Autor Thema: Fail Forward  (Gelesen 9658 mal)

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Re: Fail Forward
« Antwort #125 am: 2.01.2021 | 11:27 »
Kurz noch zur Konkretisierung, damit keine Missverständnisse aufkommen.

Mich stört hier in erster Linie das Timing.

Der Char stochert in einem Schloss herum, und als er scheitert fällt ihm auf, dass das Schloss von einem sehr berühmten Schlosser stammt, einem wahren Meister seines Fachs.

Das ist doch schluderiges GMing.
Und das hat m.M.n. auch nichts mehr mit irgendeiner Art von Fail Forward zu tun. Die Info an der Stelle ist schlicht unpassend.

Was er hinterher weiss, weiss er auch schon bevor er das Schloss zu manipulieren versucht.

Und dann weiss er auch um die Schwierigkeiten, Gefahren und Chancen.
Ihm wird schlicht vom SL die Möglichkeit genommen, den Versuch auch sein zu lassen, weil es oberhalb seiner Fähigkeiten liegt.
Der Skillwurf ist ja nur eine abstrakte Möglichkeit, ein Endergebnis für die Aktion zu erhalten. Du als Spieler sagst ja an, dass Dein Charakter etwas tun will. Der Wurf selber gibt ja dann nur das Endergebnis an und da meistens nur ein "erfolgreich" oder "erfolglos". Wie die Situation sich dann genau abspielt ist dann Sache der Spieler bzw des SLs.
Beispiel für den Versuch das Schloss zu öffnen, der daneben geht (Dialog nach dem Wurf):
SL "Du gehst zum Schloss, bemerkst aber dass das Schloss vom Meister Igniatius gefertigt wurde. Er ist dafür bekannt, dass seine Schlösser unbezwingbar sind."
Option 1: Spieler: "Nach kurzem Betrachten sage ich, dass das Schloss von einem Meisterschlosser gefertigt wurde. Das ist ausserhalb meines Metiers. Das schaffe ich nicht."
Option 2: Spieler: "Oha. Nicht schlecht. Mal schauen, ob ich das hinbekomme. Ich versuche mich daran und scheitere. Igniatius ist aber echt gut. Verdammt. Klappt nicht"
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Maarzan

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Re: Fail Forward
« Antwort #126 am: 2.01.2021 | 12:33 »
Bei der Fertigkeitsanwendung, würde ein entsprechender Erfolg eine Settingfacette aufdecken, z.B. dass die Kiste von einem Meisterschlosser gebaut wurde.
Failforward scheint mir aber solche Facetten eben erst spontan zu erzeugen und dabei durchaus erhöht die Gefahr zu laufen Settingkonsistenzen zu verletzen, wenn sich da jetzt jemand partout etwas aus den Fingern saugen muss, damit es genau jetzt auf diesem Weg weitergehen kann. 

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Tudor the Traveller

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Re: Fail Forward
« Antwort #127 am: 2.01.2021 | 12:43 »
Das ist kein Problem von FF, sondern von jeder Art Improvisation.
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Offline Alexandro

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Re: Fail Forward
« Antwort #128 am: 2.01.2021 | 12:48 »
Bei der Fertigkeitsanwendung, würde ein entsprechender Erfolg eine Settingfacette aufdecken

...und bei einem Fehlschlag diese Facette in der Vorbereitungs-Masturbation des SL belassen.

Das ist das Problem. Ob man das Detail jetzt vorbereitet hat oder es (basierend auf und in Konsequenz aus bereits etablierten Details) improvisiert, hat damit erstmal nichts zu tun.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 12:51 von Alexandro »
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Offline Maarzan

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Re: Fail Forward
« Antwort #129 am: 2.01.2021 | 12:51 »
...und bei einem Fehlschlag diese Facette in der Vorbereitungs-Masturbation des SL belassen.

"Masturbation" ist doch wohl eher die Idee, dass alles mundgefüttert nach den Wünschen und Bedürfnissen des "Stars" (sprich des so sich beschwerenden) gehen muss und jede Art Aufwand oder gar Rückschlag undenkbar fürs EGO ist.
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Offline Alexandro

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Re: Fail Forward
« Antwort #130 am: 2.01.2021 | 13:01 »
Das ist deine persönliche Interpretation, welche sich in der Regel nicht mit der Realität deckt (schon allein, weil hier eine Kooperation zwischen SL und Spieler vorherrscht (das als "Masturbation" umzudeuten hat schon was von Newspeak), während im Negativbeispiel der SL alleine sein Ding durchzieht und die Spieler nichts davon mitbekommen). In der Regel deckt FF schon das Scheitern ab (und in der Regel auch eine dramatische Form von Scheitern, bei der man nicht einfach so einen neuen Versuch starten kann).

SL-Diven, welche der Meinung sind "Nein, ein Fehlschlag bei dem nichts passiert und der die (begrenzte) Zeit der Spieler verschwendet ist aber realistisch" können mir persönlich gestohlen bleiben.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 23:59 von Alexandro »
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Offline Der Läuterer

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Re: Fail Forward
« Antwort #131 am: 2.01.2021 | 13:06 »
Deine Argumentation ist nicht besonders logisch. Die Information darüber wie das Schloss aufgebaut ist (und damit, wer es gebaut haben könnte) bekommt er ja nicht, indem er das Schloss schief anschaut, sondern indem er darum rumstochert und sich intensiv mit dessen Mechanismus beschäftigt (wie es eben bei dem Versuch es zu knacken unweigerlich passiert).
Bitte. Bitte. Bitte.
Ein Schloss, das ich von aussen nicht als das aus einer Meisterwerkstatt erkenne, soll ich aber genau dann als Handwerkskunst eines ganz besonderen Schlossers erkennen, wenn ich beim Versuch es zu öffnen scheitere?

Ist das die Logik dahinter? Ist dann jedes unscheinbare Schloss, an dem ich scheitere, von diesem einen Meister gefertigt worden? Und wenn dem nicht so ist, wie erkenne ich dann den Unterschied, ob ich an einem Meisterschloss gescheitert bin, oder ob ich schlicht einen schlechten Tag hatte?
Power Gamer: 38% | Butt-Kicker: 8% | Tactician: 67% | Specialist: 38%
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Offline Alexandro

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Re: Fail Forward
« Antwort #132 am: 2.01.2021 | 13:09 »
Bitte lege mir keine Sachen in den Mund, welche ich nicht gesagt habe. Danke.

Aber erkläre DU mir doch mal, wie du erkennen würdest wer das Schloss gefertigt hat OHNE das Schloss anzufassen und dir den Mechanismus genau anzuschauen.  ;)

Um es zu öffnen muss ich mich sehr intensiv mit dem Mechanismus beschäftigen. Selbst wenn ich daran scheitere, kann ich dadurch sehr viele Informationen darüber gewinnen, wie dieser Mechanismus (grob) aufgebaut ist und wer diesen gebaut haben könnte.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 13:12 von Alexandro »
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Offline tanolov

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Re: Fail Forward
« Antwort #133 am: 2.01.2021 | 13:40 »
Bitte. Bitte. Bitte.
Ein Schloss, das ich von aussen nicht als das aus einer Meisterwerkstatt erkenne, soll ich aber genau dann als Handwerkskunst eines ganz besonderen Schlossers erkennen, wenn ich beim Versuch es zu öffnen scheitere?

Ist das die Logik dahinter? Ist dann jedes unscheinbare Schloss, an dem ich scheitere, von diesem einen Meister gefertigt worden? Und wenn dem nicht so ist, wie erkenne ich dann den Unterschied, ob ich an einem Meisterschloss gescheitert bin, oder ob ich schlicht einen schlechten Tag hatte?

du hast einfach immer noch nicht 1of3s Definition zu Fail Forward gelesen, der du selbst zugestimmt hast:

Zitat
Fail Forward bedeutet, dass niemals nichts passiert. Bei Erfolg bekommst du also so mehr oder weniger, was du willst. Bei Fehlschlag ändert sich die Situation und zwar nicht in einer Weise, die dir mehr gelegen käme. Insofern sind auch die Diskussionen, ob Fehlschlag etwas mit der persönlichen Performance des handelnden Charakters zu tun hat, vollkommen irrelevant. Kann sie wohl, wenn ein Versagen, die Situation in interessanter Weise ändern kann. Sonst muss man was Anderes nehmen.


Viele tun sich hierbei schwer den Zeitpunkt der "narrativen" Herkunft des Schlosses zu erkennen. Da im Fail Forward bei einer Probe nicht zwingend die Tagesform des Charakters getestet wird, sondern der Verlauf der Geschichte / die Auflösung der Szene, ist das Schloss erst in dem Moment vom Meister Ignatius gefertigt, in dem der GM die Konsequenz am Tisch verkündet. Ab da ist das Schloss aber schon immer von Meister Ignatius gefertigt worden. Schrödingers Schloss :D

Um das schon mal Vorwegzunehmen: Das heißt nicht, dass die Spieler Blind überall reinrennen müssen. Natürlich können sie im Vorfeld eine verschlossene Tür antizipieren und schon mal vorsorglich einen passenden Schlüssel akquirieren. Ob das Schloss in dem Fall von Meister Ingatius ist, spielt dann keine Rolle mehr und wird entsprechend auch nicht tiefer beleuchtet.

Offline ArneBab

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Re: Fail Forward
« Antwort #134 am: 2.01.2021 | 17:28 »
Doch: es geht mir auf den Keks, wie manche hier andere angehen. Ich verbitte mir als TE, andere Beiträge als Blödsinn, Unsinn, dumm, blöd, oder in sonstiger Weise abwertend zu bezeichnen!
Danke!  :d
1w6 – Ein-Würfel-System — konkret und direkt, einfach saubere Regeln.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Fail Forward
« Antwort #135 am: 7.01.2021 | 23:23 »
Also, zunächst einmal sind Fail Forward und SAAC nichts anderes als 2 weitere Erfolgsstufen. Die klassischen Erfolgsstufen (der New School) sind ja:
Kritischer Erfolg
Einfacher Erfolg
Einfacher Fehlschlag
Kritischer Fehlschlag

Wenn man beide hinzufügen und nichts wegnehmen würde, dann sähe es so aus:
Kritischer Erfolg
Einfacher Erfolg
"Ja, aber..." (SAAC, Teilerfolg)
"Nein, aber..." (FF, Teilerfolg)
Einfacher Fehlschlag
Kritischer Fehlschlag

Man hat ja generell schon das Problem, dass man auch nicht immer weiß, wie sich ein kritischer Erfolg in einem handfesten spielerischen Vorteil ausdrücken soll. Und bei manchen Proben ist es eben schwer einen Teilerfolg auszudrücken.

Was mich zurück zu der Frage bringt: Muss es denn immer einen Teilerfolg geben? Analog: Muss ein kritischer Erfolg immer in einem spielerischen Vorteil enden? Beides wirkt krampfhaft.


Ich biete dem Tudor mal eine Alternativ-Technik an: Success At A Later Cost (SAALC).
"Der Magier überlegt hin- und her, aber ihm will nichts einfallen. Er wendet sich in seiner Verzweiflung seinen Zauberbüchern zu, schlägt das erste auf und... tatsächlich, da steht die gesuchte Information in einer dahingekritzelten Seitenanmerkung - was für ein Glück!
Bitte schiebt einen Gummipunkt aus eurem Spielerpool in den Pool des SLs."

Beobachtung #1: Dem SC wird durch Glück/Zufall aus der Patsche geholfen. Die Gruppe bleibt nicht an dieser Stelle im Abenteuer stecken, es geht weiter.
Beobachtung #2: Der SL muss sich keinen Teilfehlschlag ausdenken und in die Szene "shoehorn-en".
Beobachtung #3: Der SL hat einen Gummipunkt mehr, die Gruppe einen weniger. Dies wird sich irgendwann im Laufe des Abenteuers rächen. Die Kosten kommen also an einer Stelle zum Tragen, die dem SL viel genehmer ist.
Beobachtung #4: Ja, es gibt keinen naturgesetzlich-kausalen Zusammenhang zwischen Probe und den späteren Kosten, nur einen... dramaturgischen bzw. spiel-balancierenden. Wen das stört, für den ist das nichts.

Randbemerkung: Man braucht jetzt auch keine 3-Clues-Regel mehr, weil die Gruppe sowieso nie steckenbleiben kann, wenn der GM es nicht will. Aber es ist besser als das (fast) automatische Finden von Core Clues im Gumshoe-System, weil nun etwas auf dem Spiel steht: die Gruppe kann einen Gummipunkt an den SL verlieren, wenn sie es verbockt.

Die Gummipunkte dienen somit als Transmissionsriemen in der Zeit.
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Offline Thaddeus

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Re: Fail Forward
« Antwort #136 am: 8.01.2021 | 00:43 »
[...]
Wenn man beide hinzufügen und nichts wegnehmen würde, dann sähe es so aus:
Kritischer Erfolg
Einfacher Erfolg
"Ja, aber..." (SAAC, Teilerfolg)
"Nein, aber..." (FF, Teilerfolg)
Einfacher Fehlschlag
Kritischer Fehlschlag
[snip]
Bitte schiebt einen Gummipunkt aus eurem Spielerpool in den Pool des SLs."

1. Naja, kann man schon so sehen, aber ich verstehe unter FF doch qualitativ etwas anderes als einen Teilerfolg. Der Fehlschlag bleibt ja ein Fehlschlag und soll auch einer sein. Es kommt aber darauf an, was die Würfel bzw. der Wurf abbilden soll. Ich - und grds. PbtA im Großen und Ganzen - sehen den Wurf grds. nicht als XOR Gatter, sondern als Verteilungsmechanismen für Erzählrechte... so etwa wie bei the pool. Der Witz des FF ist für meiner gerade der, dass der Spieler mit einer unerwarteten Situation konfrontiert wird: suddenly Ogres eben! ;-) In einer (klassischen) D&D Runde ließe sich das aber wohl eher schlecht unterbringen...

2. Elegante Lösung, wenn man mal in Verlegenheit mit einem guten FF ist! Das erfordert aber wieder, dass das System Gummipunkte überhaupt kennt. Hat imho aber so ein bisschen die Gefahr, etwas meta zu sein.
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