Autor Thema: Fail Forward  (Gelesen 9659 mal)

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Offline ArneBab

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Re: Fail Forward
« Antwort #25 am: 30.12.2020 | 23:29 »
Das ist das, was ich meine, wenn ich sage, dass es sich falsch anfühlt - es gibt keinen inhärenten Zusammenhang zwischen einer schlechten Recherche und dem Hereinplatzen der Konkurrenten.
Der inhärente Zusammenhang ist “too late”. Du schaffst es, bist aber nicht schnell genug.

Ich hatte allerdings ehrlich gesagt gehofft, dass jemand meinen Kommentar aufgreifen würde, dass ich nach dem Lesen von „Suddenly Ogres“ den besseren Weg vergessen hatte. Dass solche Meta-Mechanismen also die eigene geistige Flexibilität einschränken können.

Das ist wie der Effekt, wenn du zur Reaktion nur mit einem von 6 Smileys reagieren kannst: Die Nuanciertere Reaktion geht verloren.
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Offline Thaddeus

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Re: Fail Forward
« Antwort #26 am: 31.12.2020 | 00:03 »
Jein. Ein Patzer ist halt ein katatstrophales Scheitern - und daraus ergibt sich dann oft eine skurille Situation. [...snip...]

@Zeitverlust: Ganz ehrlich [...] hat noch in keiner meiner Runden funktioniert. Und als Spieler war's mir auch immer recht egal, muss ich sagen.
So kann man spielen und viel Spaß haben, es impliziert aber ein eher klassisches Verständnis von Rollenspiel (Was ja nicht schlecht oder weniger gut ist!)

Was mich an dieser Spielweise aber ganz persönlich stört, ist, dass die Charaktere (Protagonisten) vom Selbstverständnis des Spiels her zwar die Helden sind, aber a. Patzer in den meisten Rollenspielen extrem häufig vorkommen und b. die eigentlich als jedenfalls kompetent beschriebenen Charaktere, als die absoluten Trottel dastehen lässt. Das führt für mich zum Bruch der Immersion. Bei D&D und DSA z.B. besteht bei allen Aktionen eine 5%ige Chance (nämlich bei einer 1 resp. 20) krachend zu scheiternund zwar unabhängig von der Kompetenz des Charakters. Das ist extrem hoch. Kein Extremkletterer der Welt würde seinem Sport nachgehen, wenn er jedesmal eine 5%ige Chance hätte, krachend zu scheitern.

Klar kann man das durch Gummipunkte etc. ausgleichen und natürlich betrachten manche Iterationen von D&A das inzwischen differenzierter, die Kritik bleibt aber im Kern bestehen. Die geniale Erkenntnis von Vincent Bakers Apocalypse World (pbta)* war es, zu erkennen, dass ein Wurf nicht Erfolg und Mißerfolg voneinander trennen muss, sondern die Richtung vorgeben kann, in welche sich die Geschichte weiterentwickelt.

Bsp.: Ein mißlungener oder gepatzter Kletterwurf muss daher nicht bedeuten, dass der Kletterer abstürzt. Vielleicht kommt er oben an, aber blickt in den Lauf einer Schrotflinte.

Ein "Teilerfolg" / "Success at a cost" ist nur dann interessant, wenn a. der Spieler mit seiner Aktion grundsätzlich erfolgreich ist und b. die Komplikation die Geschichte tatsächlich beeinflusst. Bei einer Kletterprobe ist es uninteressant, wenn der Kletterer bei einem Teilerfolg nur bis zur Hälfte die Mauer hochkommt, es sei denn, damit verbindet sich ein neues Problem, ein neuer narrativer Anknüpfungspunkt. Es gibt kaum etwas langweiligeres, als wenn der Dieb beim Öffnen des Schlosses vielleicht nur ein paar Zylinder erwischt und nächste Runde nochmal würfeln muss, um das Schloss vollständig zu öffnen.

Bei einem "Teilerfolg" gebe ich den Spielern auch eigentlich fast immer eine Wahl: Der SC hat den Dieb durch die Gassen verfolgt und wollte ihn mit einem gezielten Schuss zu Fall bringen. Der Spieler würfelt einen Teilerfolg: Ich habe ihm gesagt, dass er für einen gezielten Schuss zu schnell läuft, aber mit einer Salve würde er bestimmt irgendwie treffen. Der Spieler schoss und die Salve riss dem Dieb ein Bein ab und zerschmetterte einen Arm. Der Spieler hatte also einen sterbenden statt einen angeschossenen Dieb, welcher auch noch befragt werden konnte, denn sonst hätte ich den Erfolg des Spielers zunichte gemacht.

edit: typos

*Jaaa... er war nicht der erste, aber der erste der mir die Augen geöffnet hat.
« Letzte Änderung: 31.12.2020 | 01:10 von Thaddeus »
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Offline ArneBab

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Re: Fail Forward
« Antwort #27 am: 31.12.2020 | 00:26 »
Bei D&D und DSA z.B. besteht bei allen Aktionen eine 5%ige Chance (nämlich bei einer 1 resp. 20) krachend zu scheiternund zwar unabhängig von der Kompetenz des Charakters. Das ist extrem hoch. Kein Extremkletterer der Welt wrde seinem Sport nachgehen, wenn er jedesmal eine 5%ige Chance hätte, krachend zu scheitern.
Müssen Patzer bei DSA nicht inzwischen bestätigt werden?

Abgesehen davon: Ja. Gurps hat das z.B. auf 0.5% reduziert. Das ist dann wieder plausibel: Bei einer von 200 Klettertouren abzustürzen entspricht schon eher dem Berufsrisiko von Kletterern. Zusätzlich gibt es in vielen Systemen automatische Erfolge: Wenn es so leicht ist, dass es kaum schiefgehen kann (beim EWS bei 6 Punkten Differenz), wird einfach gar nicht gewürfelt. Deine Routinetätigkeiten klappen üblicherweise.
Zitat
Klar kann man das durch Gummipunkte etc. ausgleichen und natürlich betrachten manche Iterationen von D&A das differenzierter, die Kritik bleibt aber im Kern bestehen.
Gummipunkte halte ich bei sowas für einen unsauberen Workaround: Unser System produziert Ergebnisse, die wir nicht wollen, deswegen kitten wir sie mit dieser Gummimechanik, über die einige dieser ungewollten Ergebnisse verhindert werden können.
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Online Tudor the Traveller

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Re: Fail Forward
« Antwort #28 am: 31.12.2020 | 01:36 »
Bei D&D gibt es Patzer und Crits nicht bei Skill Checks! Ich weiß es jetzt nicht sicher für alle Editionen, aber für 3-5 ist es zutreffend.

Ich sehe und teile deine Probleme, aber sind wir hier mit der frage nach fail-forward genau in einem Spielstil, welcher ausdrücklich offen für solche Metaüberlegungen sind?
Dann kann man ihnen das auch nicht vorwerfen, auch wenn man diesen Geschmack nicht teilt.

Ich bin offen für die Metaebene, aber dann muss man solche Proben imo grundlegend anders angehen und auch kommunizieren. Da spielt das verwendete System sicher eine zentrale Rolle bei. Ich möchte aber für mein Spiel, dass Checks für Erfolg oder Misserfolg konkreter Handlungen stehen. Suddenly Ogers ist ein interessantes Werkzeug, aber nicht wirklich das was ich suche. Ich suche Hilfen für "Fail, but..." was ich als Fail Forward verstehe. Sonst führe ich imo den Spielwert als solchen irgendwie ad absurdum. Bei der Metavariante mit suddenly Ogers passiert nach meiner Interpretation kein Skillcheck in dem Sinne, sondern eine Art Storycheck. Das ist keine schlechte Sache, aber in meinen Augen ein grundlegend anderer Ansatz.

Mit dem "Nein aber" hast du keinen Erfolg: die gesuchte Antwort bleibt aus. ABER du stolpert über eine andere Sache. Eine neue Information in völlig neuer Ruchtung, eine neue Ressource (Bibliothekar als neuer Buddy), ein alternativer Ansatzpunkt (man findet heraus, dass die gesuchte Information auf anderem Wege zu bekommen ist). Das ist teilweise sehr ähnlich zu den bisher genannten Wendungen, behält aber den Bezug zur eingesetzten Fertigkeit.
« Letzte Änderung: 31.12.2020 | 02:00 von Tudor the Traveller »
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Re: Fail Forward
« Antwort #29 am: 31.12.2020 | 08:58 »
Zitat
Was mich an dieser Spielweise aber ganz persönlich stört, ist, dass die Charaktere (Protagonisten) vom Selbstverständnis des Spiels her zwar die Helden sind, aber a. Patzer in den meisten Rollenspielen extrem häufig vorkommen und b. die eigentlich als jedenfalls kompetent beschriebenen Charaktere, als die absoluten Trottel dastehen lässt.
Ich finde eher, dass sie das menschlich macht. Ich behaupte mal von mir selber, dass ich mit einem Schwert ziemlich gut umgehen kann (~85% Skill würd ich annehmen) - trotzdem ist es mir schon mal einfach aus der Hand gefallen, ich bin im Kampf ausgerutscht, usw. Sachen, die völlig ohne den Einfluss eines Gegners passieren.
Jetzt soll das einem SC-Helden nicht passieren können?

Die Häufigkeit ist so eine Sache. Es gibt Tage, da fallen die 1en, die Saurons-Augen, etc. wie Fallobst. Es gibt Spieler, die scheinen das Pech gepachtet zu haben. Aber hey, solche Tage hab ich auch - und Pechvögel gibt es auch genug.

Demnach ich die Tabellen von MERS/Rolemaster schon lange hinter mir gelassen hab, mache ich aus Patzern eine Situation - und die sind dann oft länger im Gedächtnis als Siege.
Der Halbling hat z.B. beim Rennen auf dem Geröllhang gepatzt - und durfte sofort einen Athletik-Wurf anhängen. Den hat er allerdings auch verhauen, Hope hätte auch nix gebracht, also fiel er. Bei TOR steht dir im Falle einer potentiellen Wunde ein Rüstungswurf zu - auch verhauen. Sowas nennt man dann eine Verkettung unglücklicher Umstände.

Bei 13th Age hat der Tiefling die Fähigkeit, Gegnern bei einem Wurf von 2-4 eine 1 "anzuhexen" - wär doch witzlos, wenn dann der eine Gegner nicht stolpert und dem anderen vor die Füße fällt, oder so...  ;)

Ich behandle Patzer auch gerne wie den Despair bei Genesys: Du hast etwas gemacht, das furchtbar nach hinten losgegangen ist. Je nach Situation siehst du das sofort - oder erst viel später.

Grundsätzlich sehe "Fail Forward" aber auch nicht als Absolute. Manchmal ist ein Fehlschlag auch einfach nur ein Fehlschlag. SC1 sucht nach X und schafft den Wurf nicht - na ja, dann findet er halt nix. Hätte man vielleicht doch besser eine Gruppenaktion draus gemacht...
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Offline Thaddeus

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Re: Fail Forward
« Antwort #30 am: 31.12.2020 | 10:39 »
Grundsätzlich sehe "Fail Forward" aber auch nicht als Absolute. Manchmal ist ein Fehlschlag auch einfach nur ein Fehlschlag. SC1 sucht nach X und schafft den Wurf nicht - na ja, dann findet er halt nix. Hätte man vielleicht doch besser eine Gruppenaktion draus gemacht...
Volle Zustimmung! Ich finde ehrlich es kann und sollte auch Sackgassen geben können. Schlösseknackenwurf versemmelt? Du kriegst das Schloss nicht auf, niemals, vergiss es! Mit Sprengstoff? Ok, das wäre ein neuer Wurf...

[...]Bei der Metavariante mit suddenly Ogers passiert nach meiner Interpretation kein Skillcheck in dem Sinne, sondern eine Art Storycheck. Das ist keine schlechte Sache, aber in meinen Augen ein grundlegend anderer Ansatz.[...]

Bitte? Es geht doch um einen gather information check, das ist doch kein Skill, das ist doch sowas von meta!

Suddenly Ogers ist meiner Einschätzung nach auch nicht wirklich als ernsthafter Vorschlag gemeint, sondern in seiner Überzeichnung eher als Denkanstoss gedacht.
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Offline Maarzan

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Re: Fail Forward
« Antwort #31 am: 31.12.2020 | 10:44 »

Bitte? Es geht doch um einen gather information check, das ist doch kein Skill, das ist doch sowas von meta!


Natürlich ist das ein Skill/ eine in-game-Handlung.
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Offline Der Läuterer

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Re: Fail Forward
« Antwort #32 am: 31.12.2020 | 11:27 »
Fail Forward ist ein nettes Gimmick, das man ab und an einsetzen kann, aber nichts für den alltäglichen Gebrauch. Das zeigt sich schon daran, dass hier im Thread nach Erklärungen für die Info Recherche in der Bib gesucht werden, aber keine noch so gute Variante wirklich passt.

Ein Fehlschlag ist manchmal nur ein Fehlschlag, sonst wären jene, bei denen oft was schief geht, ganz schnell Genies.

Es gibt da diesen Spruch: Erfahrung ist die Frucht vom Baum des Irrtums.
Hört ist gut an. Doch ist die Frucht leider hohl.
Nur durch einen Fehler oder einen Irrtum habe ich noch nichts gelernt.

Was ist dann Fail Forward überhaupt?
Vielleicht ein System wie das Basic Roleplaying System von Chaosium, bei dem ich einen missglückten Wurf nach dem Spiel zu verbessern versuchen kann?
Nur weil ich einen Fehler mache, bedeutet das nicht, dass ich den Fehler nicht wiederhole, oder etwas daraus lerne und schon gar nicht, dass mich dieser Fehler weiterbringen würde.

Ein Weitspringer springt ja auch nicht weiter, nur weil er vor dem Absprung Balken stolpert.
Wenn dem so wäre, würde dies doch sicherlich die bevorzugte Technik werden, um neue Rekorde aufzustellen...
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Offline Maarzan

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Re: Fail Forward
« Antwort #33 am: 31.12.2020 | 11:31 »
Was ist dann Fail Forward überhaupt?
Vielleicht ein System wie das Basic Roleplaying System von Chaosium, bei dem ich einen missglückten Wurf nach dem Spiel zu verbessern versuchen kann?
Nur weil ich einen Fehler mache, bedeutet das nicht, dass ich den Fehler nicht wiederhole, oder etwas daraus lerne und schon gar nicht, dass mich dieser Fehler weiterbringen würde.

Ein Weitspringer springt ja auch nicht weiter, nur weil er vor dem Absprung Balken stolpert.
Wenn dem so wäre, würde dies doch sicherlich die bevorzugte Technik werden, um neue Rekorde aufzustellen...

So gesehen müsste man (selbst oder per Erläuterung eines Beobachters) nach dem Fehlschlag einen entsprechenden Theoriewurf schaffen, wo man erst den Fehler und dann eine voraussichtlich bessere Lösung erkennt
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Online nobody@home

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Re: Fail Forward
« Antwort #34 am: 31.12.2020 | 11:34 »
Ein Fehlschlag ist manchmal nur ein Fehlschlag, sonst wären jene, bei denen oft was schief geht, ganz schnell Genies.

Nun ja, gerade bei dem Ansatz von BRP (erst mal muß man immer noch den Erfolg haben, um sich das Häkchen zu verdienen, aber dann will man den Erfahrungswurf ja möglichst oft versemmeln, weil's sonst keine Zusatzprozente gibt...) läge das in der Tat irgendwie nahe. ;D

Offline 1of3

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Re: Fail Forward
« Antwort #35 am: 31.12.2020 | 11:37 »
Fail Forward ist ein nettes Gimmick, das man ab und an einsetzen kann, aber nichts für den alltäglichen Gebrauch. Das zeigt sich schon daran, dass hier im Thread nach Erklärungen für die Info Recherche in der Bib gesucht werden, aber keine noch so gute Variante wirklich passt.

[...] Was ist dann Fail Forward überhaupt?

Ich behaupte, meine passen hervorragend.

Fail Forward bedeutet, dass niemals nichts passiert. Bei Erfolg bekommst du also so mehr oder weniger, was du willst. Bei Fehlschlag ändert sich die Situation und zwar nicht in einer Weise, die dir mehr gelegen käme. Insofern sind auch die Diskussionen, ob Fehlschlag etwas mit der persönlichen Performance des handelnden Charakters zu tun hat, vollkommen irrelevant. Kann sie wohl, wenn ein Versagen, die Situation in interessanter Weise ändern kann. Sonst muss man was Anderes nehmen.

Was du auf deinem Charakterblatt in Sachen XP-Verwaltung treibst, ist vollkommen egal.

Offline Rhylthar

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Re: Fail Forward
« Antwort #36 am: 31.12.2020 | 12:03 »
Zitat
Most of the games I love actively embrace
failure. Burning Wheel, Apocalypse
World (even my own work in progress,
Sword & Scoundrel), and similar
games are all designed to Fail Forward.
Failure is not only an expected part of
play, it’s relied upon to drive the narrative
forward. You’re not playing these
games to accomplish things. You’re
playing them to see what happens. OSR
design takes the opposite approach.
aus: KNOCK! (für OSR)

Fail Forward wird nach der Defintion halt genutzt, damit man nicht "steckenbleibt". Heisst für mich aber auch, gerade für D&D-artige, dass es eben nicht immer Fail Forward geben muss. Da bin ich dann beim Läuterer; manchmal ist ein Fehlschlag einfach nur...ein Fehlschlag.

Disable Device/Use Magic Device-Check nicht geschafft?


Ansonsten hilft zur Ausarbeitung vielleicht mal ein Blick in alte 3.5-Regelbücher bei den Knowledge-Skills; dort war es so aufgeteilt, dass um so höher der Wurf (DC), um so mehr Informationen gab es...solche Listen könnte man natürlich auch "nach unten" fortführen.
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Offline Der Läuterer

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Re: Fail Forward
« Antwort #37 am: 31.12.2020 | 12:27 »
So gesehen müsste man (selbst oder per Erläuterung eines Beobachters) nach dem Fehlschlag einen entsprechenden Theoriewurf schaffen, wo man erst den Fehler und dann eine voraussichtlich bessere Lösung erkennt
Prinzipiell ja.
Zuerst auf Int, um den Fehler zu sehen und zu verstehen, und dann auf Wis, um für die Zukunft daraus zu lernen und weitere Fehler zu vermeiden.

Und nein. Denn das wäre mir dann jedoch widerum viel zu verkompliziert und verkopft.
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Offline Der Läuterer

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Re: Fail Forward
« Antwort #38 am: 31.12.2020 | 12:33 »
Fail Forward bedeutet, dass niemals nichts passiert. Bei Erfolg bekommst du also so mehr oder weniger, was du willst. Bei Fehlschlag ändert sich die Situation und zwar nicht in einer Weise, die dir mehr gelegen käme. Insofern sind auch die Diskussionen, ob Fehlschlag etwas mit der persönlichen Performance des handelnden Charakters zu tun hat, vollkommen irrelevant. Kann sie wohl, wenn ein Versagen, die Situation in interessanter Weise ändern kann. Sonst muss man was Anderes nehmen.
Deine Erklärung von Fail Forward ist korrekt und bekannt.

Nichtsdestotrotz ist die systemische Begründung dahinter Unsinn.

Wenn dem so wäre, dass niemals nichts passiert, dann würde sich ja alles von alleine ergeben, mit oder ohne mein Zutun. Jedwede Handlung meinerseits wäre obsolet.

Vor einer Tür müsste ich nur lange genug warten, um in den verschlossenen Raum zu gelangen. Ich müsste keinen Dietrich benutzen und nicht die Tür eintreten. Und ich müsste auch nicht versagen, ich müsste nur abwarten.
Wenn etwas nach Unsinn klingt, ist es das auch fast immer.
Ausser, im obigen Fall, morgens, wenn die Geschäfte öffnen...

Das ganze Konstrukt ist, wie befeits geschrieben, ein netter Gimmik.
Ein Kontrapunkt zum üblichen Scheitern. Eine Variation des Themas.
Aber nichts, das ständig bei Fehlschlägen zum Einsatz kommen könnte oder sollte - m.M.n.
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Offline Rhylthar

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Re: Fail Forward
« Antwort #39 am: 31.12.2020 | 12:36 »
Zitat
Vor einer Tür müsste ich nur lange genug warten, um in den verschlossenen Raum zu gelangen. Ich müsste keinen Dietrich benutzen und nicht die Tür eintreten. Und ich müsste auch nicht versagen, ich müsste nur abwarten.
Das ist ja nicht richtig. Wenn Du nichts machst, passiert...nichts.

Damit ein "Fail" entsteht, muss eine Handlung erfolgen. Sonst geht es nicht. Getreu dem Motto: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt."
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Offline Der Läuterer

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Re: Fail Forward
« Antwort #40 am: 31.12.2020 | 12:46 »
Nun ja, gerade bei dem Ansatz von BRP (erst mal muß man immer noch den Erfolg haben, um sich das Häkchen zu verdienen, aber dann will man den Erfahrungswurf ja möglichst oft versemmeln, weil's sonst keine Zusatzprozente gibt...) läge das in der Tat irgendwie nahe.
Soweit ich mich richtig erinnere, muss ich, um mir das Häkchen zu verdienen, zuerst versagen (über meinen %-Wert würfeln - je höher mein Wert desto schwieriger), um dann einen möglichen Lerneffekt mit W6% erzielen zu können (unter meinen %-Wert würfeln - je niedriger mein Wert desto schwieriger).
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Re: Fail Forward
« Antwort #41 am: 31.12.2020 | 13:02 »
Das ist ja nicht richtig. Wenn Du nichts machst, passiert...nichts.

Damit ein "Fail" entsteht, muss eine Handlung erfolgen. Sonst geht es nicht. Getreu dem Motto: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt."
Die Aussage war, dass niemals nichts passiert würde.

Und was ich tue ist zu warten. Das ist zwar langweilig... sehr langweilig... äusserst langweilig... totlangweilig, dennoch ist abwarten als solches eine Handlung.

Das ist vergleichbar mit einem 'Gespräch', bei dem einer der Gesprachspartner beharrlich schweigt. Obwohl er nichts sagt, kommuniziert er gleichwohl.
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Re: Fail Forward
« Antwort #42 am: 31.12.2020 | 13:24 »
Das Fail Forward System spielt denen, die, das was sie machen, nicht beherrschen, in die Hände.

Zur Konkretisierung des Bsp. mit der Tür.

Ich beherrsche nicht die Fähigkeit 'Schlösser Öffnen'. Aber ich habe einen Draht.
Damit stochere ich im Schloss herum und habe eine annähernd 100%ige Wahrscheinlichkeit zu scheitern.
Mit Fail Forward passiert dann aber etwas, das mich weiter bringt - etwas Positives.

Damit bin ich dann de facto besser als jeder Profi Einbrecher, der sein Handwerk beherrscht.

???
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Offline schneeland

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Re: Fail Forward
« Antwort #43 am: 31.12.2020 | 13:32 »
Nicht zwingend. Wenn wir jetzt mal auf PbtA als System mit "eingebautem" Fail Forward schauen, dann würde dieser Versuch keinen Spielzug und somit auch kein Fail Forward auslösen. Es passiert das, was in der Erzählung Sinn ergibt - erfolgloses Herumstochern mit einem Draht in einem Schloss.
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Re: Fail Forward
« Antwort #44 am: 31.12.2020 | 13:35 »
Die Aussage war, dass niemals nichts passiert würde.

Und was ich tue ist zu warten. Das ist zwar langweilig... sehr langweilig... äusserst langweilig... totlangweilig, dennoch ist abwarten als solches eine Handlung.

Das ist vergleichbar mit einem 'Gespräch', bei dem einer der Gesprachspartner beharrlich schweigt. Obwohl er nichts sagt, kommuniziert er gleichwohl.

Das ist doch einfach nur nen Strohmann weil du grade sonst nichts hast wo du ansetzen kannst und dich bisschen in die Ecke argumentiert hast...

Fail Forward heißt doch nicht, das man einem ex ante definiertes ziel auch mit einem Fehlschlag näher kommt. Fail Forward heißt, das sich die erzählte Geschichte bedeutungsvoll weiterspinnt, auch wenn eine Probe fehlgeschlagen ist. (nein, 5 fehlgeschlagene Schlösser-Knacken Proben ohne Konsequenzen bringen die Story nicht weiter, werden in keinem Recap erwähnt). Dadurch kann man einem vom Charakter / Spieler festgelegtem Ziel zwar näher kommen, muss aber nicht.

Wenn ich Kurku den Barbar aus dem Gefängnis befreien will, das Schloss nicht aufbekomme und deshalb von Wachen festgesetzt werden, Kurku daraufhin exekutiert wird und ich als nächstes auf dem Schafott landen soll, ist das absolut 100% Fail Forward.


edit:
um das noch ein bisschen auszuführen:
Fail Forward gilt bei Proben und nur bei Proben. Fail Forward ist dabei auch nichts weiter als das sofortige Anwenden von Konsequenzen um Würfelwürfen Sinn zu geben.
Ich würde an dieser Stelle nämlich behaupten, dass ein Würfelwurf nur dann Sinn macht, wenn man ihn auch endgültig nicht schaffen kann. Kann ich einen Probe kostenlos unbegrenzt wiederholen, dann ist diese Probe immer trivial, unabhängig davon, wie "Schwer" sie auf dem Papier ist.
Ich muss also jedem Würfelwurf immer Kosten zuweisen um dem Ganzen Bedeutung zu geben. Diese Kosten manifestieren sich in RPGs immer über Konsequenzen. Sei es weil ein missglückter Wurf zu unmittelbaren Konsequenzen führt (aka Fail Forward), zu möglichen Konsequenzen führt (Wandering Monster Tables) oder der Weg (mehr oder weniger) permanent unmöglich wird und alternativen gesucht werden müssen.

Eins von den Drei muss es immer geben. Persönlich finde ich die Sackgassenvariante davon aber die mit Abstand langweiligste.

« Letzte Änderung: 31.12.2020 | 14:01 von tanolov »

Offline KhornedBeef

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Re: Fail Forward
« Antwort #45 am: 31.12.2020 | 13:52 »
Es soll mit der Handlung vorwärts gehen, nicht unbedingt mit den Zielen des Charakters in der Sekunde, genau. Ist tatsächlich ein versehentlicher Strohmann, wenn man über etwas anderes spricht.
Gerade bei pbtA ist eben Nichtstun auch keine Handlung. Das kann man philosophisch anders sehen, aber in dem Kontext, das jemand anderes da ein Spiel mit Designzielen und Regeln geschrieben hat, ist es halt so.
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Re: Fail Forward
« Antwort #46 am: 31.12.2020 | 14:29 »
Nicht zwingend. Wenn wir jetzt mal auf PbtA als System mit "eingebautem" Fail Forward schauen, dann würde dieser Versuch keinen Spielzug und somit auch kein Fail Forward auslösen. Es passiert das, was in der Erzählung Sinn ergibt - erfolgloses Herumstochern mit einem Draht in einem Schloss.
Ich würde die Ansicht gerne teilen.
Verzeih bitte, aber ich neige nun mal zum Polarisieren. Deshalb auch jetzt die Rückfrage.

Weshalb sollte dieser o.g. Versuch keinen Spielzug darstellen?

Ab wieviel % wäre es denn ein solcher? Ab 20%? Ab 50%?
Lernt man denn nicht als blutiger Anfänger unter Stress am Besten?

Und ein erfolgloses Herumstochern mit einem Draht in einem Schloss ist es auf jeden Fall. So oder so. Immer dann, wenn das Vorhaben misslingt - ob Anfänger oder Profi. Gescheitert ist gescheitert.
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Offline schneeland

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Re: Fail Forward
« Antwort #47 am: 31.12.2020 | 14:48 »
Weshalb sollte dieser o.g. Versuch keinen Spielzug darstellen?

Ab wieviel % wäre es denn ein solcher? Ab 20%? Ab 50%?
Lernt man denn nicht als blutiger Anfänger unter Stress am Besten?

Für PbtA-Spiele ist die Frage relativ leicht beantwortet: Spielzüge sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die erfüllt sein müssen, damit der Spielzug zur Anwendung kommt.

Wir können grob zwei Situationen unterscheiden können:
1) Es gibt einen Klassen/Spielbuch-spezifischen Spielzug, nennen wir ihn mal "Schlüssel sind was für Anfänger!", der auslöst, wenn die Figur sich irgendwo unberechtigt Zutritt verschafft. Wenn unser Anfänger-Schlossknacker diesen Spielzug (noch) nicht besitzt, dann kann er auch nicht zur Anwendung kommen.
2) Es gibt einen allgemeinen Spielzug, nennen wir ihn mal "Wenn die Kacke am dampfen ist", der für Handlungen unter Stress zuständig ist. Dieser könnte auch für unseren Anfänger zum Tragen kommen, allerdings nur, wenn a) wirklich etwas auf dem Spiel steht, und b) es in der Erzählung plausibel ist, dass die Handlung Erfolg haben kann.

An 2b) werden sich jetzt möglicherweise die Geister scheiden, denn hier muss die Spielleitung (oder ggf. die ganze Gruppe entscheiden), ob eine Handlung innerhalb des Genres plausibel ist. Wenn ich Geschichten über Büroangestellte, die auf die schiefe Bahn geraten sind, spiele, dann ist bei einer Flucht der Sprung über eine 10-Meter-Häuserschlucht stets Selbstmord, für eine Gruppe von Superhelden wird das möglicherweise anders aussehen.

Mit Blick auf das oben gesagte beantwortet sich dann auch Deine zweite Frage: es gibt keine Kompetenzschwelle für prozentuale Fertigskeitwerte, anhand derer die Entscheidung getroffen wird - Entscheidungskriterien sind die Plausibiltät der Handlung innerhalb der Erzählung (mit dem bespielten Genre im Kopf) und das Vorhandensein von Spielzügen, deren Voraussetzungen erfüllt sind.
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Re: Fail Forward
« Antwort #48 am: 31.12.2020 | 15:06 »
Es soll mit der Handlung vorwärts gehen, nicht unbedingt mit den Zielen des Charakters in der Sekunde, genau. Ist tatsächlich ein versehentlicher Strohmann, wenn man über etwas anderes spricht.
Gerade bei pbtA ist eben Nichtstun auch keine Handlung. Das kann man philosophisch anders sehen, aber in dem Kontext, das jemand anderes da ein Spiel mit Designzielen und Regeln geschrieben hat, ist es halt so.
Dem möchte ich ganz dezent widersprechen.

Vielleicht ist nichts tun bzw. das Warten an der Kasse keine Handlung. Oder doch?
Vielleicht ist nichts tun bzw. Warten am Gleis oder an der Bushaltestelle keine Handlung. Oder doch?
Aber nichts tun bzw. das Warten auf dem Hochstand, morgens vor der Dämmerung, darauf, dass das Wild auf die Lichtung hinaus tritt oder das Warten auf die Wache, die an meiner Nische im Schatten vorbei kommt, ist ganz sicher eine Handlung.
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Re: Fail Forward
« Antwort #49 am: 31.12.2020 | 15:28 »
Ich finde die Diskussion zwar durchaus interessant, aber bisher noch nicht so richtig hilfreich. Daher formuliere ich meine Frage einmal um:

Setzung: Gewürfelt werden soll nur dann, wenn etwas auf dem Spiel steht; das heißt, alle Ergebnisse haben eine interessante Konsequenz, im Sinne der Story - in der Regel tendenziell negativ für die Charaktere.

Welche interessanten Ergebnisse kann also ein Fehlschlag produzieren?

1) wenn die Gesundheit des Charakters vom Ergebnis der Probe abhängt, resultuiert ein möglicher Fehlschlag in gesundheitlicher Beeinträchtigung. Beispiele: Klettern -> Schaden durch Absturz o.ä.; Schwimmen -> Schaden durch Ertrinken, Fallen entschärfen -> Schaden durch Auslösen der Falle (je nach Falle)

2) wenn die Gesundheit des Charakters bei der Probe unmittelbar keine Rolle spielt, resultiert ein möglicher Fehlschlag in...? Beispiele: Schlösser öffnen, Recherche, Beeindrucken, Überreden...

Mittelbar kann die Gesundheit oder eine andere wichtige Ressource durch den Fehlschlag immer beeinträchtigt werden (Gefangennahme, plötzlicher Kampf etc.); das liegt aber traditionell im Ermessen der SL und eine Eskalation wird häufig erspielt. Auf Letzteres scheint Fail Forward zu zielen, soweit ich die Beiträge hier richtig verstehe.

Ich möchte aber auf die unmittelbare Konsequenz hinaus, die aus dem Fehlschlag resultiert.

Bei 2 scheint in weiten Teilen stets die verlorene Zeit als grundlegende Ursache weiterer Konsequenzen aufzutreten. Alles was so aufgeführt wurde (Gegner tauchen auf, der Antagonist schlägt zuerst zu...) ist in meinen Augen eine mittelbare Konsequenz aus dem Zeitverlust.

Beispiele für unmittelbare Konsequenzen, die mir einfallen:
2a) Schlösser öffnen:
- Schloss verklemmt
- letzter Dietrich ist kaputt
-> So geht es nicht mehr, anderer Ansatzpunkt nötig; entweder ist die alternative Lösung sogleich klar, oder es ist eine Sackgasse, die ich vermeiden möchte. Idealerweise sind meherer alternative Lösungsansätze bereits vor dem Check bekannt, wobei die Alternativen dann eben irgendwie dramatischer sein sollten (sprich: in irgendeiner Art gefährlicher)

2b) Recherche
- Roter Hering
-> kann ganz schnell zu Frust führen und die Geschichte abwürgen;

2c) Beindrucken (Auftreten, Rede halten, Verführen etc.)
- sich unbeabsichtigt eine Blöße geben/ lächerlich machen
- unbeabsichtigte Beleidigung

2d) Überreden (Diplomatie usw.)
- unbeabsichtigte Beleidigung
- sich unbeabsichtigt eine Blöße geben/ lächerlich machen
NOT EVIL - JUST GENIUS

"Da ist es mit dem Klima und der Umweltzerstörung nämlich wie mit Corona: Wenn man zu lange wartet, ist es einfach zu spät. Dann ist die Katastrophe da."

This town isn’t big enough for two supervillains!
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Yeah? What’s the difference?
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