Man kann bitte auch einfach mal ernst genommen werden.
Ja, aber das gilt auch für beide Seiten, oder?
Ich spreche mal von damals (ist sogar "on topic"). Vampire the Masquerade kam 1991 auf den Markt, relativ zeitnah auch in deutscher Sprache.
Damals war das Rollenspiel total en vogue, weil sehr viele Medien in diesem Genre die Runde machten - Bram Stoker's Dracula (92), Interview mit einem Vampir (94 und vorher die Romane), The Crow (94) etc. etc. Eigentlich waren die ganzen 90er eine große "Welt der Dunkelheit" Modewelle. Und das nicht nur im Rollenspiel.
Die Leute waren gerade zu versessen auf diese Themen und stürzten sich mit Freude ins Unbehagen.
Damals gab es die X-Card nicht. Und auch Begriffe wie Lines und Veils. Sie hiessen nämlich einfach nur anders.
Trotzdem hat jeder halbwegs verantwortliche Spielleiter in diesen Genres (es gab auch genug unverantwortliche, aber die gibt es heute auch) über Grenzen und Exit-Strategien mit den Spielern gesprochen. Da damals BDSM auch gerade in Mode kam, war es eben nicht die X-Card, sondern das Safe-Word.
Warum stoße ich mich jetzt an Deiner oben stehenden Aussage?
Weil es nicht stimmt, dass man sich früher nicht über Themen präzise artikulieren konnte. Manche Begriffe waren anders. "Goths waren Gruftis..."
Aber trotzdem hat man sich Gedanken gemacht und kommuniziert.
Communities waren kleiner und regionaler, aber deswegen fand trotzdem ein Austausch statt. Und mit dem Aufkommen des Internets (und das gab es auch schon vor dem Jahr 2000) wurde das auch immer überregionaler.
Ich persönlich hab genau in dieser Zeit ab 1992 neben dem Studium in einem Jugendzentrum im regionalen "Ghetto" gearbeitet und habe da sehr tief in die Jugendszenen reinschauen können. Und durfte mir auch ganz viel nebenberufliche Kenntnis zum Thema Sozialpädagogik aneignen. Die ganzen Thematiken sind nicht neu und nur weil sie jetzt ein paar Begriffe in "fancy" übersetzt wurden, hat man sich damals auch nicht anders oder weniger präzise über Themen wie persönliche Grenzen, Tabuthemen oder Exit Strategien ausgetauscht. Wenn man denn die Notwendigkeit sah.
Es scheiterte aber nicht an Möglichkeiten.
Und Deine Oma wusste das vielleicht auch, denn die Hippies in den 70ern hatten auch schon genau das gleiche - Social commitment and exchange.
Ein Großteil dieser Sozialwissenschaften ist immerhin in den 60ern und 70ern entwickelt worden.
Sich jetzt hinzustellen, als wäre das alles erst im neuen Millenium definiert worden und früher hätte man nur unpräzise herumstammeln können, ärgert mich einfach.
Und übrigens: Ja, damals (wieder dieses Wort) haben zu viele Rollenspieler darauf verzichtet und viel zu oft (einmal ist zu oft) sind da Grenzen verletzt und Rollenspieler emotional verletzt worden - aber nicht weil es die Themen, die (damals aktuellen) Begrifflichkeiten oder die Techniken nicht gab, sondern weil es zu oft zu sehr auf die leichte Schulter genommen wurde oder weil die Spielleiter gleichgültig waren. Manche haben das sogar ganz bewusst versucht, Grenzen zu erreichen und zu triggern. Eben, weil genau das en vogue war.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass man sich nicht informieren oder austauschen konnte, sondern nur, dass damals zu viel Leute zu gleichgültig waren und die Verantwortung nicht sehen wollten. Und auch das ist heute nicht anders.
Der große Unterschied zu heute ist, dass diese Modewelle massiv abgeflaut ist und dass die Themen heute mehr und häufiger thematisiert werden. Das ist aber eine Frage von Quantität und nicht von Qualität.