsbedürfnis stärkt). Das führt manchmal zu einer anfänglichen Hilflosigkeit bei Fate. Dabei ist dieses Gefühl eher unbegründet, denn Fate hebelt als dies aus –
• Charaktere sind von Anfang an fähig und kompetent.
• Man darf die Konsequenzen mitgestalten und hat dadurch mehr Kontrolle.
• Scheitern wird belohnt.
Aber auch das will erst verstanden werden. Und obwohl ich immer ein eher risikofreudiger Spieler war, hatte ich doch durch DSA eine Prägung, die ich erst einmal ablegen musste, um Fate zu genießen. Seitdem ist mir aber kein System mehr begegnet, bei dem so wenig verhandelt und soviel eifnach gespielt wird.

Meine Sicht:
der klassiche Spieler will eigenverantwortlich agieren und nicht aus dem vorsorglich schwammigen Nichts dann die Option freihalten da irgendetwas herbeilabern zu können.

Und zur Eigenverantwortung gehören dann eben auch angemessene und nicht mehr wieder schönredbare Konsequenzen.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...