Autor Thema: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?  (Gelesen 1612 mal)

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Offline sma

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Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« am: 22.08.2021 | 12:40 »
Wir wollten ein Cyberpunk-Abenteuer erleben. Aber nicht mit Cyberpunk-RED-Regeln, weil wir von diesen maßlos enttäuscht wurden. Also mit einem eigenen Cortex-basierten Ansatz. Die Regeln haben auch nicht gestört. Wir spielten ein Team üblicher Stereotypen, das für einen Fixer nachschauen sollte, ob es einem Musik-Kritiker mit der Macht, Künstler zu machen oder zu vernichten, gut geht, der seit 24h verschwunde war.

Zuletzt kritisierte er den neusten Star von AMTV (einer Corp) und seine Spur verlor in dem Gebiet einer Gang, die in vielleicht entführt hat oder gerade beschützt. Bei ihm Zuhause fanden wir eine Sprengfalle und damit eine weitere Partei, die ihn tot sehen wollte. Bevor wir mit der Gang reden konnten, wurde diese von einer anderen ausradiert und der Typ erneut entführt oder gerettet.

Das war alles super, doch am Ende der Session fragt wir uns, wo eigentlich der Cyberpunk geblieben ist. Unser Abenteuer hätte auch exakt so 1999 in LA statt 2077 in Nightcity stattfinden können.

Und damit frage ich euch: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?



Meine These ist, dass die 1999 eigentlich kein Widerspruch sind, sondern das Cyberpunk eigentlich ein Retro-Setting ist, welches alternative 90er beschreibt und nicht eine Zukunftsvision.

Es beschreibt den kaputten Teil einer Corporate USA, den die (normalen) Leute nur aus den Nachrichten kennen, wo er Bodensatz der Gesellschaft ums Überleben kämpft, das restliche System aufgrund seiner Ungerechtigkeiten hasst und gleichzeitig heimlich davon träumt, dahin aufzusteigen. Reiche werden reicher, ärme immer ärmer und dennoch leben alle wider besseren Wissens den amerikanischen Traum, dass es jeder schaffen kann, der es nur stark genug will.

Charaktere sind nicht (wie bei Shadowrun) automatisch Verbrecher, sondern Typen, die irgendwie über die Runden kommen wollen. Wahrscheinlich haben sie den Traum durchschaut. Sie sehen die Korruption der Konzerne. Die Lügen der Medien. Den versagenden Staat.

Gewalt ist allgegenwärtig, geht aber nicht notwendigerweise von den Charakteren aus.

Tatsächlich halte ich es für das Spielgefühl wichtig, dass alles andere stärker ist, insbesondere auch im Gegensatz zum Computerspiel, wo die Notwendigkeit eines First-Person-Shooters natürlich den Protagonisten zu einem Superhelden machen muss, der problemlos und gewissenlos hunderte andere Menschen ermorden kann.

Jeder Cop und Gangster sollte eine potentielle Bedrohung sein. Und ein Feuergefecht nur der letzte Ausweg, weil gemäß "No Future" es sowieso scheißegal geworden ist, ob man da jetzt rauskommt oder nicht. Wenn die Charaktere eine Superkraft haben, dann, dass dieser Fatalismus sie gefährlich macht.

Denndoch dürfen die Charaktere nicht aufgegeben haben. Sie müssen den Wunsch in sich tragen, dass sie vielleicht doch etwas ändern können. Für sich oder für andere, ihre Wahl. Dass sie nicht länger für die Konzerne arbeiten wollen (oder können), dass sie aufrütteln oder aufklären wollen – als Media oder Rockstar – oder – als (Ex) Cop – für ein kleines bisschen Gerechtigkeit sorgen wollen. Sonst ist das einfach nur "Endzeit".

Aber wenn die Welt nicht vor die Hunde geht, ist es IMHO kein "Punk".

Gleichzeitig muss sie neonbunt sein. Irgendwie herrscht immer Nacht aber diese Nacht ist hell erleuchtet und damit so falsch wie alles andere um die Charaktere herum. Die Welt außerhalb der Stadt unerreichbar, eine Idylle. Ein Traum wie Shell Beach.

Was den "Cyber" angeht, müssen wir erst einmal die naiven Interpolationen der 80er und 90er als Fakt akzeptieren. Biomechanische Prothesen und aufwendige Körpermodifikationen sind kein Problem. Damit werden alle Leute, die es sich leisten können, perfekt aussehen, gesund und langlebig sein. Für die Charaktere bleibt ohne Geld oder Beziehungen nur die zweite Wahl. Ein Bein, kaum gebraucht, sehr günstig und notwendig, weil die gegen nahezu jede Antibiotika resistent gewordene Fressbakterien dir dein echtes Bein weggefressen haben und die Schmerzmittel dagegen einfach nicht mehr helfen.

Gleichzeitig hab es kaum Forschritte bei Computern. Man steigt per VR in eine Neonwelt ein, in der Hacking eher einem Fantasy-Rollenspiel ähnelt statt dem tagelangen Studium von (dekompiliertem) Quelltext und dem Anhäufen eines enormen Wissensschatz obskurer Fakten über Hard- und Software und kleverem Puzzeln und frustrierendem repetativen Ausprobieren. Realistischer wäre, dass man einfach passendes Werkzeuge – insbesondere Schlüssel für Türen als Metapher für Passwörter – braucht, das aber immer nur Stunden oder Tage hält und dann wieder neu beschafft werden muss. Letztlich das meiste reines Glück, weil "die anderen" Fehler machen. Sei 4 eine ausreichend zufällige Zahl. Und natürlich wäre das alles illegal, angefangen damit, dass man frei programmierbare Hardware gar nicht legal erwerben kann, weil wirklich alles versucht, zu verhindern, dass du damit etwas tust, was nicht vorgesehen ist und Filter und obligatorische Werbung umgangen werden. Dieser Anruf von 911 wird ihnen gesponsert von Nord VPN, dem sicheren Netzwerk, um wirklich privat ihre Netflix-Serien aus Europa zu konsumieren. Möchten Sie mehr erfahren?

Die totale Überwachung, die wir bereits heute haben (könnten), sollte hingegen kein Thema im Spiel sein, ebenso wenig, dass jeder Konzern mehr über seine "Kunden" weiß, als diese selbst über sich. Jedenfalls hätte ich keine Lust auf so eine Dystopie. Wie gesagt, Retro.

Wie auch immer genau die Stimmung ist, sollte man sie mit Regeln abbilden? Aber wie verhindert man, dass man sich dann nicht verzettelt und etwa ein Subsystem schafft, wo ein Netrunner eine Stunde Solo-Spiel mit dem SL hat. Reicht es daher, wenn alles was "Cyber" ist, ebenso Fluff ist, wie das, was "Punk" ausmacht?

Supersöldner

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #1 am: 22.08.2021 | 12:55 »
muss es nicht cyber Technologie geben damit es Cyberpunk sein kann ?

Offline Koenn

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #2 am: 22.08.2021 | 13:38 »
sma, du beschreibst genau das, was ich von Cyberpunk halte - es MUSS Dystopie, Neon und Abwärtsspirale sein, sonst ist es einfach kein Cyberpunk. Nur war das irgendwo in den 90ern noch spielbar, mittlerweile haben sich bei mir die Ansprüche an das Rollenspiel geändert. Irgendwo muss das Spiel auch Abwechslung und Spaß bringen, sonst ist mein Sinn für Hobby nicht erfüllt. Als damals Shadowrun nach und nach Schritte weg vom Cyberpunkgenre genommen hat und sich in irgendwas Richtung Dark Future gewandelt hat, hab ich damals noch verteufelt. Mittlerweile war das sogar notwendig, um nicht in der Entwicklung stecken zu bleiben, so ist Shadowrun auch heute noch mit vielen Variationen spielbar und Cyberpunk geht  für mich einem nach einem One-shot die Luft aus.
Leider schade, weil Cyberpunk RED mit genügend Herzblut der Autoren gewollt wurde (im Gegensatz zu anderen lieblos dahingeklatschen Werken)  :-\

Ritzelschnick.

Offline YY

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #3 am: 22.08.2021 | 18:37 »
Meine These ist, dass die 1999 eigentlich kein Widerspruch sind, sondern das Cyberpunk eigentlich ein Retro-Setting ist, welches alternative 90er beschreibt und nicht eine Zukunftsvision.

Sollte unstrittig sein - Science Fiction ist ein sehr großes Stück weit Spiegel ihrer Zeit.
Und ernsthaft futurologisch unterwegs sind sowieso die allerwenigsten; da ist die Projektion in die Zukunft eher eine ähnliche Erzähltechnik wie die Verwendung von vermenschlichten Tieren in der Fabel.


Die totale Überwachung, die wir bereits heute haben (könnten), sollte hingegen kein Thema im Spiel sein, ebenso wenig, dass jeder Konzern mehr über seine "Kunden" weiß, als diese selbst über sich. Jedenfalls hätte ich keine Lust auf so eine Dystopie. Wie gesagt, Retro.

Sehe ich auch so.
Cyberpunk bedeutet auch Balkanisierung und verwässertes Gewaltmonopol, das beißt sich mit totaler Überwachung (und ernsthaften Konsequenzen aus dieser).

Irgendwie vergisst manch einer gerne mal, dass es verschiedene Dystopien gibt, die sich auch teils gegenseitig ausschließen.
Da kann man nicht einfach modernere dystopische Betrachtungen mit in den Cyberpunk-Cocktail schütten.

Wie auch immer genau die Stimmung ist, sollte man sie mit Regeln abbilden? Aber wie verhindert man, dass man sich dann nicht verzettelt und etwa ein Subsystem schafft, wo ein Netrunner eine Stunde Solo-Spiel mit dem SL hat. Reicht es daher, wenn alles was "Cyber" ist, ebenso Fluff ist, wie das, was "Punk" ausmacht?

Ob man sollte oder gar muss, kann man nicht allgemein beantworten.
Es kann sinnvoll sein und dann greifen die gleichen Überlegungen wie bei jeder anderen Regelmechanik in anderen Spielen, was sie interessant oder zur (reinen) Spielbremse macht.

Ich habe den Cyber-Aspekt gerne verregelt, aber unnötig zeitfressende und überkomplexe Regeln dürfen das natürlich nicht sein.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #4 am: 22.08.2021 | 19:18 »
Der Begriff Cyberpunk ist viel bekannter als Transhumanismus und fungiert damit de facto in den Augen vieler als Oberbegriff. Wenn aber für viele Ghost in the Shell Cyberpunk ist, dann muss Cyberpunk auch nicht Dystopie sein.

Ich würd's vager als cyberisierte Nah-Zukunft/Alternativ-Zukunft charakterisieren. Punk muss es leider nicht sein.
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Offline KhornedBeef

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #5 am: 22.08.2021 | 20:29 »
Meine Interpretation von Cyberpunk folgte ja seit einer Weile der Formel "cyber+punk"
Cyber=die Verbindung des Technologischen und des Menschlichen. das meint eben nicht nur verchromte Straßensamurai. Es meinte das allgegenwärtige, unvermeidliche und invasive der Technologie, und das verschieben der Trennlinie zum Menschen.
Punk=das Aufbegehren und Sich-ausdrücken des Individuellen gegenüber dem Konfektionierten, von unten nach oben. Punks stehen außerhalb der Masse, weil sie sich nicht einfügen können, und sie können das, weil sie weiter gehen,als die Masse es könnte.

Allerdings habe ich ja neulich Mirrorshades gelesen,und das hat mein Verständnis davon, in welche Grenzen sich Cyberpunk als literarisches Genre bewegt,noch einmal verschoben. Das muss man vielleicht vom Rollenspiel unterscheiden, wo man sich mehr auf eine bestimmte Variante eingeschossen hat.
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Offline Jiba

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #6 am: 22.08.2021 | 21:20 »
Ghost in the Shell Cyberpunk ist, dann muss Cyberpunk auch nicht Dystopie sein.

Ghost in the Shell ist eine Dystopie.

Wenn du eine Cyber-Utopie hast, dann verlierst du das Punk-Motiv. Cyberpunk muss immer zumindest in einer Dimension des menschlichen (Zusammen)lebens dystopische Züge haben.

Was natürlich nicht bedeutet, dass alle Cyberpunk-Geschichten von einst auf uns heute noch dystopisch wirken. Die Neon-Werbeschilder aus "Blade Runner" mögen wir heute als schön invasiv empfinden, weil es heute bereits invasivere Werbeformen gibt, zum Beispiel. Ändert nichts daran, dass diese Motive als dystopische Motive begonnen haben.

Was auch stimmt, ist, dass Cyberpunk (nach meiner Definition zumindest), nicht siffig-dreckig sein muss. Es gibt auch klinischen, sterilen, geleckten Cyberpunk. Das sind ästhetische Entscheidungen.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline nobody@home

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #7 am: 22.08.2021 | 23:12 »
Persönlich mache ich mir eher weniger Gedanken darüber, wo die Grenze zwischen Cyberpunk und Nicht-Cyberpunk nun ganz genau und formal korrekt verlaufen soll. Da landet man aus meiner Sicht nur früher oder später in diesem oder jenem Grabenkrieg um "Punk als Ideologie", und das will ich mir eigentlich nicht wirklich antun.

Daneben sind auch allgemeiner ausgewachsene Dystopien meine Sache eher nicht so. Eine Spielwelt mit handfesten echten Problemen zum potentiellen Anpacken ist ja noch das Eine, aber auf die Dÿsterdhark-Fantasien irgendwelcher Möchtegern-Untergangspropheten, denen die Protagonisten dann nur noch mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sein sollen, kann ich normalerweise gut verzichten. ("1984" und "Schöne Neue Welt" beispielsweise sind natürlich regelrechte dystopische Klassiker, die zum Denken anregen...aber gerade deswegen eben eher nichts, was ich mir einfach mal so zur Unterhaltung reinpfeifen würde.) Das gilt für Cyberpunk einfach ebenso wie für andere Genres.

Was ist also "Cyberpunk" letztendlich für mich und da insbesondere für Rollenspielzwecke? Nun -- primär schlicht eine Untermenge von Science Fiction, meist in die nähere noch weitgehend erdgebundene Zukunft gezielt (obwohl das nicht zwingend Bedingung ist, prinzipiell kann man eine Cyberpunkkampagne leicht auch z.B. im Rahmen eines großen Space-Opera-Sternenimperiums ansiedeln), mit Fokus auf bestimmte Genre-Versatzstücke wie z.B. Superprothesen und Computerspielereien und gerne auch, soweit sich das in einem Spiel überhaupt sinnvoll thematisieren läßt, den gesellschaftlichen Konflikt zwischen dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt einer- und denselben knallköpfigen Menschen wie immer als Benutzern dieser Technik andererseits. Das Setting wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine leuchtende Utopie sein (da wollen ohnehin die Wenigsten spielen), muß aber auch nicht zwingend gleich ins andere Extrem verfallen und zur wildwuchernden Dystopie um jeden Preis ausarten. Ärger, dem mit gekonnten Hackerangriffen und leicht futuristisch angehauchten Knarren begegnet werden will, wird sich schon finden.

Offline sma

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #8 am: 23.08.2021 | 11:06 »
Danke für all die Antworten.

muss es nicht cyber Technologie geben damit es Cyberpunk sein kann ?

Ich erwähnte sie. Der Begriff "Cyber" kommt meines Wissens von "Cyberspace" und das beschreibt die Vorstellung der 80er, wie eine virtuelle Welt aussehen könnte, die ein Datennetz gegenständlich erlebbar macht, indem man sein Gehirn irgendwo einstöpselt. Die zweite Idee ist, dass aufgrund "magischer" Medizintechnik Implantate und Körpermodifaktionen problemlos sind und so nicht Geist und Computer verschmelzen, sondern der menschliche Körper ebenfalls zur Maschine – zum Cyborg – wird. Später hat man diese Implantate dann "Cyberware" genannt.

So konnten die genre-bestimmenden Werke dann (neben Kapitalismuskritik) erforschen, was "Menschlichkeit" bedeutet. Das kann aber IMHO Asimovs "Der Dreihundertjähriger" auch ohne dystopisch zerstörte Welt.

Ghost in the Shell ist eine Dystopie.
Kann man so sehen, aber es spielt (zumindest in dem Film, den Manga kenne ich nicht) eine sehr untergeordnete Rolle. Die Protagonisten sind Polizisten bzw. Sondereinsatzkräfte und arbeiten für die Regierung und ich denke, die typische amerikanische Anarchie und für Japaner noch unvorstellbarer als für uns.

Daneben sind auch allgemeiner ausgewachsene Dystopien meine Sache eher nicht so. [...]

Sehe ich ähnlich. In den 90ern hatte ich damit als Jugendlicher weniger Probleme, weil es weniger real war und weit weg. Heutzutage sehe ich, wie wir in eine viel schlimmere weil subtilere Version einer total überwachten durch das "Fakten nicht wahrhaben wollen" virtuell gewordene Welt schlittern, wo jeder in seiner eigenen Realitätsblase lebt, die ich nicht auch noch in einem Spiel nacherleben will.

Warum ich Cyberpunk nicht als SF sehe: Ich mag SF im ursprünglichen Sinne als Wissenschaftsgeschichten. Ich akzeptiere den Marsianer (trotz einiger Fehler) als SF, aber niemals beispielsweise Star Wars, was einfach nur ein Märchen mit Raumschiffen ist. Man kann SF auch als Zukunftsgeschichten verstehen. Dann passt Cyberpunk, weil es in den 80ern eine Zukunftsvision war. Aber ich würde mich wünschen, man würde beide Varianten von SF unterscheiden.

Ich habe den Cyber-Aspekt gerne verregelt, aber unnötig zeitfressende und überkomplexe Regeln dürfen das natürlich nicht sein.

Die Frage ist nur: wie?

Ich würde zunächst einmal sagen, der Cyberspace sollte nicht 4/5 der Gruppe vorenthalten werden und der Decker/Netrunner wird als Stereotyp abgeschafft. Jeder kann "hacken", d.h. Informationen finden oder (falsche) erschaffen, Dinge abgeschalten oder manipulieren. Das ist jeweils ein einfacher Wurf, eine Skill-Challenge oder was das Regelsystem bietet, das in weniger als 5min vollständig abgehandelt werden kann.

Für Cyberware (wie z.B. den Cyberspace-Gehirnstecker) würde ich der Regel aus "The Sprawl" folgen: Es gilt zwei Fragen zu beantworten: 1) Warum wurde ie Cyberware eingebaut? 2) Wer hat's bezahlt?

Und dann würde ich Cyberware in zwei Kategorien einteilen: Style und Substance. Es muss in dem System eine Probe auf "Cool" geben. Das gehört einfach zum Genre. Style-Cyberware gibt einen Bonus auf so eine Probe. Substance bezeichnet andersweitig nützliche Dinge, z.B. einen Reflex-Booster, der dann im Kampf für die Initiative sorgt oder ähnliches.

Offline YY

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #9 am: 23.08.2021 | 15:34 »
Die Frage ist nur: wie?

Ich würde zunächst einmal sagen, der Cyberspace sollte nicht 4/5 der Gruppe vorenthalten werden und der Decker/Netrunner wird als Stereotyp abgeschafft. Jeder kann "hacken", d.h. Informationen finden oder (falsche) erschaffen, Dinge abgeschalten oder manipulieren. Das ist jeweils ein einfacher Wurf, eine Skill-Challenge oder was das Regelsystem bietet, das in weniger als 5min vollständig abgehandelt werden kann.

Das macht es aus meiner Warte eher uninteressant.
Die ergiebigere Methode ist mMn der Vergleich mit anderen "Solospielen". Gerade bei SR bietet sich der Blick auf den Astralraum an und siehe da: das nervt da nicht mal ansatzweise so arg wie das Matrixgedöns, obwohl es auch relativ komplex ist.

Es ist aber rein von der Umsetzung am Tisch schnell abgehandelt und oft genug betrifft das, was da passiert, die anderen auch so weit, dass sie mindestens mit einem Ohr zuhören wollen.
Wenn der Hacker/Decker/Netrunner sich Ewigkeiten mit ICE knüppelt und am Ende dabei irgendein Cyberdeckschaden rauskommt, der ihn aber in der echten Welt nicht groß oder sogar überhaupt nicht beeinträchtigt, interessiert mich das als Mitspieler natürlich nicht so wirklich.

Und dann würde ich Cyberware in zwei Kategorien einteilen: Style und Substance.

Darunter hätte ich jetzt verstanden, dass die Style-Cyberware gar keine Spielmechanik hat - also kein Bonus und keine Kosten, sondern reiner Fluff.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #10 am: 23.08.2021 | 20:31 »
Das macht es aus meiner Warte eher uninteressant.
Die ergiebigere Methode ist mMn der Vergleich mit anderen "Solospielen". Gerade bei SR bietet sich der Blick auf den Astralraum an und siehe da: das nervt da nicht mal ansatzweise so arg wie das Matrixgedöns, obwohl es auch relativ komplex ist.

Ich stimme sogar weitgehend mit sma überein. All das, was er da auflistet, macht aber nicht den Kern des Deckers aus: der Decker kann sich unbefugten Zutritt zu gesicherten Systemen beschaffen, sogar zu hochgesicherten Systemen. Das können nur Spezialisten oder beliebige Leute mit Zugang zu extrem teurer und rarer SOTA-Software.

Es ist aber rein von der Umsetzung am Tisch schnell abgehandelt und oft genug betrifft das, was da passiert, die anderen auch so weit, dass sie mindestens mit einem Ohr zuhören wollen.
Wenn der Hacker/Decker/Netrunner sich Ewigkeiten mit ICE knüppelt und am Ende dabei irgendein Cyberdeckschaden rauskommt, der ihn aber in der echten Welt nicht groß oder sogar überhaupt nicht beeinträchtigt, interessiert mich das als Mitspieler natürlich nicht so wirklich.

Der Schlüssel dazu liegt mMn weit vor dem eigentlichen Einstöpseln: nämlich beim Plot. Wie neugierig bin ich als unbeteiligter Spieler auf die mögliche Information? Wie sehr fiebere ich der Enthüllung entgegen?


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Offline sma

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #11 am: 24.08.2021 | 13:20 »
Ich habe mal über Cyberspace nachgedacht und dann ist das außer Kontrolle geraten…

Ein Cyberspace, also die Annahme, dass es eine gute Idee sein könnte, als UI eine neonbunte Drahtgitter-VR-Welt in 800x600 Pixel zu nutzen, existiert ja nicht, damit Spielercharaktere dort illegale Operationen durchführen, sondern damit Leute dort Zeit zur Unterhaltung oder Belustigung (Katzenbilder betrachten oder Pornos gucken) allein und miteinander verbringen können, oder weil sie einkaufen, lernen oder abschalten und in einigen Fällen auch kreativ sein wollen. Und weil dort potentielle Kunden sind, wollen sich Unternehmen dort präsentieren, Dienstleister (auch Behörden) ihre Dienste anbieten, Künstler um Fans buhlen, Leute sich selbst oder andere darstellen. Und wenn das Ding schon da ist, kann man's natürlich auch B2B nutzen; oder staatlich bzw. militärisch, wenn es denn einen Staat gibt.

Ich würde ihn in ein "Userverse", also dort, wo man sich zum oben erklärten Zweck aufhält, sowie ein "Dataverse", die Welt der Datenbanken und Informationen, die dort leicht zugänglich gespeichert werden und insbesondere ein "Thingverse" einteilen.

Letzteres ist die Welt der Cyberware, die, solange es nicht rein kosmetische Veränderungen sind, natürlich auch Computersysteme integriert und man dort (weil die Vorteile überwiegen) beschlossen hat, dass auch diese alle Teil des Cyberspace sein sollen. Denn man kauft vielleicht die Hardware, aber niemals deren Software. Und schon weil komplexe Software immer Fehler enthält, die man später noch fixen können möchte (so ein Wartungsvertrag existiert), eine stete Verbindung zum Cyberspace für automatische Updates nützlich ist.

Natürlich gibt es dann Spaßvögel, die versuchen, alle Cyberarme in ihrer Umgebung zum Hitlergruß umzuprogrammieren, aber sowas funktioniert in der Regel nicht, weil die Leute jetzt fantastische Computerkenntnisse haben, sondern weil sie Glück haben und die Gegenseite Pech, sprich, einen vermeidbaren Fehler gemacht hat. Oder weil sie einen "Exploit" besitzen, von jemandem, der mit ausreichend Zeit und vor allem Ausdauer, die Lücke gefunden hat, die sie jetzt leichtfertig nutzen und damit verbrennen.

Offiziell verfügbare Hardware wehrt sich so gut es geht gegen Programmierung durch Dritte, nur wenige Konzerne geben sich gegenseitig die Erlaubnis dazu. Chips zu finden, die hier ausbrechen, ist schwer und sie einzusetzen ist illegal. Hinzu kommt, dass jeder Nutzer theoretisch eine eindeutige Identität besitzt, die zu verlieren einem Rauswurf auf dem Cyberspace und damit aus dem normalen Leben gleich kommt.

Ach ja, der Cyberspace ist natürlich ein weltweites Netz aus Computernetzen. Nur eben rezipiert als VR, die direkt auf die Sehnerven mittels Cyberware-Implantat übertragen wird und nicht als aufgehübschter Text in einem speziellen Programm. Und man stöpselt sich wie beim Kabelfernsehen ein und hat das nicht auf einem drahtlos weltweit verbundenen Handy dabei.

Es gibt daher streng genommen nicht einen Cyberspace, sondern beliebig viele. Es ist daher wahrscheinlich, weil total sinnvoll im Sinne der Sicherheit, dass Unternehmen eigene private Cyberspaces haben. Dass das systemkritische Kraftwerk trotzdem die Cyberspace-Software nutzt und nicht ein ganz eigenes System hat, liegt einfach darin, dass die Software kostenlos verfügbar ist und jeder sie kennt.

Um Sicherheitslücken zu finden und zu fixen, streifen pausenlos KIs (autonome automatische Programme, keine Persönlichkeiten) durch den Cyberspace. Da im einfachsten Fall aus- und wieder einschalten hilft, ist ein Zeichen für die Anwesenheit dieser KIs, dass der Cyberspace zu flackern beginnt. Dann sind Watchdogs nicht weit weg.

Bloodhounds beschränken sich nicht darauf, den Urzustand wieder herzustellen, sondern spüren aktiv nach der Ursache des Problems. Sie prüfen die Integrität von Hard- und Software sowie Legitimität der anwesenden Nutzer (einfach einen Moment still halten, wenn sie schnüffeln). Sie können verschwundene User zurückverfolgen und kicken, d.h. temporär aus dem Cyberspace werfen.

Hellhounds greifen Nutzer an, deren Aktivitäten als nicht im Einklang mit den Nutzungsbedingungen erkannt und daher als den Cyberspace gefährdend eingestuft wurden. Durch gezielte Überlastung der Cyberware wird versucht, den Anwender außer Gefecht zu setzen, ggf. auch zu verletzen. Ein Tod des Anwenders wäre ein bedauerlicher Unfall. Parallel dazu werden Spider in den Thingverse geschickt, um weitere auf diesen Nutzer eingetragene Cyberware zu identifizieren und zu blockieren (einzuspinnen) oder in härteren Fällen Bugs, die selbige Cyberware zerstören sollen.

Guardians und Gatekeeper erhöhen die temporäre Sicherheitstufe und patrouillieren auch schon mal vor wichtiger Infrastruktur. Guardians verteidigen Systeme, die weiterlaufen müssen, während Gatekeeper den Zugriff blockieren. Ein Daemon (ja, mit ae, das ist so Tradition) kombiniert diese mit den Angriffsmöglichkeiten eines Hellhounds. Killer beenden alles, was auf dem aktuellen Knoten läuft, als letzte Rettung gegen eine Kompromittierung des Systems. Danach ist hier der Cyberspace schwarz denn alle Programme sind tot und Nutzer haben bestenfalls leichte Nervenschäden ob des plötzlichen Rauswurfs. Nukes sind noch gefährlicher, denn sie löschen auch alle Daten bevor alles durch Zerstörung der Hardware abgeschaltet wird.

Es heißt, es gibt einen Shadowspace, nicht immer vollständig, mit vielen toten Enden und Sackgassen, unvollständig, kaum operabel und navigierbar, aber dort findet man alte Dinge, die eigentlich gelöscht wurden. Es heißt, tote Programme gehen dahin um zu sterben. Sicherlich nur Gerüchte.

Wird ein Knoten angegriffen, sind Broker nicht weit, die mit dem Besitzer dieses Teils des Cyberspace in Echtzeit Gegenmaßnahmen zu verhandeln beginnen. Denn kostenlos ist dieser Verteidigungsservice natürlich nicht.

Harmlos sind hingegen Specters, durchscheinende Wesenheiten, die überall Inspektionen und Routinekontrollen machen und höchstens mal im Weg stehen, aber immer passiv bleiben, sowie Jesters, die rein zufällig nach Lücken suchen und dabei größtes Chaos anrichten können, wenn die Software schlecht ist. Jesters sind der einzige kostenlose Service im Cyberspace und man muss bezahlen, damit sie nicht die eigene Infrastruktur prüfen.

Ab und zu sieht man vielleicht auch in einem eigentlich gesperrten Bereich einen Mole, der aktiv versucht irgendwo einzudringen. Manchmal vielleicht in Gegenwart echter Nutzer, meist Devops, die von sich aber gerne Shadows anlegen, damit sie an mehrere Orten gleichzeitig sind, was normalen Nutzern nicht möglich sein sollte. Selten sieht man Grays, manifestiert als statische Störungen, was KIs sind, die scheinbar wahllos Dinge auf der Suche nach einer Verbesserung umbauen. Dort sieht man dann auch vielleicht mal (die Schatten von) Architects, menschlichen Entwicklern des Cyberspace … außer die Technik ist vielleicht schon so weit, dass auch dies KIs sind.

Generell baut der Userverse die normale Welt nach, mit besonderen "special interest" Zonen. Es gilt aber die Skeumorphismus-Idee, dass vertraute Gegenständlichkeit die Bedienung vereinfacht. Das Dataverse ist so langweilig wie eine Bibliothek oder ein Bürogebäude. Selten findet man hier Kreativität. Das überlagernde Thingverse ist abstrakter. Man sieht hier die Leute als Strichmenschchen, mit hervorgehobener Cyberware, in die man eintreten kann, auf das dann dann wieder ein Netz aus Räumen und Gängen ist, wie auch der Userverse, in dem 50% aller Nutzer ihre virtuelle Wohnung so bauen, wie ihre eigene Wohnung auch aussieht, weil Orkhöhle oder Robinson-Insel dann doch langweilig werden.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass Userverse und Dataverse orthogonal zueinander sind, das Thingverse den Real-Koordinatenraum des Userverse überlappt und ebenfalls mit dem Dataverse verbunden ist und das durch historische Daten aus dem Dataverse ältere Versionen des Userverse erschaffen werden können, die ebenfalls orthogonal dazu stehen. Und dann ist da noch der Shadowspace, der verschiedenste bruchstückhafte Kopien der drei Verses enthält. Wenn ihr ein Bild dafür braucht, stellt euch den 256ten Level von Pacman vor, den es eigentlich nicht geben sollte, und den man, auch wenn er kaputt ist, doch ein kleines bisschen spielen kann.
« Letzte Änderung: 24.08.2021 | 14:50 von sma »

Offline RackNar

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #12 am: 24.08.2021 | 14:39 »
 :d  Und ein Abo. Ich muss das noch ein wenig sacken lasse, aber das steck schon viel drinnen
„Ich gebe zu, dass ich mich irren kann, dass Du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spurkommen werden.“ - Frei nach Popper

Offline haste nicht gesehen

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #13 am: 24.08.2021 | 19:50 »
Cyberpunk ist für mich ein dystopisches Setting mit ganz speziellen Konflikten als Themen.

Übermächtige Konzerne, deren Angestellte in einer Form moderner Sklaverei leben. Gleichzeitig das Verschwinden von Staaten in der Bedeutungslosigkeit oder im anderen Extrem als Exekutive für Konzerne (meist dann mittels Diktatur). Damit einhergehend dann die ganzen sozialen Verwerfungen (fehlende Sozialsysteme, entrechtete Gesellschaftsschichten, Ghettos, No-Go-Gegenden).

Dadurch kommt für mich dann auch der Punk ins Spiel. Zumeist sind es Charaktere, die sich gegen das System auflehnen, im verzweifelten Versuch die Entwicklung zurück zu drehen.

Ein weiteres Thema ist für mich der ganze Komplex um Menschlichkeit. Einerseits mit Cyberware und dem Verlust selbiger oder mit KI und der Frage, ab wann ein Bewusstsein menschlich wird oder gar menschlicher ist, als die meisten Menschen selbst. Darf manein solches Bewusstsein noch wie eine Sache behandeln? Ist es Mord so ein Programm abzuschalten?

Ein Thema, welches auch immer wieder aufkommt, ist der Klimawandel bzw. die unkontrollierte Ausbeutung des Planeten.


Offline ArneBab

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #14 am: 28.08.2021 | 01:17 »
Einen wichtigen Punkt beim Punk finde ich, dass mindestens die Charaktere und einige ihrer Gegner glauben, dass sie etwas verändern können. Eine Utopie ist es, wenn Punks damit Recht haben. Eine Dystopie, wenn sie garantiert scheitern. Shadowrun ist damit eine Utopie — wenn ihr weit genug steigert.
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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #15 am: 3.09.2021 | 12:45 »
Hallo zusammen,

Cyberpunk abseits von Shadowrun mit seinen Shadowrunnern als Berufsverbrechern oder Cyberpunk 2020 mit seinen extrem spezialisierten Charakteren kann problematisch werden.

Die Basis für den Cyberpunk ist für mich die Entwicklung das Cyberware den Menschen immer mehr zur Maschine macht. - Das geht damit zusammen das er als käuflich angesehen wird. Zudem kann er wenn er nicht funktioniert eben problemlos ersetzt oder entsorgt werden. Das treiben die Megakons natürlich auf die Spitze aber Bordelle in denen die Prostituierten jeden Geschlechts per Schnittstelle programmiert werden, Gladiatorenspiele und die Beurteilung von Menschen nach Fans in sozialen Medien tragen dieses Denken auch in die allgemeine Gesellschaft.

Maschinen wiederum werden programmiert um zu denken und zu entscheiden. Das sollen sie nicht nur im traditionellen naturwissenschaftlich / technischem Bereich sondern auch bei der Partnerwahl, der optimalen Medienstrategie und komplexen gesellschaftlichen Entscheidungen.
Das muss nicht kann aber zu künstlichen Intelligenzen führen die ihre "Menschenrechte" einfordern und als gesellschaftliche Mitspieler auftauchen. Skynet oder die diversen KIs die bei Shadowrun für Chaos sorgen gehören aus meiner Sicht eigentlich nicht in den Cyberpunk.

Der Punk kommt für mich dadurch ins Spiel das die Charaktere klassische Werte vertreten und damit aus ihrem sozialem Rahmen fallen. Das kann der Polizist sein der an das Gesetz glaubt und keine Bestechungsgelder nimmt, der politisch angagierte Hacker oder auch der Schläger der sein Viertel schützen will.

Was das Hacken angeht ist die konkrete Ausgestaltung natürlich systemabhängig. Aber es reicht wirklich ein Wurf um das Ergebnis zu bestimmen und dann kann man entsprechend etwas dazu beschreiben.
Was die konkrete Cyberware angeht sollte man an die gesetzten Grenzen denken. Denn es ist doch sehr unwahrscheinlich das militärische Cyberware auf den freien Markt gelangt ohne das das Militär Maßnahmen ergreift. Je nach Absichten des Militärs kann es eine Sicherung geben, etwa eine kleine Cortexbombe oder die Cyberware ist zu orten und man wird erpressbar oder spätestens bei der nächsten Reparatur wird es entweder extrem teuer oder die Cyberware hat eigentlich nur noch Schrottwert. Das muss allerdings allen Seiten vorher klar sein.

Das Ganze kann man doch mit Neonlichtern, saurem Regen inklusive Pfützen die das Neonlicht und das Elend der Welt spiegeln und krassen sozialen Gegensätzen anreichern.

Gruß Jochen - Änderung: Rechtschreibung
« Letzte Änderung: 27.01.2023 | 10:30 von Arkam »
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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #16 am: 3.09.2021 | 13:25 »
Zitat
Das muss nicht kann aber zu künstlichen Intelligenzen führen die ihre "Menschenrechte" einfordren und als gesellschaftliche Miktspieler auftauchen. Skynet oder die diversen KIs die bei Shadowrun für Chaos sorgen gehören aus meiner Sicht eigentlich nicht in den Cyberpunk.
Steile Aussage, wenn man bedenkt, dass es in William Gibsons genrebegründenden Roman "Neuromancer" quasi zentral auch um künstliche Intelligenz geht. Und in "Blade Runner" quasi um menschenähnliche Roboter, die auch künstliche Gehirne haben.
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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #17 am: 3.09.2021 | 14:29 »

Der Punk kommt für mich dadurch ins Spiel das die Charaktere klassische Werte vertreten und damit aus ihrem sozialem Rahmen fallen. Das kann der Polizist sein der an das Gesetz glaubt und keine Bestechungsgelder nimmt, der politisch angagierte Hacker oder auch der Schläger der sein Viertel schützen will.


Für mich macht Punk eigentlich eher aus klassische Werte NICHT zu vertreten.

"Der Punk stellt sich gegen alle Konventionen, gegen die Konsumgesellschaft und gegen das Bürgertum sowie gegen rechte Weltanschauungen. Und obwohl sich die meisten Punks mehr oder weniger links sehen, stellt er sich genauso gegen die politische Linke mit ihrem Etatismus."

Mit der Sache das Cyberware eigentlich etwas ist das in viele Settings doch recht teuer ist (->Konsum, Kapitalismus) - ist Cyberpunk eigentlich ein Wort das in sich schon eklatante widersprüche hat. Deshalb würde ich es nicht so betrachen das man die beiden Wörter getrent beobachtet sondern immer als eine Einheit.

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Re: Was macht eigentlich Cyberpunk aus?
« Antwort #18 am: 3.09.2021 | 14:58 »
Hallo zusammen,

@Jiba
Bei Gibson ist doch genau der Punkt das KIs Fesseln angelegt werden und sie, wenn ich mich 40 Jahre nachdem ich das Buch gelesen habe noch recht erinnere, doch auch zum Teil bekommen.
Sie wird aber nicht etwa zum digitalen Monster das alle Menschen vernichten will.

@unicum
In einer Cyberpunk Welt sind die Werte die für uns Heute als klassisch gelten System sprengend. Deshalb halte ich die Verfechter dieser Werte in einer Cyberpunk Welt für die Punker. Das hat aus meiner Sicht nichts mit der Subkultur zu tun die Heute mit dem Begriff verbunden ist.

Gruß Jochen
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