Autor Thema: These: Kampforientierte Systeme sind ideal für charakterfokussiertes Spiel  (Gelesen 1147 mal)

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Offline Zed

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In diesem Video stimmt der Videocreator der Aussage von Brennan Lee Mulligan (Dimension 20) zu, dass das Vorurteil, dass DnD sich nicht gut für charakterfokussiertes Spiel eignet, falsch ist, im Gegenteil: Brennan Lee Mulligan konzentriert sich bei seinem Spiel nicht auf die Kampfregeln, sondern nutzt die Stärken des Regelwerks, die Dinge zu simulieren, für die er keine eigenen Regeln braucht. Er kann sich dadurch auf die Geschichte und die Entwicklung der Charaktere konzentrieren.

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Ich kann mit dieser These viel anfangen: Mich als DnD-geprägter Spieler hat das System noch nie davon abgehalten, mich mit meiner Gruppe intensiv auf Charakterspiel-Sessions zu fokussieren. Wie ich anderswo schrieb: Von etwa 7 Spielsitzungen sind bei uns ca 3 reine Kampfsessions und etwa 4 ausgespielte Diplomatie und Taktik-/Strategieplanung.

Warum aber nicht direkt Systeme nutzen, die sich mehr auf Diplomatie konzentrieren? Zum einen macht uns auch das taktische DnD-Kämpfen Spaß. Zum anderen ist Teil dieser These ja: Was nicht (gut) geregelt ist, spielt man umso intensiver - das finde ich zumindest nachdenkenswert.

Wie seht Ihr das?

Online schneeland (N/A)

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Das Thema rauschte ja an verschiedenen Stellen schon durchs Internet.
In Kurzform:
Mich überzeugt die These nicht, zumindest nicht vollumfänglich - ansonsten wäre ja die Frage: wenn die interessantesten Spielsituationen da entstehen, wo es keine oder nur wenig Regeln gibt, warum dann als kampfinteressierte Gruppe nicht v.a. erzählerisch und allenfalls mit einem Minimalsatz an Regeln an Kampfsituationen herangehen?
Was ich aber für richtig halte: der Verzicht auf Regeln kann das Spiel interessanter machen, wenn die Gruppe bereit ist, entsprechende Situationen auszuspielen und die Bewertung von Handlungen anhand der Beschreibung vorzunehmen (bzw. durch die Spielleitung vornehmen zu lassen) - ganz gleich, ob es dabei um die am Hofe des Königs vorgebrachten Argumente geht, oder das Entschärfen einer Falle. Es ist aber m.E. nicht zwingend, dass es hier auch zu einem Gewinn an Spielqualität kommt, und gerade was soziale Situationen angeht, kann ein entsprechendes Regelwerk ja auch überhaupt erst die Anstöße geben, sich z.B. damit auseinanderzusetzen, dass die eigenen Argumente nicht verfangen und die eigene Spielfigur unter Druck gerät.
Im Endeffekt läuft es also eher darauf hinaus, dass man sagt: die Kombination aus stark verregeltem Kampf und schwach verregeltem sozialen Teil entspricht meinen Präferenzen (und sicher auch ein Stück weit der Tradition in Rollenspielsystemen wie D&D).
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Offline Luxgram

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Es liegt an der Gruppe/dem Spielleiter, meiner Erfahrung nach.

Ich persönliche sehe es genauso, und hab auch schon in Runden gespielt wo wir extrem viel RP hatten und die Kämpfe dann schnell und unkompliziert liefen, weil die Regeln da waren und gut funktionierten, damals war es das 2d20 System.
DnD hab ich persönlich nur einmal gespielt (4er Regeln) und es war grausam. Die Kämpfe dauerten ewig, das RP war nicht vorhanden, IC Unterhaltungen gab es quasi nicht sondern nur Blödeleien am Tisch. Warum? Die spieler hatten eigentlich kein interesse an ihren Charakteren und keiner hatte Ahnung vom System (oder interesse sich damit auseinander zu setzen). Nach der einen Sitzung dachte ich mir allerdings "Ich glaube mit meiner Runde (dich ih zu der Zeit geleitet habe) wäre das super. Kämpfe können cool sein und alles andere braucht keine/wenige Regeln." Damals war es aber dann so, dass meine Spieler das Gefühl hatten ein brettspiel zu spielen, daher haben wir nach einem Test aufgehört und sind wieder zu Splittermond zurück.

Viele Jahre später und jetzt versuche ich es wieder, diesesmal mit PF2e. Ich hoffe dadurch auch in meiner jetzigen kleinen Runde alle unter einen Hut zu bekommen, da dort die Meinung über Charaktere und was RP ist stark auseinander gehen.
Für den Einen sind größere Zahlen gleichbedeutend mit Charakterentwicklung, selbst die Wahl eines Namens für den Charakter ist da schon eher eine lästige Pflicht. Für den Anderen bräuchte es keine Bögen, weil man ja auch einfach nur in der Kneipe sitzen und reden kann und wenn man doch mal würfeln müsste, kann die SL es auch einfach handwedeln.

TL;DR: Meiner Meinung nach kann es so sein, aber da es sich um eine soziale Erfahrung handelt spielen die Menschen die beteiligt sind eine ebenso große Rolle wie das Regelwerk.

Offline 1of3

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Was nicht (gut) geregelt ist, spielt man umso intensiver - das finde ich zumindest nachdenkenswert.

Die Frage ist, was eine Sache regeln heißt.

Eine Regel kann etwas abkürzen. Also sie kann sagen: "Wenn du ein Monster triffst, würfle ob du es besiegst." Dann wird man daran natürlich nicht viel ausspielen.

Eine Regel kann auch zunächst mal, den Blick auf einen Sachverhalt lenken: "Überlege dir, wie dein Charakter üblicher Weise gegen Monster kämpft und gegen welche Monster das besonders geeignet ist."

Ich vermute, wenn Leute sagen, sie wollen dezidierte Regeln für etwas oder eben gerade nicht, sind da solche unterschiedlichen Vorstellungen und viele dazwischen.

Ein paar Beispiele.

- Unter Leuten, die Masks oder Monsterhearts spielen, sind überraschend viele Leute, die sich als Queer bezeichnen. Warum? Du bist laut Regeln gehalten, auf deinem Charakterblatt anzukreuzen, ob die du "ambiguous, man, shifting, transgressing, woman" bist. Kein Freitextfeld, sondern zum ankreuzen.

- Als ich meinen ersten Spieltest mit Let's Go To Magic School auf dem Treffen gemacht habe (damals noch namenlos), sagte Sabine hinterher: "Ohne das Regelwerk hätten wir das so nie hinbekommen." Die Leute kannten alle einschlägige Vorlagen für das Genre. Die wussten total wie man Zauberschule macht. Was also war das, was das Regelwerk getan hat? Ihnen noch mal vor Augen geführt, was da typische Elemente sind. Also du kannst z.B. das Malfoy-Playbook haben und vor dem Spiel sucht man irgendwelche magischen Schulfächer aus usw.

- Die Kollegen wollen gern mal D&D spielen. Kann ich machen. Ich werde die Einsteigerbox nehmen und sie werden - gebeten von ihrem Zwergenkumpel - auf dem Weg nach Phandalin sein und von Goblins überfallen werden. Für Charaktererschaffung haben wir keine Zeit, also gibt es die mitgelieferten. Das unglaublich platt, aber D&D macht genau das einfach.

Offline DonJohnny

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Wie seht Ihr das?

Letzten Endes ist genau das das Credo von 13th Age.

13th Age schlägt voll in die Richtung aber unterstützt diese Art des Spiels noch mehr. Stark geregelter und taktischer Kampf. Außerhalb des Kampfes sehr frei, durch Dinge wie "One unique thing" und Icon Relationships kommt bei uns im Spiel aber in dieser Beziehung nochmal deutlich mehr rum
SL: "Und damit wäre die Theorie, dass wir an einem Samstagabend weniger albern sind als an einem Freitagabend, widerlegt."
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Druid: "Was soll das, eine Landschaft voller Trichter?"
Sorcerer: "Du Idiot! Das sind Berge! Du hälst schon wieder die Karte falsch herum!"

Online Swanosaurus

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Ich finde die These nicht überzeugend, und sie erinnert mich ein bisschen an "DSA4 war so toll für's Charakterspiel, weil alles es immer möglichst weit vermieden haben, die Regeln zu verwenden."
Das kampforientierte System steht dem charakterfokussierten Spiel vielleicht nicht im Weg, aber ich sehe auch nicht, was es zu ihm beiträgt. Dass es einem durch ein "vollwertiges Kampfsystem" die Mühe abnehmen würde, sich mit den Kampfszenarien auf Regelebene auseinanderzusetzen, halte ich sogar für Unsinn. Ein "Würfel einen W6, bei einer geraden Zahl gewinnst du, erzähle wie"-Kampfsystem ist letztendlich genauso vollwertig, weil es die Kampfsituation ebenfalls abdeckt. Dafür braucht es also kein kampforientiertes System.

Und gerade 13th Age ist für mich ein Beispiel, warum das "klassische" modern-D&Dige kampforientierte System zumindest mich persönlich dann doch eher beim Spiel meines Charakters stört: Diese krasse Trennwand zwischen Kampfgeschehen und "Rest", bis dahin, dass Charaktere im Kampf und außerhalb unterschiedliches können (weil es halt viele "pro Kampf" einsetzbare Fähigkeiten gibt), ist eben extrem artifiziell. Darüber hinaus muss man bei allem ab D&D3 in Kauf nehmen, das Kämpfe, wenn sie spannend sein sollen, in aller Regel ein gewaltiges Massengemetzel sein müssen; und die Frage, was dieses In-Blut-Waten mit den Charakteren macht, kann und darf man natürlich ignorieren, aber es fällt mir ehrlich gesagt je älter ich werde, desto schwerer (keine Ahnung, ob es da einen Zusammenhang gibt, Altersmilde oder so ...).

Das 4/3 Verhältnis von Nicht-Kampf-Sitzungen zu Kampf-Sitzungen käme mir auch ehrlich gesagt schon ziemlich absurd vor; ich würde einfach überhaupt keine Kampf-Sitzung mehr spielen wollen, ein Kampf muss nach ner halben Stunde um sein, maximal nach einer Stunde, wenn wirklich etwas Spannendes auf dem Spiel steht. Und das ist halt mit den meisten kampffokussierten Systemen kaum zu haben.

An klassischen Systemen hab ich da dann doch immer lieber RuneQuest: Da ist ein Kampf schnell rum, die Stakes fühlen sich echt an, es gibt keinen Disconnect zum Rest des Systems, und eine Gruppe von drei oder vier Helden kann auch gegen zwei oder drei "normale" Gegner kämpfen und dabei um ihr Leben bangen, anstatt entweder gegen ein Megamonster oder Horden von Geschmeiß antreten zu müssen.
Ehemals Rumpel/Achamanian

Offline Quaint

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Und demnächst machen wir sozialorientierte Systeme um ideal kampffokussiert zu spielen?!

Mal ehrlich: Schon alleine die Begrifflichkeiten sind fragwürdig. Ich kann natürlich frei erzählen und frei ausspielen was ich will, es soll sogar Leute geben die dafür mal über Regeln die es eigentlich gibt hinweg sehen.
Aber das ist doch nicht mit einer idealen Eignung gleichzusetzen, höchstens mit einem "nicht im Weg stehen".
Und ich persönlich würde ein Spiel mit ganz vielen Regeln für ein bestimmtes Thema vor allem nehmen um das entsprechende Thema zu beackern. Sofern mir die Regeln denn zusagen.
Aber sowas wie DnD 4 nehmen wenn ich eigentlich eine charakterfokussierte Dramarunde z.B. über verliebte Teenager spielen will (und wenig bis kein Interesse an Kampf habe) ist doch Quatsch.
Es gibt zwar sowas wie eine fruitful Void, aber ob das hier zutrifft bezweifele ich.
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Offline Leonidas

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Der im Threadtitel formulierten These würde ich auch nicht zustimmen. (die Zuspitzung lese ich aus der <Zusammenfassung aber auch gar nicht so deutlich heraus).

Die These, dass das Fehlen von Regeln zu freiem Rollenspiel führen kann und dass das bei manchen Gruppen großartig funktioniert, die würde ich unterschreiben.

Um welche D&D-Edition geht es denn eigentlich?

Offline Arldwulf

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Ich denke man muss dort zwei Dinge trennen, und zwar die Betrachtung konkreter D&D Editionen und die allgemeine Frage.

Ganz konkret auf D&D bezogen gibt es durchaus die Möglichkeit Charakterspiel, Diplomatie und Intrigen mit Regelunterstützung auszuspielen. Das Klischee, D&D würde nur für den Kampf etwas bieten stimmt so nicht, je nach Edition wird für die Spielsituationen außerhalb von Kämpfen eigentlich sehr viel geboten. Auch mehr als ich dies in anderen Regelwerken erlebt hab, in denen diese Situationen einfach nur mit einem Würfelwurf abgehandelt wurden.

Die Grundannahme "D&D hat dort nix, und darum kann man ganz frei handwedeln" stimmt dort also schon nicht.

Aber auch ganz generell haut das ganze halt nicht hin, Regelwerke profitieren davon wenn sich jemand vorab Gedanken macht wie Situationen ins Spiel gebracht werden können und dafür Hilfsmittel bereit stellt. Und zwar explizit auch Situationen in denen es um Charakterfokus geht und darum die Eigenschaften der unterschiedlichen Charaktere hervorzuheben.

Offline Weltengeist

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Der im Threadtitel formulierten These würde ich auch nicht zustimmen. (die Zuspitzung lese ich aus der <Zusammenfassung aber auch gar nicht so deutlich heraus).

So sehe ich das auch. Da lese ich eher: Die Verwendung eines kampforientierten Systems schließt charakterorientiertes Spiel nicht aus. Diese Beobachtung kann ich so unterschreiben.

Sie ist aber noch einen ganzen Tacken entfernt davon, dass ein kampforientiertes System ideal wäre für charakterorientiertes Spiel. Gerade D&D5 wäre da für mich sogar ein Negativbeispiel, weil so viel von den Würfeln abhängt und so wenig von dem, was am Spieltisch passiert und was der Charakter tatsächlich kann. Ein Automatismus (Fokus auf Kampfregeln = gute Eignung für Charakterspiel) besteht da jedenfalls ganz sicher nicht.
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Offline Arldwulf

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Es geht halt auch darum wie Kämpfe funktionieren. Habe ich z.B. ein System in dem beim Würfeln der Initiative in einen anderen Modus geschaltet wird und alle Charaktere plötzlich ihre Unterschiede verlieren so endet dort natürlich Charakterspiel und Kämpfe stehen aktiv dem Rollenspiel im Weg.

Aber auch hier gibt es im D&D Bereich natürlich sehr gute Beispiele wie genau diesem Effekt entgegen gewirkt werden kann, so dass Charaktere auch in den Kämpfen individuell bleiben und unterschiedliche Dinge tun.

Offline Kaskantor

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DCC wäre vielleicht ein besseres Beispiel als DnD.

Da gibt es Kampfregeln, aber da es keine (kaum) Fertigkeiten gibt, wird das soziale Spiel komplett über reden und nicht über Würfeln geklärt.
Also trifft vermutlich auch für sämtliche OSR-Spiele zu, aber da habe ich nicht überall Aktien drin.
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Offline Weltengeist

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DCC wäre vielleicht ein besseres Beispiel als DnD.

Da gibt es Kampfregeln, aber da es keine (kaum) Fertigkeiten gibt, wird das soziale Spiel komplett über reden und nicht über Würfeln geklärt.
Also trifft vermutlich auch für sämtliche OSR-Spiele zu, aber da habe ich nicht überall Aktien drin.

Das ist ja tatsächlich ein beliebtes Argument von OSR-Befürwortern: Charakterspiel hat kaum bis gar keine Regeln und findet daher komplett am Spieltisch statt. Schlecht für Introvertierte, großartig für Rampensäue und definitiv interessanter zu erleben als "Ich würfel dann mal auf 'Verführen', wobei ich noch +2 für 'Herausragendes Aussehen' und +3 für meinen Vorteil 'Du willst es doch auch' kriege." Aber das müssen dann halt auch alle so wollen, schon weil es eben auch komplett auf Spielleiterentscheidung rausläuft.
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Offline Runenstahl

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So sehe ich das auch. Da lese ich eher: Die Verwendung eines kampforientierten Systems schließt charakterorientiertes Spiel nicht aus. Diese Beobachtung kann ich so unterschreiben.
...
Gerade D&D5 wäre da für mich sogar ein Negativbeispiel, weil so viel von den Würfeln abhängt und so wenig von dem, was am Spieltisch passiert und was der Charakter tatsächlich kann.
...

Deine erste Aussage trifft auch meine Meinung sehr gut.

Was die zweite Aussage angeht: D&D hat mMn ziemlich gute Regeln für soziale Konflikte die sowohl die Werte der Charaktere als auch das Rollenspiel mit einbeziehen. Weil diese Regeln aber im DM Guide "versteckt" sind, kennt und nutzt die kaum jemand. In Kurzform: Durch das Rollenspiel kann man die Einstellung des Gegenübers ändern. Diese gibt an was mit guten Würfen dann überhaupt erreichbar ist. Und ja, es hängt viel von Würfeln ab aber es ist schon ein massiver Unterschied auf die Erfolgschance ob der Barde mit Überzeugen +10 den Wurf macht und dabei auch seine Inspiration opfert um einen Vorteil zu bekommen, oder ob der grummelige Magier mit Überzeugen +0 würfelt.
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Offline Sashael

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Zitat
Er vergleicht D&D mit einem Herd: Nur weil ein Herd überwiegend Funktionen zum Regulieren von Gasflammen bietet, heißt das nicht, dass man damit kein Essen zubereiten kann.

Ich muss zugeben, dass ich bei diesem Spruch das Gefühl habe, dass der Verfasser eigentlich nicht wirklich weiß, worum es ihm geht und er große Schwierigkeiten hat, sein unbestimmtes Gefühl zu Spielstilen in Worte zu fassen.

Denn  der Vergleich ist so mit der absurdeste Unsinn, den ich in der letzten Zeit gelesen habe.

Mein persönlicher Spielstil schwankt je nach System. Auch die Vorlieben meiner Spieler sind unterschiedlich. Ich habe Spieler, die möchten ihre Charaktere auf dem Papier ausdefiniert haben und das sich da Werte erhöhen, ist für sie integraler Bestandteil von PnP Rollenspiel. Heisst auch, dass der Spieler solange keine Diplomaten spielt, bis sein Char vernünftige Werte in dem Skill hat. Aber wenn er hohe Werte hat, spielt er auch deutlich mehr so, dass er durch Reden Konflikte lösen oder beeinflussen möchte.

Die besten Charaktermomente in Rollenspielrunden hatte ich in *Itras By* und Spielen aus dem *PbtA* Spektrum.
Die sind ja für ihre detaillierten Kampfregeln berüchtigt. ;)

Alles in allem seh ich das als ne These, geboren aus persönlicher anekdotischer Evidenz. Da hatte das GNS Modell ja mehr Fleisch auf den Rippen.
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


Leitet Itras By mit Battlemap. ;D

Offline nobody@home

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Solange "Kämpfen und Gewinnen" eines der Hauptstandbeine der standardmäßig voreingestellten Charakteraufstiegsregeln ist, wird sich D&D das "Hey, ich bin kampforientiert!"-Etikett auch völlig unabhängig von den konkreten einzelnen Kampfregeln anpappen müssen.

Ansonsten scheint mir zumindest meine persönliche Erfahrung zu zeigen, daß gerade in Kämpfen das Charakterspiel schnell in den Hintergrund tritt. Ist ja auch logisch -- da geht's für die ganze Gruppe oder zumindest den gerade in den Kampf verwickelten Teil derselben um Sieg oder Niederlage, wenn nicht gleich um Leben oder Tod, also spielt man da, wenn die Entscheidung mal ansteht, doch meist lieber "optimal" als "charaktergetreu". Gerade in solchen Situationen will ja keiner den Taschenlampenfallenlasser geben... 8] Und: je detaillierter Kämpfe verregelt sind, um so länger dauern sie auch, wenn sie erst mal angefangen haben.

Entsprechend geht mein Schluß eher in die umgekehrte Richtung: je öfter und länger im Spiel gekämpft wird, um so weniger Spielzeit bleibt für gewöhnlich überhaupt noch fürs "charakterfokussierte" Spiel übrig. Damit will ich jetzt Kämpfe im Rollenspiel nicht grundsätzlich schlechtreden -- Rollenspiel findet seine Spielwiese ja so gut wie immer in Abenteuergenres, da kann und soll es gar nicht allzu pazifistisch zugehen! --, aber ich halte mich dann doch lieber an Regeln, die diese Kämpfe einigermaßen flink abhandeln können und von sich aus keinen Druck machen, innerhalb von X Sitzungen mindestens Y von ihnen einzubauen, damit das System noch "korrekt" funktioniert (speziell von letzteren gibt's zum Glück genug zur Auswahl und selbst D&D5 hat zähneknirschend zumindest ein paar optionale Ideen dazu im DMG versteckt).

Offline Arldwulf

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Ansonsten scheint mir zumindest meine persönliche Erfahrung zu zeigen, daß gerade in Kämpfen das Charakterspiel schnell in den Hintergrund tritt. Ist ja auch logisch -- da geht's für die ganze Gruppe oder zumindest den gerade in den Kampf verwickelten Teil derselben um Sieg oder Niederlage, wenn nicht gleich um Leben oder Tod, also spielt man da, wenn die Entscheidung mal ansteht, doch meist lieber "optimal" als "charaktergetreu".

Ich denke dies ist ein guter Punkt und auch ein Ansatz an dem Rollenspiel-Systeme beeinflussen können wie viel Rollenspiel in den Kämpfen geschieht. Denn Optimal und Charaktertreu müssen sich halt nicht ausschließen. Insbesondere mittels Individualisierung von Charakteroptionen und Balancing dieser kann man sehr viel dafür tun in Kämpfen das Rollenspiel eben nicht enden zu lassen.


Offline treslibras

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Die These, dass das Fehlen von Regeln zu freiem Rollenspiel führen kann und dass das bei manchen Gruppen großartig funktioniert, die würde ich unterschreiben.


Ich glaube, dem kann man so zustimmen, und ist ja, wenn ich es richtig verstehe, Teil der Design-Philosophie von allen "narrativen" Systemen, dass man nicht viele Regeln und Würfelwürfe benötigt, um tolle Geschichten (kollaborativ) zu erzählen - und mit etwas Übung sogar klischee-befreitere Geschichten erzählen wird.

Es kommt halt maßgeblich auf die Gruppe / die Spielenden an.

Das ist aber keine neues Argument.
In den ganzen "DnD1/OSR ist geiler als alles"-Diskussionen war das auch schon immer ein (polemisch gegen "narrative" und "story-telling" Systeme vorgetragenes) Argument, dass basic DnD mit dem fast totalen Regelfokus auf Kampf auch schon mindestens genauso narrativ war.

Was nicht (gut) geregelt ist, spielt man umso intensiver - das finde ich zumindest nachdenkenswert.

Das Argument halte, abgesehen von der obigen breiten Zustimmung zu "kann sein", im engeren Sinne von "das ist so" zumindest für diskutabel.
 
Das Argument dreht sich ja negativ betrachtet darum, wenn ich es richtig verstehe, dass verregelte Konfliktlösungen dazu führen, dass die Erzählqualität darunter leidet.
Also am genannten Beispiel Mothership/Schleichen: anstatt das erzählerisch auszumalen und sich Gedanken zu machen darum, wie ich um das Alien herumkomme, brauche ich einfach nur auf Schleichen würfeln, und fertig ist die Laube.
Verregelt=weniger Erzähltiefe.

Diese Aussage stimmt aber nur dann, wenn man Rollenspiel von vornerein reduziert auf "Was ich erwürfle, denke ich nicht durch/erzähle ich nicht".
Das ist im Grunde genommen eine Polemik bzw. beschreibt erzählarmes RSP.

Auch in "duchgeregelten" Systemen können und werden Würfelwürfe - bei entsprechender Spieler-/Spielleitungsneigung - spannend erzählt/rationalisiert, die Chancen maximiert durch "erzählerische Vorteilsgenerierung", Nachdenken darüber wie man die Chancen erhöhen kann, Taktieren im Vorfeld etc. - Ob das passiert, hängt alleine von SL und S ab!

Es bleibt: Bestimmte Menschen können durch die Abwesenheit von "Vorsetzungen" zu mehr "Eigensetzungen" motiviert werden. Bei bestimmten Menschen können Regelsubsysteme zu einer Reduktion des Erzählens führen. Aber beides ist kein Automatismus, und das Fehlen von Regeln kann auch einfach zu einem Verkümmern von Spielaspekten führen (was ja genau die Problemstellung ist, aus der heraus der Blogautor argumentiert), genauso wie die Existenz von mehr Regeln zu mehr Erzählung motivieren kann (zum Beispiel: Erzählen durch "narrative Würfel" (Genesys), Success Level (Ja aber, nein aber), verregelte Motivatoren (z.B. "Leidenschaften" in Mythras).
"I don't care to belong to any club that will have me as a member." (Groucho Marx)

Offline First Orko

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Ich hab ne Theorie: Jedes System ist für Alles am Besten geeignet, weil man bei jedem SystemTM jederzeit alle Regeln weglassen kann, die stören.

No system matters.

 ~;D
It's repetitive.
And redundant.

Discord: maniacator#1270

Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Offline Raven Nash

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genauso wie die Existenz von mehr Regeln zu mehr Erzählung motivieren kann (zum Beispiel: Erzählen durch "narrative Würfel" (Genesys), Success Level (Ja aber, nein aber), verregelte Motivatoren (z.B. "Leidenschaften" in Mythras).
Zu Genesys kann ich aus zwei unterschiedlichen Gruppen sagen: Nö, haut nicht hin. Es wurde nicht mehr erzählt, eher im Gegenteil. Die meiste Zeit ging drauf, um zu entscheiden, was man mit den Vorteilen und Triumphen, bzw. Nachteilen und Despair, genau anfängt.
Ähnliches hab ich bei Ubiquity gesehen.

Es hängt also vor allem von den Spielern ab. Wenn die selbst kaum Ideen haben, was die Ausgestaltung betrifft, kommt mit oder ohne "Hilfsmittel" nichts rum.

Da finde ich jetzt bei A5e eher mehr Anreiz für Ausgestaltung in der Gruppe vor (mager ist es immer noch - da sind alles Naturwissenschaftler, die leben eher in Zahlen  ~;D).
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Offline Weltengeist

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Die meiste Zeit ging drauf, um zu entscheiden, was man mit den Vorteilen und Triumphen, bzw. Nachteilen und Despair, genau anfängt.
Ähnliches hab ich bei Ubiquity gesehen.

Hä? Da gibt's das doch alles gar nicht? Reden wir hier von Ubiquity so wie in Space:1889 oder HEX?
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Offline Raven Nash

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Hä? Da gibt's das doch alles gar nicht? Reden wir hier von Ubiquity so wie in Space:1889 oder HEX?
Success Level gibt's, das meinte ich. Im Kampf ist's einfach, da ist zusätzlicher Schaden - aber außerhalb des Kampfes wusste eigentlich keiner, was er damit anfangen soll.
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Offline AlucartDante

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Und demnächst machen wir sozialorientierte Systeme um ideal kampffokussiert zu spielen?!

Das ist doch das beste Argument bisher.

Klar kann man mit jedem Rollenspiel alles spielen. Meine eine DnD-Runde war auch sehr charakterfokussiert. Trotzdem wurde ich oft schon gefragt, warum ich DnD spielen will, wenn ich nicht kampf- sondern charakterfokussiert spielen will. Wenn man nicht typisch DnD spielen will, wird es schnell andere Systeme geben, die das besser können.

Ich glaube aufgrund dieser Erfahrungen auch Schwächen am Regelwerk deutlicher gespürt zu haben, als jemand der DnD so spielt, wie es gedacht ist.

Zumal allein schon bei der Charaktererschaffung man keinen TSA-Priester oder Zuckerbäcker ohne Kampfskills spielen kann. Das ist ja gerade ein riesiger Vor- bzw Nachteil von DND.

Und auch klar, man kann ein Rollenspiel schneller und einfacher spielen, wenn die Regeln bekannt sind. Dann sind vl alle mit DND fokussierter auf Grusel, anstatt auf Verstehen der Regeln, aber das heißt nicht, dass Cthulhu das Genre generell schlechter abbildet.

Offline Arldwulf

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Was ich halt auffällig finde: das Ursprungsbeispiel mit dem Einsichtwurf nach philosophischer Diskussion ist eigentlich extrem simpel gestrickt und eher ein Beispiel dafür wie mit mehr Regeln zu dem Thema und besserer Regelunterstützung so etwas weitaus vielschichtiger aufgezogen werden könnte.

Natürlich zeigt das Beispiel: Auch mit wenig Regelunterstützung kann man so etwas machen.

Aber mit mehr würde halt etwas noch viel besseres dabei heraus kommen.

Offline Raven Nash

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Aber mit mehr würde halt etwas noch viel besseres dabei heraus kommen.
Das ist eine gewagte Hypothese.
Wenn ich mir z.B. Actual Plays ansehe, dann kann ich sagen: Schauspielerischer Hintergrund (Voice Acting zähle ich da dazu) = besseres Charakter-/Storyspiel, völlig unabhängig des Systems. Ohne diesen Hintergrund bleibt es meist bei "Gut gemeint" - und wir wissen was das ist.

Meine These ist also: Schauspielerisches Talent und/oder Hintergrund der Spieler bringt besseres Charakterspiel, völlig ungeachtet des Systems. Diese blühen in der "Leere" von kampforientierten Systemen auf, während Spieler ohne all das auch mit vielen Hilfsmitteln vergleichsweise nur mäßiges Charakterspiel hinbekommen. Das ist aber auch völlig OK, da wir ja kein Impro-Theater spielen, und die meisten Runden wohl auch nicht Geld mit Streams verdienen.
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