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Gedanken: Die nachlassende Lust, etwas beizutragen

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Weltengeist:
Ich habe gerade mal Lust, einen tagebuchähnlichen Gedanken aufzuschreiben. Und weil er ganz gut zu uns im Tanelorn passt, tue ich das mal hier - es kann dann jeder damit machen, was er/sie will.

Mein Trigger ist ein netter, kleiner Animationsfilm namens "Mumien!", den ich am Sonntag mit meinem Teenager-Sohn im Kino gesehen habe. Nichts Weltbewegendes, und sicherlich nicht der Film, von dem wir uns in zehn Jahren noch "Weißt du noch..."-Geschichten erzählen werden. Aber charmant und handwerklich gut gemacht - Unterhaltung für FSK0 und Zwischendurch eben.

Und dann habe ich den Fehler gemacht, mir hinterher mal ein paar Rezensionen im Netz anzuschauen. Da waren teilweise übelste Verrisse dabei. Wie man die Lebenszeit des Rezensenten so dermaßen verschwenden könne, wieso man seine Intelligenz so beleidigen lassen müsse, ob die Filmemacher denn ob ihrer Ideenlosigkeit nicht selbst auf die Idee kämen, den Job zu wechseln - solches Zeug.

Und dann musste ich daran denken, dass meine Lust, in "meinem" Bereich - Rollenspiel nämlich - noch etwas zu veröffentlichen, auch immer weniger wird. Es wird mir Zeit meines Lebens in Erinnerung bleiben, wie stolz ich war, als ich beim Splittermond-Autorenwettbewerb den zweiten Platz gemacht habe und mein erstes Abenteuer tatsächlich gedruckt wurde. Und wie entsetzt ich war, als mir dann jemand auf der Drachenzwinge sagte: Er habe bei einer meiner Onlinerunden zugehört, und scheinbar sei ich im persönlichen Umgang ja doch ganz umgänglich und nicht so ein Arsch (ja, ernsthaft), wie er nach dem Lesen des Abenteuers gedacht hätte. Mein erstes veröffentlichtes Abenteuer wäre dann tatsächlich fast auch mein letztes geworden, wenn nicht ein glücklicher Zufall dafür gesorgt hätte, dass eine Gruppe ihr Liveplay meines Abenteuers auf Youtube gestreamt und dabei offenbar Spaß gehabt hat.

In der Folge habe ich dann immer mal den Satz gelesen, dass man da halt durch müsse, wenn man seine Sachen der Allgemeinheit zur Verfügung stelle. Wait - da muss ich durch, so wie in: weil ich was von denen will? Ich dachte, ich bin nett und opfere meine Freizeit, um denen etwas zur Verfügung zu stellen? Und dann lasse ich mich noch blöd anmachen (Lobmails kriegt man ja eher nicht so) und bekomme auch noch erklärt, dass das hat der Preis sei, wenn ich so rampengeil sei, mich in die Öffentlichkeit zu wagen?

Die Tendenz fällt mir jedenfalls in letzter Zeit immer häufiger auf (auch wenn sie vermutlich immer schon da war): Leute, die selbst nichts Produktives leisten, überbieten sich mit Besserwissereien (und Schlimmerem), was die anderen doch gefälligst besser machen sollten. Mit "Fridays for Future" auf der einen und leerstehenden Studiengängen für Energie- oder Umwelttechnik auf der anderen Seite will ich hier gar nicht anfangen, aber natürlich kann ich nicht umhin, an die aktuelle Diskussion im Uhrwerk-Thread zu denken (ab hier), wo auch ich meine Unzufriedenheit mit dem Verlag kaum noch zurückhalten kann, ohne deswegen aber Patric & Co Unterstützung angeboten zu haben.

Und wenn schon kein Verriss, dann wird zumindest konsumiert, ohne sich zu bedanken oder gar eine Gegenleistung zu erbringen. Mein Rezensionsthread ist hier mittlerweile schiedlich-friedlich eingeschlafen, weil ich es irgendwann müde war, da Texte in ein schwarzes Loch zu kippen (und ja, weil mir auch bewusst ist, dass jede negative Rezension ebenfalls einen frustrierten Autor zurücklässt). Beim "Ein erster Eindruck"-Thread ging es mir genauso - immer wieder habe ich mich bemüht, ein cooles Produkt zu beschreiben, und die Reaktion war null. Und mein Eberron-Tagebuch wird wahrscheinlich mangels Reaktionen demnächst ebenfalls nur noch an meine Gruppe verschickt. Eigentlich war ich ja immer der Meinung, dass ein Forum davon lebt, dass Leute auch mal produktive Inhalte einstellen und sich daraus eine Diskussion entwickelt, aber seien wir ehrlich: Wenn ich irgendwo "Gendering in Uhrwerk-Publikationen ist ...?" schreibe, kommt erheblich mehr Action zustande, als wenn ich mir Mühe mit einem Rollenspieltext gebe.

So bin ich also inzwischen wieder an den Punkt zurückgekehrt, an dem ich ich vor 15 Jahren schon mal war: Nämlich dass ich meine Texte nur noch für meine Gruppen und hier und da sogar nur für mich selbst schreibe. Das spart mir auch gleich noch den Ärger, mich mit dem dünnen Eis von Copyright- und Lizenzvereinbarungen herumschlagen zu müssen. Hier kann ich nach Herzenslust zusammenklauen und neu gestalten, ohne dass mir irgendwer aufs Dach steigen kann, weil dieser Text oder jenes Bild da gar nicht sein dürfte, ich nicht die passenden Creative-Commons-Angaben unter das Bild geschrieben oder gar vergessen habe, den richtigen Disclaimer an die richtige Stelle zu setzen.

Ich habe auf all das inzwischen keine Lust mehr. Was - und das ist der eigentliche Grund, warum ich diesen Text hier schreibe - schade ist. Nicht, weil ich meine eigenen Ergüsse für so großartig halten würde, sondern weil es vermutlich nicht nur mir so geht und weil es dazu führt, dass wir weniger miteinander teilen. Natürlich wäre das, was da entstehen könnte, nicht immer der Goldstandard der Rollenspielproduktion. Aber es macht die Community in meinen Augen doch ärmer.

Runenstahl:
Das alles mag in gewisser Weise auch eine Auswirkung der Übersättigung zu sein der wir alle uns heute ausgesetzt sehen. Wenn ich mir angucke was gerade auch im Fantasy-Bereich so alles verrissen wird (von Game of Thrones über Ringe der Macht bis hin zu Willow) wird mir ganz anders. Damit meine ich nicht das jede Kritik unberechtigt ist, aber was hier den Machern bisweilen vorgeworfen wird hat nichts mehr mit Kritik zu tun. Für alte Säcke wie mich in deren Jugend es im TV als Fantasy-Kost nur Xena gab ist das nicht immer verständlich. Aber wir haben derzeit ein Überangebot an fast allem und das bewirkt das die Leute übermäßig kritisch sind. Grundsätzlich nichts verkehrtes weil es ja dazu führen kann das die Standards besser werden.

Micht selbst stört jedoch auch oftmals der Umgangston dabei der mit sachlicher Kritik nichts mehr zu tun. Social Media trägt mit Algrorythmen die "klick-bait-aufrege-drama" Videos bevorteilen auch seinen Teil dazu bei.

Ich selbst freue mich immer wenn Leute sich die Mühe machen irgendetwas konstruktives zum Hobby beizutragen. Und ich ärgere mich jedesmal wenn (in welchem Zusammenhang auch immer) bei "Rezensionen" der Ton ich Richtung Beleidigung abkippt.

Was wir mMn alle dazu beitragen können um das Klima zu verbessern:
- Reißerische Verisse nicht teilen, nicht liken und nicht kommentieren (das füttert Egos und die Algorythmen)
- Selbst versuchen einen professionellen Ton behalten
- Mehr darauf achten auch positive Erlebnisse zu teilen

Eismann:
Ja, das ist oft so: Wer was macht, kriegt von denen eins übergezogen, die nichts machen.
War aber auch früher schon so. Man kann gerade im Rollenspielbereich schon ziemlich angegangen, beschimpft und anderweitig traktiert werden. Daher rate ich gerade Einsteigern auch davon ab sich zu sehr von Rezensionen runterziehen zu lassen. Feedback kann man auch von Kollegen kriegen.
Wenn dann stattdessen gar keine Reaktion kommt, kann es sein, dass alle soweit damit zufrieden sind, dass sich niemand darüber aufregen mag, oder es juckt halt schlicht keinen.
Von daher mein Rat: Rahme dir jede Art von positivem Feedback ein und schaue ab und an mal drauf. Positives Feedback ist allgemein eher selten, und wird zum Teil sogar wiederum kritisiert, weil es anderen nicht negativ genug ist, nach dem guten, deutschen Prinzip: Einmal zu wenig getadelt ist einmal zu oft gelobt.
Von daher: Zieh daraus deine Motivation.
Oder, was ich mache, aber vermutlich nicht so empfehlenswert ist: Zieh deine Motivation aus negativem wie positivem. Jemand hasst dein Werk und hält es für den Untergang des Rollenspiel-Abendlandes? Ja, super! Beim nächsten Mal gibts dann nochmal genau in die Kerbe einen Nachschlag. Muss man aber halt einen entsprechenden Humor und ein dickes Fell für haben.
Ich mache lieber etwas, was einigen Freude bereitet, während andere sich aufregen, als etwas, was für alle halt irgendwie nett und ok ist.

takti der blonde?:
Dann lass es eben bleiben? Du schuldest der Welt nichts, aber die Welt schuldet dir auch kein Lob und Anerkennung.

Wenn ich mich kreativ betätige, dann weil ich Freude daran habe. Im Rollokontext sind das dann auch ohnehin häufig Dinge, die ich tatsächlich für mich und mein Spiel mache. Manchmal alleine, manchmal mit anderen, aber immer mit Fokus auf meinen persönlichen Anspruch.

Crimson King:
Ich persönlich kann nur sagen, dass ich hohen Respekt vor Menschen habe, die im Wesentlichen für lau die Arbeit auf sich nehmen, ihre guten Ideen in eine Form zu bringen, die es anderen ermöglicht, an diesen Ideen teilzuhaben. Ich finde es insofern höchst schade, wenn ein kreativer Kopf die Lust verliert.

Andererseits stimme ich dem Kern der Botschaft von takti zu. Wenn man keinen Bock da drauf hat, sollte man es lassen. Der Grundsatz ist: ich mache die Dinge für mich, nicht für die da draußen. Wenn ich daraus keinen Gewinn ziehe (monetär würde zählen, aber das kann für deutschsprachige Rollenspielproduktionen kaum zählen), lasse ich es.

Ich freue mich z.B. auch über Feedback zu den Dingen, die ich schreibe. Aber ich schreibe nicht, um Feedback zu bekommen, egal welcher Art. Und genau so würde ich es auch dir, @Weltengeist, empfehlen: schreibe, weil du Bock hast, zu schreiben, und aus keinem anderen Grund.

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