Meine Kinder traten neulich - es herrschten noch Sommerferien und die Langeweile war groß - mit der grandiosen Idee an mich heran, “auch mal Rollenspiele spielen” zu wollen. Die kriegen natürlich mit, dass meine Frau und ich uns nach Anbruch der Bettzeit ein- bis zweimal die Woche zum Rollenspiel zusammenfinden. Noch dazu mit einigen unserer, bei den Kindern hochbeliebten, guten Freunden.
Mit meinem Großen habe ich das schon vor einiger Zeit mal probiert, das hat für ein paar Nachmittage immer mal für ungefähr 20 bis 30 Minuten ganz gut geklappt. Das damalige Regelsystem bestand aus
Wirf 1-3d6 und behalte das beste Ergebnis. Eine 5 oder 6 bedeuten Erfolg, eine 3 oder 4 Teilerfolg und eine 1 oder 2 Mißerfolg. Die Anzahl der Würfel richtet sich danach, was du gut, oder eben weniger gut kannst. (Beispiel: Ein Ritter möchte zuhauen/reiten/allgemein ritterlich sein? 3d6. Der Ritter will schleichen/zaubern/Perlhühner züchten? 1d6, alles dazwischen, 2d6)
Mein damals Vierjähriger (im weiteren Thorin genannt) ist nun sieben und dieses Jahr eingeschult worden, mein Jüngster (Joe) ist viereinhalb. Beide spielen Brettspiele und würfeln gern und der Kleine ist überraschend sicher im Zahlenraum bis 20, weswegen ich die Komplexität etwas nach oben schrauben wollte. Ich hatte mich darauf versteift, unbedingt den D20 verwenden zu wollen, weswegen wir ein extrem vereinfachtes D&D5 gespielt haben. Ich habe die Jungs das PHB durchblättern lassen, um herauszufinden, was sie spielen möchten. Das Ergebnis war klar: Thorin hat sich in die Illustration des zwergischen Klerikers mit Zweihandhammer verliebt und war mit dem Konzept eines Heilers sehr einverstanden, Joe konnte sich nicht recht zwischen dem Dragonborn und dem Dunkelelfenschurken entscheiden. Die Wahl fiel zunächst auf den Dragonborn, da dieser feuerspucken kann, außerdem sollte der Charakter “mit einem großen Schwert kämpfen” können.
Ich habe jedem Kind einen improvisierten Charakterbogen verpasst und, da noch keiner von beiden lesen kann, Werte mit Symbolen dargestellt. Statt der übliche Attribute, Stärke, Weisheit, Pipapo, haben ich mich auf “Kampfzahl”, “Schildzahl”, “Herzzahl” (Trefferpunkte) und “Zauberzahl” beschränkt. Außerdem gab es für den Kleriker noch je einen Schutz- und Heilzauber, sowie einen Schadenszauber, der nur bei Untoten wirkt, der Krieger bekam die Fähigkeit verpasst, beim Schadenswurf Einsen und Zweien neu zu würfeln. Charakternamen wurden gewählt, nämlich Thorin Eichenschild für den Zwerg (ich hatte vor etwa einem halben Jahr den Hobbit vorgelesen) und, äh, Echsenblutkämpfer Joe für den Dragonborn.
Knochen KochenIch habe meine alte Chessexmatte hervorgekramt und die Heroquestminiaturen ausgepackt, einen kleinen Dungeon improvisiert und los ging es. Der Auftrag stand schnell fest: Der Direktor des örtlichen Museums hat den Diebstahl eines wertvollen Exponates festgestellt, eines Knochen, der mutmaßlich aus dem Finger einer Tarraske stammt. Unsere Helden untersuchen den Tatort und finden einen liegengelassenen Dolch goblinischer Machart. Zufällig hat sich eine Gruppe Goblins in einer nahen Ruine eingenistet. Aha! Man kombiniert messerscharf und begibt sich zum Lager der Goblins und während Thorin noch überlegt, wie er den Wachhabenden freundlich ansprechen und ausfragen soll, hebt Joe seinen Zweihänder und stürmt zum Angriff. Ich lasse vergleichende d20 würfeln, um zu sehen, wer zuerst handeln kann, Joe gewinnt, haut zu und besiegt den Goblin mit einem Hieb. Thorin ärgert sich, weil er sich viel lieber erstmal umgehört hätte, aber nun die Hölle losbricht. Die beiden Helden erkämpfen sich den Zugang zur Ruine in einem heftigen Scharmützel, an dessen Ende 4 Feinde leblos herumliegen.
Im Keller der Ruine entdeckt man Schlafplätze der Goblins, eine Küche, in der ein paar Orks am Feuer stehen und kochen und sofort von Joe niedergemacht werden. Der den Drehspieß kurbelnde Goblin-Küchenjunge wird laufen gelassen, nachdem Thorin ihn zum Diebstahl des Knochens befragt hat. Wie sich herausstellt, haben die Goblins den Knochen tatsächlich entwendet, im Auftrag des Orkischen Suppenschmieds, der damit eine ganz besonders gehaltvolle Brühe kochen möchte, um seinen Orks größere Kraft und Ausdauer zu verleihen. Für die Orks sind die Goblins aber bestenfalls unbezahlte Handlanger und einige von ihnen sitzen im Käfig, da sie es gewagt haben, für den Diebstahl bezahlt werden zu wollen. Thorin und Joe machen sich auf die Suche nach den anderen Goblins und befreien sie aus ihrer Zelle, weswegen die Goblins den Helden ihre Unterstützung zusichern, sollten die gegen den Suppenschmied und seine Orks vorgehen wollen. Dies ist der Fall und man sucht den Raum auf, in dem sich die Orks aufhalten, wo ein heftiger Kampf entbrennt. Mit Hilfe der Goblins gelingt es Thorin und Joe, den Suppenschmied und einige seiner Orks zu erschlagen, die anderen ergreifen die Flucht. Der letzte bekommt Thorins Hammer über den Schädel gezogen, wird danach per Zauber geheilt und muss versprechen, von nun an gut und freundlich zu sein.
Als letztes wird der Knochen aus dem Suppenkessel gezogen und an das Museum zurückgegeben, wo reuige Goblins gerne beim Aufräumen helfen und dafür Thorins Anteil der Belohnung (einen Beutel voll Gold) erhalten. Joe weigert sich strikt, sich auch nur von einer Münze zu trennen, was ja auch in Ordnung ist. Ach ja, Zwischendurch werden die Goblins noch schnell vorübergehen eingekerkert, damit sie nicht abhauen können, bevor Thorin ihnen sein Gold schenkt. Danach dürfen sie ihrer Wege ziehen.
Abschlussbesprechung:
Joe: “Das war super! Ich will bald wieder spielen. Wie heißt das Spiel nochmal?”
Ich: “Dungeons and Dragons”
Joe: “Was heißt das?”
Ich: “Das ist englisch und heißt soviel wie Verliese und Drachen.”
Joe: “Wooooh! Jaaah! Wir haben Verliese und Drachen gespielt.”
Thorin: “Mir wäre es lieber, wir nennen es ab jetzt “Dungeons und Redens”. Ich wollte noch mit den Goblins reden. Und mit den Orks. Warum konnte ich nicht mit den Orks reden?”
Ich: “Okay, du willst mit Orks reden? Ich behalte das im Kopf. Hat dir der Kampf auch Spaß gemacht?”
Thorin: “Schon, aber ich will lieber gegen Skelette, nicht gegen was, das so richtig lebt. Aber das Beste war, den Goblins zu helfen.”
Joe: “Ich will noch mehr kämpfen!”
Gut, ich habe hier offenbar zwei recht unterschiedliche Spieler. Thorin kommt eher nach mir, Joe nach seiner Mutter. Ich hatte es mir leicht gemacht und angenommen, beide Kinder würden am liebsten kämpfen wollen, was auch bei allen anderen Spielen, egal ob Lego, Playmobil oder was auch immer, ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Beim nächsten Mal werde ich darauf achten, dass es unterwegs noch jemanden gibt, dem geholfen werden kann. Die ganze Spielsitzung mit Charakterauswahl und allem hat übrigens gute zwei Stunden gedauert. Dass die Konzentration flöten geht, war in den letzten zehn Minuten zu bemerken, bis dahin waren beide Spieler voll am Ball. Ich denke, das wird nicht unser letzter Ausflug in Richtung Rollenspiel gewesen sein.