Autor Thema: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel  (Gelesen 17609 mal)

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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Interessant ist es auch, wenn man mal mit einem gängigen generischen Fantasybrettspiel vergleicht, denn da ist tatsächlich dann alles klar geregelt. Es kann Charakterentwicklung geben, und Zufallsbegnungen, aber das ist alles durch Kartenstapel/Tabellen automatisiert.
Ich glaube, das ist auch so ein bisschen das Ideal, das wir da unbewusst im Hinterkopf haben, wenn wir von Geschummel reden.

Wobei ein Rollenspiel ja quasi ein Brettspiel sein kann, bei dem die Grundregeln schon feststehen, aber die Details erst im Spiel selber entstehen.

 Da dies durch Menschen geschieht, kommt hier ein subjektiver emotionaler Faktor ins Spiel. Was ja auch Spaß machen kann.
Theirs not to make reply,
Theirs not to reason why,
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Into the valley of Death
    Rode the six hundred.

Offline Alter Weißer Pottwal

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Das ist ein spannender Ansatz. Gefühlt richtig, aber... :D

Fairness (wie in deinem Beispiel mit den Gewichtsklassen) könnte der SL doch auch durch Würfeldrehen herstellen, oder? Etwa, wenn er den Eindruck hat, dass die Vermittlung der Gefährlichkeit/Gewichtsklasse des Gegners fehlerhaft war? Umgekehrt ist es doch das Streben der Spieler, Unfairness zu ihren Gunsten herzustellen. Agon würde da den SL dazu drängen, den Endboss aufzuwerten, um einen fairen Kampf zu haben - das würde aber die Handlungen der Spieler entwerten.

Das kann er machen. Aber dann ist es Falschspiel. Er muss sich ja alea nicht unterwerfen. Macht er es aber, dann muss er sich daran halten. Alles andere wäre Falschspiel.

Die Unfairness in deinem Beispiel ist keine Unfairness, sondern taktisch gutes Spiel der Spieler. Wenn sie einen gutes taktisches Vorgehen haben, das ist es nicht Unfairness, sondern sie haben sich das verdient.

@Rhylthar:

1. logisch
2. ebenso. Entweder würfelst du freiwillig oder das Spiel gibt es vor. Beide Male unterwirfst du dich dem Glück/dem Zufall (alea) und musst das Ergebnis akzeptieren. Sonst ist es Falschspiel.
3. Kein Falschspiel. Die Anwendung fällt unter agon. Ist es sinnvoll, dass er die Kraft jetzt einsetzt oder nicht? Solange du das nach bestem Wissen und Gewissen entscheidest (aus Sicht des Gegners) ist das völlig in Ordnung. Auch hier wieder der Vergleich zum Schachspiel: Es gibt gute und schlechte Züge. Aber solange der Zug erlaubt ist, ist es kein Falschspiel.
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Offline gunware

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Wenn in den Regeln steht, dass der Spieler, der die Spielleitung macht, Würfe ignorieren darf, dann ist es genauso kein Falschspiel, wie wenn der Torwart beim Fußball den Ball in die Hand nimmt. Obwohl alle anderen Spieler den Ball nicht in die Hand nehmen dürfen. Zum Falschspiel wird es erst, wenn er es in einem nicht erlaubten Bereich tut.
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Offline Alter Weißer Pottwal

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Wenn in den Regeln steht, dass der Spieler, der die Spielleitung macht, Würfe ignorieren darf, dann ist es genauso kein Falschspiel, wie wenn der Torwart beim Fußball den Ball in die Hand nimmt. Obwohl alle anderen Spieler den Ball nicht in die Hand nehmen dürfen. Zum Falschspiel wird es erst, wenn er es in einem nicht erlaubten Bereich tut.

Spielwissenschaftlich ist das leider falsch. Findet alea statt, dann muss das Ergebnis respektiert werden, sonst entartet das Spiel. Wenn sich das Spiel schon selbst vorher entartet, ändert das daran nichts

Der Vergleich mit dem Fußball passt hier nicht, weil es kein Zufall ist, wer den Ball in die Hand nehmen darf. Das ist vorher festgeschrieben und niemand hat sich hier dem Zufall/Glück unterworfen.
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Offline Rhylthar

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Ich weiss, Teufels Advokat und so, aber:

Zitat
2. ebenso. Entweder würfelst du freiwillig oder das Spiel gibt es vor. Beide Male unterwirfst du dich dem Glück/dem Zufall (alea) und musst das Ergebnis akzeptieren. Sonst ist es Falschspiel.
Dann ignoriere ich einfach den Einsatz von Würfeln und nehme einen beliebigen Wert nach meinem Gusto. Denn das Spiel gibt mir ja eine Spannbreite vor. Dann wäre es okay?

Ich sehe da auch einen potenziellen Konflikt zwischen innerweltlicher Plausibilität und dem Würfelergebnis. Insbesondere dann, wenn ich z. B. auf nicht selbsterstelltes Material zurückgreife.
Konkret: HEXfeld #37 sagt: Gefährlicher Roter Drache, bedroht die umliegenden Ortschaften. Mein Würfelergebnis ist extrem...der Drache ist alles, aber nicht gefährlich, durch sein Fehlen an HP.

Entweder ändere ich jetzt die Welt, damit die Spielenden "passende Infos" erhalten ("Roter Drache, aber eher zurückgezogen...) oder lasse sie so und habe am Ende ein Szenario für die Spielenden, das nicht mit den Beschreibungen übereinstimmt.

Schwierig.
“Never allow someone to be your priority while allowing yourself to be their option.” - Mark Twain

"Naja, ich halte eher alle FATE-Befürworter für verkappte Chemtrailer, die aufgrund der Kiesowschen Regierung in den 80er/90er Jahren eine Rollenspielverschwörung an allen Ecken wittern und deswegen versuchen, möglichst viele noch rechtzeitig auf den rechten Weg zu bringen."

Für alle, die Probleme mit meinem Nickname haben, hier eine Kopiervorlage: Rhylthar.

Offline Issi

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Würfel drehen "muss" man als SL nur, wenn man
1. Würfelt oder Würfeln lässt obwohl man mit einem bestimmten Ergebnis nicht leben will.
(Dann doch lieber gleich auf den Wurf verzichten)
Wer würfelt nimmt alle dadurch möglichen Ergebnisse in Kauf.

2. Wie 1. Nur dass es zusätzlich keine Rettungsnetze gibt.
(Die das Desaster noch anwenden könnten)
Wie zum Beispiel: Gummipunkte, Wiederbelebung  uÄ.

Nicht das Narrativ ist mMn. das Problem, sondern mangelhafte Regeln oder Anwendung.

Edit.
In einem guten Spiel - unterstützen die Regeln lediglich das Narrativ (Rollenspiel).
Sie blockieren es nicht.

Als SL kann man auch entscheiden, dass
1. Etwas einfach gelingt (ohne Würfeln)
2. Die Ergebnisse kein Worst Case beinhalten
3. Es bestimmte Rettungsanker gibt, für den Worst Case.


Ein "Ich musste jetzt würfeln lassen", und " es musste der Worst Case dabei sein " und"Ich musste auf Rettungsnetze verzichten " trifft sehr häufig einfach nicht zu.


« Letzte Änderung: 28.02.2023 | 13:14 von Issi »

Online Maarzan

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Die Elemente an sich sind typischerweise nur Methoden/Werkzeuge. Die Bewertung erfolgt dann nach dem erklärten Leitstil.
Das macht dann auch den Unterschied zwischen Railroading - böse und Trailblazing(?) - gut.

Was in erster Linie zählt meiner Meinung nach, sind Absprachen und Transparenz.
(Und da scheitert das "erlaubte" Würfeldrehen meist an dieser Transparenz, wenn Seiten von Regeln sagen: Das ist wie wird spielen und irgendwo -ggf gar in einem Spieler nicht zugänglichen Regelteil - steht dann außer der SL hat anderes vor.

Der Stil des geplanten Spieles gehört offen kommuniziert und dann auch im Spiel konsequent fortgesetzt.

Ärger gibt es doch dann, wenn das Gelieferte dann in einer entsprechend kritischen Situation mit dem Erwarteten kollidiert.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Ma tetz

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Was ist denn mit Schummelmäxchen? Das ist doch Alea in Reinform und Schummeln ist integraler Bestandteil des Spiels.
Ihr interessiert Euch für den Schatten des Dämonefürsten? Dann kommt zur Höllenpforte (Discordserver).

Online aikar

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Irgendwie hab ich den Faden verloren, über was eigentlich diskutiert wird. Es geht eigentlich nur darum, ob gewisse Arten Rollenspiel zu spielen gewissen spieltheoretischen Definitionen entsprechen, oder?
Und dann hat sich noch die uralte "Ist Würfeldrehen böse?"-Diskussion rein geschlichen.

Hab ich sonst irgend etwas wichtiges übersehen?
« Letzte Änderung: 28.02.2023 | 13:22 von aikar »
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline Arldwulf

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In den meisten Rollenspielen haben wir einen Anteil an agon, alea und mimikry, der aber je nach Herangehensweise unterschiedlich gewichtet wird.

Kann man dies überhaupt so sagen, bzw. hat diese Form der Gewichtung eine tatsächliche Aussagekraft? Um mal ein Gedankenexperiment zu machen: Nimm mal an ich habe ein stark auf Herausforderungen und das überwinden von Schwierigkeiten ausgelegtes Spiel mit moderatem Zufallsanteil und würde Zusatzregeln dazu erfinden. Beispielsweise Dinge welche für die Überwindung der Herausforderung keine Auswirkung haben (z.B. verschiedene Wege ein Problem gleichermaßen gut zu überwinden) aber eine Aussagekraft über den Charakter haben und das Ausspielen einer Rolle erleichtern.

Hat sich jetzt die Gewichtung des Spiels geändert? Und wie könnte ich diese Einstufung als Spieler nutzen, zum Beispiel bei einer Systemsuche? Ein Spieler der auf Herausforderungen steht hätte schließlich immer noch die gleichen Regeln, der Mimikry Anteil des Spiels hat auf diese erst einmal keinen Einfluss. Das Spiel kann auch immer noch besser für diesen Spieler geeignet sein als ein anderes Spiel gänzlich ohne Mimikry Anteil.

"Gewichtung" ist darum eigentlich eine falsche Analogie, denn die einzelnen Elemente der Spiele gleichen sich nicht gegeneinander aus sondern ergänzen sich.

Online Maarzan

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Was ist denn mit Schummelmäxchen? Das ist doch Alea in Reinform und Schummeln ist integraler Bestandteil des Spiels.
Absprache und Transparenz. Das Bluffen und das Aufdecken des Bluffs ist ja ausdrücklich Kern des Spiels. Und aufgedeckt werden muss auch auf Verlangen und wer recht hat gewinnt. 

"Gewichtung" ist darum eigentlich eine falsche Analogie, denn die einzelnen Elemente der Spiele gleichen sich nicht gegeneinander aus sondern ergänzen sich.

Meist ist von allem etwas mit drin, aber in manchen Fällen - die dann typischerweise bei gemischten Haufen zum Streit führen - kann bei der Auflösung der Handlung nur eine Linie bestimmen, wie es dann weitergeht. 
« Letzte Änderung: 28.02.2023 | 13:20 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Jiba

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Spielwissenschaftlich ist das leider falsch. Findet alea statt, dann muss das Ergebnis respektiert werden, sonst entartet das Spiel. Wenn sich das Spiel schon selbst vorher entartet, ändert das daran nichts.

Also, bei aller Liebe, aber in diesem einen Text von 1958 erschöpft sich nicht das gesamte Feld der "Spielwissenschaft" oder der "Game Studies". Nach dieser Definition wäre Schummeln absolut anhand von "Würfelergebnis" definiert. Dann würde der Torwart also tatsächlich schummeln, weil keine Würfel verwendet werden? Und was ist, wenn ich Deadlands mit einem Pokerdeck spiele? Kann ich da auch nicht schummeln, weil ich keine Würfel benutze.

Fakt ist, wenn der Fall gegeben ist, dass entweder:
a) das Regelwerk sagt, dass die SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und die Spieler wissen und einverstanden sind, dass er das tut, oder
b) das Regelwerk das nicht sagt, aber die Spielgruppe im gemeinsamen Austausch als Hausregel festlegt, dass der SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und damit auch einvestanden ist

...dann kann überhaupt kein Schummeln vorliegen, weil es ja eine Spielregel ist, die dem SL das zugesteht. Wie eben dem Torwart beim Fußball auch.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Alter Weißer Pottwal

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Ich weiss, Teufels Advokat und so, aber:
Dann ignoriere ich einfach den Einsatz von Würfeln und nehme einen beliebigen Wert nach meinem Gusto. Denn das Spiel gibt mir ja eine Spannbreite vor. Dann wäre es okay?

Ich sehe da auch einen potenziellen Konflikt zwischen innerweltlicher Plausibilität und dem Würfelergebnis. Insbesondere dann, wenn ich z. B. auf nicht selbsterstelltes Material zurückgreife.
Konkret: HEXfeld #37 sagt: Gefährlicher Roter Drache, bedroht die umliegenden Ortschaften. Mein Würfelergebnis ist extrem...der Drache ist alles, aber nicht gefährlich, durch sein Fehlen an HP.

Entweder ändere ich jetzt die Welt, damit die Spielenden "passende Infos" erhalten ("Roter Drache, aber eher zurückgezogen...) oder lasse sie so und habe am Ende ein Szenario für die Spielenden, das nicht mit den Beschreibungen übereinstimmt.

Schwierig.

Wenn du laut Regeln würfeln musst, dann musst du würfeln. Wenn du aussuchen darfst, dann darfst du aussuchen. Bewusst nicht würfeln ist das Gleiche wie den Wurf ignorieren.

Dein Beispiel passt doch. Beide Möglichkeiten sind gut um damit umzugehen, ohne Falschspieler zu werden. Gut wäre es dann noch den Spielern die Möglichkeit zu geben das heraus zu finden. Zum Beispiel indem der rote Drache schon lange nicht mehr gesehen wurde oder ihnen die Info zukommen zu lassen, dass der rote Drache irgendwie verletzt wurde. Oder indem sie entsprechend taktisch spielen und sich da erst einmal umschauen und die Infos verifizieren. Es geht nicht darum immer richtige Infos zu bekommen. Es geht darum den Spielern die Chance zu geben, die richtigen Infos heraus zu finden.
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Offline Arldwulf

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Meist ist von allem etwas mit drin, aber in manchen Fällen - die dann typischerweise bei gemischten Haufen zum Streit führen - kann bei der Auflösung der Handlung nur eine Linie bestimmen, wie es dann weitergeht.

An was für Fälle denkst du dabei?

Eigentlich hätte ich gesagt man kann in jeder Spielsituation weitere Spielelemente in der oben genannten Form hinzufügen. Das es in einer Situation "nur eine Linie" (bezogen auf die oben genannten Spielelemente) geben könne scheint mir eine Fehlannahme. Nimm zum Beispiel an, man könnte eine Situation nur mit Alea, also dem Würfelglück sinnvoll umsetzen. Der Einfachheit halber z.B. "Ein Hindernis muss überwunden werden, aber ich möchte ungewiss lassen ob es klappt.". Was genau würde mich hindern das Ausspielen einer Rolle mit diesem Würfelglück zu verbinden?

Der Begriff Gewichtung suggeriert "wenn das Würfelglück mehr Einfluss hat muss automatisch das Ausspielen einer Rolle weniger Einfluss haben" - das ist aber nicht zwingend der Fall. Ich könnte beispielsweise. Zwei Charaktere bei gleicher Würfelchance das Hindernis auf zwei verschiedene Weisen überwinden lassen die jeweils zur Rolle des Charakters passen. Der Barbar fällt einen Baum nahe der Schlucht um hinüber zu kommen, der Magier erschafft eine Brücke. Den Zufallsanteil ihrer Herangehensweisen anzupassen ändert nichts daran, dass sie das Problem verschieden angehen können.

Aber noch wichtiger: Spiele gleicher Gewichtung können wenn man obiger Einstufung folgt sich vollkommen unterschiedlich spielen und vollkommen unterschiedlich geeignet sein um einen Spielstil zu unterstützen. Ist ja nicht so als ob ein Spiel wenn damit Narration schlechter unterstützt wird dadurch automatisch besser darin wird andere Spielelemente zu unterstützen.
« Letzte Änderung: 28.02.2023 | 13:39 von Arldwulf »

Online Zed

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Das werden sie doch, wenn ich sie nicht grade auswürfle, aus einem Buch nehme oder im Vorfeld vorbereite, immer. Damit wäre ja improvisiertes Rollenspiel von Vornherein eine Form des Schummelns, oder nicht?
Was Jiba sagt. 🙂

Schummeln: Die Voraussetzung fürs Schummeln sind glasklare Spielregeln und ein völlig transparentes Spielfeld gegen das jemand verstößt. Wer bei Mensch-ärgere-Dich-nicht eine fünf Würfelt und sechs Felder setzt, schummelt. Wer bei bei Mensch-ärgere-Dich-nicht das Spielfeld „abkürzt“, schummelt.

Beim Rollenspiel sind die Regeln nicht immer eindeutig, dafür viel komplexer: Was in der einen Spielgruppe als genialer taktischer Einsatz eines Zaubers gilt, gilt in einer anderen Spielgruppe als Interpretation eines Zaubers, die broken ist. Ein Irrtum oder eine falsche Einschätzung beim Schreiben des Abenteuerschreibens kann auch ein unnötiges Problem machen - und dann kann deren Korrektur auch kein Schummeln sein.

Das Spielfeld beim Rollenspiel ist nicht transparent. Nicht nur die Karte ist zumeist außerhalb des Wahrnehmungskreises unklar, auch kennt im häufigsten Fall niemand die Begegnungen, die dort stattfinden werden. Zudem sind die Begegnungen im besten Fall nicht statisch, sondern nehmen Bezug aufeinander: Wenn im Abenteuer nichts davon steht, dass der Sturmriese eine Falle stellt, die Gruppe jedoch die Tage zuvor in den Räumen vor der Riesenhalle all seine Bediensteten weggefegt hat, so wird er wissen, was ihn erwartet und vielleicht Verstärkung holen oder Fallen stellen. Für den einen wäre diese Improvisation gleichbedeutend mit Schummeln, weil Fallen oder Verstärkung in der Riesenhöhle nicht im Abenteuer standen, für jemand anderen wäre dies eine besonders gut ausgespielte Umwelt.

Daher: Wer auf das Wort „Schummeln“ besteht, muss erklären, wieso das Spielfeld (inkl. Begegnungen) plötzlich unberührbar sein müssen. Warum die Spielleitung auf einmal keinen Zugriff auf das Spielfeld haben darf und es unangetastet so herunterspielleitern „muss“.

Noch ein Beispiel: Das Abenteuer ist von jemandem geschrieben, der (bei genauem Hinsehen) nicht das Detailniveau getroffen hat, dass die Gruppe erwartet (Stichwort: Warum ist nicht klar, wovon die Monster hier unten eigentlich leben, wenn 100 Jahre lang zuvor niemand mehr hier war? Und wo kriegen die ihr Trinkwasser her?). Ist jede Nachbesserung schon Schummeln? Und wenn die Nachbesserung spontan erfolgt?

Ich nenne es „gestalten“.

Dass bedeutet NICHT, dass es sinnvoll ist, jeden Würfelwurf nach belieben umzudeuten oder jeden Raum spontan neu auszustatten. Die Grundlage sollte ein faires und sinnvolles Spiel sein.
« Letzte Änderung: 28.02.2023 | 15:08 von Zed »

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Nennt es doch einfach Kayfabe statt Falschspiel und fertig ist die Laube.
Ansonsten: Juhu. Endlich Mal wieder ein Ludologie-Thread... ist es doch, oder?
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Rhylthar

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Wenn du laut Regeln würfeln musst, dann musst du würfeln. Wenn du aussuchen darfst, dann darfst du aussuchen. Bewusst nicht würfeln ist das Gleiche wie den Wurf ignorieren.
Um mal konkret zu werden:
Zitat
Despite the versatile collection of monsters in this book,
you might be at a loss when it comes to finding the perfect
creature for part of an adventure. Feel free to tweak an
existing creature to make it into something more useful for
you, perhaps by borrowing a trait or two from a different
monster or by using a variant or template, as the
ones in this book. Keep in mind that modifying a monster,
including when you apply a template to it, might change its
challenge rating.
D&D 5E, MM

Für den Eintrag der HP steht da nur: Mittelwert und HD. Kein Entweder-Oder.

Warum wäre dann z. B. das Nehmen von 3/4 des Maximums "schummeln"?

Ich will gar nicht zu sehr auf der Theorie rumreiten. Ich sehe nur gewisse Grauzonen im RPG, die mit dem Absolutismus der Theorie kollidieren.
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"Naja, ich halte eher alle FATE-Befürworter für verkappte Chemtrailer, die aufgrund der Kiesowschen Regierung in den 80er/90er Jahren eine Rollenspielverschwörung an allen Ecken wittern und deswegen versuchen, möglichst viele noch rechtzeitig auf den rechten Weg zu bringen."

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Offline Alter Weißer Pottwal

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Also, bei aller Liebe, aber in diesem einen Text von 1958 erschöpft sich nicht das gesamte Feld der "Spielwissenschaft" oder der "Game Studies". Nach dieser Definition wäre Schummeln absolut anhand von "Würfelergebnis" definiert. Dann würde der Torwart also tatsächlich schummeln, weil keine Würfel verwendet werden? Und was ist, wenn ich Deadlands mit einem Pokerdeck spiele? Kann ich da auch nicht schummeln, weil ich keine Würfel benutze.

Fakt ist, wenn der Fall gegeben ist, dass entweder:
a) das Regelwerk sagt, dass die SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und die Spieler wissen und einverstanden sind, dass er das tut, oder
b) das Regelwerk das nicht sagt, aber die Spielgruppe im gemeinsamen Austausch als Hausregel festlegt, dass der SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und damit auch einvestanden ist

...dann kann überhaupt kein Schummeln vorliegen, weil es ja eine Spielregel ist, die dem SL das zugesteht. Wie eben dem Torwart beim Fußball auch.

Alea ist nicht würfeln, alea ist Zufall/Glück. Das hat mit einem Torwart einfach überhaupt nichts zu tun. Das ist eine alea unabhängige Entartung, aber kein Falschspiel. Der Falschspieler tut so als würde er die Regeln befolgen, damit das Spiel nicht entartet. Ein Spieler der den Ball mit der Hand spielt, obwohl er es nicht darf, entartet das Spiel - sofern er dafür nicht vom Schiedsrichter sanktioniert wird.

Ein Regelwerk kann das gerne schreiben und wenn alle damit glücklich sind, dann ist das klasse. Alea entartet dann trotzdem, wenn der SL nicht zum Falschspieler wird und agon wird ebenso entwertet. Für die Spieletheorie ist es irrelevant was diesbezüglich im Regelwerk steht.
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Offline AlucartDante

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Spielwissenschaftlich ist das leider falsch. Findet alea statt, dann muss das Ergebnis respektiert werden, sonst entartet das Spiel. Wenn sich das Spiel schon selbst vorher entartet, ändert das daran nichts

Der Vergleich mit dem Fußball passt hier nicht, weil es kein Zufall ist, wer den Ball in die Hand nehmen darf. Das ist vorher festgeschrieben und niemand hat sich hier dem Zufall/Glück unterworfen.

Also das überzeugt mich auch nicht. Wir hatten doch darüber geredet, dass vorher in der Anleitung auch festgeschrieben ist, dass der SL Würfel anpassen darf und niemand hier dem Zufall unterworfen ist. Ich finde das Torwartbeispiel ganz passend.

Vielleicht stehen hier auch verschiedene Thesen einander gegenüber, dass ist keinesfalls wissenschaftlich falsch. Etwas kann apriori unlogisch sein, empirisch widerlegt oder einer Theoriegeschichte bzw eines Modells nicht reinpassend, vielleicht kann auch etwas grundsätzlich den Prämissen von einer Wissenschaftstheorie nicht entsprechen.

Diese angebliche Entartung ist ja auch eine subjektive Entwertung. Man könnte auch sagen, dann kommt es zu einer Weiterentwicklung, einer dialektischen Aufhebung, Veredelung oder Revolution.

Offline Alter Weißer Pottwal

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Um mal konkret zu werden:D&D 5E, MM

Für den Eintrag der HP steht da nur: Mittelwert und HD. Kein Entweder-Oder.

Warum wäre dann z. B. das Nehmen von 3/4 des Maximums "schummeln"?

Ich will gar nicht zu sehr auf der Theorie rumreiten. Ich sehe nur gewisse Grauzonen im RPG, die mit dem Absolutismus der Theorie kollidieren.

Auch hier wird wieder alea und agon vermischt. Es geht hier ja um die Vorbereitung und letztlich nicht ums Spiel selbst. Bereitest du es nach bestem Wissen und Gewissen vor, dann ist das kein Problem.

Und: Könnt ihr vielleicht das mit dem Schummeln lassen? Es geht um Falschspiel und entarten. Die beiden Termini sind viel besser zur Diskussion geeignet, weil nicht negativ belegt.

@AlucarteDante: Es ist insofern falsch, weil jederzeit ersichtlich ist, wenn der Torwart den Ball fängt. Wenn der SL offen würfelt und seinen Spielern dann sagt: "Auf das Ergebnis hab ich keine Lust", dann wäre es ein passender Vergleich. Falschspiel ist das Verheimlichen.

Die Entartung ist keine subjektive Entwertung. Es ist die Auflösung eines Teilbereichs eines Spiels. Das ist nicht wertend. Niemand bewertet das negativ. Ich kann wunderbar ohne alea spielen. Mit alea kann ich aber nur spielen, wenn ich mich dem Glück/Zufall unterwerfe und das Ergebnis akzeptiere.
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Online nobody@home

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Und: Könnt ihr vielleicht das mit dem Schummeln lassen? Es geht um Falschspiel und entarten. Die beiden Termini sind viel besser zur Diskussion geeignet, weil nicht negativ belegt.

"Nicht negativ belegt"? In welcher Parallelwelt, in der ich offenkundig selbst nicht lebe? :o

Offline Jiba

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Zitat
Es ist insofern falsch, weil jederzeit ersichtlich ist, wenn der Torwart den Ball fängt. Wenn der SL offen würfelt und seinen Spielern dann sagt: "Auf das Ergebnis hab ich keine Lust", dann wäre es ein passender Vergleich. Falschspiel ist das Verheimlichen.

Und genau dann, wenn die Gruppe sich entschließt, dem Spielleiter das Privileg des Verändern von Würfelergebnissen einzuräumen, also eine Regel daraus macht, ist es nicht mehr verheimlicht. Nichts anderes wollen wir sagen.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Rhylthar

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Zitat
Und: Könnt ihr vielleicht das mit dem Schummeln lassen? Es geht um Falschspiel und entarten. Die beiden Termini sind viel besser zur Diskussion geeignet, weil nicht negativ belegt.
Zur Güte:
Ob ich im Wilden Westen wegen Schummelns oder Falschspiel erschossen worden wäre, spielt doch keine Rolle, oder?  ;)

Worum es doch geht:
Die Theorie verlangt das "reine Glücksspiel", also "Pure Dices", in allen Konsequenzen. Natürlich bricht dann die Theorie, wenn dies nicht zu 100 % gewährleistet wird.
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Offline RackNar

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... Ausnahmen sind entsprechende Sub-Systeme wie Bennies, Schicksalpunkte oder ähnliche Ressourcen. Hiermit kann eine Entwertung des alea vorgenommen werden, ...

Ähm, nein. Denn der Verlust der Ressource ist eine Konsequenz für den Spieler und somit eben keine Entwertung ...
„Ich gebe zu, dass ich mich irren kann, dass Du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spurkommen werden.“ - Frei nach Popper

Offline RackNar

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Zur Güte:
Ob ich im Wilden Westen wegen Schummelns oder Falschspiel erschossen worden wäre, spielt doch keine Rolle, oder?  ;)

Worum es doch geht:
Die Theorie verlangt das "reine Glücksspiel", also "Pure Dices", in allen Konsequenzen. Natürlich bricht dann die Theorie, wenn dies nicht zu 100 % gewährleistet wird.

Noch viel naheliegender: Solange nicht nur klar spielmechanisch entschieden wird, wann, wer was würfelt, herrscht Willkür und die reine Illusion eines Glücksspiels.
„Ich gebe zu, dass ich mich irren kann, dass Du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spurkommen werden.“ - Frei nach Popper